Finanzmärkte

  1. I. Wirtschaftswissenschaftlich
  2. II. Sozialethisch

I. Wirtschaftswissenschaftlich

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1. Definition

Der F. umfasst die Gesamtheit der Institutionen, Märkte und Finanzprodukte, die dazu beitragen, dass Angebot und Nachfrage nach Finanzmitteln zusammengeführt werden. Er lässt sich in vier Teilmärkte untergliedern: den Geldmarkt (kurzfristige Mittelbeschaffung), den Kapitalmarkt im engeren Sinn (verbriefte langfristige Mittelbeschaffung in Form von Anleihen und Aktien) (Geld- und Kapitalmarkt), den Kreditmarkt (unverbriefte Kredite) und den Devisenmarkt (Austausch von Währungen). Einzelne F. – wie Aktienbörsen – funktionieren nach festgelegten Regeln, während andere Märkte – bspw. der OTC-Handel zwischen Banken – auf spezifischen Handelsgewohnheiten basieren. Kapitalgeber und -nehmer kommen entweder direkt auf den F.n zusammen (direkter Kapitalfluss) oder aber Finanzintermediäre wie Banken, Versicherungen oder Investmentgesellschaften vermitteln zwischen dem originären Kapitalangebot und der Kapitalnachfrage (indirekter Kapitalfluss).

2. Aufgaben der Finanzmärkte

F. stellen – basierend und rasch reagierend auf Informationen – das zentrale Nervensystem einer Volkswirtschaft dar, in dem knappe Ressourcen alloziert und Preise bestimmt werden. Die F. befähigen Unternehmen, staatliche Institutionen und private Haushalte ihre Finanzbedürfnisse zu befriedigen. Sofern die F. funktionieren, können neue Unternehmen entstehen, bestehende Unternehmen wachsen, private Haushalte mit unzureichenden Ersparnissen ihre Konsumbedürfnisse realisieren und staatliche Institutionen ihre Konsum- und Investitionsausgaben finanzieren, die nicht allein über Steuereinnahmen gedeckt werden können. Kapitalgeber (private, institutionelle und staatliche Anleger) stellen ihre nicht benötigten Finanzmittel in Abhängigkeit von ihrer Risikobereitschaft und vom gewünschten Anlagezeitraum bereit. Sofern die knappen Finanzressourcen für jene bereitgestellt werden, die sie am besten nutzen können und die Transaktionskosten gering gehalten werden, können F. die ökonomische Effizienz erhöhen.

F. übernehmen drei zentrale Funktionen in einer Volkswirtschaft. Sie stellen sowohl Kapitalnehmern als auch Kapitalgebern Liquidität zur Verfügung. Sie sammeln und kommunizieren Informationen und sie ermöglichen eine veränderte Risikoverteilung.

Unter der Marktliquidität versteht man die Leichtigkeit mit der ein Vermögenswert (Asset) in Geld getauscht werden kann, ohne dass es zu Wertverlusten kommt. Ohne F. und institutionelle Strukturen, die diese Märkte unterstützen, wird der Verkauf von Vermögensgegenständen erschwert. Die Liquidität ist für die Funktionsfähigkeit einer Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. F. sollten deshalb so organisiert werden, dass die Transaktionskosten – d. h. die Informationsbeschaffungs-, Anbahnungs-, Abwicklungs- und Kontrollkosten von Verträgen über den Kauf oder Verkauf von Assets – gering ausfallen. Wenn man bspw. ein Wertpapier kauft, wird man einen professionellen Marktakteur beauftragen, der die Transaktion durchführt. Ein Makler (Broker) kann einen Händler (Dealer) suchen, der als Marktgegenseite fungiert. Ein Broker-Dealer kann beide Marktseiten abdecken. Diese Dienstleistungen sind nicht kostenlos, bilden also einen Teil der Transaktionskosten ab. Die hohen Handelsvolumina, die man heute auf vielen F.n findet, weisen darauf hin, dass die Transaktionskosten überschaubar sind und eine hohe Marktliquidität sichergestellt ist. Niedrige Transaktionskosten können allerdings auch zu einem deutlichen Anstieg spekulativer Geschäfte führen und damit die Stabilität der F. beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund wurde im Nachgang der Finanzmarktkrise von 2007/08 verstärkt die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (Tobin Tax) gefordert, um durch erhöhte Transaktionskosten die spekulativen Geschäfte zu reduzieren. Vergleichsweise illiquide sind hingegen Immobilienmärkte, auf denen hohe Transaktionskosten (Notar- und Maklerkosten, Grunderwerbsteuer etc.) anfallen.

