Rundfunk

  1. I. Position im Kommunikationssystem
  2. II. Rechtliche Perspektiven

I. Position im Kommunikationssystem

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1. Begriff und Bedeutung

Der Begriff R. (Broadcasting) gilt international als rechtlicher und technischer Oberbegriff für Hörfunk (Radio) und Fernsehen. Legaldefinitionen unterscheiden sich länderspezifisch entspr. ihrer historisch gewachsenen Institutionalisierung. So wird R. im RStV als „linearer Informations- und Kommunikationsdienst […][, der] für die Allgemeinheit […] Angebot[e] in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen“ veranstaltet und verbreitet, begriffen (§ 2 Abs. 1 S. 1). Auch verschlüsselt verbreitete oder gegen besonderes Entgelt empfangbare Angebote schließt der Begriff hier ein. Der aus der analogen Verbreitungsform stammende Begriff der elektromagnetischen Schwingungen umfasst auch die digitale Verbreitung. R. dient demnach der Wiedergabe und Verbreitung geistiger Sinngehalte an die Allgemeinheit in unkörperlicher Form mit funktechnischen Mitteln. Allgemeinheit meint eine unbestimmte Vielzahl von Personen, an die Inhalte gerichtet werden. R. gilt als Massenmedium, das sich an Menschen unterschiedlichen Geschlechts und Lebensalters, verschiedener sozialer Schichten, Bildungsniveaus sowie religiöser und politischer Überzeugungen mit ihren jeweiligen Interessen, Bedürfnissen und Erwartungen richtet. Gegenüber dieser Allgemeinheit erfüllt der R. einen Programmauftrag, beschrieben und verbindlich festgelegt in den Rechtsgrundlagen des R.s durch die Parlamente der deutschen Bundesländer.

Hörfunk wirkt ausschließlich auf den Gehörsinn und gilt als aktuell und universell verfügbares Medium. Ursprünglich in Politik, Militär und Wirtschaft angewandt, entdeckte man nach dem Ersten Weltkrieg den privaten Haushalt als Adressaten. Der Hörfunk wurde zuerst in Nordamerika (1919/20), etwas später auch in Deutschland (1923) eingeführt. Fernsehen wird als Produkt der Industriellen Revolution des 19. Jh. und eine technische Erfindung der Elektroindustrie des frühen 20. Jh. begriffen. Es hat im Laufe seiner technischen Entwicklung nacheinander alle Kommunikationsformen von der Telegrafie über den Film bis zum Radio adaptiert und integriert. Trotz unterschiedlicher Entwicklungen bei Fernsehen und Hörfunk bestand zwischen den Medien eine Abhängigkeit. So folgte dem Aufstieg des Hörfunks in den 1950er Jahren in den 1960ern ein Niedergang, für den auch der Aufstieg des Fernsehens ursächlich war. Die neue Konkurrenz und Veränderungen der Nutzungsgewohnheiten der Bevölkerung führten so zur Adaptierung des Hörfunks, einer Renaissance in den 1980er Jahren, zunehmend jedoch als Begleitmedium.

Das R.-System eines Landes steht immer in einer Beziehung zu seinem Staatswesen. Der föderalistischen Ordnung der BRD (Föderalismus) entspricht die föderalistische Ordnung ihres R.s. In einer freiheitlichen Gesellschaft ist dieser stets Objekt der Auseinandersetzung unterschiedlicher Kräfte. Sein publizistischer Rang ist abhängig von seiner institutionellen Freiheit gegenüber den herrschenden Kräften in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Der R. gilt als Faktor für die politische Willensbildung der Bevölkerung. Er fungiert neben den Parteien als intermediäre Kraft zwischen Volk und Parlament und umgekehrt. Darüber hinaus kommt ihm die Aufgabe der Kontrolle staatlicher Machtausübung zu (Politische Kontrolle).

