Globalisierung

  1. I. Historisch (bis zu den 1980er Jahren)
  2. II. Wirtschaftswissenschaftlich
  3. III. Politikwissenschaftlich

I. Historisch (bis zu den 1980er Jahren)

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In der Geschichtswissenschaft kursieren zwei unterschiedliche Definitionen von G.: Zum einen gibt es eine weite Begriffsfestlegung, welche die Entwicklung und Expansion von transgesellschaftlichen Vernetzungen, Interaktionen und Interdependenzen in den Bereichen des Sozialen, Kulturellen, Wirtschaftlichen wie Politischen umfasst. In den Blick genommen werden dabei sowohl Menschen, Waren, kulturelle Artefakte, Praktiken und Ideen, die die Grenzen zwischen geographisch voneinander entfernten und gesellschaftlich voneinander differierenden Regionen überschreiten, als auch Strukturen und Institutionen, die diese distinkten Gesellschaften miteinander verbinden, sei es über Infrastrukturen des Transports und der Kommunikation oder über supranationale Organisationen (UNO, international agierende NGOs). Sie alle führen dazu, dass sich viele Weltzusammenhänge verdichten, zugleich aber auch neue Machtasymmetrien entstehen. Der engere G.s-Begriff, der im Folgenden verwendet wird, beschränkt sich dagegen auf die wachsende ökonomische Verflechtung in Form der Entstehung transregionaler, -nationaler oder -kontinentaler Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- (Geld- und Kapitalmarkt) und Arbeitsmärkte. Unter G. wird damit ein Prozess verstanden, der zwar nicht per se alle Weltregionen umfassen muss und auch nicht als teleologisch, linear oder irreversibel gedacht werden sollte, insgesamt aber doch wachsende gegenseitige wirtschaftliche Beeinflussungen und Abhängigkeiten mit ökonomischen wie sozialen Folgen generiert.

1. „Globalisierung“ vor der Globalisierung?

Innerhalb der Geschichtswissenschaft ist die Datierung des Beginns der G. umstritten. So sehen manche bereits im Mittelalter mit dem wachsenden Handel von Luxusgütern (Gewürze und Seide von Asien nach Europa) eine G. im Gange. Andere setzen deren Beginn eher mit der Entdeckung des Seeweges nach Asien um 1500 und der intensivierten Einbeziehung des afrikanischen Kontinents in den Fernhandel bzw. mit der Eroberung Amerikas an, wobei das Eindringen europäischer Kaufleute und Handelsgesellschaften in die asiatischen Handelsnetze, die Ausbeutung der amerikanischen Silber- und Goldschätze, der interkontinentale Transfer von Nutztieren und -pflanzen (Columbian Exchange), die Entwicklung des transatlantischen Sklavenhandels (Sklaverei) seit dem 16. Jh. und der Siegeszug der Plantagenwirtschaft als bes. Kennzeichen wachsender ökonomischer Interaktionen mit ihren enormen Auswirkungen an den jeweiligen Orten der Verflechtung angesehen werden. Gegner dieser These der „Proto-G.“ verweisen dagegen auf all jene Weltregionen und Wirtschaftssektoren, die bis zum 19. Jh. von diesen wirtschaftlichen Kontakten nur peripher oder überhaupt nicht verändert wurden, beschränkte sich der Konsum der meisten Menschen auf der Erde doch weitgehend auf Produkte aus ihrer jeweiligen Region. Entscheidend in der Debatte sind die Kriterien, die für das Vorhandensein von G.s-Vorgängen angelegt werden. So kann gefragt werden, ob von G. erst dann zu sprechen sei, wenn sich gesellschaftliche Strukturen infolge des Austauschs von Waren oder Dienstleistungen qualitativ und/ oder quantitativ signifikant wandeln. Eine weitere Möglichkeit ist das Kriterium der geographischen Reichweite und Ubiquität, eines potenziell weltumspannenden Charakters.

Neuzeithistoriker datieren den Beginn der G. daher meist auf die Mitte des 19. Jh., wenn sie auch im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fernhandel Strukturen und Praktiken angelegt sehen, die ihre Wirkmächtigkeit im 19./20. Jh. weiter entfalteten. Als wesentlicher Indikator für G.s-Prozesse wird von ihnen oft die wachsende internationale Preiskonvergenz angeführt. Weitgehender Konsens herrscht zudem in Hinblick auf die Einteilung des G.s-Prozesses in Phasen: Eine erste Welle der G. habe im Zeitraum von etwa Mitte des 19. Jh. bis 1914 stattgefunden, eine zweite Phase der Verdichtung lasse sich dann seit den späten 1940er Jahren ausmachen, eine dritte habe um 1990 herum eingesetzt. Zwischen den ersten beiden Phasen habe mit den beiden Weltkriegen und den von ihnen verursachten Desintegrationsprozessen, den Tendenzen zum Protektionismus und den vielerorts entwickelten Autarkiebestrebungen (Autarkie) eine Phase der De-G. bzw. Stagnation gelegen. Allerdings sollte die Trennung zwischen diesen Phasen nicht allzu strikt gesehen werden, lassen sich doch selbst in der Zwischenkriegszeit Entwicklungen ökonomischer Verflechtungen beobachten und zeigt etwa die Weltwirtschaftskrise der späten 1920er und frühen 1930er Jahre, dass eine wechselseitige Abhängigkeit eines Großteils der nationalen Wirtschaften trotz des Ersten Weltkrieges weiterhin bestand.

