Asyl

1. Begriff

A. bezeichnet im Allgemeinen eine Form der staatlichen Schutzgewähr zugunsten Angehöriger anderer Staaten, die in eine spezifische Notsituation (Verfolgung) geraten sind. Der A.-gewährende Staat nimmt durch die Schutzausübung jene grundlegenden staatlichen Pflichten wahr, die an sich dem Staat obliegen, welchem der Bedrohte angehört. Häufig ist der Heimatstaat des betroffenen Individuums seinerseits auch der Urheber der Gefährdung elementarer Rechtsgüter des Individuums (insb. Leib, Leben, Freiheit). Die A.-Gewähr dient dann dem Schutz vor staatlicher Verfolgung. Unter dem A.-Recht ist einerseits die Gesamtheit aller rechtlichen Normen zu verstehen, welche die Voraussetzungen und Modalitäten der Schutzgewähr festlegen, andererseits bezeichnet es das subjektive Recht auf A., das durch asylrechtliche Normen dem Einzelnen zugeordnet wird. Asylrechtliche Vorschriften bestehen auf staatlicher und zwischenstaatlicher (völkerrechtlicher) Ebene. In der EU findet sich zudem ein weit entwickelter acquis überstaatlicher (transnationaler) Normen. Kein A. im modernen Rechtssinn stellt das sogenannte Kirchenasyl dar, da infolge der territorialen Souveränität des Staates dieser allein für sein Gebiet – im Rahmen seiner völkerrechtlichen und supranationalen Bindungen – die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für die asylrechtliche Schutzgewähr festlegt. Die historischen Wurzeln des A.-Rechts gehen bis in die Antike zurück. Der Herkunftsbegriff asylon bezeichnete dabei einen religiös definierten Ort, an dem eine Person Zuflucht suchen konnte, d. h. vor Selbsthilfemaßnahmen Dritter geschützt war.

2. Normenbestand

Nach Art. 14 Abs. 1 der AEMR vom 10.12.1948 hat jeder Mensch das Recht, „in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen.“ Trotz der fehlenden Verbindlichkeit der Menschenrechtsdeklaration hat die universelle Anerkennung des A.-Rechts durch die Generalversammlung der UNO die A.-Rechtsentwicklung befördert. Zentrale Bedeutung kam dabei von Anfang an dem Flüchtlingsschutz zu. Das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951) normierte zunächst einen einheitlichen Flüchtlingsstatus in Hinblick auf vor dem 1.1.1951 liegende Verfolgungsereignisse. Durch das New Yorker Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.1.1967 wurde die zeitliche Beschränkung des Anwendungsbereichs aufgehoben. Art. 1 GFK legt unter A. 2 den Flüchtlingsbegriff fest. Flüchtling ist danach jede Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; […].“ Das gleiche gilt nach dieser Vorschrift für staatenlose Individuen in Bezug auf das Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts. Die GFK knüpft an den Flüchtlingsstatus verschiedene Rechte und Pflichten. Art. 33 GFK verbietet den Aufnahmestaaten grundsätzlich die Aus- oder Zurückweisung von Flüchtlingen, wenn dadurch Leben oder Freiheit des Flüchtlings aus den genannten Verfolgungsgründen bedroht sein würden (Grundsatz des non-refoulement). Dieses Verbot greift auch bei begründeter Gefahr, dass ein dritter Staat den Betroffenen in den Verfolgerstaat weiterweist (Kettenausweisung). Ähnliche Nichtzurückweisungsgebote werden aus Art. 7 S. 1 des IPbpR vom 19.12.1966 sowie aus Art. 3 der EMRK vom 4.11.1950 abgeleitet, in denen der Einzelne vor Folter sowie unmenschlicher oder erniedrigender Strafe und Behandlung geschützt wird. Art. 16a Abs. 1 GG spricht allen politisch Verfolgten den Genuss von A. zu. Das deutsche verfassungsrechtliche A.-Recht ist in Hinblick auf die Verfolgungsgründe enger als das Genfer Flüchtlingsrecht, das in Deutschland nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG im Rang eines einfachen Bundesgesetzes steht. Es geht aber auch deutlich über die GFK hinaus, da es ein subjektives Recht auf A. gewährt, wohingegen die Flüchtlingskonvention Rechte für Personen begründet, denen dieser Status durch einen Aufnahmestaat zuerkannt wurde (Recht im A.). Über die A.-Gewährung entscheiden grundsätzlich die souveränen Staaten nach freiem Ermessen; es existiert kein völkerrechtlich anerkanntes subjektives A.-Recht. Das deutsche Recht ist stark durch das Recht der EU (Europarecht) determiniert, insb. durch die sogenannte Qualifikations-RL („QRL“, RL 2011/95/EU), in der die Anerkennungsvoraussetzungen normiert werden, und die Dublin III-VO (VO(EU) Nr. 604/2013), welche die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten abgrenzt. Die Vollzugswirklichkeit des Dublin-Systems ist allerdings zunehmend von Dysfunktionalitäten geprägt, es bestehen erhebliche Vollzugsdefizite, insbesondere mit Blick auf die faktische Gewährung des Weiterzugs von Asylsuchenden in andere Mitgliedstaaten.

