Australien und Ozeanien

1. Australien

1.1 Geographie

A. ist der fünftgrößte Kontinent der Welt und ist mit etwa 7 700 000 m2 nur wenig kleiner als Europa (9 900 000 m2). Nach Russland, Kanada, den USA, China und Brasilien ist A. der sechstgrößte Staat. Seine Oberfläche ist mehr als doppelt so groß wie die des siebtgrößten Staates der Welt (Indien).

A. ist der älteste, flachste und trockenste Kontinent. Anders als in Europa und Nordamerika, wo einige Landschaften von der letzten Eiszeit geformt wurden, hat sich der australische Kontinent in Mio. von Jahren kaum verändert.

Weniger als 1 % des Landes liegt auf einer Höhe von mehr als 1 000 m über dem Meeresspiegel. Nur in den Snowy Mountains im Südwesten des Landes finden sich Berge, die mehr als 2 000 m hoch sind. Dort liegt auch der höchste Berg des Landes, der Mount Kosciuszko (2 228 m).

1.2 Klima

A. ist von einer großen Zahl unterschiedlicher Klimazonen geprägt. Der Norden des Kontinents ist tropisch, die sich nach Süden anschließenden Küstenregionen subtropisch bis gemäßigt und das Landesinnere arid. Mehr als 80 % des Landes verzeichnen einen Jahresniederschlag von weniger als 600 mm.

1.3 Bevölkerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügte A. über eine Bevölkerung von 7,4 Mio. Einwohnern. Im April 2016 überschritt die Bevölkerungszahl die 24-Mio.-Schwelle und hat sich damit in 70 Jahren mehr als verdreifacht. A. weist in der OECD – nach Luxemburg, der Schweiz und Neuseeland – mit 27,6 % (2013) den vierthöchsten Anteil an im Ausland geborenen Bürgern auf: mehr als doppelt so hoch wie im klassischen Einwanderungsland USA (13,1 %) oder Deutschland (12,8 %).

1.4 Politisches System und Staatsform

A. ist ein demokratischer Bundesstaat im Commonwealth of Nations (Commonwealth). Entstanden ist der heutige Staat aus den früheren britischen Kolonien New South Wales, Queensland, South Australia, Tasmania, Victoria und Western Australia (Kolonialismus). Bis heute haben sich die sechs Bundesländer Besonderheiten bewahrt und verfügen über sich unterscheidende Strukturen in der Legislative. A. ist auch im 21. Jh. eine parlamentarische Monarchie. Staatsoberhaupt ist die Königin von England. Die Regierungsgewalt liegt formal bei ihrem Vertreter in A., dem Generalgouverneur, aber für gewöhnlich ist diese Rolle rein zeremoniell. Eine wichtige Ausnahme von der Regel, dass der Generalgoverneur mithin keine politische Rolle spielt, war die Entlassung von Premierminister Gough Whitlam durch Gouverneur John Kerr am 11.11.1975.

1.5 Verfassung

In die in den 1890er Jahren entwickelte australische Verfassung flossen sowohl das britische als auch das US-amerikanische Vorbild ein. Die Delegierten zur australischen verfassungsgebenden Versammlung orientierten sich insb. in Fragen der Bundesstaatlichkeit an der Verfassung der USA. Aus den USA kamen auch Idee und Name für den Senate, die Institution zur Vertretung der Länderinteressen, sowie die Bezeichnung für die erste Kammer (House of Representatives). In Anlehnung an den amerikanischen Supreme Court wurde der High Court zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit bestimmter Maßnahmen geschaffen.

Das amerikanische Modell inspirierte auch die Schaffung eines föderalen Staates (Föderalismus) in A. Die Architekten der Verfassung folgten ihm in seiner Grundstruktur, in der Teilung von Rechten und Pflichten zwischen Bund und Ländern sowie in der Struktur des Parlaments mit einem Repräsentantenhaus und einem Senat. Allerdings wurde die australische Verfassung mit einem Gesetz des britischen Parlaments in Kraft gesetzt und enthielt keine Präambel zu den allgemeinen Menschenrechten.

1.6 Parlament

Das australische Parlament besteht aus dem Repräsentantenhaus mit 150 Mitgliedern und dem Senat. Die Mitglieder des Repräsentantenhauses werden spätestens alle drei Jahre gewählt. Nur jeweils die Hälfte der 76 Senatoren stehen bei den Parlamentswahlen zur Wahl. Die sechsjährige Amtszeit im Senat soll dem Parlament ein größeres Maß an Stabilität verleihen und die Unabhängigkeit der Mitglieder stärken. Beide Häuser haben gleichrangige Gesetzgebungsrechte (Gesetzgebung), wobei der Senat keine für den Haushalt relevanten Gesetze verändern oder hervorbringen darf.