In ihrer zweiten Funktion sammeln und verteilen F. Informationen über die Emittenten von Finanzinstrumenten, die sich letztlich in den Preisen bzw. Kursen der Instrumente widerspiegeln. Unternehmen die ein tragfähiges Geschäftsmodell aufweisen, werden einen hohen Aktienkurs aufweisen und vice versa. Je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Emittent seine Anleihe bedienen kann – also die Zins- und Rückzahlungen vollständig und fristgerecht erfolgen – desto höher fällt der Anleihenkurs bzw. desto geringer fallen die Renditen aufgrund fehlender Risikoprämien aus.

Drittens sollen auf F.n gehandelte Finanzinstrumente Risiken transferieren und zwischen den Marktteilnehmern neu aufteilen. Die F. sind dabei die Plattform, auf der der Risikotransfer stattfindet, d. h. wo Risiken gekauft und verkauft werden. Umsichtige Investoren halten eine Vielzahl von Vermögenstiteln in ihrem Portfolio. Mithilfe eines gut zusammengestellten (diversifizierten) Portfolios fällt das Gesamtrisiko des Portfolios geringer aus als die Summe aus den Einzelrisiken der Vermögenstitel. Die Allokationseffizienz der F. hängt allerdings davon ab, inwieweit alle Marktakteure hinreichend über die inhärenten Risiken von Finanzinstrumenten informiert sind. Die Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise von 2007/08 verdeutlichen, dass auch professionelle Marktakteure nur unzureichend über die Risiken von strukturierten Wertpapierprodukten informiert waren, mit denen insb. US-Banken ihre Forderungen bzw. Risiken ausplatzierten. Die Bestrebungen zur verstärkten Regulierung der F. konzentrieren sich deshalb nicht zuletzt auf verbesserte Informationsflüsse und auf eine höhere Risikotransparenz, wie sie sich in den Regelwerken (z. B. Basel III) des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht widerspiegeln, der bei der BIZ angesiedelt ist.

3. Struktur der Finanzmärkte

Es gibt eine Vielzahl von F.n, die in unterschiedlicher Art und Weise klassifiziert werden. Man kann erstens zwischen Märkten differenzieren, auf denen neue Finanzinstrumente platziert werden und jenen, auf denen vorhandene Vermögenstitel getauscht werden. Märkte können sich zweitens durch einen zentralisierten Handel von (standardisierten) Finanztiteln auszeichnen (z. B. auf Börsen) oder durch (individualisierte) Einzelgeschäfte (OTC-Märkte) geprägt sein. Drittens lassen sich Märkte danach unterscheiden, ob Finanztitel unmittelbar getauscht und bezahlt werden oder ob der Geschäftsabschluss und die damit verbundenen Transaktionen zeitlich auseinanderfallen.

a) Primär- versus Sekundärmärkte
Primärmärkte Märkte, auf denen neu emittierte Wertpapiere platziert werden.
Sekundärmärkte Märkte, auf denen bestehende Finanztitel gehandelt werden.
b) Zentralisierte Börsen versus individualisierte Over-the-Counter-Märkte (OTC-Märkte)
Zentralisierte Börsen Zentralisierte (Sekundär)-Märkte, auf denen sich Händler physisch treffen.
Over-the-Counter-Märkte Dezentralisierte (Sekundär-)Märkte, auf denen Händler bereitstehen, um Wertpapiere elektronisch zu kaufen bzw. zu verkaufen.
Elektronische Kommunikationsnetzwerke (ECNs) Systeme, die Käufer und Verkäufer für die Handelsausführung – ohne die Einschaltung von Maklern und Händlern als Intermediär – elektronisch zusammenführen.
c) Fremd- und Eigenkapitalmärkte versus derivative Märkte
Kassamärkte für Fremd- und Eigenkapital sowie Währungen Märkte, auf denen Finanztitel (wie Anleihen und Aktien) und Währungen gehandelt werden und die Bezahlung unmittelbar erfolgt.
Derivative Märkte Märkte, auf denen Ansprüche (basierend auf zugrunde liegenden Vermögenswerten [Underlyings]) gehandelt werden und die Bezahlung zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet.

