Institution

  1. I. Soziologische Perspektiven
  2. II. Ökonomische Institutionenbegriffe

I. Soziologische Perspektiven

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1. Zur Begriffsgeschichte

Lateinisch institutiones meint seit dem 2. Jh. juristische Lehrbücher, die mit diesem Titel von Gaius u. a. Autoren verfasst wurden (und teilweise auch als Rechtsquelle galten). Daran knüpfte im Jahre 533 das erste Buch des „Corpus juris civilis“ des Kaisers Justinian an. Quintilian wählte mit „Institutio oratoria“ dieselbe Bezeichnung für die Einführung in die Redekunst und noch Johannes Calvin stellte 1536 bzw. 1559 sein theologisches Hauptwerk unter den Titel „Institutio christianae religionis“. Die umfassendere Bedeutung des heutigen I.en-Begriffs ist in der römischen Antike eher mit dem Verb instituere und dem abgeleiteten institutum (Einrichtung, Begründung, Verfassung) verbunden, etwa galten die Ämter im Senat mit den daraus folgenden Verhaltensnormen als instituta maiorum, so auch noch im 5. Jh. in Augustinus’ „De civitate Dei“, wo die innerweltlichen Ordnungen des christlichen Lebens von der vita coelestis unterschieden sind. Im Mittelalter existiert ein systematisierender Oberbegriff von I. ebenfalls nicht, statt dessen findet man neben dynamischen Begriffen wie creatio oder productio am umfassendsten universitas, was sich in den Bezeichnungen für die „Genossenschaft“ der gelehrten Studien erhalten hat. Für die religiösen Orden gibt es den Zusammenhang von regula et institutio als Einbindung des religiösen Lebens in rechtlich regulierte Ordnungen.

In der Theologie der römischen „einen und einzigen Kirche“ wird eine institutionelle Universalität behauptet, die als Paradox einer „Institution des Heiligen Geistes“ (von Moos 2001: 316) gleichermaßen innerweltlich und radikal transzendent ist. Ein anderer Bezug zur Transzendenz zeigt sich in Martin Luthers „Lehre von den zwei Regimenten“ aus dem Jahre 1523 als Beziehung des gläubigen Menschen einerseits zu Gott, andererseits zu den weltlichen Herrschaftsordnungen. Nach 1945 gründete die EKD eine „I.en-Kommission“, um die Konsequenzen aus der Anpassung eines Teils der Amtskirche an den NS-Staat kritisch aufzuarbeiten. Dabei wurde ekklesiologisch die Kirche auch hier als „unverfügbar“ angesehen, was Wolf-Dieter Marsch als „Stiftungsmetaphysik“ (1970: 130) kritisierte.

2. Sozialwissenschaftliche Institutionenansätze

2.1 Definitionen

Oft wird behauptet, dass die heterogene Wortverwendung von I. einen wissenschaftlichen Begriff unmöglich mache. Gleichwohl ist I. ein, wenn auch unterschiedlich definierter, Schlüsselbegriff soziologischer Analysen: „Social institutions are usually conceived of as the basic focuses of social organisation, common to all societies and dealing with some of the universal problems of ordered social life“ (Eisenstadt 1968: 409). Im Brockhaus (1970: 156) sind I.en Einrichtungen, die durch „soziale Beziehungen, Schichtung, Herrschaft, aber auch Denkweisen, Sprache, Gebote und Verbote [mit] relativer zeitlicher Konsistenz“, einer bestimmten Struktur, kulturellen Mustern und einem „Zusammenwirken ihrer Glieder so wie normativer Richtlinien […] das Handeln des Menschen leiten sollen“.

In der Soziologie bezeichnet I. Handlungsregulierungen, die von (relativer) Dauer, immer normativ (wertbezogen) und mit Sanktionen verbunden sind, Verhaltensregeln verbindlich machen und auf der Basis bestimmter Werte und Leitideen soziale Beziehungen regulieren. So wird die Relation von gesellschaftlichen Strukturen und Akteuren analysierbar, wie auch in Pierre Bourdieus (allerdings strukturalistischer) Habitustheorie (Habitus). I.en dienen zugl. der Darstellung von Geltungsansprüchen und leitenden Normen einer Ordnung. Robert M. MacIver/Charles H. Page, Talcott Parsons/Edward A. Shils, Helmut Schelsky und Niklas Luhmann präferierten den Prozessbegriff „Institutionalisierung“. M. Rainer Lepsius sah I.en als „Spannungsfeld zwischen Ideen und Verhaltensstrukturierung“ (2013: 14).