2. Technische und programmliche Bedingungen

Fernsehen und Hörfunk sind Programmmedien. Als R.-Programm gilt die jeweils über einen Radio- oder Fernsehkanal verbreitete Angebotspalette eines R.-Veranstalters. Obgleich sich Programme als Einheiten darstellen, sind sie durch die Zusammensetzung ihrer Angebote aus einer Vielheit unterschiedlicher Inhalte, Themen, Formen und Darbietungsprinzipien gekennzeichnet. Mehrere Gründe haben dazu geführt, dass die Einzelbestandteile vorweg festgelegt und in einer festen Abfolge angeboten werden:

a) R. erfordert erheblich größeren technischen Aufwand als andere Medien.

b) Diese technische Barriere, verbunden mit geringem Wissen über die sozialen und politischen Folgen des R.s, haben bei seiner Implementierung (in einer Zeit politischer und sozialer Konflikte) zu massiver politischer Einflussnahme geführt.

c) Frühe Mitarbeiter des neuen R.s waren den kulturellen Werten anderer Medien (Zeitung, Theater, Film) verpflichtet. Dies führte zu spezifischen programmlichen Ausrichtungen. Programmplanung war im R. auch aufgrund der Liveausstrahlung der Sendungen notwendig.

Technische Entwicklungen (Speichermöglichkeit, internationale Vernetzung per Kabel und Satellit, Digitalisierung) veränderten den R. radikal. Für die analoge Signalverarbeitung wurden Töne und Bilder zum Zweck der Speicherung, Übertragung und Ausstrahlung in elektrische Ströme und Spannungen verwandelt. Ein Mikrofon setzte Schallwellen in elektrische Spannung um, die je nach Tonhöhe und Lautstärke ihre Frequenz und ihre Größe änderte. Diese Spannungen konnte man verstärken und auf Leitungen zum Sender übertragen. Mit der Umwandlung eines Bildes verhielt es sich ähnlich. Die Digitaltechnik bietet die Möglichkeit, diese Spannungen in Zahlenwerte umzuwandeln, die allein zur Übertragung, Bearbeitung und Speicherung verwendet werden. Dabei ergeben sich sehr hohe Datenraten, die breiterer Kanäle und des Einsatzes von Datenreduktionsverfahren bedürfen.

3. Rundfunkpolitische Entwicklung in Deutschland

R.-Politik wird als Bestandteil übergreifender Medienpolitik und daher eng verflochten mit der Entwicklung der übrigen publizistischen Medien begriffen. Dabei können für den R. in Deutschland folgende Phasen unterschieden werden:

Gründungsphase in der Weimarer Republik: Zwischen 1923 und 1924 entstanden in Deutschland auf Anregung der Deutschen Reichspost und unter Beteiligung privater Kapitalgeber neun regionale R.-Gesellschaften; später kam eine überregionale R.-Gesellschaft hinzu. 1925/26 konzentrierte die Reichspost Wirtschaft, Technik und Programmfunktionen in einer Dachgesellschaft, der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft mbH. Die Programmaufsicht war zwischen Reichspostminister, Reichsinnenminister und den Staatsministerien der Länder aufgeteilt.

NS-Regime: Die nationalkonservative R.-Reform im Jahre 1932 führte zur vollständigen Verstaatlichung des R.s, welche 1933 seine Übernahme durch das Propagandaministerium erleichterte. Reichs- und Länderministerien konnten die Zentralisierung des R.s nicht verhindern. Dem Propagandaministerium gelang es allerdings bis 1945 nicht, als alleinige Lenkungs- und Zensurbehörde zu fungieren. Das Auswärtige Amt, die Wehrmacht, aber auch die Gauleiter zwangen es zu Kompromissen.

Besatzung: Auch nach 1945 wurde R. von deutschen Politikern als staatliche Einrichtung begriffen. Er werde sein demokratisches Gepräge von selbst erhalten, weil er in einem demokratischen Staat veranstaltet wird, war die weit verbreitete Annahme. Diese stieß auf den Widerstand der westalliierten Besatzungsmächte, die selbst über kein einheitliches Gegenkonzept verfügten. Selbst nach der Gründung der BRD bestanden die Alliierten darauf, den R. zu beaufsichtigen. Bis zur Wiederherstellung der Souveränität 1955 waren die deutschen Gesetzgeber in den Bundesländern, aber auch die Bundesregierung und der Bundestag in rundfunkpolitischen Aktivitäten auf alliierte Genehmigung angewiesen. 1950 wurde die ARD gegründet. Sie veranstaltete zunächst ausschließlich Hörfunk. Ab 1954 koordinierten die weitgehend aus Gründungen der Alliierten hervorgegangenen Landesrundfunkanstalten ein gemeinsames, bundesweites Fernsehprogramm. Die Zuständigkeiten für den R. blieben bis Anfang der 1960er zwischen Bund und Ländern umstritten. Die Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer unternahm per Bundesgesetz den Versuch, eine privatwirtschaftliche Fernsehanstalt zu gründen, wogegen die Intendanten der ARD-Anstalten und die Ministerpräsidenten der Länder sich wehrten. Das BVerfG verbot die Gründung, indem es die R.-Hoheit der Länder bestätigte. Durch einen Staatsvertrag wurde dann das ZDF als öffentlich-rechtliche Anstalt institutionalisiert und den ARD-Anstalten gestattet, die sogenannten Dritten Fernsehprogramme regional zu betreiben.