Das Verhältnis beider Kammern zueinander ist ein spezifisch australisches Konstrukt: Das Repräsentantenhaus gilt als Kammer der Regierung (house of government), während der Senat die weniger bedeutende Überprüfungsinstitution ist (house of review).

1.7 Gerichtsbarkeit

Eine wichtige Rolle im politischen System A.s nimmt das oberste Gericht, der High Court of Australia, ein. Die Mitglieder des siebenköpfigen Gerichts werden vom Generalgouverneur auf Empfehlung des Generalstaatsanwalts (Attorney-General) ernannt. Der High Court ist ein Berufungsgericht in sämtlichen Rechtsangelegenheiten. Im 20. Jh. stand er noch lange im Schatten der kolonialen Vergangenheit des Landes. Bis 1968 war der britische Kronrat die oberste Berufungsinstanz. Von der Erklärung der Unabhängigkeit A.s bis zur gänzlichen Lösung von Großbritannien in juristischen Fragen vergingen 85 Jahre, obwohl in der Verfassung schon 1901 dem High Court das letzte Wort bei der Verfassungsinterpretation (Verfassungsgerichtsbarkeit) eingeräumt worden war.

A. weist eine Vielzahl unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten (Gerichtsbarkeit) und Tribunalen für Zivil- und Strafsachen auf: Abhängig von Gegenstand und Bundesland stehen bis zur obersten drei bis vier Instanzen zur Verfügung.

1.8 Regierungssystem

Die australische Verfassung ist überraschend ungenau bei der Beschreibung der Struktur und Aufgaben der Exekutive (Gewaltenteilung). So werden weder Obliegenheiten noch Rechte des Premierministers erwähnt. Stattdessen überträgt die Verfassung dem britischen Staatsoberhaupt und dessen Generalgouverneur sämtliche Regierungsaufgaben. Bestimmte Maßnahmen, etwa die Ernennung von Ministern (Minister), kann der Generalgouverneur nach eigenem Gutdünken (at his pleasure) erledigen. Insofern knüpft die australische Verfassung an die Fiktion der britischen Verfassung bzgl. der uneingeschränkten Macht der britischen Krone an. In der Praxis agiert der Gouverneur auf Ratschlag der Regierung.

Obwohl Premierminister in der Verfassung nicht explizit erwähnt werden, haben sie in der Praxis große Bedeutung. Diese leitet sich aus der britischen Verfassungstradition und den darin enthalten Konventionen her. Die Premierminister der Konservativen haben allerdings etwas größere Macht als diejenigen der Labor Party. Erstere besetzen die Ministerämter ihres Kabinetts selbst, während die Ministerinnen und Minister einer Labor-Regierung nicht vom Premierminister, sondern von den einzelnen Parteigruppen (factions) ausgesucht werden. Dem Premierminister kommt lediglich die Aufgabe zu, unter den ausgesuchten Personen die Ministerien zu verteilen.

Die Bedeutung der Parteien für die Wahl und die anhaltende Unterstützung des Premierministers ist ungewöhnlich hoch: Letzere sind von den Parteien eingesetzt und können kurzfristig entlassen werden: Kevin Rudd, Julia Gillard und Tony Abbott verloren durch parteiinterne Misstrauensvoten ihre Ämter. Für die Abberufung ist die einfache Mehrheit der Abgeordneten (Repräsentantenhaus und Senat) erforderlich. Australische Premierminister sind also ständig mit der Gefahr des plötzlichen Machtverlustes konfrontiert und dadurch gezwungen, mit den Parlamentskollegen auskömmliche Beziehungen zu pflegen.

In der Verfassung hat der Rat der Regierung (Executive Council) die Aufgabe, die Macht des nicht-gewählten Generalgouverneurs zu beschränken. Sowohl in der Bundes- als auch in den Länderverfassungen kommt diesen Räten große formale Bedeutung zu. Sie gelten als notwendig zum Funktionieren von Regierungen, bleiben aber nahezu unsichtbar. Das britische Pendant ist der Kronrat (Privy Council). Mitglieder des Regierungsrates sind die Angehörigen des Kabinetts, also die Minister und teilweise Staatsekretäre (Staatssekretär). Allerdings müssen nicht alle dem Kabinett angehören, auch frühere Regierungsmitglieder können im Rat vertreten sein.