3. Entwicklung

In der Anfangszeit der Bundesrepublik wurden GFK-Flüchtlinge ab 1953 auf Grundlage der VO über die Anerkennung und Verteilung von ausländischen Flüchtlingen vom 6.1.1953 (A.-VO) anerkannt, wohingegen politisch Verfolgten i. S. d. GG nur ausländerpolizeilicher Abschiebungsschutz gewährt wurde. Nach Art. 28 des AuslG vom 28.4.1965 wurden GFK-Flüchtlinge und politisch Verfolgte i. S. d. GG gleichermaßen als A.-Berechtigte anerkannt. Mit Erlass des AsylVfG vom 16.7.1982 wurde der das „A.-Recht“ betreffende vierte Abschnitt des AuslG (§§ 28–46) aufgehoben; das AsylVfG betraf aber nur politisch Verfolgte i. S. d. GG. GFK-Flüchtlingen wurde fortan Abschiebungsschutz nach dem AuslG gewährt (sogenanntes kleines A.). Mit dem A.-Kompromiss von 1993 wurde das Grundrecht auf A. aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG in den neuen Art. 16a GG ausgelagert und erheblich beschränkt. Das deutsche A.- und Flüchtlingsrecht wird heute durch das Recht der EU (Europarecht) weitgehend überformt. Nach Art. 13 QRL erkennen die Mitgliedstaaten die Flüchtlingseigenschaft und nach Art. 18 QRL den subsidiären Schutzstatus zu. Beide Schutzformen bilden das Konzept internationalen Schutzes, Art. 2 a) QRL. Nach Art. 2 f) i. V. m. Art. 15 QRL haben Einzelne Anspruch auf subsidiären Schutz, wenn ihnen – trotz fehlender Verfolgung i. S. d. GFK – bei Rückkehr ein bestimmter ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen) drohen würde. Daneben bestehen nationale Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (sogenannter nationaler subsidiärer Schutz). Insgesamt lässt sich heute von einem europäischen Recht auf A. sprechen, das den mitgliedstaatlichen A.-Rechtsbestimmungen – also auch Art. 16a GG – vorgeht bzw. in diesen umzusetzen ist. Während Art. 16a GG einen subjektiven Rechtsanspruch auf A.-Gewährung einschließlich Einreise- und Aufenthaltsgewähr enthält, ist dies bei seinem europarechtlichen Pendant aus Art. 18 der EuGRC umstritten und in Hinblick auf den Wortlaut („nach Maßgabe“ der Genfer Flüchtlingskonvention und des EU-Rechts) nach vorzugswürdiger Ansicht zu verneinen. Die QRL statuiert grundsätzlich eine Anerkennungspflicht bzgl. GFK-Flüchtlingen (Art. 13) bzw. subsidiär zu Schützender (Art. 18). Nach der A.-Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) können jedoch Nicht-EU-Staaten als sichere Dritt- und Herkunftsstaaten festgelegt werden. Infolge der weitgehenden Überlagerung durch EU-Recht hat Art. 16a GG stark an Bedeutung verloren. Nach Art. 3 QRL ist es den Mitgliedstaaten zwar gestattet, günstigere Schutznormen aufzustellen. Nach Ansicht des EuGH darf dies jedoch nicht zu einer „Verwechslung mit der Rechtsstellung des Flüchtlings im Sinne der Richtlinie“ führen, es bedarf einer „klare[n] Unterscheidung des nationalen Schutzes von dem Schutz gem. der Richtlinie“ (EuGH, Rs. C-57/09, u. a., Rdnr. 120 f.). Das BVerwG hat daraufhin festgestellt, dass „die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Asylberechtigung nach Art. 16a GG […] der Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Richtlinie weitgehend entspricht“ (BVerwG, Urteil vom 31.03.2011, Az. 10 C 2.10, Rdnr. 53) und eine Verwechselbarkeit bejaht. Die Ausschlussgründe des Art. 12 Abs. 2 QRL (v. a. terroristische Betätigung Terrorismus), die in Art. 16a GG keine Entsprechung finden, sind daher auf das verfassungsrechtliche A.-Recht zu übertragen (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG). Da dem A.-Bewerber terroristische Aktivitäten nachgewiesen wurden, sah das BVerwG auch keinen Konflikt mit Art. 16a GG, denn nach der Rechtsprechung des BVerfG steht das Grundrecht seinerseits unter einem ungeschriebenen „Terrorismusvorbehalt“ (Wittreck 2013: Rdnr. 82 f.). Vieles spricht dafür, aus Gründen der Klarheit das verfassungsrechtliche A.-Recht insgesamt richtlinienkonform auszulegen. Art. 16a GG wird im Schrifttum als „europäisiertes Grundrecht par excellence“ angesehen, dass zusammen mit den einschlägigen Unionsrechtsbestimmungen eine „redundante[n] Doppelgewährleistung“ abbilde (Wittreck 2013: Rdnr. 39, 50). Der überschießende Gehalt des Art. 16a GG besteht im Wesentlichen in der Möglichkeit, eine hierauf gestützte Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anzubringen. Neuere gesetzliche Entwicklungen weisen in Richtung restriktiver Verfahrenspraxis. Insbesondere sind Schutzsuchende nun (wieder) für einen längeren Zeitraum (grundsätzlich 18 Monate) verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 47 Abs. 1 AsylG), ein Zugang zum Arbeitsmarkt wird in der Regel erst nach neun Monaten gewährt (§ 61 Abs. 1 AsylG). Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten (Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a AsylG, s. unter 4) müssen sogar während des gesamten Verfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, der Arbeitsmarktzugang ist ausgeschlossen. Der Gesetzgeber ist sichtlich bemüht, einerseits die Asylverfahren, einschließlich des gerichtlichen Rechtsschutzverfahrens, zu beschleunigen und Schritte in Richtung einer gesellschaftlichen Integration (Zuweisung zur Wohnsitznahme an Kommunen, Zugang zum Arbeitsmarkt) erst dann zu erlauben, wenn die Bleibeperspektive geklärt ist. Auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten zur Zuwanderung von Arbeitskräften (v. a. Fachkräften) in den letzten Jahren erheblich liberalisiert worden (Migration). Diese Doppeltendenz – Restriktivierung der Asylverfahrensvorschriften einerseits, Liberalisierung der regulären Zuwanderungsoptionen andererseits – zeugt vom gesetzgeberischen Bemühen, die rechtlichen Migrationspfade weiterhin klar auseinanderzuhalten. Grundsätzlich ist daher auch ein sogenannter Spurwechsel, also die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis etwa zum Zweck einer Erwerbstätigkeit während des laufenden Asylverfahrens bzw. nach dessen erfolglosem Durchlaufen ausgeschlossen (§ 10 Abs. 1 und 3 AsylG).

