Bundesstaat

1. Einleitung und Begriffsbestimmung

1.1 Zwei- oder dreistufiger Bundesstaatsbegriff

Der Begriff B. lässt sich nicht mit Hilfe einer abstrakten B.s-Lehre bestimmen. Eine allgemeine Theorie des B. gibt es nicht. Eher könnte von einer erschreckenden Vielfalt von Thesen und Modellen im Schrifttum gesprochen werden, die die verfassungsrechtliche Klärung komplizieren. Maßgebend ist allein die konkrete normative Ordnung, die die jeweilige Verfassung mit Blick auf die historisch gewachsene Individualität des B. trifft. Jeder B. ist darum ein Unikat. In der staatsrechtlichen Dogmatik kann es daher nur um den konkret verfassten B. gehen. B. als staatliche Ordnungsidee gegen den Zentral- oder Einheitsstaat weist zwar überall Gemeinsamkeiten auf; die Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung überwiegen indes. Sie beziehen sich auf die Kompetenzverteilung, auf die Gewichtung der Organe im gesamtstaatlichen Willensbildungsprozess, auf die Ingerenz–(Einfluss- und Einwirkungs-)möglichkeiten des Bundes und auf die Austragung föderativer Streitigkeiten. Rechtsnatur und Eigenart des B. des deutschen GG lassen sich nicht mit vorverfassungsrechtlichen Phänomenen und apriorischen begriffsjuristischen Konstruktionen erfassen. Der föderativen Struktur des GG lässt sich namentlich nicht die Denkfigur eines dreigliedrigen B. unterlegen, bei dem die Gliedstaaten (Länder) und ein Zentralstaat (Bund) erst gemeinsam den Gesamtstaat ausmachen. Das GG geht von einem zweigliedrigen B.s-Begriff aus, demzufolge Bund und Länder Staatsqualität (Staat) besitzen. Es gibt neben dem B. als Gesamtstaat keinen besonderen Zentralstaat. Es existiert nur eine zentrale Organisation, die zusammen mit den gliedstaatlichen Organisationen als B. alle die staatlichen Aufgaben erfüllt, die im Einheitsstaat einer einheitlichen Organisation zufallen. Mit dem Verdikt über die Dreigliedrigkeitstheorie erledigen sich Konstruktionen, die versuchen, die Staatsqualität der Glieder aus einer übergeordneten Normenordnung herzuleiten, die Gleichordnung von Gliedstaaten und Bund zu belegen, die Ursprünglichkeit der (Landes-)Staatsgewalt zu begründen oder die Länder als Hüter der Gesamtverfassung auszugeben.

Das GG legt einen zweistufigen Gesamtstaatsaufbau zugrunde (BVerfGE 132, 147), in dem die Staatsgewalt auf zwei Ebenen, die Stufen des Bundes und der Länder, aufgeteilt ist. Zusätzliche innerstaatliche Entscheidungsebenen sind dem GG fremd. Aus der Sicht der bundesstaatlichen Ordnung stellen auch die kommunalen Gebietskörperschaften ungeachtet Art. 28 Abs. 2 GG innere Gliederungen des jeweiligen Bundeslandes dar. Ihre Aufgabe und ihr Finanzgebaren werden den Ländern zugerechnet (BVerfGE 137, 147). Gemeinschaftseinrichtungen der Länder stellen keine dritte Ebene dar.

1.2 Abgrenzung von supranationalen Staatenverbindungen

Der B. ist namentlich vom Staatenbund abzugrenzen. Die EU ist ein genuiner Staatenverbund. Er beruht auf dem dauernden Integrationswillen souverän bleibender Mitgliedstaaten, die ihrerseits B.en sein können. Hierfür steht exemplarisch der Status der BRD als ein B., der sich zur offenen Staatlichkeit bekennt (Art. 23 GG).