Tab. 1: Struktur der Finanzmärkte

Auf Primärmärkten können Unternehmen neue Aktien oder Anleihen platzieren, um ihren Finanzbedarf zu decken. Üblicherweise werden die Unternehmen von Investmentbanken unterstützt, die den Emissionsprozess vollständig begleiten und die erfolgreiche Platzierung auf den Märkten sicherstellen, d. h. das geplante Emissionsvolumen zu weitgehend stabilen Kursen im Markt unterbringen. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Verzerrungen bei Börsengängen (z. B. 2012 bei Facebook), die darauf hindeuten, dass bei Investmentbanken häufig ein Konflikt zwischen Kunden- und Eigeninteressen auftritt.

Die Organisation von Sekundärmärkten unterliegt zurzeit gravierenden Veränderungen. Historisch betrachtet gab es zwei Typen von F.n: zentralisierte Börsenplätze und OTC-Märkte. Die traditionellen Börsen waren und sind z. T. noch heute als Parketthandel organisiert, wo sich die Händler – wie an der NYSE – physisch auf dem Parkett treffen. Die NYSE hat Anfang 2017 angekündigt, dass sie die Zahl der handelbaren Wertpapiere auf dem Parkett deutlich erhöhen möchte, auch wenn der größte Teil ihres Handels inzwischen über computergestützte Handelssysteme läuft. Andere Börsen wie die US-Technologiebörse Nasdaq entwickelten sich aus den OTC-Märkten und sind ausschließlich als Computerhandel (früher Telefonhandel) organisiert. Börsen wie die Frankfurter Wertpapierbörse haben den Präsenzhandel in den letzten Jahren eingestellt und den gesamten Wertpapierhandel auf computergestützte Systeme umgestellt. In jüngster Zeit erleichtern ECNs Händlern und Brokern das Auffinden einer geeigneten Marktgegenseite, um in spezifischen Wertpapieren zu handeln, die z. T. auch an den Börsen gelistet sind.

Die Geschwindigkeit der strukturellen Anpassungen hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht, was auf die fortlaufenden technologischen Innovationen in der Computer- und Kommunikationstechnik und auf die verstärkte internationale Integration der F. zurückzuführen ist. Der technische Fortschritt hat die Bedeutung der physischen Existenz einer Börse reduziert. Die neuen Techniken erlauben die schnelle und kostengünstige Übertragung von Orders über weite Strecken. Es kommt zu grenzüberschreitenden Fusionen von Börsen und zum Aufbau größerer Pools von Anbietern und Nutzern von Finanzmitteln. Ein Teil des Prozesses besteht darin, dass elektronische Handelssysteme bzw. Kommunikationsnetzwerke den offiziellen Status einer regulierten Börse erhalten haben, ohne dass der Handel auf einen spezifischen Standort festgelegt ist.