4. Verfolgung als Schlüsselbegriff

Die materiellen Schutzgründe des A.– und Flüchtlingsrechts ergeben sich aus einer Zusammenschau verschiedener Faktoren, die jeweils einen anderen Aspekt des Verfolgungsgeschehens betreffen. Erstens: Sieht sich der Schutzsuchende in seiner Person massiven rechtsgutsbeeinträchtigenden Maßnahmen oder Handlungen ausgesetzt (Verfolgungshandlung)? Zweitens: Erleidet der Schutzsuchende die Beeinträchtigungen aus relevanten Gründen (Verfolgungsgründe)? Und drittens: Wer ist als Urheber der Beeinträchtigungshandlungen zu qualifizieren (Verfolgungsakteur)? Für das A. nach Art. 16a GG i. V. m. § 2 AsylG gelten hierzu die in Deutschland entwickelten Grundsätze, für den GFK-Schutz die z. T. weitergehenden Maßstäbe der QRL (vgl. §§ 3–4 AsylG). Eine zentrale Rolle spielt bei alledem der Fluchtweg. Nach Art. 16a Abs. 2 GG ist von vornherein vom A.-Recht ausgeschlossen, wer über einen sicheren Drittstaat eingereist ist. Die Prüfung der A.-Berechtigung wurde hier in genereller Weise vom Verfassungsgesetzgeber (EU-Staaten gem. Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG) bzw. einfachen Gesetzgeber (Art. 16a Abs. 2 S. 2 GG i. V. m. § 26a AsylG) vorgenommen (sogenanntes Konzept der normativen Vergewisserung). Der Ausschluss greift aber gem. § 26a Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AsylG in den Fällen nicht, in denen das Recht der EU (Europarecht) die deutsche A.-Zuständigkeit unabhängig vom Einreiseweg vorsieht, etwa bei visafreier Einreise (Art. 14 Dublin III-VO) oder wenn Familienangehörige schon in Deutschland Schutz gefunden haben (Art. 9 Dublin III-VO). Da das einfache Recht die Rücknahme des verfassungsrechtlichen Ausschlusses einer Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG nicht bewirken kann, bleibt hier die Möglichkeit der Gewährung von A. auf einfachrechtlicher Grundlage, also nach § 2 AsylG. Der subsidiäre Schutz schließlich transzendiert vollständig vom Begriff der Verfolgung und ersetzt ihn durch den des ernsthaften Schadens, was insb. bei Kriegsflüchtlingen eine Rolle spielt (s. unter 9.).