2. Wesentliche Grundlagen des Verfassungsprinzips der Bundesstaatlichkeit des GG

2.1 Grundnormen der Verfassung

Dem in Art. 20 Abs. 1 GG konstituierten B.s-Prinzip liegt als politische Idee das Ordnungsmodell des Föderalismus zugrunde. Es beugt Missbrauch der Staatsgewalt vor. Die verfassungsgestaltende Grundentscheidung für die Bundesstaatlichkeit befindet sich hierarchisch auf einer Ebene mit den Grundsätzen des Rechtsstaats, der Demokratie und des Sozialstaats. Das Bekenntnis zum föderativen Prinzip unterstreicht Art. 79 Abs. 3 GG, der die Gliederung des Bundes in Länder und deren grundsätzliche Mitwirkung an der Gesetzgebung unter den Schirm der Ewigkeitsgarantie stellt. Das GG enthält keine status-quo-Garantie des überkommenen Bestandes und Gebiets der Flächen- und Stadtstaaten; Art. 29 GG lässt eine Neugliederung des Bundesgebietes zu. Schon in Anbetracht der Kompliziertheit des dafür vorgesehenen Verfahrens kann indessen kaum von einem labilen B., eher von einem relativ stabilen B. gesprochen werden, auch wenn sich das föderative Prinzip gegenüber inneren Aushöhlungen als nicht gänzlich immun erwiesen und künftig Anfechtungen zu überstehen hat. Die grundsätzliche Entscheidung des GG für den föderalistischen Staatsaufbau wird durch eine Reihe anderer Bestimmungen namentlich der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern komplettiert und präzisiert.

2.2 Sinn der Bundesstaatlichkeit

Die Statuierung des B. erfolgt im Interesse einer wirksamen Teilung der Gewalten als Reaktion auf die zentralistische Gewaltenhäufung des Einheitsstaates. Das Gewaltenteilungsmuster des GG ist doppelt genäht. Das eine klassische Modell der (horizontalen) Gewaltenteilung, das die Staatsmacht drei verschiedenen Staatsfunktionen (Legislative, Exekutive, Judikative) zuordnet, wird ergänzt durch eine spezifisch föderative (vertikale) Gewaltenteilung, die die Staatsmacht zusätzlich auf verschiedene staatliche Ebenen verlagert. Die B.s-Struktur findet ihre Ausprägung in zwei Komponenten: in der Existenz staatlich verfasster Gemeinwesen unterhalb der Ebene des Gesamtstaates und in der Mitwirkung der Gliedstaaten an der Willensbildung des Gesamtstaates vornehmlich über den Bundesrat. Bundesstaatlichkeit erweist sich insoweit als ein komplementäres Element demokratischer Ordnung. Das föderative Prinzip passt sich in den Kontext weiterer fundamentaler Ordnungsentscheidungen der Verfassung ein. Ebenso wie die horizontale Gewaltenteilung untrennbar mit der Freiheitsidee verbunden ist und spezifisch rechtsstaatliche Züge (Rechtsstaat) enthält, genauso kommt der vertikalen Gewaltenteilung des B. freiheitssichernder Charakter zu. Bundesstaatlichkeit ermöglicht Machtzugang der Opposition. Sie fördert regionale Eigenart, ohne das überwölbende Ganze aus dem Auge zu verlieren, und sichert so Vielfalt in der Einheit. Minderheiten haben größere Chancen zur Integration und Artikulierung ihrer Ziele. Kultureller Pluralismus ist besser aufgehoben.

Einen dem B.s-Prinzip gegenläufigen Trend löst der Sozialstaatsgedanke mit seinen unvermeidbar unitarisierenden Tendenzen aus (Sozialstaat). Die per Verfassungsänderung (Verfassung) erfolgte „Hochzonung“ ursprünglicher Landeskompetenzen zu Bundeszuständigkeiten (Art. 74a GG a.F.), die Etablierung der Mischfinanzierung (Art. 104a Abs. 4 GG a.F.) und die Einführung der Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a GG; Finanzverfassung und Finanzverwaltung) verschoben zwangsläufig die inneren Strukturen der bundesstaatlichen Verfassung; genauso die frühere Überbewertung der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ zu einer die Unitarisierung gleichsam erzwingenden Generalklausel, obwohl der Begriff im früheren Art. 72 Abs. 2 GG als Einschränkung der Inanspruchnahme von Bundeskompetenztiteln konzipiert war.