2. Die erste Globalisierungswelle

Mehrere Indikatoren können herangezogen werden, um eine erste G.s-Welle, die v. a. auf einem Austausch von Rohstoffen und Grundnahrungsmitteln gegen Industrieerzeugnisse basierte, seit Mitte des 19. Jh. auszumachen. So zeigt sich die Internationalisierung sowohl der Beschaffungs- als auch der Absatzmärkte am Wachstum des internationalen Warenaustauschs: Zwischen 1850 und 1914 verzehnfachte sich das Welthandelsvolumen, die Exportquote vieler Länder erhöhte sich, etwa jene Deutschlands von ca. 7,4 % (1870) auf 12,2 % (1913). Hinzu kam eine hohe internationale Kapitalmobilität. Auch der Ankauf ausländischer Staatspapiere wurde üblich. Portfolioinvestitionen etwa in Form der Beteiligung an Eisenbahngesellschaften wuchsen deutlich. Immer mehr Unternehmen verzeichneten einen Anstieg des Anteils ihres ausländischen Umsatzes am Gesamtumsatz und engagierten sich im Ausland in Form von Direktinvestitionen; multinationale Unternehmen wie General Electrics begannen ihren Aufstieg.

Voraussetzung, aber zugleich auch Folge dieser ersten G.s-Welle waren die sprunghaften Entwicklungen im Bereich von Kommunikation und Transport seit Mitte des 19. Jh., die den interregionalen, internationalen und interkontinentalen Austausch von Waren, Informationen und Arbeitskräften erleichterten. So wurde Mitte der 1860er Jahre das erste transatlantische Telegraphenkabel verlegt. Die Durchsetzung der Dampfschifffahrt auch jenseits der Binnengewässer verkürzte die Transport- und Reisezeiten erheblich, was u. a. zur G. des Arbeitsmarktes beitrug. Die Eröffnung des Suez-Kanals 1869 verkürzte und verbilligte den Warentransport zwischen Europa und Asien bzw. Afrika deutlich. Der Ausbau von Eisenbahnlinien in Europa und Amerika sowie in den afrikanischen und asiatischen Kolonien (Kolonialismus) erleichterte den Transport von Massengütern (Rohstoffe, Agrarprodukte, Fabrikate).

Des Weiteren kann die Industrialisierung (Industrialisierung, Industrielle Revolution) zunächst in einzelnen europäischen Regionen, dann auch jenseits des Atlantiks sowohl als Ursache als auch als Folge von G.s-Tendenzen angesehen werden, führte sie doch zu einem enormen Verbrauch von Rohstoffen, die teilweise wie die Baumwolle aus anderen Kontinenten herbeigeschafft werden mussten, während zugleich Absatzmärkte auch jenseits der jeweiligen Heimatmärkte zu bestücken waren. Darüber hinaus ist die Erschließung von Landmassen etwa im Westen der USA und damit von Agrarflächen und Rohstoffvorkommen zu nennen. Hinzu kam ein Wandel der vorherrschenden wirtschaftstheoretischen und -politischen Leitideen: Vertreter protektionistischer Konzepte fanden immer weniger Gehör, stattdessen wurden wirtschaftsliberale Vorstellungen wirkmächtig. Dies führte zur Senkung von Zöllen (Zoll) und nichttarifären Handelsbarrieren. Einige Forscher schreiben dabei dem 1860 zwischen England und Frankreich abgeschlossenen Cobden-Chevalier-Vertrag (Meistbegünstigungsklausel und Zollsenkungen) eine bes. Bedeutung zu. Jedoch stockte der Prozess der außenwirtschaftlichen Liberalisierung bereits in den späten 1870er Jahren wieder; infolge des Exportbooms v. a. US-amerikanischer und russischer Agrarprodukte kam es in mehreren europäischen Ländern zu einem Preisverfall und protektionistischen Gegenmaßnahmen (Schutzzölle). Allerdings bremste das den G.s-Prozess nur bedingt; die weltwirtschaftliche Verflechtung wurde weiter vorangetrieben, z. B. durch die Durchsetzung des Goldstandards in der zweiten Hälfte des 19. Jh., was zu einer Verringerung des Währungsrisikos führte und internationale Finanztransfers erleichterte. Die Standardisierung von Maßen und Gewichten, die Einführung von Weltzeitzonen 1884 und weitere internationale Absprachen (z. B. Patent-/Markenschutz) verringerten ebenfalls die Transaktionskosten im Welthandel.

Analysiert man den geographischen Radius dieser ersten G.s-Welle, so kann Europa, gestützt auf staatliches, oft gewaltsames Handeln, als eine diesen Prozess bes. dynamisierende Region ausgemacht werden. Während bis ins 18. Jh. v. a. Akteure in Asien die interkontinentale Wirtschaftsverflechtung mitbestimmen, so konnten nun v. a. Europäer ihre Interessen durchsetzen. Dieser Prozess der sogenannten Great Divergence führte zur Ausbildung von Wohlstandsgefällen und Machtasymmetrien zwischen den wirtschaftlich verflochtenen Regionen: Teile Europas sowie Nordamerikas entwickelten sich zu Zentren, während viele Regionen Asiens, Afrikas und des südlichen Amerikas weitgehend auf einen Status von (Semi-)Peripherien reduziert wurden, ein Prozess, der vielerorts durch den Aufbau kolonialer Strukturen verstärkt wurde.

3. Die zweite Globalisierungswelle

Nach den Verheerungen zweier Weltkriege nahm der Aufbau der außenwirtschaftlichen Strukturen und Beziehungen eine gewisse Zeit in Anspruch. Die Exportquote der Länder Mittel- und Westeuropas erreichte erst nach einem Vierteljahrhundert wieder den Stand von 1913, der transnationale Nettokapitaltransfer war weltweit sogar zu Ende des 20. Jh. noch geringer als vor 1914. Dennoch sind in der zweiten Hälfte des 20. Jh. die Indizien für die Expansion von transgesellschaftlichen Verflechtungen insb. in der sogenannten westlichen Welt – Staaten des sowjetischen Machtbereichs schotteten sich vom Weltmarkt eher ab – sowohl im Bereich der Waren-, Dienstleistungs- und Kapital- als auch der Arbeitsmärkte unübersehbar. U. a. stieg zwischen 1950 und 1990 der Weltexport um 1 250 % und damit deutlich schneller als die Weltproduktion. Dieser G.s-Schub verlief sowohl in Form einer Regionalisierung intensivierter wirtschaftlicher Austauschbeziehungen, etwa im Rahmen von EWG/ EG, Vereinigung Südostasiatischer Nationen (ASEAN) oder zwischen den sozialistischen Staaten (RGW), als auch auf globaler Ebene.