1.9 Staatsaufbau und Bundesstaaten

Zwischen Bundesregierung und Bundesstaaten entfalteten sich im Laufe der Geschichte immer wieder in der Verfassung begründete Spannungen. Die Bundesstaaten besitzen die Gesetzgebungskompetenz für das tägliche Leben (daily life) betreffende Politikfelder, insb. für die Bereiche Bildung (Bildungspolitik) und Erziehung, Gesundheit (Gesundheitspolitik), Straßenbau, Wohnungsbau und Polizei. Rechte und Aufgaben der Länder sind nicht explizit in der Verfassung festgehalten, die Aufgaben der Bundesregierung schreibt Art. 51 der Verfassung fest. Dazu zählen:

a) Funktional der Bundesregierung zuzuordnende Politikfelder (national in character), v. a. Landesverteidigung (Sicherheitspolitik) und Außenpolitik;

b) Die meisten Felder der Wirtschaftspolitik: Binnenhandel; Erhebung von Steuern (Steuer) und Abgaben; Kreditaufnahme; Post, Telegraphie und Telefon; Volkszählungen und allgemeine Statistik; Währung; Banken und Versicherungen (Versicherung); Maße und Gewichte; Konkursrecht; ausländische Firmen sowie das System verbindlicher Schlichtung zwischen den Tarifparteien (conciliation and arbitration);

c) Soziales: Sozialleistungen (Sozialpolitik) Ehe und Familie (Familienpolitik) sowie die Sorge für ethnische Gruppen.

Das föderale System A.s gibt den Bundesstaaten ein relativ hohes Maß an Autonomie. Jeder hat einen eigenen Vertreter der Königin und eine eigene Regierung. Unterhalb der Länderebene findet sich die offiziell als Local Government Areas bezeichnete kommunale Verwaltung, die in der Verfassung nicht explizit erwähnt wird und deren Aufgaben auf die Kommunen delegierte Länderaufgaben sind. Wichtige staatliche Aufgaben, etwa Schulen (Schule), Polizei oder Feuerwehren, werden grundsätzlich von den Bundesstaaten bereitgestellt.

1.10 Wahlsystem

In A. werden Wählerinnen und Wähler relativ häufig zur Urne gerufen (Wahlen). Dafür verantwortlich sind neben den verschiedenen Regierungsebenen die vergleichsweise kurzen Legislaturperioden. Auf Bundesebene dauern diese maximal 36 Monate, können aber durch Entscheidung des amtierenden Premierministers verkürzt werden.

Das Wahlsystem ist kompliziert. Zu unterscheiden ist auf Bundesebene zunächst nach Senat und Repräsentantenhaus. Im Senat gilt ein Verhältniswahlrecht, was kleineren Parteien Einfluss verschafft. Im wichtigeren Unterhaus des Australischen Bundes handelt es sich im Kern um ein Mehrheitswahlrecht: In jedem Wahlkreis gewinnt der Kandidat, der die einfache Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen kann. Allerdings ist das einfache first-past-the post-System schon seit 1915 durch ein Präferenzsystem ersetzt.

Für alle australischen Staatsangehörigen über 18 Jahren und alle ausländischen Staatsangehörigen mit Daueraufenthaltsgenehmigung gilt Wahlpflicht. Die Wählerschaft ist stark von der Wahlpflicht und der aus zwei politischen Lagern bestehenden Parteienlandschaft – Labor Party auf der einen, Liberal und National Party auf der anderen Seite – geprägt. Diese Orientierung an politischen Lagern hat sich sehr lange gehalten, während das Mehrheitswahlrecht zudem den Aufstieg kleinerer Parteien verhindert hat.

1.11 Neuere Entwicklungen in der australischen Politik

Nach der Regierungszeit des konservativen Premierministers John Howard (1996–2007) ist die australische Politik von raschen Regierungswechseln, v. a. aber von zahlreichen Wechseln an der Spitze der Regierung, gekennzeichnet. Auf den Labor-Politiker K. Rudd (2007–2010) folgte J. Gillard (2010–2013). K. Rudd forderte J. Gillard 2013 erfolgreich heraus und wurde – für weniger als drei Monate – erneut Premierminister. Nach dem Wahlsieg der konservativen Allianz (Liberal und National Party) im September 2013 übernahm T. Abbott die Amtsgeschäfte. Schon bald parteiintern umstritten, wurde er im September 2015 von seinem Parteifreund Malcom Turnbull abgelöst.