2.3 Status der Länder im Bundesstaat

Die Länder sind als Glieder des Bundes keine Körperschaften (Körperschaft) am Rande der Staatlichkeit (Staat), noch weniger bloße hochpotenzierte Gebietskörperschaften oder lediglich qualifizierte Selbstverwaltungseinheiten in einem dezentralisierten Einheitsstaat. Im betont föderativ gestalteten B. des GG kommt ihnen echter Staatscharakter zu. Sie sind Staaten mit eigener – gegenständlich beschränkter – nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatlicher Hoheitsmacht. Die rechtstechnische Kategorisierung der Länder als juristische Person genügt nicht. Die Länder müssen neben dem Bund materiell als selbständige Einheiten mit begrenzten politischen Leitungsfunktionen, als eigenständige Zentren demokratisch legitimierter Entscheidungen agieren können. Der Staatscharakter der Länder findet Ausdruck in der Anerkennung eigener Kompetenzen im Bereich der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung (Art. 30, 70, 83, 92 GG). Sie sind an der Staatswillensbildung des Bundes beteiligt. Das GG verbietet eine Änderung der Verfassungsstruktur, durch die die Länder die Qualität von Staaten oder ein Essentiale der Staatlichkeit einbüßen. Die Länder im B. sind nur dann Staaten, wenn ihnen ein Kernbereich eigener Aufgaben als „Hausgut“ unentziehbar verbleibt (BVerfGE 34, 9). Dazu gehört als „Herzstück“ des Föderalismus die Kulturhoheit. Bestimmte Aufgaben sind nicht verfassungsänderungsfest. Essentiell ist das Recht der Länder zur Selbstorganisation.

2.4 Prinzip der Bundestreue

Ein Prinzip, ohne das der Fortbestand des B. nicht gedacht werden kann, ist das Gebot der Bundestreue oder des bundesfreundlichen Verhaltens. Es hatte nicht nur Relevanz als ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen B., der auf einer bündisch-vertraglichen Verfassungsordnung beruhte und dem eine das Bund-Länder-Verhältnis lückenlos sichernde Staatsgerichtsbarkeit fehlte. Es prägt auch im B. des GG das wechselseitige Verhältnis von Bund und Ländern und die Beziehung der Gliedstaaten zueinander. Eine andere Frage ist sein inhaltlicher Stellenwert. Eine rigide Verfassung wie das GG, das die Kompetenzen von Bund und Ländern detailliert zu regeln sucht, kennt keine föderalistische Generalklausel, die als ungeschriebene originäre Superrechtsquelle selbständige Rechtspflichten erzeugt. Die Bundestreue stellt nur eine spezielle Erscheinungsform des allgemeinen Missbrauchsverbots dar. Seine Funktion ist vorwiegend, die aufeinander angewiesenen Teile des B. stärker unter der gemeinsamen Verfassungsrechtsordnung aneinander zu binden; ferner die mannigfachen verfassungsrechtlich nicht ausdrücklich bedachten Kollisionsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern innerhalb bestehender Rechtsbeziehungen zu bereinigen. Die Bundestreue ist akzessorischer Natur. Sie hat Bedeutung innerhalb eines anderweitig begründeten – gesetzlichen oder vertraglichen – Rechtsverhältnisses oder einer anderweitig gesetzlich begründeten selbständigen Rechtspflicht. Sie ist kompetenzmoderierend, nicht kompetenzbegründend. Dem Bund obliegt im Umgang mit den Ländern ein Mindestmaß von Stil und procedere; er darf nicht nach der Maxime divide et impera verfahren. Der Landesgesetzgeber hat Rücksicht auf den Bund und die anderen Länder zu nehmen, wenn die Auswirkungen eines Gesetzes nicht auf das Land begrenzt bleiben. Ungeschriebene Bestandteile des Bundesverfassungsrechts sind der allgemeine Rechtssatz pacta sunt servanda sowie die von dieser Regel bestehende Ausnahme, die clausula rebus sic stantibus.