Vergleicht man die erste mit der zweiten G.s-Welle, so lassen sich einige Unterschiede feststellen. Erstens ging die Bedeutung von europäischen Akteuren für den G.s-Prozess zurück, während v. a. die Initiative auf US-amerikanischer Seite zunahm; zudem wurde Japan immer wichtiger. Zweitens war diese zweite G.s-Welle nun auch jenseits des kolonialen Zusammenhangs noch stärker als die erste durch zielgerichtetes politisches Handeln induziert bzw. gelenkt; der Marschall-Plan ist dafür ein treffendes Beispiel. Drittens nahm die Gestaltungsmacht supranationaler Organisationen zu, hatten doch z. B. EWG, OPEC, Weltbank oder IWF erheblichen Einfluss auf die Funktionsmechanismen des internationalen Handels – was wiederum die wirtschaftspolitischen Handlungskompetenzen von Nationalstaaten teilweise beschränkte bzw. verlagerte. So trugen internationale Abkommen wie das GATT von 1947 zu einer schrittweisen Handelsliberalisierung zumindest im kapitalistisch organisierten Teil der Welt bei. Viertens ist auf die wachsende Bedeutung multinationaler Unternehmen hinzuweisen: Die Zahl von Firmen mit Niederlassungen im Ausland und deren Anteil am Welthandel stieg im Vergleich zur Zeit um 1900 nochmals deutlich an, damit erhielten Direktinvestitionen im Ausland ein größeres Gewicht, v. a. seit dem Anbruch der neoliberalen Ära (Neoliberalismus) in den 1980er Jahren. Dies bedeutete auch, dass die internationalen Wirtschaftsbeziehungen weniger als zuvor vom traditionellen Außenhandel und stärker von der Auslandsproduktion bestimmt wurden. Und nicht zuletzt lässt sich eine Verstärkung des intraindustriellen Handels konstatieren, bei dem die entwickelten Volkswirtschaften untereinander hochwertige Industriegüter austauschten.

Die gesellschaftlichen Folgen der zweiten G.s-Welle wiesen ebenfalls einige Spezifika auf. Hier ist etwa auf die intensivierte internationale Arbeitsteilung mit ihren Konsequenzen für soziale Ungleichheitsstrukturen im globalen Maßstab hinzuweisen: Die bereits relativ wirtschaftsschwachen Regionen Afrikas und Südasiens verloren abermals an Boden. Auch die größere Abhängigkeit nationaler Ökonomien von weltweiten Konjunkturschwankungen oder vom Handeln einflussreicher wirtschaftlicher Akteure ist herauszuheben, was z. B. an den Problemen der von der OPEC ausgelösten Ölpreiskrise 1973/74 oder der Vertiefung der Schuldenkrise Lateinamerikas infolge des 1979 vollzogenen Übergangs zur Hochzinspolitik in den USA aufgezeigt werden kann. Zudem lässt sich in Hinblick auf die ökologischen Folgen des G.s-Schubs eine neue Quantität wie Qualität feststellen: Die intensivierte Ausbeutung natürlicher Ressourcen und das Wachstum von Transportvolumina und -distanzen trugen zur verstärkten Umweltzerstörung und zum globalen Klimawandel bei. Wie während der ersten G. waren Gewinner und Verlierer während der zweiten weltwirtschaftlichen Verdichtungsphase sowohl zwischen als auch innerhalb der jeweiligen Gesellschaften sehr ungleich verteilt.

II. Wirtschaftswissenschaftlich

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1. Charakterisierung

1.1 Begriffsdefinition

Der Begriff G. wird allgemein im Sinne einer Intensivierung internationaler Austauschbeziehungen und Interdependenzen insb. im Bereich von Politik, Kultur und Wirtschaft verstanden. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die wirtschaftliche Dimension der G. als Prozess einer voranschreitenden internationalen Vernetzung ökonomischer Aktivitäten. Das Ausmaß der G. manifestiert sich dabei in einer zunehmenden Integration der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- (Geld- und Kapitalmarkt) und Arbeitsmärkte.

1.2 Neuere historische Entwicklung

Der Beginn der modernen Ära der G. lässt sich auf eine im Jahre 1944 veranstaltete Konferenz der Alliierten in Bretton Woods im U.S.-amerikanischen Bundesstaat New Hampshire datieren. Unterstützt durch im Zeitverlauf fallende Transport- und Kommunikationskosten trug diese Konferenz maßgeblich zu einer beschleunigten Liberalisierung von Güter- und Finanzmärkten bei, indem sie neben den internationalen Organisationen des IWF und der Weltbank auch das GATT (seit 1995 als Bestandteil der WTO) sowie ein bis in die frühen 1970er Jahre bestehendes globales System fester Wechselkurse etablierte. Das Ausmaß der G. nahm in den 1980er und 1990er Jahren durch die wirtschaftliche Öffnung vormals weitgehend geschlossener Volkswirtschaften in Asien und Südamerika, insb. Chinas, Indiens und Brasiliens, sowie durch den Zusammenbruch der UdSSR und der damit einhergehenden Marktöffnung der Länder Mittel- und Osteuropas nochmals deutlich zu. Die verstärkte Dynamik der G. wurde in dieser Zeit durch eine sukzessive Deregulierung der Güter- und Finanzmärkte in den hochentwickelten Volkswirtschaften der OECD zusätzlich befördert. Diese Entwicklung wurde erst durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise der späten 2000er Jahre abgebremst, die eine Phase der Deglobalisierung einläutete, welche sich in Form abflachender Handelsströme sowie einer verstärkten Re-Regulierung der Finanzmärkte manifestierte.