2.2 Politische, juristische und ökonomische Institutionenanalysen

I.en-Theorien und -analysen befassen sich mit Aussagen über Gründung, Stabilisierung und Wandlungen sozialer Beziehungen. Für die europäische Tradition einer politischen Konstitution der Gesellschaft finden sich schon bei Platon und Aristoteles umfassende, normativ gestützte I.en-Beschreibungen und -begründungen. In der Frühen Neuzeit sind es v. a. die Vertragstheorien, welche das Problem der Gründung und Legitimität politischer I.en behandeln, etwa bei Thomas Hobbes mit seiner Konstruktion einer institutionellen Übertragung der freien Selbstbestimmung jedes Einzelnen auf einen Sicherheit garantierenden souveränen „Leviathan“. In der ökonomischen Konstitution der Gesellschaft wurden von Adam Smith die Systeme der Produktion und des Markttausches in die institutionellen Beziehungen der bürgerlichen Gesellschaft als Quelle der moral sentiments eingebettet. Diese, gesellschaftliche I.en einbeziehende, Politische Ökonomie ist als früheste Form einer gesellschaftlichen Systemtheorie anzusehen, die im Werk von Karl Marx ihre bedeutendste Kritik und zugl. Fortführung erfuhr.

Oft werden I.en in der Rechts-, Geschichts- und Politikwissenschaft nur als rechtlich verfasste Organisationen aufgefasst, was selbstverständlich für den Staat gilt. Herrschaft beruht immer auf institutionellen Regulierungen und Ritualen. Mit der königlichen und später staatlichen Monopolisierung von legitimer Machtausübung entstanden zunehmend verbriefte Regulierungen der ständischen, später auch allg.en staatsbürgerlichen Partizipation, die mit der Entwicklung von modernen Nationalstaaten zumeist durch eine geschriebene Verfassung garantiert ist. Die Staatsrechtslehre konzentriert sich anstelle eines zusammenfassenden I.en-Begriffs zumeist auf die Darstellung spezifischer Staatsaufgaben, dabei zugl. detaillierte I.en-Beschreibungen liefernd. Bei Carl Schmitt findet sich trotz seiner „Verfassungslehre“ (1928) durchgängig eine anti-institutionelle Intensivierung der Homogenitätserzwingung durch Diktatur, Souveränität als Entscheidung über den Ausnahmezustand oder das Politische als Freund-Feind-Unterscheidung. Allerdings hat er für bestimmten Zwecken dienende, aber im Einzelnen nicht spezialisierte I.en das Rechtsinstitut einer übergesetzlichen „institutionellen Garantie“ (1928: 171) von Statusrechten formuliert. Die deutsche Rechtssoziologie hat die soziologischen I.en-Theorien durch zahlreiche angewandte Fragestellungen konkretisiert.

2.3 Soziologische Institutionenansätze

In evolutionärer Perspektive (Evolution) definierte Herbert Spencer ausgehend von menschlichen Grundbedürfnissen durch diese mitbedingte politische, industrielle, kirchliche, zeremonielle und professionelle basic institutions. William Graham Sumner sah sozialdarwinistisch I.en als evolutive Anpassungsleistungen (Sozialdarwinismus), wobei er zwischen crescive institutions (in frühen Gesellschaften) und inacted institutions (in Hochkulturen) unterschied; auf der Basis von Bedürfnissen und den ihrer Befriedigung folgenden Gewohnheiten (folkways) sind konzeptuelle Ideen mit jeweiligen Strukturen und familialen, religiösen, wirtschaftlichen, künstlerischen etc. I.en verbunden. Auch der Anthropologe Bronislaw Malinowski bezog die I. auf unterschiedliche Bedürfnislagen, verschob den Akzent jedoch vom biologischen Erbe auf die kulturelle Entwicklung. Jede I. sei multifunktional und dadurch dynamisiert, dass die Befriedigung jedes Bedürfnisses Folgebedürfnisse produziert, die wiederum institutionell bearbeitet werden müssen. Für Thorstein Veblen waren I.en insb. „prevalent habits of thought“ (1899: 190), im Wandel der Gesellschaft entstanden, ihm aber auch unterworfen. Sein gegen die ökonomische Modelltheorie gerichteter „Institutionalismus“ mit seiner beißenden Kritik der um Prestige kämpfenden müßigen Klassen knüpfte an die deutsche Historische Schule, den sozialkritischen amerikanischen Meliorismus sowie den reformerischen philosophischen Pragmatismus an und kann in gewisser Weise als Vorläufer der heutigen Institutionenökonomik angesehen werden.