Der Handel an elektronischen Börsen hat Vor- und Nachteile gegenüber physischen Börsen. Vorteilhaft ist, dass die Kunden die Orders sehen, dass sie schnell ausgeführt werden und dass die Systeme permanent verfügbar sind und geringe Kosten verursachen. Die dezentralisierte Organisation reduziert zugleich die operationellen Risiken. Die Nachteile bestehen in potenziellen Fehlern innerhalb der Handelssysteme, die die Existenz von F.-Teilnehmern gefährden (z. B. starke kurzfristige Kurseinbrüche [Flash Crash] aufgrund fehlerhafter Dateneingaben). Die Komplexität von vielen und nicht vollständig verlinkten Börsen erzeugt neue Handelsmuster, erhöht die Fragilität des gesamten Systems und bedroht die Liquidität sowie die Bewertung von Assets. Bemühungen, die Geschwindigkeit des elektronischen Handels zu erhöhen, führen zu einem steigenden Ressourcenbedarf. Hochfrequenzhändler verlagern ihre Computersysteme in die Nähe der Börsen, sodass sich die Übertragungszeiten von Orders auf wenige Mikrosekunden reduzieren. Die Zielsetzung besteht darin, schneller als die Wettbewerber an Informationen zu kommen und entsprechende Orders auszuführen. Die geschwindigkeitsbedingten Gewinne führen dazu, dass die Market Maker, die jederzeit verbindliche An- und Verkaufskurse stellen, nicht mehr bereit sind, Liquidität bereitzustellen. Sie werden zudem gezwungen, technisch aufzurüsten, um die steigenden Volumina bewältigen zu können. Für die Realwirtschaft ergibt sich durch die erhöhten Geschwindigkeiten kein erkennbarer Zusatznutzen und es besteht die Gefahr einer Fehlallokation von Ressourcen. Die Existenz einer Vielzahl von elektronischen Börsen und ECNs führt auch nicht zwangsläufig zu einem einzigen, integrierten und transparenten F., auf dem alle Akteure alle Offerten auf der Angebots- und Nachfrageseite vollständig einsehen können und die Marktseiten optimal in Übereinstimmung gebracht werden. Die Bücher für limitierte Orders von ECNs sind nicht vollständig in den Orderbüchern der Börsen erfasst, sodass aufgrund fehlender Informationen der bestmögliche Kurs nicht garantiert ist.

Auf den Kassamärkten werden Finanztitel für Fremd- und Eigenkapital wie Anleihen und Aktien gehandelt. In Abhängigkeit von der Laufzeit der Finanztitel differenziert man dabei zwischen dem Geld- und dem Kapitalmarkt. Auf dem Devisen- bzw. Währungsmarkt werden Währungen und auf Währungen lautende Forderungen gehandelt. Dabei bildet sich das Preisverhältnis (der Wechselkurs) aus Angebot und Nachfrage der unterschiedlichen Währungen.

Auf dem Derivatemarkt werden Finanzinstrumente angeboten und nachgefragt, deren Wert vom Kurs anderer Finanztitel abgeleitet wird. Derivate berechtigen zum Kauf oder Verkauf der zugrunde gelegten Werte. Zu den wichtigsten derivativen Finanzprodukten zählen Optionen, Futures, Terminkontrakte und Swaps. Der Handel mit Derivaten findet entweder an Terminbörsen oder direkt zwischen Banken, anderen Finanzinstituten und sonstigen Unternehmen im OTC-Handel statt. Die zugrunde liegenden Titel (Underlyings) – Aktien, Devisen, Anleihen oder Rohstoffe – werden an Kassamärkten gehandelt. Derivative Finanzprodukte berechtigen den Erwerber zum Kauf oder Verkauf der zugrunde gelegten Werte zu einem festen, im Voraus vereinbarten Preis zu einem späteren Zeitpunkt. Der Abschluss des Geschäfts und die Zahlung des vereinbarten Preises fallen demzufolge zeitlich auseinander. Die wichtigsten Formen derivativer Instrumente sind Optionen, Forwards, Futures, Swaps sowie Forward Rate Agreements.

Bei einem Future besteht für beide Vertragspartner die verbindliche Vereinbarung, einen bestimmten Basiswert zum jetzt vereinbarten Preis in Zukunft zu liefern oder abzunehmen. Somit gehen der Käufer und der Verkäufer eine bindende künftige Liefer- oder Abnahmeverpflichtung ein. Meistens werden Futures nicht durch Lieferung und Abnahme des Basiswertes erfüllt, sondern vor Fälligkeit durch Gegengeschäfte glattgestellt. Im Cash Settlement werden die Differenzen durch Barzahlung ausgeglichen. Das Pendant zu den standardisierten Future-Geschäften an Börsen sind individuell gestaltbare Forwards im OTC-Handel. Eine Option ist eine Vereinbarung, die für den Käufer das Recht begründet, eine bestimmte Menge eines bestimmten Basiswertes zu einem bei Vertragsabschluss festgelegten Preis innerhalb eines festgelegten Zeitraums oder zu einem in der Zukunft liegenden Termin zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Der Käufer zahlt für dieses Recht bei Vertragsabschluss eine Optionsprämie. Ein Swapgeschäft ist ein terminiertes Tauschgeschäft über Zahlungsverpflichtungen. Die Vertragspartner tauschen Zahlungsverpflichtungen in verschiedenen Währungen (Währungsswaps) oder Zinsverpflichtungen (Zinsswaps), wie bspw. eine feste gegen eine variable Zinsverpflichtung auf einen bestimmten Kapitalbetrag. Ein Forward Rate Agreement ist eine Zinsausgleichsvereinbarung, bei der für eine künftige Mittelaufnahme oder -anlage ein bestimmter Zins, die Forward Rate, vereinbart wird. Liegt zum Zeitpunkt der Mittelaufnahme oder -anlage der aktuelle Geldmarktzinssatz über der Forward Rate, zahlt der Verkäufer einen Ausgleich an den Käufer und vice versa.