2. Dimensionen der Globalisierung

2.1 Internationaler Güterhandel

Als ein quantitatives Maß der G. auf den Gütermärkten dient der realwirtschaftliche Offenheitsgrad, definiert als Summe aus Exporten und Importen von Waren und Dienstleistungen in Relation zum BIP. Für die Welt als Ganze hat sich dieser im Zeitraum von 1970 bis 2015 mit einem Anstieg von unter 20 % auf etwa 45 % mehr als vedoppelt. Der internationale Güterhandel wird durch das Prinzip des komparativen Vorteils gelenkt. Gemäß diesem Prinzip wird sich jedes am Welthandel beteiligte Land auf die Produktion und den Export jener Güter spezialisieren, mit denen sich im Vergleich zu allen anderen im Inland produzierbaren Gütern am Weltmarkt die jeweils höchsten Erträge der eingesetzten Produktionsfaktoren erzielen lassen. Die Handelsgewinne dieses Spezialisierungsmusters entstehen dabei selbst in Ländern, die alle Produkte mit einem höheren Ressourcenaufwand produzieren als andere Länder. Zugleich importiert jedes Land solche Güter, die im Rest der Welt zu geringeren Kosten und Preisen im Vergleich zu einer Inlandsproduktion hergestellt werden. Komparative Vorteile resultieren dabei entweder aus technologischen Unterschieden in den Produktionsbedingungen der einzelnen Länder oder erwachsen aus unterschiedlichen Ausstattungen mit Produktionsfaktoren.

Neben der Produktionsspezialisierung gemäß komparativer Vorteile entstehen volkswirtschaftliche Gewinne aus dem internationalen Güterhandel auch durch die Ausnutzung zunehmender Skalenerträge in der Produktion. Für Unternehmen, die neue Absatzchancen auf den Weltmärkten realisieren, führt die Kostendegression steigender Losgrößen zu sinkenden Stückkosten. Bei verschärftem Wettbewerb auf international umkämpften Märkten werden die gesunkenen Stückkosten in Form geringerer Güterpreise an die Konsumenten weitergereicht. Zugleich vergrößert sich durch den internationalen Handel auch die in jedem Land verfügbare Produktvielfalt und erhöht auf diese Weise den Nutzen der Konsumenten in allen am Welthandel beteiligten Ländern. Handelsliberalisierung führt zudem zu einer Ressourcenumverteilung zugunsten der produktiveren Exportunternehmen und verändert die Unternehmensstruktur dahingehend, dass die am wenigsten produktiven Firmen aus dem Markt ausscheiden, während die produktiveren Unternehmen expandieren. Auf diese Weise erhöht der internationale Handel die durchschnittliche Produktivität im Unternehmenssektor jedes Landes. Diese theoretischen Erkenntnisse werden durch neuere empirische Evidenz insofern erhärtet, als international tätige Unternehmen in der Regel eine höhere Produktivität aufweisen und höhere Reallöhne zahlen als ausschließlich national aufgestellte Firmen.

Obwohl Freihandel für alle Länder von Vorteil ist, verursacht dieser zugleich Umverteilungseffekte innerhalb jedes Landes insb. dadurch, dass international nicht wettbewerbsfähige Industriezweige zurückgedrängt werden oder ganz aus dem Markt ausscheiden müssen. Vom Strukturwandel negativ betroffene Industrien werden häufig durch Importzölle (Zoll) u. a. handelspolitische Maßnahmen geschützt, die zwar gesamtwirtschaftlich schädlich sind, vom Weltmarkt abgeschirmte Industrien aber begünstigen. Durch acht erfolgreiche Verhandlungsrunden trug das GATT entscheidend dazu bei, das durchschnittliche Wertzollniveau auf Industrieprodukte im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jh. von etwa 50 % auf unter 5 % zu senken. Dieser Prozess kam allerdings durch die im Jahre 2001 eröffnete, aber ins Stocken geratene, neunte multilaterale Verhandlungsrunde (Doha-Runde) zum Erliegen. Parallel dazu führen die v. a. seit Ende des 20. Jh. an Popularität zunehmenden regionalen Freihandelsabkommen wie die EWG, MERCOSUR oder NAFTA zu Blockbildungen von Ländergruppen, die einer weiteren multilateralen Handelsliberalisierung im Rahmen der WTO im Wege stehen können.

Die meisten Schwellenländer, die sich seit den 1980er Jahren bes. stark dem internationalen Handel geöffnet haben, wiesen in der Folge signifikant höhere Wachstumsraten auf als jene Länder, die ihre Handelsbeziehungen weniger stark globalisiert haben. Dabei kam es zu einem erheblichen Rückgang der Armut sowie einer Reduktion der internationalen Einkommensspreizung, die aus den von der G. ausgelösten wirtschaftlichen Aufholprozessen der Entwicklungs- und Schwellenländer gegenüber den industrialisierten Ländern resultierte. Gleichzeitig hat sich jedoch die Einkommensungleichheit innerhalb vieler Länder verstärkt. Diese Entwicklung ist aber nur zu einem Teil der G. der Gütermärkte zuzuschreiben, wobei Einkommenseinbußen insb. in den international nicht wettbewerbsfähigen Industriezweigen zu verzeichnen sind. Die Einkommensspreizung liegt jedoch auch im technologischen Wandel begründet, der mit einer verstärkten Nachfrage nach hochqualifizierter Arbeit zu Lasten von geringqualifizierten Arbeitskräften einhergeht.

