Monarchie

1. Magisch-religiöse Ursprünge und kultische Praktiken

Monarchische Herrschaftsstrukturen gelten als die ältesten und urspr.sten Formen fortgeschrittener menschlicher Vergemeinschaftung. Es ist kein anderer frühzeitlicher Gesellschafts- und Staatsbildungsprozess bekannt, der sich erfolgreich außerhalb einer M. vollzogen hat. Dabei verband sich die Königsherrschaft bereits in den Hochkulturen Altägyptens, Kleinasiens und Mesopotamiens mit religiösen Ansprüchen, Erwartungen und Funktionen. Der ägyptische Pharao wurde als Inkarnation des Falkengottes Horus, später als Sohn des Sonnengottes Re verehrt. Dem hethitischen Labarna oblagen, ebenso wie dem akkadischen Gottkönig, v. a. religiöse, kultische und priesterliche Aufgaben. Überall firmierte Sakralität als Wesensmerkmal der Königsherrschaft. Sie diente nicht nur deren legitimierender Absicherung (Legitimation, Legitimität), sondern entsprach darüber hinaus einem offensichtlich tief verankerten anthropologischen Grundbedürfnis, das sich in sämtlichen Kulturkreisen der Welt über die Jahrtausende hinweg bis weit ins neuzeitliche Europa hinein erhalten hat.

Der weit verbreitete Glaube an die Erwählung und Einsetzung des Herrschers durch Gott verband sich auch bei den germanischen Stämmen und Staatswesen mit der Vorstellung eines durch bes. übernatürliche Kräfte ausgezeichneten Königsheils und verdichtete sich seit dem 11. Jh. in Frankreich (Philipp I.) und England (Eduard der Bekenner) zum dort weithin akzeptierten und praktizierten königlichen Thaumaturgentum, demgemäß der gesalbte und geweihte rechtmäßige Herrscher die wunderwirkende Fähigkeit besitze, an Skrofulose erkrankte Untertanen durch Handauflegen zu heilen – ein in England bis ins Restaurationszeitalter der 1660er Jahre, in Frankreich letztmalig bei der Krönung Karls X. 1825 zelebriertes Ritual.

Außerhalb des Einzugsbereiches westeuropäisch-rationalistisch geprägter Bewusstseinshorizonte haben sich religiös-sakral konnotierte M.-Modelle teilweise bis zur Gegenwart erhalten – so etwa in Marokko, in Thailand und (bis 2006) in Nepal. Auch einzelne monarchisch verfasste subnationale Stammes- und Herrschaftsverbände (z. B. in Ghana, Togo, Uganda) werden unterhalb der gesamtstaatlichen Ebene weiterhin von Königen repräsentiert, deren Stellung sich v. a. durch sakrale Vorstellungen und damit verbundene magisch-charismatische Praktiken legitimiert.

2. Antike Tradition und mittelalterliche Ausprägungen

In der griechisch-antiken Geisteswelt bildeten sich all jene Elemente und Motive heraus, die im gesamten europäischen Kulturkreis über die Jh. hinweg Möglichkeiten und Grenzen monarchischer Herrschaft in Theorie und Praxis bestimmen sollten. Homers indirekt vorgetragenes Plädoyer zugunsten königlicher Alleinherrschaft, deren Vorzüge er – neben der unmittelbaren physischen Präsenz bei Kult und Opfer – in einheitlicher militärischer Kommandogewalt, ausgewogener Handhabung des Richteramtes und verantwortungsvoller Sorge für das Wohl der anvertrauten Untertanen erblickte, bezeichnet jene Tugenden „guten“ Regierens, die später auch Aristoteles in seiner Verfassungstypenlehre der M. – im Gegensatz zu ihrer Entartungsform, der Tyrannis – als einer freilich zur eigenen Zeit vergangenen Staatsform zuspricht.

Rom, nach dem katastrophalen Ende des dort ursprünglichen, zur Tyrannis ausgearteten archaischen Königtums strikt antimonarchisch-aristokratisch verfasst und in diesem Sinn noch bei Cicero als grundsätzlich „republikanisch“ verortet, bildet mit Begründung des Prinzipats durch Augustus seit 27 v. Chr. dann für lange Zeit das Musterbild einer kultisch-sakral überhöhten Herrschaftsführung. Die weithin unbeschränkte souveräne Gewalt wurde theoretisch noch immer von Volk und Senat der römischen res publica dem Kaiser (imperator, caesar, augustus) übertragen und durch Adoption (seitens des Amtsträgers) oder Akklamation (seitens des Heeres) an den Nachfolger weitergegeben. Im heidnischen Rom durch Apotheose (consecratio) den Göttern gleichgestellt und wie ein Gott verehrt, wurde der Kaiser nach Verchristlichung des Amtes unter Konstantin I. 312 durch dessen ersten und wichtigsten Lobredner Eusebius von Caesarea in den Rahmen einer politischen Theologie hineingestellt. Hinfort amtierte er, christusgleich, als Auserwählter Gottes in irdischer Stellvertreterschaft des himmlischen Urbildes, trug die Verantwortung für eine von christlichem Geist bestimmte Lebensführung aller seiner Untertanen, bereitete sie auf das himmlische Reich vor und führte sie zu Christus hin.