5. Verfolgungshandlung

Die Verfolgung einer Person wird durch eine Maßnahme konstituiert, die auf die massive Beeinträchtigung grundlegender Rechte abzielt bzw. eine solche bewirkt. Verfolgt ist nur, wer individuell verfolgt ist (Einzelverfolgung). Die Verfolgung nahestehender Personen ist für sich gesehen keine solche Verfolgung, gleichwohl gewährt § 26 AsylG Angehörigen der Kernfamilie eines Verfolgten unter bestimmten Voraussetzungen Familien-A. Der Nachweis individueller Verfolgung ist entbehrlich, wenn Angehörige bestimmter Gruppen in einem Staat im Prinzip ständig und überall Verfolgungen ausgesetzt sind, so dass jeder, der dieser Gruppe angehört oder zuzurechnen ist, immerzu mit Verfolgung rechnen muss (Gruppenverfolgung). Beide Verfolgungsarten können auch in Kombination vorkommen, wenn aus einer Gruppe immer wieder Einzelne zu Verfolgungszwecken herausgegriffen werden, ohne dass alle Gruppenmitglieder verfolgt werden (Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit). In allen Varianten gilt nur als im Heimatstaat verfolgt, wer nicht in einem anderen Gebiet dieses Staates in zumutbarer Weise Schutz finden kann (interner Schutz/innerstaatliche Fluchtalternative, vgl. Art. 8 QRL). Im Fall der Gruppenverfolgung spielt dieser Aspekt eine bes. gewichtige Rolle, weil die erforderliche Gefahrenlage, die eine individuelle Schutzbedürftigkeit aller Gruppenmitglieder auslöst, eine gewisse Häufigkeit von Verfolgungshandlungen (sogenannte Verfolgungsdichte) in Bezug auf ein bestimmtes Verfolgungsgebiet voraussetzt. Die Verfolgungshandlung muss in ihrer Schwere einer Menschenwürdeverletzung gleichkommen. In Betracht kommen in erster Linie Gefährdungen von Leib und Leben. Anerkannt ist aber auch das „religiöse Existenzminimum“, das nach überkommener deutscher Rechtsprechung aber auf das sogenannte forum internum, also auf das bloße Innehaben des Glaubens und das nicht-öffentliche Bekenntnis im privaten Bereich bzw. unter Gleichgesinnten beschränkt gewesen ist. Art. 10 Abs. 1 b) QRL bezieht die öffentliche Glaubensbekundung und auch glaubensgeleitete Meinungsäußerungen (forum externum) nunmehr ausdrücklich in den Verfolgungsgrund „wegen der Religion“ mit ein. Der EuGH stellte 2012 fest, dass die tradierte asylrechtliche Unterscheidung in Deutschland nicht richtlinienkonform ist. Die Abgrenzung zu Eingriffen in die Religionsfreiheit ohne Verfolgungsqualität kann daher nicht mehr nach Innen- und Außenbereich des Glaubens, sondern allein nach der Schwere der „Maßnahmen und Sanktionen“ (EuGH, Rs. C-71/11 u. a., Rdnr. 66) erfolgen, die demjenigen drohen, der seine Glaubensfreiheit öffentlich ausübt: Diese müssen i. S. d. Art. 9 Abs. 1 a) QRL „so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstell[en]“. Nach Ansicht des EuGH ist dies insb. der Fall, wenn dem Gläubigen unmenschliche oder erniedrigende Bestrafungen oder sonstige Behandlungen drohen (vgl. Art. 15 b) QRL, Art. 3 EMRK). Eine weitergehende Auslegung als bisher im deutschen Recht üblich ist auch hinsichtlich der Möglichkeit geboten, sich auf mehrere Beeinträchtigungen zu berufen, die erst in ihrer Kumulation einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkommen (Art. 9 Abs. 1 b QRL). Nach tradierter Auslegung des Art. 16a GG war eine derartige Aufaddierung von Einzeleingriffen nicht möglich, § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG sieht dies nun ausdrücklich vor.