2.2 Internationale Finanzmärkte

Die G. der Finanzmärkte manifestiert sich in einem rasanten Wachstum des internationalen Kapitalverkehrs. Das Volumen international gehandelter Finanzaktiva in Form von Bankaktiva, Schuldverschreibungen und Aktien ist seit den 1980er Jahren noch rasanter angestiegen als der Weltgüterhandel und ist in etwa dreimal so schnell gewachsen wie das Weltsozialprodukt. Dabei ist die Summe aller grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten allein seit Mitte der 1990er Jahre bis zum Beginn der Finanzmarktkrise im Jahre 2007 von rund 130 % auf etwa 280 % des Weltsozialprodukts angestiegen. In den Jahren nach der Krise hat sich diese Dynamik zunächst wieder verlangsamt, wobei v. a. die Kapitalströme in die Entwicklungs- und Schwellenländer deutlich eingebrochen sind.

Die Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs entfaltet eine Reihe wachstums- und wohlfahrtsfördernder Effekte, welche sich über unterschiedliche Kanäle auf die teilnehmenden Volkswirtschaften auswirken. Die G. der Finanzmärkte ermöglicht eine effizientere Kapitalallokation, wobei Finanzkapital jeweils in die Verwendungen mit den höchsten Grenzerträgen gelenkt wird. Darüber hinaus können bei freiem Kapitalverkehr Investitionsrisiken international diversifiziert und die Kapitalkosten gesenkt werden, wodurch das Investitionsvolumen steigen und das Wirtschaftswachstum beschleunigt werden kann. Neben diesen wachstums- und wohlfahrtsfördernden Effekten gehen von der internationalen Finanzmarktintegration zusätzlich stabilisierende Wirkungen auf die Einkommens- und Konsumentwicklung in den in die Weltfinanzmärkte integrierten Volkswirtschaften aus. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ermöglicht die internationale Kapitalmobilität im Zuge des Zuflusses von Finanzmitteln eine Diversifizierung der vielfach auf Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte beschränkten Produktionsbasis, was die makroökonomische Volatilität in diesen Ländern reduziert. Zugleich bewirkt die G. der Finanzmärkte, dass die Konsumausgaben weniger stark vom laufenden Einkommen abhängen, wodurch eine wohlfahrtsfördernde Konsumglättung ermöglicht wird.

Als Kehrseite der Finanzmarktliberalisierung ist die Weltwirtschaft im Laufe der letzten Jahrzehnte wiederholt von Finanzkrisen heimgesucht worden, die von den 1980er Jahren bis in die frühen 2000er Jahre überwiegend Schwellenländer, mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise der späten 2000er Jahre aber auch die Industrieländer traf. Je nach Erscheinungsform kann dabei zwischen Bankenkrisen, Währungskrisen und Staatsschuldenkrisen unterschieden werden. Im Vorfeld solcher Krisen erfahren die betroffenen Länder typischerweise zunächst einen starken Zufluss internationalen Finanzkapitals, welches insb. im Fall laxer Bankenregulierung in zunehmend unproduktivere Verwendungen gelenkt wird. Dabei kommt es zu steigenden Vermögenspreisen sowie einer erhöhten Verschuldung von Regierungen, Banken, Unternehmen und Haushalten. Auslöser der Krise ist dann ein durch Vertrauensverluste verursachter deutlicher Einbruch der Vermögenswerte, der zu Liquiditäts- oder Solvenzproblemen von Banken, Unternehmen und Haushalten führt. Diese beeinträchtigen die ökonomische Aktivität in den betroffenen Ländern und können, wie im Falle der globalen Finanzkrise, gar zu einer weltweiten Rezession führen.

Sofern die wachstums- und wohlfahrtsfördernden Wirkungen der Finanzmarkt-G. durch eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs nicht zunichte gemacht werden sollen, lässt sich das Auftreten von Finanzkrisen nicht gänzlich vermeiden. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und die Schwere von Finanzkrisen können aber durch geeignete wirtschaftspolitische Maßnahmen, insb. durch eine umsichtige Finanzmarktaufsicht sowie eine angemessene Regulierung des Bankensystems, verringert werden. In Krisensituationen eignen sich zudem auch vorübergehende Kapitalverkehrskontrollen zur Eindämmung abrupter Kapitalbewegungen.

2.3 Multinationale Unternehmen

Durch den freien Kapitalverkehr werden multinationalen Unternehmen grenzüberschreitende Investitionen in eigene Produktionsstätten und Tochterunternehmen sowie Fusionen mit oder Beteiligungen an ausländischen Unternehmen ermöglicht. Die Zuflüsse in die Empfängerländer solcher internationaler Direktinvestitionen haben sich im Vierteljahrhundert zwischen 1990 und 2015 weltweit von gut 200 Mrd. US-Dollar auf annähernd 2 Billionen US-Dollar fast verzehnfacht. Traditionell kann zwischen horizontalen und vertikalen Direktinvestitionen unterschieden werden. Bei horizontalen Direktinvestitionen verlagern Unternehmen Teile ihrer Produktion auf ausländische Produktionsstätten, um von dort den lokalen Absatzmarkt im Zielland zu bedienen (Markterschließungsmotiv). Bei vertikalen Direktinvestitionen werden hingegen die Wertschöpfungskette der Produktion aufgebrochen und nur einzelne Produktionsstufen ins Ausland verlagert. Auf diese Weise können internationale Faktorpreisdifferenzen ausgenutzt werden, um Einsparungen bei den Produktionskosten zu realisieren, bspw. durch eine Auslagerung bes. arbeitsintensiver Produktionsstufen in Billiglohnländer.