Dieses im 4. Jh. grundgelegte spätantike Idealbild eines christlichen Herrschers wurde Muster und Maßstab für alle großen europäischen M.n des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Sowohl der französische als auch der englische König schöpfte entscheidendes legitimatorisches Potenzial aus seinem jeweiligen Rollenverständnis als erwählter Sachwalter Gottes (vicarius dei) auf Erden, in dessen Dienst herrscherliches Handeln und fürstliche Tugenden (Friedenswahrung, Rechtsprechung, Tapferkeit) ihre Erfüllung fanden. Das galt auch für das von starken „römischen“ Reminiszenzen zehrende Kaisertum Karls des Großen und aller den Karolingern im ostfränkischen (deutschen) Reich nachfolgenden mittelalterlichen Königs- und Kaiserdynastien, zumal seit der Kaiserkrönung Ottos I. 962 und verstärkt durch den renovatio-Gedanken Ottos III. ab 997. Sachsen und Salier, Staufer, Luxemburger und Habsburger empfanden ihren Herrschaftsauftrag als Verpflichtung auf die Gnade Gottes (Gottesgnadentum) und leiteten daraus die Würde einer sacra majestas ab, mit dem Anspruch, die Regierten auch in geistlicher Hinsicht zu beaufsichtigen.

Zwar wurden die für lange Zeit unbestrittene Kirchenhoheit des mit einer priesterähnlichen (nicht priestergleichen) Stellung bekleideten deutschen Königs und Kaisers, sein sakral begründeter Vorrang als Herr der Reichskirche und seine Rolle als von Gott bestimmter und Gott gegenüber Rechenschaft schuldiger Schutzherr des Glaubens während des Investiturstreits im 12. Jh. von päpstlicher Seite nachhaltig in Frage gestellt. Eine Entsakralisierung der monarchischen Idee war damit jedoch damals nicht verbunden, in Deutschland ebenso wenig wie in Frankreich und England. Allerdings stand die imperiale Konzeption des abendländischen Kaisertums, zumindest bis 1204, in heftiger Konkurrenz zum Weltherrschaftsanspruch des oströmisch-byzantinischen Kaisertums und wurde durch den schleichenden Machtverlust der monarchischen Reichszentralgewalt im späten Mittelalter, anders als in Frankreich und England, zunehmend fiktional. Es waren v. a. die kurfürstlich-fürstlichen Reichsstände, die den politischen Handlungsspielraum der kaiserlichen Zentralgewalt schrittweise einschränkten und eine immer stärkere Teilhabe an der Regelung von Reichsangelegenheiten einforderten – beginnend mit der gesetzlich verbrieften Wahl des Reichsoberhauptes durch das Kurfürstenkolleg in der „Goldenen Bulle“ von 1356 bis zu den Bestimmungen des Wormser (1495) und des Augsburger Reichstages (1555), welche die oberhoheitlichen Herrschaftsrechte des Reichsmonarchen auf weitgehend nur noch symbolisch-repräsentative Funktionen beschränkten.

3. Theorie und Praxis absoluter Fürstenherrschaft

Absolutistische Staatslehren (Absolutismus) und Herrschaftspraktiken formierten sich daher auf deutschem Boden in den landesfürstlichen Territorialherrschaften. Zum Vorbild geriet dabei das „Sonnenkönigtum“ Ludwigs XIV. in Frankreich. Dort war – nach Ausschaltung aristokratischer Privilegien, ständischer Mitwirkungsmöglichkeiten und regionaler Zwischengewalten – die unbeschränkte monarchische Selbstregierung bis zur vollständigen Ineinssetzung von Herrscher und Staat (L’état, c’est moi) gesteigert und in diesem Sinn von prominenten Zeitgenossen theoretisch gerechtfertigt worden, weil ein weiterhin auf göttlichem Herrscherrecht beruhendes und nur Gott gegenüber verantwortliches Königtum (Jacques Bénigne Bossuet) die Identität des Staatswesens am angemessensten zu wahren und als Träger unantastbarer Souveränität (Jean Bodin, Thomas Hobbes) Gesetz und Ordnung, Einheit und Frieden im Interesse der Bürger gegenüber der Vielfalt hadernder Parteiungen am besten zu garantieren vermochte. Der sichtbaren Bündelung von Macht, Glanz und Erhabenheit (gloire et grandeur) der französischen M. diente die Erhöhung und Isolierung der königlichen Existenz in Etikette und Zeremoniell. Hof und Hofgesellschaft wurden, ausgehend vom Versailler Beispiel, im 18. Jh. zum Vorbild für zahlreiche deutsche Fürstenhöfe, v. a. Brandenburg-Preußens (bis 1713) und Kursachsens (bis 1763). Höfische Repräsentation galt überall als Bestandteil einer um Prestige und Reputation bemühten monarchischen Selbstinszenierung.