Als „Vater“ der soziologischen I.en-Theorie wie auch einer Differenzierungstheorie der industriellen Gesellschaft kann Émile Durkheim gelten, der die Soziologie geradezu als „Wissenschaft von den Institutionen, deren Entstehung und Wirkungsart“ (1977: 410) definiert hat. Die jedes Individuum zwingenden „sozialen Tatsachen“ erscheinen als überpersonale Dimension sui generis und begründen die überindividuelle Geltung der I. Da É. Durkheim die moderne, durch zunehmende Arbeitsteilung bestimmte Industriegesellschaft von einer „anomischen“ Unsicherheit der Geltung von Normen und Werten bedroht sah, suchte er als Gegenmittel nach rituellen Formen für die Vergemeinschaftungen im Rahmen moderner beruflicher Korporationen. Im „elementaren“ (Durkheim 1968) Totemismus hoffte er, Modelle der bindenden Kraft rituellen Zusammenhandelns zu finden. Entgegen einer derartigen ontologischen Vorstellung von der Autonomie kollektiver Vergesellschaftung, betonen handlungsorientierte Ansätze, dass I.en sich aus menschlichen Interaktionen ergeben. Max Weber hat den Begriff I. zwar nur beiläufig benutzt, jedoch in § 5 der „Soziologischen Grundbegriffe“ prägnant formuliert, dass soziale Beziehungen durch die Orientierung von Handlungen (Handeln, Handlung) erst „an der Vorstellung vom Bestehen einer legitimen Ordnung“ (Weber 1972: 16) und deren dadurch begründete Geltung bindend werden. Die Genese des Institutionellen wird dargestellt an der „Veralltäglichung des Charisma“ (Weber 1972: 142) von Gründungsfiguren, wenn deren inspirierende „Gnadengabe“ (Weber 1972: 144) in ein Amtscharisma (Charisma) umgewandelt wird.

Interaktionstheoretisch sah George Herbert Mead in den I.en eine gemeinschaftliche Reaktion auf eine bestimmte Situation. „Signifikante Symbole“ (1973: 307) und Prozesse der Rollenübernahme (Soziale Rolle) bedingen sowohl die persönliche Identitätsbildung (Identität) als auch eine sozial organisierte Gemeinsamkeit. Gleichwohl sah G. H. Mead in den I.en letztlich doch nur kompensatorische Zusammenschlüsse noch nicht gänzlich integrierter Gruppen. Für Herbert Blumer und die interpretative Soziologie bis zu Erving Goffman bleibt der Aspekt des gemeinsamen Wissens (von Weltbildern bis zu den Interaktionsregeln eines Face-to-Face-Kontaktes) bedeutsam. Das wird auch in den Lebensweltanalysen von Alfred Schütz (Lebenswelt) behandelt, für den Sozialität auf gemeinsamen Relevanzsystemen und Wissensvorräten beruht. Das ist die Basis auch aller Formen von Institutionalisierung – von den sozialen „Rahmungen“ des Alltags bis zu den „totalen Institutionen“ (religiösen Orden, Gefängnissen, psychiatrischen Anstalten etc.; Goffman 1971: 11). Aus sozialpsychologischer Sicht betonte Floyd Henry Allport, dass I.en nur aus Handlungen zusammengesetzt seien, z. B. eine Universität nichts anderes sei als: „teaching, learning and cooperating in academic relationships generally“ (1933: 5). In phänomenologischer und wissenssoziologischer Perspektive haben Peter L. Berger und Thomas Luckmann, anthropologisch-handlungsorientierte und interaktionstheoretische Ansätze verbindend, die institutionellen „Sinnwelten“ (1969: 104) als vergegenständlichte menschliche Tätigkeit beschrieben.

T. Parsons definiert I.en als Rollen- und Status-Relationen. Ihm ging es auch um Sozialisationsprozesse (Sozialisation) und die „Internalisierung“ von cultural patterns, also die Vermittlung zwischen personalem (bzw. physiologischem und psychischem), sozialem und kulturellem System. Robert K. Merton hat das – unter Betonung der funktionalen Bedeutung auch der Devianz – weiterentwickelt zu Analysen der Machtverhältnisse und der gegenseitigen Interdependenzen unterschiedlicher I.en. Shmuel N. Eisenstadt nahm eine Anregung von Karl Jaspers auf und beschrieb, im Anschluss an M. Webers vergleichende historische Soziologie, eine in der „Achsenzeit“ (800–200 v. Chr.; Eisenstadt 1987–92) sich in einigen Hochkulturen durchsetzende konfliktreiche Ausdifferenzierung von Macht- und Deutungs-I.en.

Claude Lévi-Strauss fasste die Regulierung gesellschaftlicher Gruppen durch Verwandtschaftssysteme, Mythen und formale Organisationsprinzipien strukturalistisch (Strukturalismus), ohne den I.en-Begriff konzeptionell zu verwenden. Michel Foucault geht es um unterschiedliche Formen instutioneller Macht, rekonstruiert durch die „archäologische“ Analyse von Wissensordnungen und die Beschreibung von Kontroll- und Disziplinierungspraktiken, v. a. in einschließenden und somit auch ausschließenden Diskursen. Durch diese unterschiedlichen Perspektivierungen wurde die institutionelle Analyse produktiv erweitert. Jean-Paul Sartre kritisierend und doch fortsetzend untersuchten M. Foucault, Jaques Lacan, Louis Althusser u. a. als entscheidendes Moment von I.en den „Akt des Institutierens“. Bes. Cornelius Castoriadis hat – gerade auch für Revolutionen – die imaginäre und schöpferische, zugl. determinierende Kraft der I.en-Bildung hervorgehoben. Eine ganz andere dynamische Theorie institutioneller Räume und Zeitordnungen, verbunden mit einer lebensphilosophisch angeregten „institutionellen Affektivität“ (2011: Kap. 3), hat Robert Seyfert entworfen.