M. Turnbull hat das Amt in schwieriger Zeit übernommen. A. muss seine Wirtschaftspolitik nach dem Ende der Sonderkonjunktur im Rohstoffsektor neu orientieren. Bis Mai 2016 hat die Regierung Turnbull aber noch kein klares Konzept für diese wirtschaftspolitische Wende vorgelegt. Aus den Wahlen am 2.7.2016 ging die konservative Allianz als knapper Wahlsieger hervor und verfügt im Unterhaus über eine eigene Mehrheit. Allerdings sieht sich der Premierminister trotzdem parteiinterner Kritik ausgesetzt.

1.12 Wirtschaft

Seit 1991 ist die australische Wirtschaft ununterbrochen gewachsen; selbst die weltweite Krise des Jahres 2009 hat A. nicht in eine Rezession (Konjunktur) gestürzt. Diese bemerkenswerte Entwicklung stößt jedoch an Grenzen: Die Zeiten hoher Gewinne aus dem Export von Eisenerz und anderen Rohstoffen nach China sind vorbei, und inzwischen erkennt die Politik die Notwendigkeit eines Strukturwandels.

Nach Jahren der Hochkonjunktur im Bergbau ist die verarbeitende Industrie A.s stark geschwächt. Die Abwanderung von Arbeitskräften in die Minen, v. a. aber der hohe Außenwert des Dollars machten ihr zu schaffen. Von 2017 an wird es in A. keine Automobilproduktion mehr geben, was eine 1945 begründete Ära beendet.

Die australische Volkswirtschaft steht vor Strukturproblemen, auf die Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften bislang keine überzeugende Antwort haben. A. hatte in den 1980er Jahren entschlossen reformiert, wettbewerbshemmende Regulierungen beseitigt und verzeichnete anschließend in den 1990er Jahren einen starken Anstieg der Produktivität. Von 1990 bis 2005 stieg die gesamtwirtschaftliche Produktivität (Produktion)von einem Indexwert von 75,6 auf 100. Zugleich entwickelte sich ein Immobilienboom, der in weiten Teilen des Landes bis heute anhält. Dessen zwischenzeitliche leichte Abkühlung fiel indes nicht auf, weil von etwa 2005 an der Rohstoffboom folgte – und erneut eine Wohlstandsillusion nährte.

Ohnehin wird die wirtschaftliche Entwicklung A.s häufig zu positiv interpretiert. Dies liegt v. a. an den auf den ersten Blick imposanten Wachstumsraten des BIP. So hat A. von 2005 bis 2014 ein durchschnittliches reales Wachstum von 2,8 % pro Jahr zu verzeichnen. Gerade im Vergleich mit anderen OECD-Ländern ist dies beeindruckend. Übersehen wird aber, dass ein wesentlicher Teil des Wachstums auf die Zunahme der Bevölkerung (Demographie) zurückgeht. Im Zeitraum 2005 bis 2014 wuchs diese im Schnitt um 1,5 % pro Jahr. Die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung ist daher bei weitem nicht so stark gestiegen wie es zunächst den Anschein hat: Im genannten Zeitraum betrug sie nur noch 1,2 %. Dies ist immer noch beachtlich, aber eben nicht ganz so überragend wie auf den ersten Blick.

Die australische Politik und Gesellschaft vermieden eine Weiterentwicklung der Wirtschaft des Landes über den Export von Rohstoffen hinaus. Ross Garnaut spricht von der „großen australischen Selbstzufriedenheit des frühen 21. Jahrhunderts“ (2013: 5).

Das Ende des Rohstoffbooms wird durch die Preisentwicklung bei Eisenerz verdeutlicht, dem australischen Exportschlager mit Exporten im Wert von 74 Mrd. australischen Dollar im Fiskaljahr 2013/14. 2011 wurden für Eisenerz 190 US-Dollar pro Tonne bezahlt; der Preis fiel 2016 bis auf unter 40 US-Dollar – ein Rückgang um mehr als 70 %.

Die lange Phase hohen Wirtschaftswachstums hat indes zu vergleichsweise soliden Staatsfinanzen (Staatshaushalt) geführt. 2015 betrug die Staatsverschuldung 44,2 % des BIP, einer der niedrigsten Werte in der OECD: im gleichen Jahr betrug der Durchschnitt aller zugehörigen Länder 115,2 % des BIP.