6. Verfolgungsgründe

Anerkannte Verfolgungsgründe sind zunächst die in der Flüchtlingsdefinition der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Merkmale, derentwegen Verfolgung zu befürchten ist (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Überzeugung). Art. 16a GG bezieht sich nur auf „politische“ Verfolgungen. Erfasst sind alle Gründe in Bezug auf den Schutzsuchenden, „die allein in seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder in für ihn unverfügbaren Merkmalen liegen, die sein Anderssein prägen (asylerhebliche Merkmale)“ (BVerfG, Beschl. vom 10.7.1989, Az. 2 BvR 502/86 u. a., Rdnr. 38). Durch Art. 10 Abs. 1 d) QRL werden darüber hinaus auch geschlechtsbezogene Verfolgungen bzw. solche aus Gründen der sexuellen Ausrichtung umfasst (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Problematisch sind seit jeher die sogenannten Nachfluchtgründe, also Verfolgungsgründe, die erst nach Verlassen des Heimatstaats entstanden sind. Während objektive Nachfluchtgründe (z. B. Regimewechsel) i. S. d. Art. 16a GG seit jeher anerkannt sind, wurden subjektive, d. h. durch den Betroffenen selbst erzeugte Nachfluchttatbestände (z. B. politische Agitation im Aufenthaltsstaat) nur berücksichtigt, wenn die zugrunde liegende Überzeugung des Betroffenen schon im Heimatstaat „erkennbar betätigt“ wurde (vgl. § 28 Abs. 1 S. 1 AsylG). Art. 5 QRL verlangt indes nur, dass die Überzeugung vor der Flucht schon bestanden hat (vgl. nunmehr § 28 Abs. 1a AsylG). Um mutwillige Provokationen einer Verfolgungsgefahr durch den A.-Suchenden abzuschneiden, ordnet § 28 Abs. 2 AsylG – in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 3 QRL – die regelmäßige Nichtberücksichtigung subjektiver Nachfluchtgründe an, soweit diese erst nach der Erstablehnung des A.-Antrags eingetreten sind.

7. Verfolgungsakteure

Die Bezugnahme des Art. 16a GG auf „politische“ Verfolgungen impliziert die Beschränkung des Kreises potenzieller Verfolger auf staatliche oder zumindest „quasi“-staatliche Akteure (de facto-Regime). Soweit letztere – etwa in Bürgerkriegssituationen (Bürgerkrieg) – nur Teile eines Staatsgebiets beherrschen, kann dem Betroffenen u. U. die Inanspruchnahme internen Schutzes zugemutet werden (vgl. Art. 8 QRL). Billigt oder unterstützt ein Staat private Übergriffe, handelte es sich nach der deutschen Rechtsprechung um eine dem Staat zurechenbare, mithin „politische“ Verfolgung. War der Heimatstaat hingegen unfähig zur Unterbindung privater Verfolgung, sollte diese als nicht-staatliche Verfolgung nicht unter Art. 16a GG fallen. Nach Art. 6 c) QRL werden nun auch solche Fälle erfasst, es sei denn, der betreffende Staat stellt einen wirksamen Schutz hiergegen bereit, etwa in Form einer funktionierenden Strafrechtspflege (vgl. Art. 7 Abs. 2 QRL).