Zulassung privatwirtschaftlicher R.-Veranstalter: Ende der 1970er und Anfang der 1980er kündigte sich die duale R.-Ordnung an. Technologische Entwicklungen wie das Aufkommen der Kabel- und Satellitentechnologie, Kritik an den Programminhalten der öffentlich-rechtlichen Anstalten sowie der gesellschaftliche Wandel werden hierfür als Gründe benannt. Die Medienaufsicht über private Veranstalter obliegt weiterhin den Ländern, die R.-Gesetze erlassen und Landesmedienanstalten unterhalten. Letztere sind mit Fragen der Zulassung und Beaufsichtigung befasst. Die Regulierungsdichte ist im R. deutlich höher als im Printbereich. Konzentrationskontrolle übt die länderübergreifende KEK aus, die KEF prüft Gebührenerhöhungsanträge der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Diese Verfahren zur Festsetzung der R.-Gebühr stehen ebenso im Mittelpunkt medienpolitischer Kontroversen wie allgemeine Regulierungsfragen, etwa die Konkretisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Solche Kontroversen gibt es in den meisten westeuropäischen Ländern, in denen öffentlich-rechtliche Anbieter ihre Organisationsform permanent legitimieren müssen. Die EU hat für den öffentlich-rechtlichen R. eine wesentliche Bedeutung. Im Gegensatz zur deutschen Verfassungsrechtsprechung behandelt die EU den öffentlich-rechtlichen R. und seine Finanzierung nicht von vornherein als Bereiche, für die die Wettbewerbsregeln der EU nicht gelten.

4. Institutionelle Organisationsformen

Die Organisationsformen des R.s sind ein Spiegelbild der jeweiligen Staats- und Gesellschaftsordnung. R. in totalitären Staaten (Totalitarismus) ist ein Führungsinstrument. In Ländern mit freiheitlich-demokratischer Ordnung variieren die Organisationsformen. In Deutschland ist R. nicht mehr ausschließlich öffentlich-rechtlich verfasst. Das Recht zur Selbstverwaltung und die Steuerung durch binnenplurale Kollegialorgane kumulierten in einer von den Alliierten installierten Organisationstruktur, die die gesellschaftliche Pluralität in der Organisation abbilden und zu einem auf Vielfalt verpflichteten Programm transformieren sollte. Die Kompetenz für die Ausgestaltung des R.s lag und liegt bei den Ländern.

Öffentlich-rechtliche und private Medienorganisation unterscheiden sich in vielfältiger Weise in ihren idealtypischen Organisationsprinzipien und Handlungsparametern. Öffentlich-rechtlich organisierte Medien gehören in den Bereich der öffentlichen Wirtschaft. So hat der öffentlich-rechtliche R. in Deutschland die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts und ist eine NPO. Private Medienunternehmen sind erwerbswirtschaftlich orientiert, also For-Profit-Organisationen, sofern es sich nicht um Offene Kanäle (nicht erwerbswirtschaftlich orientierten Lokalfunk) handelt. Die öffentlich-rechtlichen R.-Anstalten lassen sich als Unternehmen verstehen, die ökonomische Vorteile hierarchischer Organisation wahrnehmen, allerdings nicht i. S. privater Kapitalverwertung. Die Begriffe öffentlich und privat verweisen auf die Trägerschaft, auf die Eigentums- und Verfügungsrechte über knappe Ressourcen. Auf der einen Seite privates Eigentum, private Verfügungs- und Nutzungsrechte an den Produktionsmitteln und an den Medien, auf der anderen Seite öffentliches Eigentum und Verfügungsrechte im öffentlichen Auftrag.