Sorge bereitet die hohe Außenverschuldung A.s. Die anhaltend hohen Leistungsbilanzdefizite – 2015 4,7 % des BIP – machen ebenso hohe Kapitalzuflüsse erforderlich. Dementsprechend wächst die Außenverschuldung: von Dezember 2010 bis Dezember 2015 von 1 148 Mrd. auf 1 911 Mrd. australische Dollar. Dies ist nahezu ausschließlich auf die Verschuldung privater Akteure zurückzuführen. Im internationalen Vergleich sind die privaten Haushalte (Haushalt, privater), v. a. wegen Immobilienkäufen, hoch verschuldet: 2013 betrug die entspr. Verschuldung in A. 110 % des BIP. Dies stellte unter den Industrieländern einen Spitzenwert dar: Nur in den Niederlanden lag dieser Wert mit 126 % des BIP noch darüber, während die Vergleichswerte für Deutschland (57 % des BIP) oder die USA (79 % des BIP) deutlich unter dem australischen Niveau lagen (Buttiglione u. a. 2014: 15).

1.13 Internationale Beziehungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg verzeichnete A. zwei deutliche Veränderungen der Außenpolitik. Zum einen hatte sich gezeigt, dass Großbritannien nicht mehr in der Lage war, A. hinreichenden sicherheitspolitischen Beistand zu gewähren. Zum anderen wuchs den USA die Rolle als neue Schutzmacht A.s zu. Bis heute ist der 1952 in Kraft getretene Vertrag (ANZUS-Pakt) das Rückgrat der australischen Außenpolitik. Dieser enthält eine gegenseitige Beistandsverpflichtung.

A.s Außenbeziehungen sind seit 1945 zugleich geprägt von einer allmählichen Annäherung an die asiatischen Nachbarstaaten. Insb. die bilateralen Beziehungen zur VR China (Ostasien) sind von großer und stetig wachsender Bedeutung: China ist der größte Handelspartner; seit Dezember 2015 ist ein Freihandelsabkommen (Wirtschaftsgemeinschaften) zwischen beiden Ländern in Kraft. Dieses Verhältnis ist jedoch keineswegs frei von Spannungen. A. setzt auf den Ausbau der Beziehungen, vertraut aber gleichzeitig auf die sicherheitspolitischen Garantien der USA. Dabei hat sich an den außenpolitischen Perspektiven Canberras in den letzten zehn Jahren nichts geändert. Der Aufstieg Chinas hat die Bedeutung der bilateralen Beziehungen gestärkt, aber ein gerüttelt Maß an Skepsis gegenüber den langfristigen Zielen der chinesischen Außenpolitik bleibt erhalten. Dabei setzen beide Regierungen auf intensiven Austausch, was sich in gegenseitigen Besuchen der Regierungsoberhäupter (2013 bzw. 2016) niedergeschlagen hat.

A. hat im 21. Jh. eine Liste von verteidigungspolitischen Prioritäten entwickelt:

a) Die Verteidigung des Landes gegen eine direkte militärische Bedrohung. Die Streitkräfte (Militär) sollen in der Lage sein, A. und seine Küsten auch ohne Unterstützung der USA zu verteidigen. Dieses Ziel hat absoluten Vorrang.

b) Die Wahrung der Stabilität in der unmittelbaren Nachbarschaft, also dem Südwestpazifik und Teilen Indonesiens.

c) Der Erhalt der Stabilität in Südostasien. A. beansprucht, sicherheitspolitische Entwicklungen in jener Region beeinflussen können.

d) Die Stabilität in den Beziehungen der asiatischen Großmächte. V. a. die Beziehungen zwischen China, den USA und Japan sollen – im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten der Mittelmacht A. – stabilisiert werden.

e) Der Beitrag A.s zur Stärkung einer liberalen Weltordnung.

A.s Außenpolitik wird im 21. Jh. ohne große Veränderungen weiterentwickelt. Abgesehen von der Bedrohung durch internationalen Terrorismus hatte A. bislang keine schweren Krisen (Krise) zu bewältigen. Mit den unmittelbaren Nachbarstaaten sind die Beziehungen stabil; insb. mit Indonesien hat A. konstruktive Beziehungen entwickelt. Gegenüber den Inselstaaten des Südpazifiks tritt A. als regionale Ordnungsmacht auf. Ein Risiko bleibt ein möglicher Konflikt der USA mit China. Heute ist unklar, welche der Parteien A. unterstützen würde.