3. Einzelfragen der Kompetenzabgrenzung und der Einflussnahmen zwischen Bund und Ländern

a) Die wichtigsten Funktionsbereiche: Nach Art. 30 GG ist die Wahrnehmung aller staatlichen Funktionen Sache der Länder, soweit das GG nicht die Zuständigkeit des Bundes ausspricht. Diese Aussage wird für die jeweilige Staatsfunktion durch bes. Bestimmungen präzisiert: in Art. 70–82 GG für die Gesetzgebung, in Art. 83–91 GG für die Verwaltung, in Art. 92 GG für die Rechtsprechung. Die rechtstechnische Statuierung einer Vermutung für die Regelzuständigkeit der Länder besagt noch nicht, dass das Schwergewicht der staatlichen Funktionen den Ländern zufällt. Davon kann nur bei der Verwaltung die Rede sein. Im Bereich der rechtsprechenden Gewalt ist das Übergewicht der Landesgerichtsbarkeit eher quantitativ. Die Gesetzgebung ressortiert schwerpunktmäßig eindeutig zum Bund.

Das GG kennt mehrere Kategorien von Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes. Bei der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes sind die Länder nur im Falle ausdrücklicher Ermächtigung durch ein Bundesgesetz zur Gesetzgebung befugt. Bei der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder ausgeschlossen, wenn und soweit der Bund von seinem Zugriffsrecht Gebrauch gemacht hat. Die frühere Rahmengesetzgebung wurde abgeschafft. Eine weitere Kategorie stellen die Gemeinschaftsaufgaben dar (Art. 91a GG).

Im Bereich der Verwaltung besteht der Vorrang der Länder bei der gesetzesakzessorischen und der gesetzesfreien Verwaltung. Die Länder führen grundsätzlich die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus. Beim landeseigenen Vollzug (Art. 84 GG) ist die Aufsicht der Bundesregierung auf eine Rechtskontrolle beschränkt, im Falle der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) erfasst die Aufsicht auch die Zweckmäßigkeit der Ausführung (Bundesaufsicht und Bundeszwang). In beiden Fällen bleibt die Einrichtung der Behörden grundsätzlich Sache der Länder. Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen.

Im Bereich der rechtsprechenden Gewalt sichern die obersten Bundesgerichte die Konformität der Rechtsprechung der Landesgerichtsbarkeit mit den Bundesgesetzen.

Verfassungsgerichtsbarkeit und Bundesstaatlichkeit weisen seit langem funktionelle Gemeinsamkeiten auf. Sie sind Instrumente zur Einengung der Mehrheitsherrschaft und damit Vehikel des Minderheitenschutzes. Der Bund-Länder-Streit vor dem BVerfG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG) ist ein Urgestein deutscher Verfassungsgerichtsbarkeit. Auch in der Existenz der Landesverfassungsgerichtsbarkeit wird prozesshaft Bundesstaatlichkeit realisiert. Ein besonderer Status kommt dem BVerfG zu.

Die Grundlagen der bundesstaatlichen Finanzverfassung regeln Art. 104a-109 GG. Sie grenzen die beiderseitige Finanzverantwortung (Lastenverteilung) ab, verteilen die Kompetenzen auf den Gebieten der Steuer- und Haushaltsgesetzgebung sowie der Steuerverwaltung und ordnen die Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern bzw. unter den Ländern (vertikaler bzw. horizontaler Finanzausgleich). Die Art. 104a-108 GG haben überragende bundesstaatliche Ordnungs- und Ausgleichsfunktion. Die Kompetenznormen der Art. 105 GG und 106 GG sind Eckpfeiler des Gefüges der bundesstaatlichen Ordnung (BVerfGE 108, 15).

b) Die wichtigste Schaltstelle, durch die die Länder an der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes beteiligt sind, ist der Bundesrat.