Das BVerfG hat in seinen Urteilen immer wieder darauf verwiesen, dass der private R. normativ das gleiche Sachziel habe wie der öffentlich-rechtliche, nämlich Medium und Faktor im Prozess öffentlicher Meinungsbildung zu sein; es hat aber auch hinzugefügt, dass die privaten Anbieter aufgrund ihrer Finanzierungsmodalitäten diesem Sachziel faktisch nicht in gleicher Weise gerecht werden können. Die Erzielung von Einnahmen aus Werbung hängt nachweislich von der erreichten Zuschauerzahl ab, weshalb private Anbieter möglichst massenattraktive Programme verbreiten müssen. Deshalb trägt der öffentlich-rechtliche R. die Hauptlast bei der Erreichung dieses Sachziels. Nur solange der öffentlich-rechtliche R. seine Aufgabe der Grundversorgung erfüllt, ist es gerechtfertigt, für den privaten R. das Pluralitätsgebot abzumildern. Modelle zur Gewährleistung von Pluralität sind für die beiden Organisationsformen sehr unterschiedlich. Wird bei öffentlich-rechtlicher Organisation davon ausgegangen, dass Vielfalt durch die Berücksichtigung relevanter gesellschaftlicher Kräfte und Strömungen in den Organen statisch angelegt werden kann, ruht die Vielfaltsvermutung bei außenpluraler Organisation auf dem Wettbewerb einer Mehrzahl von selbständigen privatwirtschaftlichen Anbietern. Die wichtigsten Organe der öffentlich-rechtlichen R.-Anstalten sind:

a) Der R.-Rat, der aus Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammengesetzt ist und die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des R.s vertritt und die Einhaltung der Programmgrundsätze überwacht.

b) Der Verwaltungsrat ist ein Kontrollgremium für wirtschaftliche Fragen und überwacht die Geschäftsführung des Intendanten.

c) Der Intendant leitet selbständig die R.-Anstalt und trägt Verantwortung für den Betrieb und die Programmgestaltung.

5. Ökonomische Aspekte

Für die Ausdifferenzierung und Spezialisierung des R.s ist vornehmlich der ökonomische Wandel verantwortlich. R. hatte im Fordismus als Träger von Populär- und Massenkultur konkrete Aufgaben. Er diente der Stabilisierung des Wirtschaftssystems sowie der Absatzstimulierung und Steuerung als Werbeträger. Mit der Krise des Fordismus in den 1970er Jahren und der darauf folgenden Umstrukturierungs- und Globalisierungspolitik (Deregulierung, Privatisierung und Öffnung nationaler Märkte) sah man in den neuen informationstechnischen Entwicklungen (neue Bearbeitungsverfahren, Vernetzungsmöglichkeiten, Verwertung immaterieller Güter, Durchkapitalisierung und Kommodifizierung des Dienstleistungs-, Bildungs-, Agrar-, Pharma- und Gesundheitssektors) eine Möglichkeit zur Überwindung der erschöpften Produktionsreserven des Taylorismus. Die postfordistischen Schlüsselindustrien entwickelten volle wirtschaftliche Effizienz erst jenseits der Grenzen nationaler Märkte. Der nationalstaatliche Zusammenhang von tayloristischer Massenproduktion und sozialstaatlich abgestütztem Massenkonsum löste sich auf, es kam zu einer Transformation des fordistischen Wohlfahrtsstaates in einen postfordistischen Wettbewerbsstaat. Diese Transformation war auch für den R. folgenreich, ist er doch nun einer R.-Politik ausgesetzt, die zunehmend von den Zwängen internationaler Standortkonkurrenz bestimmt wird. Gesetzt wird in diesen politischen Auseinandersetzungen zumeist auf den Steuerungsmechanismus Markt ohne zu berücksichtigen, wie sich Marktmängel bei R. und bestimmten Inhalten häufen und eine kumulative Wirkung entfalten. Der Guteigenschaft des R.s und den mit ihr verbundenen Marktmängeln kommt damit eine zentrale medienpolitische Bedeutung zu.

6. Rundfunk in der Schweiz und in Österreich

6.1 Schweiz

Kleinstaatliche R.-Strukturmerkmale prägen die Schweiz, die in ungleich große Sprachregionen aufgeteilt ist. Jede der drei großen Regionen grenzt zudem an ein großes, gleichsprachiges Nachbarland. Dies hat Auswirkungen insb. auf den Fernsehmarkt. Privatfernsehsender senden innerhalb ihrer regulären Programme Werbefenster für die Schweiz. Unter den R.-Sendern nimmt die öffentlich-rechtliche SRG die wichtigste Stellung ein. Bis Anfang der 1980er Jahre hatte sie eine weitgehende Monopolstellung inne. Die SRG finanziert sich aus öffentlichen (Gebühr) und kommerziellen Geldern (Werbung) und bietet durch ihre autonomen Programmgesellschaften in allen Sprachregionen Radio- und Fernsehprogramme an. Auf nationaler Ebene werden die Programmgesellschaften durch einen Verein zusammengehalten. Die meisten privaten Radio- und Fernsehstationen sind als kommerzielle Sender auf lokaler und regionaler Ebene tätig.