1.14 Migration und Gesellschaft

Einwanderung und Einwanderungspolitik (Migration) sind das Herzstück der australischen sozialen und politischen Geschichte. Seit der Ankunft der ersten britischen Siedlerschiffe im Jahr 1788 wurde die Einwanderung nach A. vom Staat organisiert, gelenkt und finanziert. Heute sind mehr als 40 % der Bevölkerung entweder selbst nicht in A. geboren oder haben Eltern (ein oder beide Elternteile), die nicht in A. geboren wurden.

Von 1830 an haben Kolonialregierungen und später die Regierung des Australischen Bundes über einen Zeitraum von 150 Jahren v. a. britische Einwanderer durch Subventionierung der Reisekosten unterstützt. Diese assisted passage schemes wurden zunächst von der australischen Regierung, später auch von denen der Entsendeländer mitfinanziert. In der Kolonialzeit (Kolonialismus) wurden die entstandenen Kosten durch die Verkäufe von Land gedeckt.

Phasenweise mussten sich die Teilnehmenden verpflichten, eine bestimmte Zeit in A. zu bleiben und an einem von der Regierung festgelegten Arbeitsplatz zu arbeiten. Durch diese Politik beeinflusste die Regierung nicht nur die Auswahl der Einwandernden, sondern konnte diese auch gezielter einsetzen, etwa in Infrastrukturprojekten (Infrastruktur). Insgesamt hat A. Migrationsprozesse sehr viel stärker gesteuert und reguliert als die meisten anderen Einwanderungsländer.

Seit dem Zusammenschluss der ehemals unabhängigen australischen Kolonien zum Commonwealth of Australia 1901 verstand sich A. als misplaced continent, als europäisches Land am falschen Platz. Zur Konservierung seiner britischen „ethnischen Identität“ (Ethnizität) benötigte es die stetige entsprechende Zuwanderung.

Mit der Gründung des Australischen Bundes war eine Vereinheitlichung der Migrationspolitik verbunden. Die Kriterien für Zuwanderung wurden fortan zentral festgelegt. Zudem änderte sich der Schwerpunkt: Der Schutz vor der unerwünschten Einwanderung von Menschen aus Asien prägte die Einwanderungspolitik des jungen Staates. Die wichtigste Maßnahme, um nicht aus Europa stammende Menschen von der Bildung eines weißen, britisch geprägten A. auszuschließen, war der Immigration Restriction Act von 1901.

In den 1960er Jahren gerieten das Konzept der rassistisch (Rassismus) motivierten Einwanderungspolitik White Australia und die damit unterbundene Zuwanderung aus den Staaten des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraumes immer mehr in die Kritik. Endgültig beendet wurde die Politik von der Labor-Regierung unter G. Whitlam, der 1973 erklärte, die Einwanderungspolitik werde zukünftig Fragen von Rasse, Ethnie, Religion und Kultur als Auswahlkriterien außer Acht lassen.

Im 21. Jh. hat sich die australische Einwanderungspolitik systematisch auf den Ausbau einer gezielten Auswahl der Einwanderungswilligen aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation konzentriert. Dieser Wandel wurde begleitet von einer weiteren Verfeinerung des Auswahlprozesses. Um sicherzustellen, dass die Zugewanderten gleich nach Ankunft in A. arbeiten können, wurden die Mindestanforderungen bei den englischen Sprachtests erhöht. Zudem werden die Qualifikationsnachweise bereits vor der Ausstellung von Visa überprüft. Der Anteil der beruflich Qualifizierten an der Gesamteinwanderung betrug in den letzten zehn Jahren mit nur geringen Schwankungen etwa 2/3 der Zugewanderten.

Kritisch diskutiert wird die rigide Politik der australischen Regierung gegenüber Asylsuchenden (Asyl) und Flüchtlingen (Flucht und Vertreibung). Seit der sogenannten Tampa-Affäre im Jahr 2001 – die damalige Regierung verweigerte die Aufnahme von Flüchtlingen, die der norwegische Frachter Tampa in internationalen Gewässern gerettet hatte – werden nahezu keine Bootsflüchtlinge mehr ins Land gelassen. Diese harte Politik der Abschreckung funktioniert zwar, wird aber von Menschenrechtsaktivisten als inhuman kritisiert. Allerdings haben auch die Labor-Regierungen von K. Rudd und J. Gillard an dieser von den Konservativen eingeführten Politik keine Änderungen vorgenommen. Auch Premierminister M. Turnbull zeigt kein Interesse an einer Änderung der Asylpolitik.