Mithilfe von Derivaten lassen sich Vermögenspositionen kostengünstig absichern (Hedging), Bewertungsdifferenzen zwischen einzelnen F.n ausnutzen (Arbitrage) bzw. Gewinne aufgrund erwarteter Kursveränderungen realisieren (Spekulation). Die häufig geäußerte Forderung nach einer verstärkten Regulierung der derivativen F. zur Begrenzung von spekulativen Geschäften aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf die F.-Stabilität darf allerdings die auftretenden Nebeneffekte nicht vernachlässigen. Eine Einschränkung des Derivatehandels erhöht die Absicherungskosten von Vermögenspositionen und gefährdet ihrerseits die Finanzstabilität. Spekulative Geschäfte erhöhen zudem die Liquidität auf den Märkten und vermeiden damit Preisverzerrungen. Instabilitäten auf den F.n – wie der Zusammenbruch von Systemen fester Wechselkurse – werden zudem häufig nicht durch spekulative Geschäfte verursacht. Spekulative Marktteilnehmer nutzen vielmehr (z. B. politisch verursachte) Fehlbewertungen auf den Märkten und beschleunigen lediglich die zwangsläufig erforderlichen Marktkorrekturen.

4. Finanzinstitutionen

Finanzinstitutionen sind Unternehmen, die den Kapitalgebern und -nehmern den Zugang zu den F.n bereitstellen. Da sie zwischen den Akteuren stehen, bezeichnet man sie als Finanzintermediäre, die Intermediationsleistungen bereitstellen. Typische Finanzintermediäre sind Banken, Versicherungen, Wertpapierfirmen und Pensionsfonds.

Finanzinstitutionen reduzieren die Transaktionskosten, indem sie sich auf die Emission standardisierter Wertpapiere spezialisieren. Sie reduzieren zudem die Informationskosten durch das Sichten und die laufende Überwachung der Kreditwürdigkeit von Kapitalnehmern und beseitigen damit bestehende Informationsasymmetrien zwischen den originären Kapitalanbietern und den Kapitalnachfragern. Sie bieten den Kapitalgebern kurzfristige Anlagemöglichkeiten an und transformieren die Finanzmittel in langfristige Kredite (Fristentransformation). Sie bündeln kleine Anlagebeträge der Kapitalanbieter und stellen den Kapitalnachfragern die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung (Losgrößentransformation). Durch die Vergabe von Krediten an eine Vielzahl von Kreditnehmern reduzieren sie die Risiken für die Kapitalgeber (Risikotransformation) im Vergleich zu einem direkten Erwerb von Aktien- oder Anleihepositionen.