6.2 Österreich

Spätestens seit den 1980er Jahren wurde das Sendemonopol des öffentlich-rechtlichen R.s (ORF) in Frage gestellt, begründet zunächst mit dem Verweis auf neue technische Verbreitungswege. Als ursächlich für die Neugestaltung der R.-Gesetze und die damit verbundene Schaffung rechtlicher Grundlagen für privates terrestrisches Fernsehen im Jahr 2001 gelten zudem ein Urteil des EGMR sowie EU-rechtliche Vorgaben. Der ORF finanziert sich aus öffentlichen (Programmentgelt) und kommerziellen Geldern. Kleinstaatliche R.-Strukturmerkmale prägen auch Österreich. Ab den 1980er Jahren konnten Haushalte zunehmend ausländische R.-Programme über Kabel (später auch über Satellit) empfangen. 2003 nahm mit ATV der erste landesweit empfangbare private Fernsehsender seinen Sendebetrieb auf, weitere Veranstalter folgten. Der ORF ist weiterhin das größte Medienunternehmen Österreichs. Dies gilt sowohl hinsichtlich seiner Plattformen als auch seiner Umsatzzahlen.

II. Rechtliche Perspektiven

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1. Begriffliche Klärungen

1.1 Begriff

Der geläufige Fachausdruck für die rechtswissenschaftliche Dimension des technischen Phänomens R. ist R.-Recht. Der Rechtsstoff ist breit. Die Materie ist kompliziert. R.-Recht ist maßgeblich von der Rechtsprechung des BVerfG determiniert.

Rechtlich umfasst R. Hörfunk und Fernsehen. Der auch als audiovisuelles (oder elektronisches) Medium bezeichnete R. steht im Unterschied zur Presse, die das Printmedium ist. R.-Recht erfasst schwerpunktmäßig den R. als Mittel der Massenkommunikation, nicht der Individualkommunikation. R. und die ihm oft gleichgeordneten Telemedien stehen nach den Regelungen der Medienstaatsverträge der Länder in einer engen, terminologisch nicht ganz spannungsfreien Wechselbeziehung.

R.-Recht ist eine Teildisziplin des Sammelbegriffs Medienrecht, zu dem neben dem Filmrecht v. a. das Presserecht zählt. Beide Materien – R.-Recht und Presserecht – betreffen unterschiedliche Kommunikationsformen. R. und Presse sind trotz der schlagwortartigen Konvergenz der Medien nicht identisch, auch nicht unter dem Vorzeichen eines vermeintlichen gemeinsamen Mediengrundrechts. Ein einheitliches Mediengrundrecht kennt das GG nicht. Vielmehr liegt die Unterscheidung zwischen den einzelnen Mediengrundrechten der Aufteilung in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG – Presse, R., Film – zugrunde. Auch supranationale Vorgaben (EMRK und EuGRC) nötigen nicht zur Konstruktion eines uniformen Mediengrundrechts, in dem Presse und R. aufgingen. Die deutsche Medienrechtsordnung bleibt komplex und differenziert.

Teilaspekte des R.-Rechts lassen sich anderen juristischen Referenzgebieten zuordnen; so dem Wirtschaftsverwaltungsrecht (Privatfunk; Wirtschaftswerbung) und dem Kulturverwaltungsrecht (Hochschulfunk, Theater).

1.2 Juristische Definition

Die in Art. 5 GG vorgegebene grundrechtliche Differenzierung zwischen den einzelnen Medien erfordert eine positive juristische Definition des Begriffs R.

R. und Presse unterliegen zum großen Teil unterschiedlichen Voraussetzungen, Schutzbestimmungen und Begrenzungen. Für die Freiheit der Presse ist die Verwurzelung im Privatrecht und in der Privatwirtschaft institutionell garantiert. Im Unterschied dazu darf der R. auch in öffentlich-rechtlicher Organisationsform betrieben werden. Die Presse bedarf keiner staatlichen Zulassung. Der R. ist dagegen auf gesetzliche Einführung und Zulassung angewiesen.