Multinationale Unternehmen weisen i. d. R. eine höhere Produktivität im Vergleich zu reinen Exportunternehmen auf. Somit können sie das Zielland durch geringere Preise, höhere Löhne, sowie bei nicht vollständig repatriierten Gewinnen auch durch ein steigendes Steueraufkommen begünstigen. Zudem sind Direktinvestition mit einem technischen oder organisatorischen Wissenstransfer in die Zielländer verbunden, der mittels Technologie-Spillover-Effekten auch die Unternehmenslandschaft im Zielland begünstigen kann. Die aus der Präsenz multinationaler Unternehmen resultierende höhere Wettbewerbsintensität kann aber auch zu verringerten Marktanteilen lokaler Unternehmen führen, insb. wenn diese in direkter Konkurrenz mit den multinationalen Unternehmen stehen. Diese negativen Verdrängungseffekte lassen sich dabei tendenziell durch eine wirtschaftspolitische Förderung vertikaler Zulieferbeziehungen zwischen multinationalen und lokalen Unternehmen abschwächen.

Die weitverbreitete Furcht vor einer Monopolisierung der Wirtschaft durch multinationale Unternehmen ist sowohl auf der Ebene der Nationalstaaten und erst recht auf globaler Ebene ungerechtfertigt. Kein privatwirtschaftliches Unternehmen kann sich dem weltweiten Konkurrenzdruck entziehen. Sollten Unternehmen dennoch eine marktbeherrschende Stellung erlangen, so ist diese ohne den Schutz des Staates üblicherweise von kurzer Dauer, da neue Produkte und Unternehmen die Vormachtstellung etablierter Unternehmen schnell wieder erodieren. Eine wirksame Wettbewerbspolitik sowie die steuerliche Gleichbehandlung multinationaler mit rein national aufgestellten Unternehmen kann dabei international faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisten.

2.4 Internationale Migration von Arbeitskräften

Fallende Transport- und Kommunikationskosten haben nicht nur eine Internationalisierung von Güter- und Finanzmärkten, sondern auch die internationale Migration von Arbeitskräften befördert. Allein im Zeitraum von 2000 bis 2015 ist die Anzahl internationaler Migranten, inklusive der weltweit etwa 15 Mio. Flüchtlinge, um 40 % auf über 250 Mio. Menschen gestiegen, was 3,4 % der Weltbevölkerung entspr. Im Hinblick auf individuelle ökonomische Motive der Migration spielen neben Unterschieden im erwarteten Erwerbseinkommen zwischen Ursprungs- und Zielland insb. die Transferierbarkeit von Berufsqualifikationen und Fähigkeiten eine Rolle. Von der Migration können nicht nur die Migranten selbst profitieren, sondern auch das Zielland aufgrund der mit der Zuwanderung häufig verbundenen positiven Wachstumseffekte. Allerdings verteilen sich die Migrationsgewinne im Zielland mitunter ungleich auf die Wirtschaftssubjekte. Während der Faktor Kapital sowie Arbeitnehmer, deren Qualifikationsniveaus sich komplementär zu denen der Migranten verhalten, gewinnen, verlieren Arbeitnehmer mit einem vergleichbaren Qualifikationsniveau aufgrund des gestiegenen Arbeitskräfteangebots im Zielland. Die Effekte verhalten sich im Ursprungsland der Migranten entspr. umgekehrt. Langfristig können sich diese Effekte allerdings einebnen, sofern sich die Produktionsstrukturen in den Ländern dem veränderten Arbeitsangebot anpassen, wobei das Zielland vermehrt arbeitsintensive und das Ursprungsland vermehrt kapitalintensive Güter ausbringt (sogenannter Rybczynski-Effekt). Eine vollständige Nivellierung ist hier jedoch allenfalls für kleine Länder zu erwarten, in denen diese Strukturanpassungen keine Preiseffekte am Weltmarkt generieren.

Sofern eine Transferierbarkeit von Berufsqualifikationen und Fähigkeiten gegeben ist, wandern eher gebildete als ungebildete Personen aus den Entwicklungsländern in die Industrieländer aus. Dieses als brain drain bekannte Phänomen kommt den Zielländern zugute, schmälert jedoch den Bestand hochqualifizierter Arbeitnehmer in den Ursprungsländern der Migration. Im Fall der Rückmigration profitieren jedoch auch die Herkunftsländer von den erworbenen Fachkenntnissen der Migranten. Zugleich tragen Rücküberweisungen von im Zielland erworbenen Einkommen zur wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Herkunftsländer bei. Das Ausmaß solcher Rücküberweisungen in die Entwicklungs- und Schwellenländer betrug 2015 mit über 400 Mrd. US-Dollar etwa das Dreifache der offiziellen Entwicklungshilfe.

3. Globalisierungskritik

Die G. verändert die wirtschaftliche Struktur einer Volkswirtschaft, indem sie Industrien mit komparativen Vorteilen begünstigt und eine Ressourcenumverteilung zugunsten von Exportunternehmen befördert. Sie gefährdet damit die Besitzstände gerade jener Industrien, die am Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Die seit Ende des 20. Jh. aufkeimende G.s-Kritik richtet sich insb. gegen diesen durch die G. induzierten strukturellen Wandel, der durch protektionistische Maßnahmen auf nationalstaatlicher Ebene behindert oder gar unterbunden werden soll. Protektionismus schützt jedoch nur die Industrien mit komparativem Nachteil, behindert aber die Neuentstehung von Arbeitsplätzen in den international wettbewerbsfähigen Wirtschaftssektoren, und wirkt sich somit negativ auf das Produktionswachstum aus. Zugleich führt er zu höheren Preisen und geringeren Reallöhnen, und zwar sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern.

Um die mit der G. einhergehenden Umverteilungs- und Struktureffekte auf den Güter- und Arbeitsmärkten sozial abzufedern, und zugleich die weitverbreitete Skepsis gegenüber der G. abzubauen, sollten Regierungen geeignete Sicherungsmechanismen zur Verfügung stellen, um diejenigen zu unterstützen, die durch den strukturellen Wandel benachteiligt werden. Dies kann zudem durch eine Stärkung des Bildungssektors sichergestellt werden, um weite Teile der Weltbevölkerung mit den erforderlichen Fähigkeiten auszustatten und sie damit in die Lage zu versetzen, die sich in einer dynamisch ändernden Weltwirtschaft bietenden beruflichen Chancen optimal nutzen zu können.