Außerhalb Frankreichs, zumal im deutschen Raum, erfuhr die absolute Fürstenherrschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jh. ihre letzte stilprägende Formwandlung in Theorie und Praxis des Aufgeklärten Absolutismus, wofür Brandenburg-Preußen unter Friedrich II. ein viel beachtetes und kopiertes Muster darstellte. Hier wurde eine neue Auffassung vom Fürstenamt sichtbar, die nicht mehr einer Unterordnung allgemeiner Belange unter die persönlichen Interessen der Dynastie das Wort redete, sondern umgekehrt den Staat als eine überdauernde Größe empfand, der sich auch die Person des Monarchen einzufügen, und in dessen Rahmen er seine Herrscherpflichten zum Wohl des Landes und zur Beförderung „allgemeiner Glückseligkeit“ zu erfüllen hatte. Der Fürst wurde zum premier serviteur des Staates. Sein Herrschaftsrecht beruhte nicht mehr auf göttlicher Einsetzung, sondern gründete, in Übereinstimmung mit dem naturrechtlichen (Naturrecht) Denken der Aufklärung, rein diesseitig-funktional in der Fiktion einer zwischen Volk und Herrscher ausgehandelten Vereinbarung (Herrschaftsvertrag), derzufolge der Monarch als concitoyen nichts anderes als eine im Interesse der Regierten arbeitende Staatsinstitution war, die den Gemeinnutz zu fördern, Schutz und Rechtssicherheit für die Bürger zu garantieren und bei Nichterfüllung dieser Aufgaben die Existenzberechtigung verwirkt habe. Monarchen, die dem von Friedrich II. praktizierten Herrschaftsgestus folgten oder ihn fortentwickelten, waren u. a. König Karl III. von Spanien und Kaiser Joseph II. von Österreich, während in Russland unter Peter I. und Katharina II. nur eine oberflächliche Adaption „aufgeklärter“ Herrschaftsmaximen erfolgte und die Praxis zarischer Selbstherrschaft (samoderzavie) bis zur Konstitutionalisierung des Landes 1906 weitgehend ungeschmälert erhalten bleiben sollte.

Bestrebungen zum Ausbau einer absolutistischen Machtstellung des Königtums in England waren hingegen, trotz mancherlei Anläufen, insgesamt nicht erfolgreich. Die herrschaftstheoretische Herleitung des Königsamtes durch die bekannte Formel von der Übertragung der Macht Gottes auf dessen irdischen Stellvertreter, wie sie von den Verfechtern des divine right of kings (König Jakob I., William Barclay, Robert Filmer) prominent vorgetragen wurde, wies in eine Richtung, die den auf Interessenharmonie aller Glieder des body politic zielenden Traditionen des Inselreichs (king in parliament) wenig entsprach. Sie scheiterte mit dem Sturz der Stuart-Dynastie 1688 ebenso wie der ephemere Versuch König Georgs III., durch Etablierung eines persönlichen Regiments nach 1760 ein monarchisches Gegengewicht zur selbstsüchtigen Cliquen- und Pfründenwirtschaft partikularer Interessengruppen im Unterhaus zu schaffen und als patriot king (Henry St. John Bolingbroke) das Land an der Seite des Volkes und zu dessen Wohl oberhalb und jenseits aller Parteien und Fraktionen zu regieren. Stattdessen gelangte in England zunehmend jenes Modell monarchischer Herrschaft zur Geltung, das – orientiert am Gedanken der Gewaltenteilung (Charles de Montesquieu) und am System wechselseitiger Machtverschränkungen, Hemmungen und Gleichgewichte (checks and balances) zwischen Königtum, Oberhaus und Unterhaus als den drei Trägern einer mixed constitution – herausragende Bedeutung für die Verfassungsentwicklung vieler kontinentaleuropäischer Länder im 19. Jh. gewinnen sollte, in denen sich die Souveränität und Gesetzgebungskompetenz von der Krone auf das Parlament verlagerte.

