Zoll

1. Definition

Zölle (Z.e) sind Steuern auf grenzüberschreitenden Warenverkehr. I. d. R. werden sie bei der Einfuhr an der Landesgrenze erhoben. In seltenen Fällen wird der Begriff auch auf die Besteuerung von Exporten angewandt. Dies ist jedoch zum einen in der Praxis weniger bedeutsam, zum anderen haben sich dafür eher die Begriffe Exportsteuer oder -abgaben durchgesetzt. Z.e sind eine seit dem Altertum existierende Form der Staatseinnahme. Ihr wesentlicher Zweck ist zum einen die Staatsfinanzierung (fiskalisches Ziel), zum anderen der Schutz bestimmter Wirtschaftszweige vor ausländischen Wettbewerbern (Protektionsziel).

2. Formen von Zöllen

Die häufigste Form sind Wert-Z.e, bei denen ein bestimmter Prozentsatz des Preises als Abgabe erhoben wird. Daneben gibt es, wenn auch seltener, spezifische Z.e, bei denen der Z. auf eine Mengen- oder Gewichtseinheit bezogen wird (z. B. 3 Euro pro Liter), und verschiedene gemischte Formen (z. B. 40 % plus 3 US-Dollar pro Kilogramm). Die meisten Staaten erheben Z.e auf den Güterpreis plus Transport- und Versicherungskosten (cost, insurance, freight [c.i.f.]); in einigen Fällen wird der Z. auch auf den reinen Güterpreis erhoben (free on board [f.o.b.]). Weiterhin können sich Z.e nach dem Ursprungsland der Importe unterscheiden. Präferenz-Z.e, häufig mit einem Z.-Satz von 0 %, werden auf Importe innerhalb einer Freihandelszone (z. B. EFTA) oder Z.-Union (z. B. die EU [ Zollunion, europäische ]) angewandt oder, unter bestimmten Bedingungen, Entwicklungsländern einseitig eingeräumt. Hingegen gelten Meistbegünstigungs-Z.e i. d. R. für alle anderen Handelspartner.

3. Heutige Bedeutung

Historisch hatten Z.e traditionell eine große Bedeutung als Einkommensquelle für die Staatsfinanzierung. Im Gefolge mehrerer multilateraler Liberalisierungsrunden im Rahmen von GATT- und WTO-Verhandlungen (WTO), regionaler Liberalisierung durch Freihandelszonen und Z.-Unionen und unilateraler Liberalisierung ist die globale Bedeutung von Z.en in den letzten Jahrzehnten jedoch deutlich zurückgegangen. Dennoch stellen sie nach wie vor ein wichtiges handelspolitisches Instrument dar, da früher verbreitete Instrumente wie Quoten oder Selbstbeschränkungsabkommen nach WTO-Regeln heute prinzipiell nicht mehr erlaubt sind. So sind die durchschnittlichen Z.-Sätze in Industrieländern von hohen zweistelligen Raten in der Nachkriegszeit auf heute weniger als 4 % gefallen. Der durchschnittliche Meistbegünstigungs-Z.-Satz auf Industriegüter in der EU beträgt inzwischen weniger als 2 %; auf ca. 25 % aller Importe wird überhaupt kein Z. mehr erhoben. Diese starken Z.-Senkungen waren ein wesentlicher Faktor für den starken Anstieg des internationalen Handelsvolumens nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutlich höher sind die Z.e allerdings bei Agrarprodukten, für die der Durchschnitts-Z. (2018) in der EU bei etwa 11 % liegt, mit Maximalwerten von über 100 % für einige Güter. Die meisten Entwicklungsländer haben im Durchschnitt höhere Z.-Sätze als entwickelte Länder, da Z.-Einnahmen in vielen ärmeren Ländern noch eine relativ starke fiskalische Bedeutung haben.

4. Wirkung von Zöllen

Die Wirkung von Z.en wird üblicherweise anhand eines einfachen Angebot-Nachfrage-Diagramms gezeigt. Dabei führen Z.e insgesamt zu:

a) einem Rückgang des Angebots an importierten Gütern,

b) einer Ausweitung des Angebots an einheimisch produzierten Gütern (wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie Effekt a),

c) zu einer Preiserhöhung und

d) zu Staatseinnahmen.

Gewinner der Einführung von Z.en sind einheimische Produzenten und der Fiskus, Verlierer sind die einheimischen Konsumenten und ausländische Produzenten. Die Stärke der Effekte hängt ab vom Ausmaß des Z.s sowie den jeweiligen Preiselastizitäten der Angebots- und Nachfragefunktionen. Der gesamte Wohlfahrtseffekt von Z.en ist sowohl im Inland wie auch im Ausland negativ. Ein besonderer Fall kann allerdings vorliegen, wenn der Z. von einem großen Land erhoben wird: Die Einführung des Z.s kann aufgrund des damit verbundenen Nachfragerückgangs zu sinkenden internationalen Preisen führen, wodurch Importe effektiv verbilligt werden. Dadurch kann die heimische Wohlfahrt auf Kosten ausländischer Lieferanten erhöht werden; allerdings sinkt die globale Wohlfahrt im Vergleich zum Zustand des Freihandels.

Neben diesen statischen, in Angebot-Nachfrage-Diagrammen analysierbaren Effekten gibt es dynamische Wirkungen von Z.en. Diese bestehen in einer Reduktion des Wettbewerbs und der schlechteren Ausnutzung von Skaleneffekten, was sich langfristig in niedrigerer Produktivität und höheren Güterpreisen niederschlägt. Weitere empirisch nachgewiesene Wirkungen von Z.en bestehen in einer reduzierten Produktauswahl, einem niedrigeren Exportniveau mit geringerer Produktdiversifikation sowie einer beschränkten Integration des Landes in globale Wertschöpfungsketten. Verschiedene empirische Studien haben daher die langfristig wohlfahrtsfördernde Wirkung der Abschaffung oder Senkung von Z.en bestätigt.

5. Erziehungszoll

Eine bes. Form des Z.s stellt der Erziehungs-Z. dar. Mit diesem sollen als zukunftsträchtig identifizierte Industriezweige in ihrer frühen Entwicklungsphase vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden. Dabei soll der Z. in dem Maße abgebaut werden, wie die betreffende Industrie an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt, verknüpft mit der Erwartung, dass die anfänglichen Wohlfahrtsverluste des Z.-Schutzes durch zukünftiges Wachstum übertroffen werden. V. a. in Entwicklungsländern war diese Idee über viele Jahre sehr populär; allerdings ist die empirische Evidenz für die Wirksamkeit von Erziehungs-Z.en insgesamt gering.

6. Die politische Ökonomie von Zöllen

Die politische Ökonomie von Z.en untersucht, warum Z.e, obwohl sie im Allgemeinen wohlfahrtsmindernd sind, trotzdem erhoben werden. Die wesentliche Erkenntnis dieses Ansatzes ist, dass Handelspolitik in der Praxis oft von Interessengruppen beeinflusst wird, deren Aktivitäten auf die eigene und nicht auf die nationale Wohlfahrt gerichtet sind, wogegen die politischen Entscheidungsträger primär an ihrer Wiederwahl interessiert sind. Das daraus entstehende politische Dilemma, dass einzelne Staaten eine Präferenz für Protektion haben können, sich gleichzeitig jedoch den Rest der Welt möglichst zollfrei wünschen, kann durch bilaterale oder multilaterale Handelsverträge aufgelöst werden.