In den letzten Jahren hat sich der Schwerpunkt der Einwanderungspolitik verändert. Die Regierung Abbott hat die Grenzsicherungsbehörde in das Einwanderungsministerium integriert. Zum 1.7.2015 nahm die neu geschaffene Australian Border Force ihre Arbeit auf. Einwanderung wird zunehmend unter Sicherheitsaspekten betrachtet. Kritiker befürchten, dass diese Schritte die Skepsis in der australischen Gesellschaft gegenüber Fremden stärken könnte.

2. Neuseeland

N. ist ein im Südpazifik gelegener Staat, der ebenso wie A. von britischen Siedlern stark geprägt wurde. N. hatte 2014 rund 4,5 Mio. Einwohner, ein Anstieg von 3,9 Mio. im Jahr 2002. Das Land hat eine Parlamentskammer (Parlament) mit i. d. R. 120 Abgeordneten (Abgeordneter).

N.s Parteienlandschaft (Parteien) ist von der starken Position der National Party geprägt. Der 2008 bis 2016 amtierende Premierminister John Key und sein Nachfolger Bill English konnten zwar nicht ohne Koalitionspartner regieren, aber seine Partei ist nicht auf die Unterstützung der großen Oppositionsparteien Labour und Grüne angewiesen. Die von beiden Parteien angestrebte gemeinsame Mehrheit ist gegenwärtig kaum zu erreichen.

Neben der National Party hat sich seit 1993 die konservative Partei New Zealand First etabliert, die Einwanderung (Migration) kritisch gegenübersteht.

Angesichts der abgelegenen Lage des Landes hatte die neuseeländische Politik lange auf hohe Schutzzölle und eigene Industrialisierung gesetzt. Anfang der 1980er Jahre wurde diese Politik zugunsten einer im internationalen Vergleich sehr liberalen Wirtschaftspolitik aufgegeben. N. setzt seitdem die eigenen Unternehmen internationaler Konkurrenz aus. Nach anfänglichen Schwierigkeiten behauptet sich die neuseeländische Wirtschaft im Wettbewerb, v. a. durch den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte (Land- und Forstwirtschaft) und touristischer Dienstleistungen (Tourismus).

N. ist mit A. seit 1983 in einem Wirtschaftsbündnis (Closer Economic Relations) verbunden (Wirtschaftsgemeinschaften). 2013 löste China A. als wichtigsten Handelspartner ab. N. gehörte 2015 zu den Gründungsmitgliedern der von China geführten asiatischen Infrastrukturentwicklungsbank AIIB. Der Einfluss Chinas auf die neuseeländische Politik wird angesichts seiner wachsenden ökonomischen Bedeutung in den kommenden Jahren vermutlich weiter wachsen.

3. Ozeanien

A. und N. sind ökonomisch und politisch die wichtigsten Staaten im Südpazifik. In deren Nachbarschaft liegen eine Reihe von Klein- und Kleinststaaten. Nur Papua Neuguinea verfügt über eine größere Bevölkerungszahl von rund 7,5 Mio. Einwohnern. Im Südpazifik finden sich aber auch Palau mit 21 000 und Tuvalu mit etwa 10 000 Bewohnern.

Die über den Südpazifik verstreuten Inselstaaten haben zusammen eine Einwohnerzahl von etwa 3,5 Mio. Menschen (ohne Papua Neuguinea), also weniger als A.s größte Stadt Sydney.

Tabelle 1: Bevölkerung und Wirtschaft ozeanischer Territorien (2014 oder neueste verfügbare Daten)

Land Bevöl-kerung in Tau-send Bevöl-kerungs-dichte pro Qua-dratkilo-meter Bevöl-kerungs-wachstum pro Jahr in Pro-zent Land-fläche in Qua-drat-kilome-tern Pro-Kopf-Wirt-schafts-leistung (in US-Dollar) BIP in Millionen US-Dollar
Amerikanisch-Samoa 55,4 277 0,2 200 k. A. k. A.
Fidschi 886,5 48,5 0,7 18 270 5 112 4 333
Französisch-Polynesien 279,8 76,4 1,1 4 000 k. A. k. A.
Guam 167,5 310,3 1,5 540 k. A. k. A.
Kiribas 110,5 136,4 1,8 810 1 510 308
Marschall Inseln 52,9 293,9 0,2 180 3 529 230
Mikronesien 104,1 148,6 0,3 700 3 057 343
Neuseeland 4 509,7 17,1 1,5 267 710 44 342 192 142
Nördliche Marianneninseln 54,5 118,6 1,2 460 k. A. k. A.
Palau 21,1 45,9 0,8 460 11 879 242
Papua Neuguinea 7 463,6 16,5 2,1 462 840 2 268 16 526
Samoa 191,8 67,8 0,8 2 840 4 172 775
Salomonen 572,2 20,4 2,0 28 900 2 024 1 099
Tonga 105,6 146,6 0,4 750 4 114 439
Tuvalu 9,9 329,8 0,2 30 3 826 54
Vanuatu 258,8 21,2 2,2 12,2 3 148 815