III. Politikwissenschaftlich

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1. Dimensionen, Ursachen und Bedeutung der jüngsten Globalisierungswelle

Der Begriff G. tauchte im Zusammenhang mit der jüngsten, „dritten Welle“ der internationalen Ausdehnung wirtschaftlicher Aktivitäten auf, zumal im Kontext der globalen Verbreitung von westlichen Marken. Er ist kein rein volkswirtschaftlicher Begriff, sondern wird unter Politikwissenschaftlern, Soziologen und Vertretern der Internationalen Politischen Ökonomie auf die weltweite Intensivierung von ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Prozessen angewandt. G. meint dabei

a) „Internationalisierung“ im Sinne einer Zunahme zwischenstaatlicher Interdependenzen und grenzüberschreitender ökonomischer Aktivitäten;

b)Liberalisierung“ durch Marktöffnungen, Deregulierung und Abbau von Handelsschranken;

c)Amerikanisierung“ oder „Universalisierung“ im Sinne einer Diffusion von westlichen Ideen und Normen;

d) einen Prozess der zunehmenden „Deterritorialisierung“ bzw. abnehmenden Effektivität einzelstaatlicher Politikgestaltung und Regulierung.

Hinzu kommen drei Faktoren aus politökonomischer Sicht:

a) Der bislang beispiellose Austausch von Daten und Informationen dank der Fortschritte im Computer- und Telekommunikationsbereich mit Kosteneinsparungen von fast 100 % seit den 1970er Jahren. Dieser technologische Fortschritt hat insb. bei den Dienstleistungen zu großen Wachstumsimpulsen geführt.

b) Der Anstieg des Welthandels um ca. 6 % in diesem Zeitraum bei gleichzeitigen durchschnittlichen Wachstumsraten der Weltwirtschaft von nur 3 %; allein zwischen 1970 und 1999 stieg der Exportanteil am Weltbruttosozialprodukt von 14 auf 24 %. Ursächlich dafür war die massive Senkung der Kosten für den See- und Lufttransport innerhalb der vergangenen Jahrzehnte um 65 bzw. 88 %, wobei v. a. die seit Anfang der 1980er Jahre relativ fallenden Rohölpreise und die Marktliberalisierungen bis zum Ende der 1990er Jahre kostensenkend wirkten.

c) Die zunehmende internationale Kapitalverflechtung und das starke Anwachsen des Kapital- und Devisenverkehrs als Ergebnisse der Liberalisierung von Kapital- (Geld- und Kapitalmarkt) und Finanzmärkten. Während schon der weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen in dieser Phase doppelt so schnell wie die Weltproduktion wuchs, haben sich auch noch die Direktinvestitionen gegenüber dem Handel mehr als verdoppelt und betrugen das Zehnfache des Volumens von Anfang der 1980er Jahre; der Handel mit Finanzanlagen bzw. Devisentransaktionen nahm gegenüber dem Anfang der 1970er Jahre sogar um das Vierzigfache zu. Noch um 2000 waren die Aktien, Anleihen und Bankanlagen der Welt 100 Billionen Dollar wert; heute sind es rund 270 Billionen, was dem Vierfachen der Weltwirtschaftsleistung entspricht.

Solche G. war also nirgends so dramatisch wie auf den Kapitalmärkten. Deren Liberalisierung in den 1980er Jahren, zudem sinkende Informations- und Transaktionskosten gerade in der Finanzwirtschaft, haben in vielen Bereichen zu einem faktischen Verlust nationaler Finanzmärkte geführt. Diese Entwicklung hin zu einem globalen Finanzmarkt wurde zusätzlich befördert durch neue Präzisionstechniken zur Bewertung von Finanzanlagen, durch die Ausdehnung der Geschäftsbereiche zumal von Banken und Versicherungen sowie überhaupt durch das Entstehen global aufgestellter Banken und internationaler Finanzierungskonglomerate. Neben den technologisch bedingten Ursachen der ökonomischen G. trugen auch politische und strukturelle Veränderungen zur beschleunigten Entgrenzung von Märkten bei. Wesentliche Faktoren sind die Integration der mittel- und osteuropäischen Länder in den globalen Arbeitsteilungsprozess nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Wirtschafts- und Herrschaftssystems der UdSSR; die Öffnung der bevölkerungsreichen Entwicklungs- und Schwellenländer gegenüber den Weltmärkten (v. a. der BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika); und die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes mit der Umsetzung der EWWU. V. a. die damit einhergehende Verlagerung arbeitsintensiver Produktion durch multinationale Unternehmen von den OECD-Ländern in Schwellenländer führte einerseits zur Verbesserung von deren Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Gütermärkten, andererseits zu erhöhtem Lohndruck auf die weniger bis mäßig Qualifizierten in den hochentwickelten Ländern.

Das Ergebnis all dessen sind nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Veränderungen. Die durch Massenmedien und elektronische Kommunikationsmittel bedingte Zunahme globaler Interaktionsnetzwerke bringt exponentielle systemische Effekte von der lokalen bis zur globalen Ebene. In diesem Zusammenhang erfasst der Begriff der „Glokalisierung“ die Verbindung vieldimensionaler global-überregionaler Prozesse mit lokal-regionalen Prozessen, und zwar nicht nur in Fragen der Produktions-, Finanz- und Wohlstandsverteilung. Zu den darüber hinaus wichtigen Sachbereichen gehören:

a) Sicherheit, indem sich nämlich sozioökonomische Ungleichheiten in innerstaatlichen Konflikten entladen; ferner Bedrohungen durch transnationalen Terrorismus, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen, die Zunahme des Drogenhandels und die Finanzierung terroristischer und militärischer Aktivitäten durch illegale Finanztransaktionen;

b) Entwicklungspolitik, auch durch konkurrierende, nicht konditionierte Strukturpolitik aus den Schwellenländern, und zumal angesichts der Verschärfung armutsbedingter Weltprobleme in einer „globalen Risikogesellschaft“;

c) Klimawandel durch den weltweit gestiegenen Ressourcenbedarf aufgrund der Nachfrage aus den Schwellenländern;

d) Demographie und Migration (mitsamt politisch wichtig werdenden Ängsten von vermeintlichen oder echten „G.s-Verlierern“), zumal angesichts der Ausbreitung von Pandemien sowie massiven Verzögerungen beim demographischen Übergang in Entwicklungsländern.