Auch das Staatsorganisationsrecht des GG fordert eine Präzisierung des Kompetenzthemas R. Der Bund hat nur auf dem Gebiet der Telekommunikation (Fernmeldewesen; Signalvermittlung) die Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 Nr. 7 GG). Für Telemedien ist die Bundeskompetenz für die Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) einschlägig. Der davon zu unterscheidende R. als Informations- und Veranstaltungseinrichtung fällt demgegenüber in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (BVerfGE 12, 205 ff.).

Die thematische Festlegung der Reichweite des dynamischen Begriffs R. ist schwierig. Einen Definitionsversuch unternehmen seit geraumer Zeit die deutschen Länder in dem periodisch angepassten RStV. Schlagwortartig erweist sich danach R. als für die Allgemeinheit bestimmte Übertragung von Darbietungen in Wort, Ton und Bild mittels elektromagnetischer Schwingungen. Solche Definitionsversuche des Gesetzgebers sind zulässig, haben aber angesichts der technisch bedingten Entwicklungsoffenheit des R.-Begriffs (BVerfGE 74, 350 f.) keinen verfassungsrechtlichen Ewigkeitsanspruch. Auch bleiben zwischen R. und Presse in Randlagen Überschneidungen und Abgrenzungsschwierigkeiten. Eine aktuelle Streitfrage betrifft die Zulässigkeit presseähnlicher beitragsfinanzierter Textangebote der öffentlich-rechtlichen R.-Anstalten im Internet. Ist das noch R.? Oder verletzen die Anstalten die Pressefreiheit Privater?

1.3 Konzept einer dualen Rundfunkordnung

Signifikant für das deutsche R.-Recht ist das Konzept einer dualen R.-Ordnung (BVerfGE 119, 218 ff.). Sie basiert auf dem Nebeneinander von beitragsfinanziertem öffentlich-rechtlichen Anstaltsfunk und werbungsfinanziertem privaten Kommerzfunk. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen finden sich in den jeweiligen Mediengesetzen und im gemeinsamen RStV der Länder. Zwischen beiden Systembestandteilen – öffentlich-rechtlicher und privater R. – besteht funktionelle Akzessorietät. Dem abgabenrechtlich finanzierten, binnenpluralistisch strukturierten und zur Ausgewogenheit verpflichteten öffentlich-rechtlichen R. obliegt die unerlässliche Versorgung mit den klassischen Funktionen des modernen R.s. Darum darf der nicht ganz so in Pflicht genommene Privatfunk größere Freiräume in der Programmgestaltung in Anspruch nehmen; er ist nur einem Grundstandard von Vielfalt verpflichtet. Der öffentlich-rechtliche R. genießt eine Bestands- und Entwicklungsgarantie, die seine funktionsgerechte Finanzierung einschließt. Die internen Aufsichtsgremien der Anstalt (z. B. R.-Räte) müssen plural zusammengesetzt sein. Sie sichern die Meinungsvielfalt und unterliegen dem Gebot der Staatsferne (BVerfGE 136, 37). Die Kontrolle des Staates ist auf eine begrenzte Rechtsaufsicht reduziert. Private R.-Veranstalter unterliegen der Zulassung und Kontrolle von Landesmedienanstalten. Die Strukturverantwortung für das Medienmodell der dualen R.-Ordnung liegt beim staatlichen Gesetzgeber. Das vom BVerfG gebilligte Konzept ist medienpolitisch umstritten. Ziel seiner Gegner ist die völlige Privatisierung des R.s.

2. Rechtliche Grundlagen

R.-Recht tritt auf verschiedenen Rechtsebenen in Erscheinung; es spielt in thematisch unterschiedlichen Rechtsgebieten eine Rolle.

R.-Recht hat als Medienfreiheit supranationale Relevanz. Die EMRK, die in Deutschland als einfaches Bundesrecht gilt (BVerfGE 128, 357), spricht die Freiheit des R.s als Erscheinungsform der Meinungsfreiheit an (Art. 10 Abs. 1). Das Unionsrecht achtet die Freiheit der Medien (Art. 11 Abs. 2 EuGRC).

R.-Recht hat innerstaatlich Verfassungsrechtsbezüge im GG und in den Landesverfassungen. Es dominiert unter grundrechtlichem Aspekt, ist aber auch von staatsorganisationsrechtlicher Bedeutung für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern.