Die Finanzindustrie lässt sich in zwei Kategorien von Intermediären unterteilen, die sich dadurch unterscheiden, ob sie selbst als Verwahrstelle von Finanzmitteln fungieren oder nicht. Banken und Sparkassen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Einlagen entgegennehmen und diese Mittel für die Vergabe von Krediten in unverbriefter oder verbriefter Form bereitstellen. Versicherungen, Fondsgesellschaften, Hedge Fonds, Private Equity- oder Venture Capital-Firmen, Pensionsfonds und Finanzinvestoren nehmen in aller Regel keine Einlagen entgegen. Jede dieser Institutionen der zweiten Kategorie nimmt eine jeweils spezifische Aufgabe wahr, die sich von den Funktionen einer Bank unterscheidet. Versicherungen nehmen Prämien ein, die sie in Wertpapieren und Immobilien anlegen, um aus den Erträgen und dem Bestandsvermögen ihre Verpflichtungen im Versicherungsfall zu erfüllen. Pensionsfonds legen die Beiträge von Privatpersonen und Unternehmen ebenfalls in Wertpapieren und Immobilien an, um Pensionsansprüche zu erfüllen. Wertpapierfirmen umfassen Broker, Investmentbanken, Fondsgesellschaften, Private Equity- oder Venture Capital-Firmen. Sie emittieren oder handeln mit Wertpapieren (Broker und Investmentbanken) bzw. poolen (Investmentfonds) die finanziellen Mittel von einzelnen Akteuren in einem gemeinsamen Wertpapierportfolio. Hedge Fonds bieten die gleichen Dienstleistungen wie Fondsgesellschaften für eine kleinere Gruppe von vermögenden Investoren an. Aufgrund der geringeren Regulierung steht Hedge Fonds ein größeres Anlageuniversum zur Verfügung. Private Equity- und Venture Capital-Unternehmen sammeln ebenfalls Finanzmittel bei vermögenden Investoren ein und beteiligen sich mit diesen Mitteln direkt an Unternehmen, wobei sie – im Gegensatz zu Fondsgesellschaften – aktiv auf die Unternehmensgeschäfte Einfluss nehmen. Spezialisierte Finanzgesellschaften (Zweckgesellschaften, Special Purpose Vehicles) refinanzieren sich direkt auf den F.n und stellen spezifische Kredite (z. B. Immobilien-, Auto- oder Studentenkredite) zur Verfügung.

II. Sozialethisch

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Eine Ethik der F. (Wertpapier-, Devisen- und Derivatemärkte) bzw. der Finanzwirtschaft (diese besteht neben F.n v. a. aus Finanzinstituten, der Zentralbank und den zuständigen Regulierungsbehörden) kann bei Fragen der Tauschgerechtigkeit ansetzen oder die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der Finanzwirtschaft in den Mittelpunkt stellen.

1. Ungleiche Bedingungen von Anbietern und Kunden oder von Marktteilnehmern

Während der Informationsvorsprung der Kapitalnehmer vor den Kapitalgebern – erstere wissen, was sie mit den ihnen überlassenen Finanzmitteln machen – Ausgangspunkt der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie ist, setzen viele finanzethische Reflexionen bei dem Problem an, dass Finanzprofis bzw. Finanzinstitute (v. a. Geschäftsbanken/Kreditinstitute, Investmentbanken, Versicherungen und Fondsgesellschaften) zumeist einen großen Vorteil gegenüber ihren Kunden bzw. Transaktionspartnern haben, der auf ihrer spezifischen finanzwirtschaftlichen Expertise beruht. Dabei wird es als bes. unfair bewertet, diesen Vorteil auszunutzen, wenn die Differenz der Expertise bes. groß (übervorteilte Kleinanleger), ein verschwiegener Aspekt für den Vertragsgegenstand essentiell ist oder wenn es nicht nur um eine punktuelle Transaktion (z. B. einzelner Verkauf zu einem überteuerten Preis) geht, sondern zu dem Übervorteilten eine Treuhänder- (in der Vermögensverwaltung) oder eine Dienstleistungsbeziehung (z. B. Beratung gegen Honorar) besteht. Seit der globalen Finanzmarktkrise (Höhepunkt 2008) setzt man in Deutschland und vielen anderen Ländern für den Kleinanlegerschutz auf komplizierte Regelwerke für Anlageberater. Eine Alternative bestünde im Verbot provisionsfinanzierter bei gleichzeitigem Ausbau honorarbasierter und v. a. gemeinnütziger Anlageberatung.