Quelle: Weltbank, World Development Indicators, eigene Zusammenstellung, http://databank.worldbank.org/data/reports.aspx?source=world-development-indicators#

Abgesehen von N. ist die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung in allen Staaten und Territorien O.s niedrig (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung). N. weist im Jahr 2014 eine Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung von über 44 000 US-Dollar auf, während in allen anderen Ökonomien, mit der Ausnahme Palaus, nur Werte von um 5 000 US-Dollar und darunter erreicht werden.

Entwicklungspolitisch (Entwicklungspolitik) stellt die Armut dieser Länder, verbunden mit vergleichsweise hohem Bevölkerungswachstum (Demographie), ein gravierendes Problem dar. Es gelingt nicht, die Wirtschaftsleistung auf ein Niveau zu heben, das mit A. oder N. auch nur entfernt vergleichbar wäre. Die Folge sind anhaltende politische Spannungen und Turbulenzen. V. a. die bevölkerungsreicheren Staaten Fidschi, Papua Neuguinea und die Salomonen waren in den vergangenen zehn Jahren von schweren Unruhen geprägt. Eine Überwindung dieser Entwicklungsprobleme ist nicht zu erkennen.

Vor diesem Hintergrund wächst das Interesse von Bewohnern ozeanischer Territorien, nach A. oder N. auszuwandern (Migration). Allerdings wählen die beiden Staaten Zuwanderer sehr genau aus und lassen – neben einer kleinen Quote von Flüchtlingen – nur qualifizierte Migranten ins Land. Potentielle Zuwanderer aus dem südpazifischen Raum weisen die gewünschten Qualifikationen nur selten auf, weshalb insb. A. in den letzten Jahren vermehrt temporäre Zuwanderung aus dem Südpazifik – etwa für Erntehelfer – erlaubt.

Seit einigen Jahrzehnten schon wird versucht, durch regionale Kooperation die Entwicklungsperspektiven der ozeanischen Volkswirtschaften (Wirtschaft) zu verbessern. Zunächst im Jahre 1971 von sieben Mitgliedern als South Pacific Forum gegründet (Cook-Inseln, Fidschi, Nauru, Tonga, West Samoa, A. und N.) hat sich der Kreis nach einer Namensänderung 1990 in Pacific Island Forum (PIF) auf gegenwärtig 14 Mitgliedsstaaten erweitert. Als neue assoziierte Mitglieder kamen im Jahre 2006 Neukaledonien und Französisch Polynesien hinzu.

In der Frühphase der Kooperation wurde über intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit diskutiert, aber weit reichende Integrationspläne (Integration) wurden rasch verworfen. Schon in jenen Diskussionen wurden die Asymmetrien in der Region als Problem identifiziert. Kleinere Ökonomien sind nicht in der Lage, mit den größeren Volkswirtschaften, etwa Fidschi, zu konkurrieren. Das geringe politische Gewicht der einzelnen Inselstaaten macht es ihnen schwer, sich individuell Gehör oder gar Einfluss auf der internationalen Bühne zu verschaffen. So versuchen die Opfer der radioaktiven Strahlung durch amerikanische Atomtests bis heute vergebens, von den USA für ihren Schaden finanzielle Kompensation zu erhalten. Eine akute Bedrohung zieht durch den Klimawandel auf. Der steigende Meeresspiegel ist für die einzelnen Inselstaaten unterschiedlich problematisch. In einzelnen Fällen mussten bereits Menschen umgesiedelt werden.

Seit 1989 haben die PIF-Länder sogenannte Post Forum Dialogveranstaltungen auf Ministerebene durchgeführt. Gegenwärtig hat das PIF 17 Partnerländer: China, die EU, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Kuba, Spanien, Südkorea, Malaysia, die Philippinen, Thailand, die Türkei und die USA. Im Wesentlichen sind dies die Länder, mit denen die einzelnen PIF-Staaten intensiveren Außenhandel betreiben.