R.-Recht hat nicht nur verfassungsrechtlichen Rang. Es ist Teil auch des einfachen Rechts vornehmlich der Länder. Es tritt dort in speziellen R.-Gesetzen oder in auf R. bezogenen Mediengesetzen in Erscheinung. Wichtige Komplexe des R.-Rechts sind Gegenstand von Staatsverträgen der Länder, z. B. die Gründung gemeinsamer Länderanstalten wie ZDF, MDR, NDR oder die Einrichtung der ARD als eines Programmverbundes von Landesrundfunkanstalten. Andere Staatsverträge betreffen den Jugendmedienschutz und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen R.s. Dominierend ist der globale RStV mit Regelungen über den öffentlich-rechtlichen R. und den Privatfunk.

R.-Recht findet seinen Niederschlag im Privatrecht wie im öffentlichen Recht. Privatrecht ist für den Privatfunk typisch. Auch Arbeitsrecht und Wettbewerbsrecht sind insoweit einschlägig. Öffentlich-rechtlicher Natur sind die Staatsverträge sowie die Regelungen für die Landesrundfunkanstalten und die Landesmedienanstalten. In Betracht kommt auch die Deutsche Welle, die einzige öffentlich-rechtliche R.-Anstalt des Bundes.

3. Die Rundfunkfreiheit

3.1 Die verfassungsrechtliche Garantie der Rundfunkfreiheit

Im Fokus des R.-Rechts steht die Garantie der R.-Freiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). Das komplexe Grundrecht zeichnet sich durch eine Reihe von z. T. singulären Facetten aus, die die Gewährleistung von anderen Grundrechten unterscheiden. Als gegen den Staat gerichtetes Abwehrrecht steht die R.-Freiheit zwar in unverkennbarem Kontext zum Urgrundrecht der Meinungsfreiheit (BVerfGE 7, 198 ff.). Doch ist sie mehr als nur ein Unterfall der individuellen Meinungsfreiheit. Sie ist zugleich eine der öffentlichen Meinungsbildung dienende Freiheit, die auf positive Ausgestaltung durch den staatlichen Gesetzgeber angewiesen ist. Inhaltlich ist die R.-Freiheit weder Generalklausel noch Auffanggrundrecht. Die – lapidar und fragmentarisch formulierte – R.-Freiheit darf nicht zum pauschalen Rundumfreiheitsrecht umfunktioniert und um ihre eigentliche Substanz gebracht werden.

Kern des Grundrechts ist die im Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG so angeführte „Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk“. Geschützt sind die Herstellung, Verbreitung und Verwertung von Sendebeiträgen. Die R.-Freiheit ist eine Veranstalterfreiheit, in deren Zentrum die Programmautonomie steht (BVerfGE 119, 218). Als Veranstalter figurieren kommerzielle private Unternehmen und die öffentlich-rechtlichen R.-Anstalten. Die veranstalterzentrierte R.-Freiheit ist weder eine Jedermann-Freiheit noch ein Passepartout-Grundrecht, das über die Veranstaltung hinaus jedes und jedermanns sonstiges Interesse am Medium R. schützt. Solche überschießenden Ambitionen und Engagements sind Anliegen anderer Freiheitsrechte. Der R.-Rezipient (Hörer und Seher) macht von seinem Grundrecht der Informationsfreiheit Gebrauch (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Von Dritten produzierte Beiträge für R.-Veranstalter unterliegen dem Schutz der Wirtschaftsgrundrechte (Art. 12, 14 GG). Ebenso wenig kommen als Inhaber der R.-Freiheit die öffentlich-rechtlichen Landesmedienanstalten in Frage. Sie lizensieren und beaufsichtigen private R.-Unternehmer, veranstalten aber im Gegensatz zu den Landesrundfunkanstalten nicht selbst R.-Sendungen. Publizistische Informationsintermediäre (Facebook, Google) vermitteln im Internet Informationen, veranstalten aber selbst keinen R.

