Presserecht

Das Gebiet P. betrifft die Gesamtheit der Regelungen, die in einem rechtlich verfassten Gemeinwesen für die Presse einschlägig sind. Im Verfassungsstaat Deutschland steht im Fokus der Rechtsvorschriften das Grundrecht der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG (Meinungsfreiheit). Es wird flankiert von supranationalen Gewährleistungen der EMRK und der EuGRC. Nähere Einzelheiten regeln weitgehend identische Pressegesetze der Länder.

1. Begriffliche Klärungen

Die Presse hat eine lange Tradition seit Johannes Gutenbergs Erfindung des „gepreßten“ (gedruckten) Wortes. Aus der Preßfreiheit ging die Pressefreiheit hervor, um deren (verfassungs-)rechtliche Anerkennung über Jahrhunderte gekämpft wurde. Heute ist das Printmedium als Faktor der öffentlichen Meinungsbildung unentbehrliches Massenkommunikationsmittel. Die Freiheit der Presse hat als Desiderat universalen Rang. Allerdings hat das klassische Medium durch die elektronische Zeitenwende und die digitale Revolution Konkurrenz erfahren. An der Spitze steht der Rundfunk, zu dem Hörfunk und Fernsehen rechnen. Weniger gewichtig ist der Film. Das GG benennt Presse, Rundfunk und Film nebeneinander. Wie sehr die Pressefreiheit ihren Vorbildcharakter behalten hat, belegt der Umstand, dass für die Freiräume anderer Medien zumal in Krisenfällen auch die Pressefreiheit bemüht wird. Das ist juristisch nicht korrekt. Die Pressefreiheit ist kein Passepartout für jede Art von medialer Freiheit. Die Existenz anderer Medien hat nicht zur Folge, dass die Pressefreiheit stellvertretend für eine alle anderen Medien gleichermaßen erfassende, inhaltlich identische Medienfreiheit steht. Bei aller Konvergenz der Medien gibt es kein einheitliches Mediengrundrecht. Ebenso wenig existiert eine uniforme Medienfreiheit, die sich an der Pressefreiheit zu orientieren hätte.

Namentlich zwischen Presse und Rundfunk bestehen erhebliche strukturelle Unterschiede. Sie sind großenteils verfassungsrechtlich relevant. Beispiele: Die Presse wurzelt im Privatrecht und in der Privatwirtschaft; öffentlich-rechtliche Organisationsformen etwa nach der Art von Zeitungsanstalten sind verboten. Demgegenüber ist der Betrieb des Rundfunks weiterhin in öffentlich-rechtlicher Struktur geboten; daneben ist privater Kommerzfunk zulässig. Die Presse agiert, ohne dass es einer gesetzlichen oder behördlichen Lizensierung bedarf; für den Rundfunk besteht ein Parlamentsvorbehalt. Die Presse genießt Tendenzschutz und unterliegt keinen Ausgewogenheitspflichten; der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss in der Programmgestaltung tendenzfrei und ausgewogen sein; sogar der Privatfunk muss ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit beachten.

a) Bei P. und Rundfunkrecht handelt es sich um unterschiedliche Rechtsgebiete. Der Ordnungsfaktor Medienrecht für Massenkommunikationsmittel wird dadurch nicht überflüssig. Er ist ein Sammelbegriff, unter dessen Dach P. und Rundfunkrecht als Teildisziplinen gelten. Die Klammerfunktion eines beide Disziplinen überwölbenden Medienrechts hat Sinn. Schließlich gibt es für die Massenmedien Gemeinsamkeiten (Staatsunabhängigkeit; Zensurverbot; Vermeidung multimedialer Meinungsmacht). Noch weiter reicht ein anderer Sammelbegriff: Kommunikationsrecht. Er schließt auch die Individualkommunikation ein.

b) Das Gebot der Abgrenzung zwischen Presse und Rundfunk erledigt sich dadurch natürlich nicht. Das holzschnittartige Schwarzweißmuster: hier Druckerzeugnisse, dort audiovisuelle Artikulation passt wegen der technischen Verwobenheit der komplexen Materie seit langem nicht mehr. Überschneidungen und Überlagerungen sind nicht auszuschließen. Namentlich die „Neuen Medien“ werfen Zuordnungsprobleme auf, für deren Lösung anerkannte Kriterien fehlen. Was ist mit Drucktexten in medialen Internetdiensten? Bei alledem muss man mit dem Argument fertig werden, dass es zwar kein Verfassungsgebot einer publizistischen Gewaltenteilung gibt. Publizistische Machtkumulation duldet das GG andererseits auch nicht. Die mediale Gemengelage lässt sich nicht durch eine authentische Definition des Gesetzgebers beilegen. Für die Presse gibt es sie nicht. Für den Rundfunk versuchen die Länder die Definition in dem kontinuierlich erneuerten Medienstaatsvertrag. Das bringt auch für die Presse eine gewisse Entlastung.