Auch bei einigen Geschäftspraktiken des Hochfrequenzhandels wird ein Vorteil ausgenutzt, in diesem Fall der um Sekundenbruchteile schnellere Zugang zu Märkten, den sich einige Finanzinstitute mit teurer Soft- und Hardware und mit dem Kauf von Stellplätzen für ihre Computer in räumlicher Nähe zum Server der Börse verschaffen. Durch die etwas schnellere Abwicklung können sie bei jeder Transaktion eine geringe Preisspanne nutzen. Durch die Vielzahl und das große Finanzvolumen der abgewickelten Transaktionen werden hohe Gewinne erzielt, die von den Marktteilnehmern mit einem langsameren Zugang bezahlt werden. Auch wenn der Schaden für jeden einzelnen Transaktionspartner sehr begrenzt ist, sind diese Gewinne ungerecht, weil hier ein Einkommen ohne Gegenleistung (z. B. ohne die Übernahme eines Risikos) erzielt wird.

2. Krisenanfälligkeit der Finanzwirtschaft

Bei den negativen gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der F. und der Finanzinstitute stehen u. a. Finanzkrisen im Fokus, also Momente eines Preissturzes auf mehreren Vermögensmärkten (u. a. Aktien- und Immobilienmärkte) und/oder eines (Beinahe-)Zusammenbruchs mehrerer Finanzinstitute (in peripheren Staaten nicht selten in Verbindung mit einer Währungskrise, also dem Absturz der Landeswährung auf den Devisenmärkten). Für das Verständnis von Finanzkrisen ist entscheidend, sie als Folge eines vorangehenden finanzwirtschaftlichen Booms zu begreifen. Sie sind das Ergebnis einer längeren Phase voller Optimismus, in dem die nicht-finanzwirtschaftlichen Akteure ihre Verschuldung und die Finanzinstitute ihre Bilanzen immer weiter ausdehnten (bzw. letztere das Ausmaß ihrer Fristentransformation erhöhten), die Geldmenge folglich schnell wuchs und immer mehr Geld auf die Vermögensmärkte strömte und dort gemeinsam mit der optimistischen Stimmung für Preisblasen sorgte (in peripheren Ländern häufig zusammen mit den Geldern internationaler Investoren, die zur gleichen Zeit in großem Umfang in das betreffende Land flossen). Finanzkrisen führen – trotz des Gegensteuerns der Zentralbank und ggf. des Fiskus (Bankenrettung) – zuerst einmal zu Verlusten der Vermögensbesitzer. Lösen sie eine Wirtschaftskrise und ggf. eine Staatsschuldenkrise aus, schaden sie aber langfristig v. a. den Arbeitnehmern und den Empfängern von Sozialleistungen.

3. Dominanz der Finanzmärkte

Seit mehr als drei Jahrzehnten sind (in den Industrieländern und weltweit) Trends einer Finanzialisierung bzw. der Ausbildung eines sogenannten F.-Kapitalismus sichtbar: Der Gesamtwert aller Finanzaktiva und die Transaktionsvolumina der F. (im Verhältnis zum BIP) stiegen sehr schnell. Bei der Geldanlage und der Finanzierung (über Wertpapiere), beim Risikomanagement (Derivate) sowie bei der corporate control (u. a. Aktienoptionspläne) haben die F. gegenüber den Finanzinstituten an Bedeutung gewonnen. Zugleich wuchs der Einfluss dieser (nun stärker von den F.n geprägten) Finanzwirtschaft auf die realwirtschaftlichen Unternehmen. Vermehrt werden Unternehmensentscheidungen v. a. mit Blick auf den Aktienkurs getroffen und von ihren (mutmaßlichen) Kurseinflüssen her legitimiert. Fondsgesellschaften u. a. institutionelle Anleger mit einem breiten Wertpapierportfolio treten als neue Typen von Eigentümern auf und drängen (u. a. mit ihrer glaubwürdigen Exitoption) darauf, dass hohe Gewinne schnell realisiert werden – ggf. auf Kosten der Arbeitnehmer oder der natürlichen Umwelt. Mit den Finanzialisierungsprozessen (die allerdings mit anderen Veränderungen interferieren) sind also erhebliche Verschiebungen der ökonomischen Ressourcen, aber auch der Legitimationsmuster und cognitive frames sowie der Macht im Handlungsbereich Wirtschaft verbunden; diese sind ethisch zu reflektieren.