c) Rechte und Verantwortlichkeiten des Bundes: Der Bund hat gegenüber den Ländern Garantiefunktionen sowie Ingerenz- und Interventionsrechte. Die Garantiefunktion erschöpft sich nicht darin, dass wirksames Bundesrecht entgegenstehendes Landesrecht bricht (Art. 31 GG). Nach Art. 28 Abs. 1 GG sind die Länder gehalten, bei der Gestaltung ihrer verfassungsmäßigen Ordnung den wichtigsten verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen der Bundesverfassung einschließlich eines demokratischen Wahlrechts Rechnung zu tragen. Verlangt ist Homogenität, nicht Identität oder Konformität (vgl. 4.1). Nach Art. 28 Abs. 3 GG gewährleistet der Bund die Einhaltung dieser Grundsätze. Der Bund führt die Aufsicht über den Landesvollzug der Bundesgesetze. Das Bestehen einer selbständigen Bundesaufsicht ist umstritten. Der Bundeszwang kann mit Zustimmung des Bundesrates angeordnet werden, wenn ein Land die ihm obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt. Verfassungsrechtsstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern entscheidet das BVerfG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG), Verwaltungsrechtsstreitigkeiten das BVerwG (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

d) Bund und Länder leisten sich gegenseitig Amts- und Rechtshilfe (Art. 35 Abs. l GG); Fälle der Organleihe regeln Art. 96 Abs. 5, 99 GG.

4. Einzelfragen der Eigenstaatlichkeit der Länder

4.1 Gliedstaatliche Verfassungshoheit

Die Staatlichkeit der Länder impliziert das Recht zur Selbstorganisation und zur Gestaltung der verfassungsmäßigen Ordnung im Lande. Unaufgebbares Essentiale, Kernstück und Hausgut der Staatlichkeit der Länder ist die Kompetenz zum Erlass einer eigenen Verfassung. Ebenso wie der Gesamtstaat haben die Gliedstaaten das Recht, in eigener Verantwortung für ihren Verfassungsraum die Staatsfundamentalnormen zu artikulieren. Die Verfassungsautonomie der Länder ist nicht auf das staatliche Organisationsstatut begrenzt. Sie schließt ein die Formulierung von Staatszielbestimmungen, verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen sowie die Gewährleistung eigener Grundrechte (arg. Art. 142 GG) und die Statuierung von Grundpflichten. Staatlichkeit und Verfassungshoheit der Länder bedingen, dass sie nicht strikt auf die organisationsrechtlichen Vorgaben, Institutionen (Institution) und Gewährleistungen des Bundes verpflichtet sind. Die Normativbestimmung des Art. 28 Abs. 1 GG verlangt nur ein Mindestmaß an Homogenität zwischen der Bundesverfassung und der verfassungsmäßigen Ordnung in den Ländern. Dies erklärt die Zulässigkeit eines Volksgesetzgebungsverfahrens oder die Akzentuierung von sozialen Grundrechten in den Landesverfassungen; dem GG sind sie fremd.

Der Eigenverantwortlichkeit der Länder in der Ausgestaltung der Verfassung entspricht es, dass die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander stehen. Entsprechendes gilt für die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder. Landesverfassungsgerichtsbarkeit ist als wesentliches Attribut der Eigenstaatlichkeit der Länder ein Konstitutivelement des bundesdeutschen Föderalismus. Die Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder darf vom BVerfG in keine größere Abhängigkeit gebracht werden, als es nach dem Bundesverfassungsrecht unvermeidbar ist. Das Verhältnis von Bundes- und Landesverfassungsgerichtsbarkeit ist vom Postulat lückenlosen verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG) geprägt. Das BVerfG ist nicht generell den Landesverfassungsgerichten übergeordnet. Diese haben bei der Anwendung des Landesverfassungsrechts die überwölbende Bundesverfassung und die verbindliche Auslegung des GG durch das BVerfG zu beachten (arg. Art. 100 Abs. 3 GG).