Die R.-Freiheit ist keine natürliche oder urwüchsige Freiheit (BVerfGE 95, 237), die – wie die Meinungsfreiheit – dem Staat voraussetzungslos vorgegeben ist. Sie bedarf gesetzlicher Ausgestaltung; das Grundrecht ist gesetzesakzessorisch oder normgeprägt. Grund für das Erfordernis einer positiven Ordnung ist nicht (mehr) der Mangel an Frequenzen und Finanzen, die für R.-Veranstaltungen notwendig sind. Entscheidende Parameter sind die Aktualität, Breitenwirkung und Suggestivkraft des Mediums (BVerfGE 119, 214), die es von anderen Kommunikationsmitteln unterscheiden. Der R. darf weder dem freien Spiel der privaten oder gesellschaftlichen Kräfte noch dem Belieben des Staates überlassen bleiben. Zur grundrechtssichernden Struktur gehört die pluralistische, staatsferne Kontrolle des öffentlich-rechtlichen R.s durch die gesellschaftlich relevanten Kräfte (BVerfGE 136, 37). Ebenso notwendig ist die Ausgewogenheit der Programmgestaltung. Die Strukturverantwortung, namentlich für die Sicherung der Staatsferne des R.s, liegt beim staatlichen Gesetzgeber; die R.-Freiheit unterliegt einem besonderen Parlamentsvorbehalt (BVerfGE 57, 319 ff.).

Die R.-Freiheit ist im Verfassungsstaat des GG eng mit dem Demokratie-Grundsatz verbunden. Sie ist von schlechthin konstituierender Bedeutung für die freiheitliche demokratische Grundordnung (BVerfGE 117, 258). Auch der R. ist unentbehrliches Medium und Faktum der öffentlichen Meinungsbildung (BVerfGE 12, 260). Er hat integrierende Funktion für das Staatsganze (BVerfGE 31, 329). Insoweit ist die R.-Freiheit eine dienende Freiheit (BVerfGE 87, 197 f.). Sie ist ihrem Träger nicht zum Zwecke der Persönlichkeitsentfaltung und Interessenverfolgung eingeräumt. Die Kritik an dieser Charakterisierung des BVerfG betont u. a., Freiheitsrechte würden nicht „dienen“. Das stimmt zwar im Allgemeinen. Doch handelt es sich hier um die Freiräume wirkungsmächtiger R.-Veranstalter, d. h. um öffentlich-rechtliche R.-Anstalten oder um machtintensive Privatunternehmen. Sie bedürfen einer gesetzlichen Ordnung, die sicherstellt, dass der von ihnen erwartete Dienst an der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung geleistet wird (BVerfGE 57, 319).

3.2 Die Schranken der Rundfunkfreiheit

Die R.-Freiheit ist nicht schrankenlos. Ihre Ausübung ist wie der Gebrauch jedes anderen Freiheitsrechts in die allgemeine Rechtsordnung eingebunden (BVerfGE 35, 223).

Die R.-Freiheit unterliegt gemäß Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken der allgemeinen Gesetze und den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre. Diese Schranken sind im Lichte der Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts anzuwenden (sogenannter Wechselwirkungsgrundsatz als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips [ Verhältnismäßigkeit ] – BVerfGE 128, 266). Konflikte zwischen R.-Veranstaltern und dritten Grundrechtsträgern sind privatrechtlicher Natur. Sie können bis zum BVerfG führen. Legendäre Leitentscheidung ist der Lebach-Fall (BVerfGE 35, 202 ff.): Dem ZDF wurde gerichtlich eine Dokumentationssendung über ein reales Tötungsdelikt untersagt. Deren Ausstrahlung hätte den im Persönlichkeitsrecht verwurzelten Resozialisierungsanspruch des seinerzeit verurteilten und noch einsitzenden jugendlichen Straftäters verletzt.

Eine bes. Vorkehrung zum Schutz des R.-Veranstalters bildet Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG. Er verbietet jegliche Vorzensur des Staates über Schrift, Rede und Sendung. Gegen den R.-Veranstalter gerichtete Sanktionen und Pressionen von dritter Seite fallen nicht darunter. Die Umsetzung der komplizierten Vorschrift auf R.-Veranstalter bereitet Schwierigkeiten. Differenzierung ist namentlich geboten bei Aktivitäten gegen und durch öffentlich-rechtliche R.-Anstalten. Beispiele: Verbietet der Staat einer Anstalt eine bevorstehende Wahlsendung, handelt es sich um eine verbotene Vorzensur. Setzt die R.-Anstalt selbst einen Wahlwerbungsspot einer politischen Partei ab, liegt kein Fall des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG vor. Denn der öffentlich-rechtliche R. ist auf Grund seiner Staatsferne (BVerfGE 136, 9) kein Teil der Staatsgewalt, an die allein das Zensurverbot (Zensur) des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG gerichtet ist.