Das starke Wachstum der F. in den letzten Jahrzenten hat in den Industrieländern zu einer hypertrophen Finanzwirtschaft geführt. Entgegen der bis 2008 in der Ökonomie vorherrschenden optimistischen Sicht (finance-growth nexus) geht man heute davon aus, dass hier das Wachstum der Finanzwirtschaft (im Verhältnis zum BIP) die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eher bremst. In der heutigen Finanzwirtschaft offenbar weit verbreitet sind demnach Geschäfte ohne Wertschöpfung, also ohne einen positiven Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Ein schon seit langem diskutiertes Beispiel ist die ausufernde Spekulation mit Derivaten (Spekulation: Ver-/Käufe von Vermögenswerten mit dem Ziel, erwartete kurzfristige Preisveränderungen gewinnbringend auszunutzen). Bis zu einem gewissen Niveau ist Spekulation mit Derivaten gesamtwirtschaftlich von Vorteil; sie erfüllt eine Versicherungsfunktion (z. B. Abgabe des Risikos eines steigenden Ölpreises an einen spekulativen Marktteilnehmer durch Kauf einer Call-Option) und eine Liquiditätsfunktion (da sehr viele Markttransaktionen: Ver-/Kauf des Derivats in großem Umfang ohne nennenswerte Auswirkungen auf seinen Marktpreis möglich). Je mehr aber bereits spekuliert wird, umso weniger steigen mit zusätzlicher Spekulation diese Vorteile noch weiter an, während zugleich einige Risiken immer stärker wachsen. Mit dem Volumen der spekulativen Transaktionen auf einem Markt steigen v. a. die Preisschwankungen, an denen die spekulativen Marktteilnehmer verdienen und deshalb auch ein ausgeprägtes Interesse haben. Das auf diese Weise wachsende Preisrisiko führt für die nicht-spekulativen Marktteilnehmer zu höheren Kosten des Risikomanagements, während die Spekulation selbst immer gewinnträchtiger und damit attraktiver wird.

4. Versuche der Beeinflussung wirtschaftlicher Entwicklung mithilfe der Finanzmärkte

Der gestiegene Einfluss der F. auf die Realwirtschaft legt es nahe, Finanzaktiva als Instrumente zu nutzen, um im Unternehmenssektor bestimmte, aus ethischer Sicht positive Entwicklungen zu fördern. Als einen entsprechenden Versuch kann man die mittlerweile recht verbreiteten Ansätze ethisch-nachhaltigen Investierens begreifen. Schließlich geht es bei dieser Form der Geldanlage heute nicht mehr allein oder auch nur zuerst darum, sich von Geschäften fernzuhalten, die man für fragwürdig oder ethisch verwerflich hält, sondern auch und v. a. um das Ziel, bei realwirtschaftlichen Unternehmen sozial und ökologisch positive Veränderungsprozesse in Gang zu setzen bzw. zu unterstützen. Sehr gering ist dieser Einfluss allerdings dann, wenn die ethisch-nachhaltige Geldanlage allein darin besteht, selektiv in börsengehandelte Wertpapiere zu investieren (und z. B. nicht auch der Status als Aktionär genutzt wird, um das Management für einen Austausch über einige problematische Aspekte des Unternehmensgeschäfts zu gewinnen). Schließlich sind die Volumina der ethisch-nachhaltigen Geldanlage zu unbedeutend und die dabei beachteten Kriterien zu divergent, um die Aktienkurse großer Konzerne und darüber ggf. die Anreize des Managements und die Finanzierungsbedingungen maßgeblich zu beeinflussen. Damit bleiben allein eher indirekte Effekte: dass ethisch-nachhaltige Wertpapierfonds über die Finanzierung des ethischen Ratings zu einem besseren Informationsstand über die sozialen und ökologischen Wirkungen von Unternehmen beitragen und dass sie am Kapitalmarkt (Geld- und Kapitalmarkt) ein alternatives Leitbild unternehmerischen Wirtschaftens präsent halten. Mit diesem eher negativen Befund ist aber nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft gelingen kann, über finanzwirtschaftliche Instrumente sozial oder ökologisch positive Entwicklungen gezielt zu fördern. Bei geeigneter staatlicher Regulierung und Förderung könnten bestimmte Wertpapiere bspw. einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der dringend gebotenen ökologischen Transformation leisten.