8. Verfahren und Aufenthaltsrecht

In Deutschland erteilt die Ausländerbehörde bei positiver Bescheidung eines A.-Antrags eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG, bei A.-Berechtigten und GFK-Flüchtlingen für drei Jahre (§ 26 Abs. 1 S. 2 AufenthG), bei subsidiär Schutzberechtigten für ein Jahr, verlängerbar um weitere zwei Jahre (§ 26 Abs. 1 S. 3 AufenthG). Diese geht aber gem. § 12a AufenthG für mindestens drei Jahre mit Wohnsitzbeschränkungen einher, die gesetzlich für ein Bundesland gelten (Abs. 1) bzw. behördlich (Wohnsitzzuweisung oder Zuzugssperre) für einen konkreten Ort angeordnet werden können (Abs. 2 ff.), es sei denn, die Betroffenen gehen einer Beschäftigung gewissen Umfangs nach oder finden einen Ausbildungs-/Studienplatz. Nach grundsätzlich frühestens fünf Jahren erlangen A.-Berechtigte und GFK-Flüchtlinge gem. § 26 Abs. 3 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis, wenn nicht vorher das BAMF mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf der Anerkennungsentscheidung etwa wegen zwischenzeitlichen Wegfalls der Verfolgungsgründe vorliegen und wenn einige ganz bestimmte der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 2 S. 1 AufenthG (u. a. keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung, ausreichender Wohnraum) erfüllt sind. Es genügen hierbei, abweichend von § 9 AufenthG, dann aber hinreichende Deutschkenntnisse (Niveau A 2) und eine nur überwiegende Unterhaltssicherung. Ist der Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert und wird die deutsche Sprache beherrscht (Niveau C 1), ist die Niederlassungserlaubnis unter den weiteren Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 S. 3 AufenthG bereits nach drei Jahren zu erteilen. Die Voraussetzung, wonach das BAMF nicht die Widerrufbarkeit oder Rücknehmbarkeit der Schutzanerkennung mitgeteilt haben darf, hat allerdings an Bedeutung verloren, da die diesbezügliche Regelüberprüfung nach spätestens drei Jahren (vgl. § 73 Abs. 2a AsylG a.F.) inzwischen weggefallen ist. Subsidiär Schutzberechtigte können ebenfalls nach frühestens fünf Jahren einen solchen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten (§ 26 Abs. 4 AufenthG), müssen dann aber alle in § 9 Abs. 2 S. 1 AufenthG vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen, also v. a. über einen gesicherten Lebensunterhalt und über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (Niveau B 1) verfügen sowie 60 Monate lang in die Sozialversicherungssysteme eingezahlt haben. Nach § 13 Abs. 2 AsylG ist ein A.-Antrag grundsätzlich auf internationalen Schutz insgesamt gerichtet. Die Prüfung erfolgt nach Einreise durch das BAMF in dessen Außenstellen. Kann der A.-Suchende nicht legal einreisen, etwa weil er kein reguläres Visum hat, ist der Antrag an der Grenze zu stellen (§ 13 Abs. 3 AsylG), eine Abweisung nach dem Drittstaatsprinzip, wie es Art. 16a Abs. 2 GG vorsieht und auch nach Art. 33 GFK (non-refoulement) bei sicheren Staaten erlaubt ist, ist zwar grundsätzlich möglich (vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG), im Anwendungsbereich des EU-Rechts (Europarecht) aber von diesem überlagert; hier gehen die Zuständigkeitsregeln der Dublin III-VO vor (vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG). Eine Antragstellung in einer deutschen Auslandsvertretung ist nicht möglich, ein sogenanntes humanitäres Visum existiert derzeit nicht. Die Gewährung eines sogenannten Schengen-Visums für einen kurzfristigen Aufenthalt (Migration), um einen Asylantrag in einem Mitgliedstaat stellen zu können, ist durch die Grundrechte der EU nicht geboten, weil diese nur für die Durchführung der Regelungen zur Gewährung eines Visums für einen kurzfristigen Aufenthalt maßgeblich sind und somit nicht Situationen erfassen können, bei denen ein Visumgesuch tatsächlich auf einen längerfristigen Aufenthalt abzielt (EuGH, Rs. C-638/16 – X. u. X.). Da die EU betreffend Visa für langfristige