4.2 Probleme des kooperativen Bundesstaats

Die Länder trifft keine Pflicht zur Uneinigkeit. Sie können eigene Aufgaben gemeinsam erledigen und zu diesem Zweck gemeinsame Einrichtungen schaffen (ZDF, Filmbewertungsstelle Wiesbaden, Zentrale für die Vergabe von Studienplätzen). Weder schleichen sich durch solche Produkte des kooperativen Föderalismus (unzulässige) staatenbündische Elemente in das bundesstaatliche Gefüge ein; noch wird durch sie eine dem GG unbekannte dritte Ebene (zwischen Bund und Ländern) etabliert; noch handelt es sich schließlich bei den fraglichen Institutionen um frei schwebende Verwaltungseinrichtungen, denen ein Muttergemeinwesen fehlt. Gemeinschaftseinrichtungen dieser Art bilden eine prinzipiell unbedenkliche organisatorische Sonderform auf der Länderebene. Da die regelmäßig zugrundeliegenden Staatsverträge der Zustimmung der Landesparlamente bedürfen, wird das interföderative Vertragsrecht in innergliedstaatliches Gesetzesrecht transformiert. So avanciert die Gemeinschaftseinrichtung zu einer Institution des jeweiligen Landes(rechts). Erst die vertragliche Selbstpreisgabe wesentlicher Teile der Landesstaatsgewalt oder ihres Kompetenzbereichs zugunsten eines anderen Landes bzw. zugunsten einer zwischengliedstaatlichen Einrichtung ist verfassungswidrig. Die bloße partielle Übertragung von Hoheitsaufgaben stellt weder die Staatsidentität eines Landes noch das bundesstaatliche Gefüge selbst in Frage. Größere Einbußen erwachsen der B.s-Struktur durch verstärkte Kooperationen zwischen Bund und Ländern. Verwaltungsverbund und Mischverwaltung drohen die föderalistische Substanz weiter abzubauen (BVerfGE 137, 143).

4.3 Bundesstaat und grundrechtliche Gleichheit

Die Besonderheiten der B.s-Struktur stellen eine der weichen Flanken des Grundrechtsschutzes dar, für dessen Effizienz unitarische Lösungen günstiger erscheinen. Verfassungsrechtliche Antinomien ergeben sich namentlich im Verhältnis zum Gleichheitssatz; ihre Auflösung erfolgt nicht zwangsläufig zu Gunsten des Egalitätsprinzips. Grundsätzlich billigt das GG durch sein Bekenntnis zur Bundesstaatlichkeit alle Ungleichheiten, die dadurch entstehen, dass die Länder im Verhältnis zueinander ihre eigenen Gesetzgebungsmaterien unterschiedlich regeln (Schulwesen). Der Landesgesetzgeber ist nur gehalten, den Gleichheitssatz innerhalb seines Kompetenzbereichs zu wahren. Kompetenzrechtliche Eigenwilligkeit der Länder kann bei konsequenter Nutzung der Möglichkeiten des B. dazu führen, dass der Gleichbehandlungsanspruch des Bürgers auf der Verlustliste der an sich sinnreichen föderativen Idee abgebucht werden muss. Art. 33 Abs. 1 GG, der jedem Deutschen in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten gewährleistet, verschafft keine Abhilfe. Die Grundsätze des gemeinsamen Indigenats sichern nur die staatsbürgerliche Rechts- und Pflichtengleichheit aller Deutschen gegenüber der jeweiligen Landesstaatsgewalt; sie verbürgen keine die Landesgrenzen überschreitende, bundeseinheitliche Egalität. Bundesstaatlichkeit versperrt sich mithin legitimerweise schematisierender Egalisierung. Anders liegt es, wenn (Bund und) Länder ausnahmsweise wie bei der Zulassung zu den staatlicherseits faktisch monopolisierten Hochschulen eine gesamthänderische Pflicht zur kooperativen Verwirklichung des anderenfalls notleidenden Grundrechtsschutzes trifft (BVerfGE 33, 357). In dieser exzeptionellen Situation gelten für alle Staatsbürger die gleichen (Grund-)Rechte und haben föderativ bedingte oder gewünschte Besonderheiten zurückzutreten. Ansonsten verbleibt es bei der Normallage des B., der sich nicht nur als „Einheit in der Vielfalt“, sondern auch als „Einheit in der Ungleichartigkeit“ begreift.