4. Formwandlungen im 19. und 20. Jh.

Nach den Erschütterungen der Französischen Revolution und dem Scheitern des von Napoleon Bonaparte unternommenen Versuchs der Neugründung eines universalen Kaisertums – mit nun freilich eindeutig hegemonialen Ansprüchen und auf plebiszitär-diktatorischer Basis (premier empire) – war die Institution der M., trotz der Restauration von 1815, prinzipiell angefochten. Eine Rückkehr zu absolutistischen Modellen älterer Provenienz war wenig zukunftsträchtig. Europäische Fürstenherrschaft bedurfte neuer, zeitgemäßer Formen legitimatorischer Absicherung, um den aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen zu begegnen. Sie hat dabei ein erhebliches Modernisierungspotenzial entfaltet und beträchtliche Anpassungsleistungen vollzogen, um die Loyalitätsbindung breiter Bevölkerungsschichten im langen 19. Jh. zu erhalten oder zu erneuern.

Drei der dabei typologisch zu erfassenden M.-Modelle besaßen einen eher begrenzten Wirkungsradius:

a) das Bürgerkönigtum, das, ausgehend vom orléanistischen Frankreich der 1830er und 1840er Jahre, im vormärzlichen Europa (Preußen, Belgien), aber auch noch in zahlreichen deutschen landesstaatlichen M.n um und nach 1900 (Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden) ein Leitbild darstellte und einen bestimmten, an „bürgerlichen“ Tugenden orientierten Habitus der Kronenträger suggerierte, jedoch nicht immer seine Entsprechung in der staatlichen Wirklichkeit fand;

b) das Soziale Königtum, dessen Verfechter den Schulterschluss zwischen Krone und Arbeiterschaft im Sinne einer aktiv führenden Rolle des Monarchen als Promoter einer fortschrittlichen Sozialreform propagierten und in Preußen publizistisch-akademisch (Joseph Maria von Radowitz, Hermann Wagener, Ferdinand Lassalle), in Frankreich durch konkrete sozialpolitische Maßnahmen (Napoleon III.) eine Zeitlang von sich reden machten;

c) das Kulturkönigtum, manifestiert durch eine vielfach verzweigte Mäzenatentätigkeit, mit der v. a. fürstliche Regenten deutscher Territorial-M.n (Bayern, Preußen, Sachsen-Meiningen, Hessen-Darmstadt) ihren Herrschaftsanspruch zu legitimieren und ihre Popularität zu steigern vermochten.

Zwei weitere Erscheinungsformen monarchischer Herrschaft im 19. Jh. ermöglichten dem Königsamt eine weitreichende Anpassung an die seit 1789 erfolgten politischen Wandlungsprozesse: Das Konstitutionelle Königtum (Konstitutionalismus), das den Monarchen durch Einbindung in die Modalitäten der Verfassungsstaatlichkeit mittels Schaffung einer Machtbalance zwischen Krone und Volksvertretung zu einem integralen Bestandteil des politischen Lebens machte, entwickelte sich bis 1914 zum Normalfall europäischer Verfassungsstandards, nicht zuletzt für die neu etablierten M.n in Südosteuropa. Das Nationalisierte Königtum schließlich verlieh den Kronenträgern im Arrangement mit den jeweiligen Nationalbewegungen (z. B. Italien, Rumänien) die legitimitätssteigernde Qualität nationaler Identifikations- und Symbolfiguren.

5. Bilanz und Perspektive

Mit dem Verschwinden zahlreicher Kronen Europas nach 1917 (Deutschland, Österreich, Russland) bzw. 1945 (Italien, Südosteuropa) als Folge von Krieg oder Okkupation ist das monarchische Zeitalter im Wesentlichen beendet, obwohl außerhalb Europas auch im 20. Jh. zahlreiche M.n eine zeitweise erhebliche Wirkungsmacht zu entfalten vermochten (z. B. Iran bis 1979). Von den heute noch auf allen fünf Kontinenten existierenden 28 souveränen M.n besitzen einige wenige, v. a. im islamisch-arabischen Raum, absolutistische bzw. autoritäre Züge, die meisten anderen sind parlamentarisch oder konstitutionell verfasst. Sie weisen dem Monarchen im Idealfall die Funktion eines neutralen Vermittlers zwischen den verschiedenen Parteien und Interessengruppen in Staat und Gesellschaft zu, der selbst weder unmittelbar politische Macht besitzt noch als eigenständig handelnder Faktor in Erscheinung tritt, dafür aber seine moralische Autorität als ausgleichende schiedsrichterliche Instanz (pouvoir neutre) in Fragen von nationaler Bedeutung zur Geltung bringt, etwa in Belgien, Spanien oder Japan. Von den nach 1945 in Europa depossedierten Dynastien besitzt heute nur noch das rumänische Königshaus unterhalb der staatlich-politischen Ebene eine anerkannte gesellschaftliche Stellung im Land.