Aufenthalte keine Regelungskompetenz hat, können die unionalen Grundrechte für die Frage, ob in bestimmten Konstellationen die Erteilung eines Visums zur Ermöglichung der Asylantragstellung grundrechtlich geboten sein kann, mithin keine Antwort liefern. Das BAMF prüft neben den eigentlichen Schutzstatuskategorien (Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiäre Schutzberechtigung) auch die nationalen Abschiebungsverbote, soweit sie zielstaatsbezogen (z. B. im Herkunftsstaat nicht behandelbare schwere Krankheit) sind. Hier soll dann grundsätzlich eine Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt werden (§§ 25 Abs. 3, 26 Abs. 1 S. 4 AufenthG), für den Übergang in eine Niederlassungserlaubnis gelten die gleichen Grundsätze wie für subsidiär Schutzberechtigte (§ 26 Abs. 4 AufenthG). Nach Art. 16a Abs. 3 GG i. V. m. § 29a AsylG greift eine widerlegbare Vermutung gegen die Verfolgung, wenn der Heimatstaat zu den sicheren Herkunftsstaaten zählt. Neben den gesetzlich bestimmten Staaten sind dies alle Mitgliedstaaten der EU auf Grundlage des A.-Protokolls zu den EU-Verträgen, wonach A.-Anträge von Unionsbürgern in einem anderen Mitgliedstaat nur ganz ausnahmsweise geprüft werden dürfen, etwa wenn ein Verfahren zur Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte wegen Verletzung der Grundwerte der Union (Art. 7 i. V. m. Art. 2 EUV) eingeleitet wurde. Auf Grundlage von Art. 16a GG wurde in § 18a AsylG das sogenannte Flughafenverfahren für A.-Suchende aus sicheren Herkunftsstaaten und solche, die keine Ausweispapiere haben, eingeführt. Es ermöglicht eine bes. schnelle Prüfung inkl. gerichtlicher Kontrolle im Transitbereich, ohne dass eine Einreise erfolgt. Beschleunigte Verfahren und Transitzonen an der Grenze werden vom EU-Recht grundsätzlich erlaubt, dürften aber an einer EU-Binnengrenze nur temporär zulässig sein. Seit einiger Zeit werden auch beschleunigte Verfahren in den Aufnahmeeinrichtungen im Inland durchgeführt, etwa für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten (§ 30a AsylG). Sowohl nach Maßgabe des deutschen Drittstaatsprinzips (s. unter 4.) als auch nach dem EU-Recht ist Deutschland prinzipiell für auf dem Landweg Einreisende nicht schutzverpflichtet, es sei denn, es ergibt sich nach der Dublin III-VO eine Zuständigkeit Deutschlands unabhängig vom Reiseweg (etwa bei visumfreier Einreise). Nach Maßgabe der Dublin III-VO ist grundsätzlich der Ersteinreisestaat für A.-Prüfung und Aufnahme zuständig. Reist der A.-Suchende weiter, ist er zurück zu überstellen. Der EGMR und der EuGH haben 2011 und 2012 allerdings Überstellungen nach Griechenland als menschen- und grundrechtswidrig eingestuft. Faktisch ist das Dublin-System in der Flüchtlingskrise 2015/16 weitgehend kollabiert, wurde seither wieder stabilisiert und ist spätestens seit 2022 wieder erheblichen Belastungen ausgesetzt, die seine Funktionalität infrage stellen. Auf Grundlage von Art. 78 Abs. 3 AEUV wurde im Jahr 2015 ein vorläufiger Nothilfemechanismus (Beschlüsse (EU) 2015/1523 und 1601) installiert, der eine Verteilung von 160 000 Flüchtlingen v. a. aus Griechenland und Italien vorsieht, wobei bzgl. 120 000 eine feste Verteilungsquote gilt. Die Europäische Kommission hat zunächst beabsichtigt, einen dauerhaften verpflichtenden Verteilungsmechanismus einzuführen, dieses Vorhaben aber aufgegeben. Stattdessen wird nun vorgeschlagen, dass einzelne Mitgliedstaaten bei Überlastungssituationen anstelle der Aufnahme von Schutzsuchenden auch andere Solidaritätsbeiträge sollen leisten können, die in finanziellen Beiträgen oder der Übernahme der Verantwortlichkeit für die Rückführung nicht schutzberechtigter Drittstaatsangehöriger (sogenannte Rückführungspatenschaft) bestehen können. Ein ungelöstes Problem stellt die niedrige Rückführungsquote bei abgelehnten A.-Anträgen dar, was auf ein strukturelles Vollzugsdefizit bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht verweist.