2. Auswirkungen der Globalisierung auf die Weltwirtschaft und Weltordnungspolitik

Die Auswirkungen der jüngsten G.s-Welle sind umstritten. Einig ist man nur darin, dass die gegenwärtige G. nach Reichweite und Umfang präzedenzlos ist. Zu den strukturellen Auswirkungen zählen v. a. die zunehmenden parallelen Fragmentierungsprozesse angesichts scheinbar grenzenloser G. Die Verschärfung sozioökonomischer Disparitäten und die Wahrnehmung von Verlusten an eigener kultureller oder politischer Identität befördern in allen Weltregionen Abschottungs- und Renationalisierungstendenzen. Begleitet wird das von der Wahrnehmung der Demokratiedefizite globaler Institutionen sowie mangelnder Kontrollkapazität nationaler Regierungen, und zwar gerade angesichts einer vom „Westen“, v. a. den USA, vorangetriebenen Öffnung globaler Märkte. Als Reaktion kommt es zu Versuchen einer politischen Ausgestaltung der ökonomischen G. (global governance, Governance) durch Regulierung und Verrechtlichung.

Bes. wichtig sind die mit der G. verbundenen neuen Sicherheitsrisiken. Die Proliferation von Massenvernichtungswaffen, innerstaatliche Konflikte bzw. Staatszerfall sowie transnationaler Terrorismus mitsamt vielerlei Spillover-Effekten auf Staat und Gesellschaft haben die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit fließend gemacht.

Am umstrittensten sind die Auswirkungen ökonomischer G. Weitgehende Einigkeit gibt es darin, dass der Öffnungsgrad einer Gesellschaft deren Wohlstand und Wachstumschancen mitbestimmt, und dass die G. dazu geführt hat, dass sich zwischen 1981 und 2010 die Zahl der Personen mit einem Einkommen von unter 1,25 US-Dollar um weit mehr als eine halbe Mrd. auf etwa 1,2 Mrd. Personen verringert hat. Zwar führt die Erhöhung des Arbeitsangebots durch die Integration der Schwellen- und Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft zur Verschlechterung ihrer terms of trade gegenüber den Industrieländern. Doch gleichzeitig steigen auch Einkommen und Konsum in diesen Ländern, was sich positiv auf deren Wohlfahrt auswirkt. Trotzdem kann von einer Angleichung globaler Wohlfahrtschancen keineswegs die Rede sein. Im Gegenteil haben sich die Disparitäten zwischen und innerhalb von Gesellschaften v. a. dadurch verschärft, dass mit dem Auftreten multinationaler Unternehmen der globale Handel immer mehr zu einem Intrakonzernhandel der hochentwickelten Länder wurde.

Zu den kritischsten Thesen über die G.s-Folgen gehört die vom „entfesselten Finanzmarkt“. Die primäre Funktion des Geldes, den realen Produktionsprozess und seine Transaktionen widerzuspiegeln bzw. zu fördern, tritt danach immer stärker zurück hinter eine Verselbständigung von Finanzkreisläufen: Unkontrollierte Geld- und Kapitalströme schaffen autonome Zins- und Wechselkursbewegungen, die im globalisierten Markt die Preise und Standortbedingungen verzerren. Nur ein Bruchteil – ca. 5 % um das Jahr 2000 – wird noch zur Finanzierung der Handelsströme benötigt; die restlichen 95 % haben sich von den realwirtschaftlichen Vorgängen gelöst und folgen anderen Motiven, insb. Renditeüberlegungen, die sich aus Zinsdifferenzen und Standortfaktoren ergeben. Das Ergebnis ist, dass sich der Wert des globalen Finanzvermögens jetzt auf etwa 270 Billionen Dollar beläuft, diesem Wert aber gigantische Verbindlichkeiten der Schuldner gegenüberstehen.

Allerdings entspr. die These vom „entfesselten Kapitalmarkt“ spätestens seit der globalen Finanzkrise nicht mehr ganz der Wirklichkeit. Untersuchungen zeigen, dass nicht nur der Weltgüterhandel deutlich langsamer wächst als vor der Krise (v. a. aufgrund technologisch-logistischer Grenzen bei grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten; wegen des Versuchs von Schwellenländern, die heimische Wertschöpfung zu erhöhen; oder dank technologischer Innovationen wie „Industrie 4.0“, die ihren Absatz zunächst auf heimischen Märkten finden), sondern dass auch das Kapital nach wie vor großenteils in seinen Herkunftsländern angelegt wird und also nicht immer der effizientesten Verwendung zugeführt wird.

Im Ergebnis zeigt sich: G. ist nicht an sich negativ, erzielt auf den Weltmärkten positive Effekte aber v. a. dann, wenn Folgendes passt: der Grad struktureller Voraussetzungen in den von Liberalisierung betroffenen Ländern (Mikroökonomik, Institutionen …); die globalen politischen Kontroll- und Regulierungsinstrumente für Finanz- und Kapitalmärkte; und – v. a. – der Zeitpunkt, zu dem Schwellen- und Entwicklungsländer von Kapitalzuflüssen profitieren können.