2. Grundlagen der Pressefreiheit

Die Pressefreiheit ist primär ein individuelles subjektives Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Sie hat zugleich den Charakter einer objektiven Einrichtungsgarantie. Sie nimmt den Staat in Pflicht. Er trägt Sorge für die Erhaltung des Instituts „Freie Presse“. Konsequenz: Der Gesetzgeber hat gegebenenfalls Maßnahmen gegen eine die Freiheit der Meinungsbildung gefährdende Pressekonzentration zu treffen.

Träger der Pressefreiheit sind natürliche und juristische Personen (Art. 19 Abs. 3 GG).

a) Sie steht auch Vereinigungen und Organisationen zu. In der verbandsimprägnierten Demokratie gibt es Partei-, Gewerkschafts-, Kirchenpresse und ähnliche. Die Pressetätigkeit der Verbände wird zusätzlich durch deren Muttergrundrecht (z. B. für die Kirchen Art. 4, für die Gewerkschaften Art. 9 Abs. 3 GG) gestützt.

b) Eine Besonderheit betrifft die Staatspresse. Der Staat kann sich als Grundrechtsadressat grundsätzlich nicht auf materielle Grundrechte berufen. Regierungsamtliche Verlautbarungen genießen darum nicht den Schutz des Grundrechts der Pressefreiheit. Die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit des Staates basiert vielmehr auf dessen Kompetenz zur inneren Staatsleitung.

c) Bei Zeitungsunternehmen zeigen sich unterschiedliche Gewichte und Dimensionen der Pressefreiheit. Grundrechtsträger gegenüber dem Staat ist in erster Linie der Verleger, für den daneben noch die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) streiten. Am staatsgerichteten Grundrechtsschutz der Pressefreiheit partizipieren auch die Mitarbeiter des Unternehmens (Journalisten, Redakteure, Drucker, Grossisten). Dagegen ist die Pressefreiheit der Mitarbeiter kein Grundrecht gegenüber dem Verleger, aus dem Mitbestimmungsrechte aus Unternehmen abgeleitet werden können. Diese „innere“ Pressefreiheit existiert nicht.

Inhaltlich reicht die Pressefreiheit von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht. Das Grundrecht schließt Informationsschutz und die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit ein. Der Inhalt der Veröffentlichung, ihr Wert und ihre Qualität spielen keine Rolle. Die Lüge wird nicht geschützt (bestritten). Unwahre Darstellungen lösen Gegendarstellungsrechte Betroffener aus. Eine bes. Schutzvorkehrung stellt das Verbot der Vorzensur (Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG) dar.

Das Grundrecht der Pressefreiheit ist nicht schrankenlos: Für alle Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG gilt die Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG, die die Einbindung auch der Pressefreiheit in die allgemeine Rechtsordnung sichert. Namentlich die Handhabung der vorangestellten allgemeinen Gesetze erweist sich als kompliziert. Um ein Leerlaufen des Grundrechts, also eine Freiheit nur nach Maßgabe der Gesetze zu verhindern, wurde eine bedeutsame Argumentationsformel entwickelt: Die gesetzlichen Einschränkungen müssen ihrerseits im Lichte der von ihnen eingeschränkten verfassungsrangigen Verbürgungen angewendet werden; ein „Wechselwirkungsgrundsatz“, der eine Variante des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Verhältnismäßigkeit) darstellt. Der auch als Schaukeltheorie denunzierte Parameter wird mittlerweile auch für die Prüfung von Eingriffen des Staates in andere Freiheitsrechte herangezogen. Mit der Schranke des Ehrenschutzes (Ehre) lässt sich auch die Hassrede abwehren. Jugendschutz impliziert einen besonderen staatlichen Schutzauftrag.

3. Pressefreiheit und Demokratie

Die Presse ist im Verfassungsstaat des GG nicht nur durch staatsgerichtete Freiheit geschützt. Sie ist wegen ihres Beitrags zur öffentlichen Meinungsbildung auch für die Demokratie von Bedeutung, die ihrerseits zu den verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen gehört. Die symbiotische Beziehung zwischen beiden Verfassungsgarantien – Freiheitsrechte und Volkssouveränität – kommt im Narrativ des BVerfG zum Ausdruck: Die Pressefreiheit ist von schlechthin konstituierender Bedeutung für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Nicht von ungefähr wird der Presse in den Pressegesetzen der Länder eine öffentliche Aufgabe bescheinigt. Von Anerkennung zeugen auch mehr soziologische Wichtigkeitsattribute wie Wachhund (watchdog). Skepsis ist geboten gegenüber der Auszeichnung der Presse als vierte Gewalt. Das Prädikat kann zum Danaergeschenk werden. Die drei anderen klassischen Gewalten – Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung – sind Träger von Staatsfunktionen; sie sind an Grundrechte gebunden und bedürfen der demokratischen Legitimation. Dieser spezielle Staatsbezug gilt für die staatsfreie Presse gerade nicht. Sie ist in den Grundrechten als den Raumplanen privater Freiheit zu Hause. In Fällen publizistischer Machtkonzentration (oder gar multimedialer Meinungsmacht) muss der staatliche Gesetzgeber für die Integration der öffentlichen Meinungsbildung (Meinungsvielfalt) sorgen.