9. Ausblick

In Anbetracht der weitgehenden europarechtlichen Überformung ist die Unterscheidung zwischen A.-Berechtigung i. S. d. Art. 16a GG (vgl. § 2 AsylG) und dem Recht auf internationalen Schutz (vgl. §§ 3, 4 AsylG) zu hinterfragen. In der Praxis werden ohnehin ganz überwiegend Flüchtlingsanerkennungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesprochen. Vorstellbar wäre eine Neufassung des Art. 16a GG unter Verweisung auf die GFK, wie sie nach dem Recht der EU anzuwenden ist. Das individuelle A.-Recht gerät zudem angesichts großer Flüchtlingszahlen zunehmend unter Druck. Es fragt sich, ob es das adäquate Instrument zur Bewältigung massenhafter Fluchtbewegungen v. a. aus Bürgerkriegsgebieten darstellt. Sofern keine dezidierten Verfolgungshandlungen vorliegen (z. B. „ethnische Säuberungen“), greift subsidiärer Schutz, wenn Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt individuell ernsthaft bedroht sind (Art. 15 c) QRL) oder wenn im Herkunftsland die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK besteht (Art. 15 b) QRL). Nach der jüngeren Rechtsprechung des EGMR kann massive Bürgerkriegsgewalt (Bürgerkrieg) (am Beispiel Somalias in der Sache Sufi und Elmi, Beschwerden 8319/07 und 11449/07) eine Situation begründen, in der praktisch jeder innerhalb eines umkämpften Gebiets solchen Gefahren ausgesetzt ist („situation of general violence of such intensity that any person being returned to the region in question would be at risk simply on account of their presence there“, Rdnr. 226). Auch der EuGH hat sich einem „Je-desto-Prinzip in einer gleitenden Skala“ verschrieben; „je höher die Intensität der endemischen Gewalt […], desto geringer die Anforderungen an eine Individualisierung […] und umgekehrt“ (Markard 2012: 327). Die Einbeziehung von Kriegsflüchtlingen gewinnt also an Bedeutung, obgleich allgemeine Gefahren gem. Erwägungsgrund 35 „für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung“ i. S. d. QRL darstellen sollen. Das individuelle Recht auf internationalen Schutz wird so für Kriegsflüchtlinge – mithin für ein Massenphänomen – nahezu vollständig geöffnet: „Die Gefahr muss also nicht so individualisiert sein, dass das Schicksal der schutzsuchenden Person außergewöhnlich ist; […]. […] In extremen Fällen kann sogar eine allgemeine Situation der Gewalt zu einem real risk für die schutzsuchende Person führen, insbesondere wenn die Kriegsparteien unterschiedslos oder direkt auf die Zivilbevölkerung zielende Gewalt ausüben“ (Markard 2012: 314). Alternativ zur immer weiteren Ausweitung individueller Rechte könnte man auch verstärkt auf kollektive Aufnahmeverfahren setzen und in größerem Maße zunächst vorübergehenden Schutz gewähren. Eine entsprechende Rechtsgrundlage auf der europäischen Ebene besteht auch in Form der sogenannten Massenzustromrichtlinie (RL 2001/55/EG), die allerdings in der Flüchtlingskrise 2015/16 mangels Einigkeit im EU-Ministerrat nicht zur Anwendung gekommen ist. Sie wurde allerdings 2022 aktiviert, um die Aufnahme der großen Zahl ukrainischer Kriegsflüchtlinge ohne Durchführung individueller Asylverfahren bewältigen zu können. In Deutschland erfolgt für diese Personengruppe eine vorübergehende Aufenthaltsgewährung nach § 24 AufenthG. Es besteht, anders als für Asylsuchende, somit von Anfang an Arbeitsmarktzugang, zudem hat sich der Gesetzgeber durch eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes entschieden, hier anstelle von Leistungen nach diesem Gesetz Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Buch 2 (SGB 2, inzwischen Bürgergeld) zu gewähren. Die nationalen Aufnahmesysteme stehen infolge der Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen einerseits und der wieder stark ansteigenden Zahl von Asylsuchenden vor allem aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten derzeit vor einer enormen Belastungsprobe. Wirksame Grundsatzreformen etwa in Richtung einer stärkeren Supranationalisierung auch des Verwaltungsvollzugs bei der Gewährung internationalen Schutzes können aber nur auf Unionsebene erfolgen. Enge inhaltliche Bindungen ergeben sich dabei zudem aus den refoulement-Verboten (s. unter 2.), die nach umstrittener Auffassung des EGMR auch auf hoher See gegenüber Flüchtlingsbooten gelten sollen (vgl. EGMR (GK) – 27765/09 – Hirsi Jamaa u. a. ./. Italien), was sich auf den A.-Zugang in Europa unmittelbar auswirkt. In dieser Interpretation folgt aus dem Zurückweisungsverbot faktisch ein Einreiserecht zumindest für die Dauer der A.-Prüfung. Allerdings geht der EGMR inzwischen davon aus, dass das Recht auf Einzelfallprüfung, das faktisch zu einem Gebietszutrittsrecht führen muss, und sich aus dem Refoulement-Verbot i.V.m. mit dem Verbot der Kollektivausweisung ergibt, ausnahmsweise nicht bestehen kann, wenn Migranten die Außengrenzen, unter gezielter Ausnutzung der schieren Personenzahl, illegal übertreten (durch physisches Überwinden von Grenzschutzeinrichtungen) und reguläre Möglichkeiten zur Stellung eines Asylantrags an der Außengrenze existieren (EGMR (GK) – 8675/15 u. 8697/15 – N.D. u. N.T. ./. Spanien). In diesem Fall, den der EGMR mit Blick auf die Situation an der Grenze zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla entschieden hat, darf ausnahmsweise ein sogenannter Push-back vorgenommen werden, dies aber auch nur, wenn ein alternativer Zugang zur Stellung eines Asylgesuchs auch wirklich vorhanden ist. Neuartige Herausforderungen für das A-Recht könnten sich auch in Hinblick auf etwa sogenannte Klimaflüchtlinge ergeben, die aus den bisherigen Schutzregimen fallen. Für die Zukunft des A.-Rechts und seine Wirksamkeit als Instrument humanitären Schutzes ist es von großer Bedeutung, in welcher Weise das A.-Recht selbst an neuartige Entwicklungen angepasst bzw. von zusätzlichen Schutzinstrumenten und Politiken flankiert wird, die den neuen Bedrohungslagen, aber auch den stetig größer werdenden Fluchtbewegungen begegnen können.