Als Folgen der „1968“ verbreiteten Mobilisierung einer Kritik der I.en ist die Reform der deutschen Universitäten zu nennen oder auch die Antipsychiatriebewegung, die 1978 in Italien zur gesetzlichen, in ihren Folgen durchaus ambivalenten, Aufhebung aller staatlichen psychiatrischen Kliniken führte. Jürgen Habermas u. a. Autoren der Kritischen Theorie mieden den I.en-Begriff zumeist als zu konservativ; allerdings ließen Klaus Offe die Konflikte nach dem Zerfall der UdSSR von der barbarischen Gefahr einer I.en-Auflösung in den „Ruinen der Staatlichkeit“ (Offe 1996: 271) sprechen, ein inzwischen globales Phänomen von failed states.

Im wichtigsten deutschen Beitrag zur I.en-Theorie hat Arnold Gehlen I.en als Produkt eines ideativen Bewusstseins durch Transzendierungsleistungen bestimmt und in ihrer innerweltlichen Ordnungsfunktion mit der von Henri Bergson beeinflussten Konzeption Maurice Haurious einer „kreativen Macht“ (Gehlen 1993: 453 f.) oder idée directrice verbunden. Ihre Funktionen liegen in der Entlastungsleistung für das instinktreduzierte und unspezialisierte „Mängelwesen“ Mensch. Den menschheitsgeschichtlichen Ursprung der I.en sieht er, wie É. Durkheim, im (totemistischen) rituell-darstellenden Verhalten. Aus dem gemeinsamen Vollzug, etwa von Ritualtänzen, ergibt sich die Möglichkeit einer „Umkehr der Antriebsrichtung“ (Gehlen 1956: 269) als Bedingung einer auf Dauer gestellten Gegenseitigkeit und „Versachlichung der Triebe“ (Gehlen 1956: 74). I.en sind immer Formen „stabilisierter Spannung“ (Gehlen 1956: 88). Die so entstehende sichernde „Hintergrundserfüllung“ (Gehlen 1956: 55) eröffnet die Möglichkeit einer Freisetzung von Handlungsmotiven. Für die Moderne vermutete A. Gehlen einen zunehmenden Bedeutungsverlust institutioneller Ordnungsleistungen und fordert in konservativer Zuspitzung eine „Einwandsimmunität“ (Gehlen 1940: 70) der I.en, also einen Kritikverzicht im Dienst sozialer Stabilisierung. Dem hat sein Schüler H. Schelsky widersprochen, indem er im Zeitalter der Subjektivität des modernen Menschen die Stabilität von I.en gerade auch in deren Selbstreflexivität sah.

Von dieser These einer notwendigen „Entlastung“ von der Überfülle der Welt ausgehend, hat N. Luhmann I.en und soziale Systeme durch die Funktion der „Reduktion von Komplexität“ (1970: 115) bestimmt. Seine Studien vor der „autopoietischen Wende“ waren explizite I.en-Analysen, während er diesen Begriff später vermied, da I.en für ihn zur Traditionswelt vormoderner, „stratifizierter“ Gesellschaften gehörten. Schließlich rückte er von der I.en-Kategorie ganz ab, weil sie den Eindruck erwecke, „dass etwas Höheres, Sinnreicheres, vielleicht Geheimnisvolleres im Spiel sei“ (Luhmann 1992: 92). Dessen bedeutendste Anregungen für die I.en-Analyse liegen in der Beschreibung von Autonomisierungsprozessen gesellschaftlicher Teilsysteme. An A. Gehlens Konzeption schließt Karl-Siegbert Rehbergs (2014) „Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen (TAIM)“ kritisch an, welche I.en auf allen Beziehungsebenen als „symbolische Ordnungen“ (Rehberg 2014) versteht und die Erfüllungschancen institutioneller Ziele ebenso untersucht wie etwa die Vergrößerung von Machtpotentialen durch deren Unsichtbarmachung, dabei v. a. auch die Entlastungsleistungen durch I.en mit deren Belastungen konfrontierend. Gegenstand der darin entwickelten (historischen) „Vergleichsheuristik“ sind Geltungsansprüche und Mechanismen der Stabilisierung, bes. durch die Konstruktion legitimierender Raum- und Zeitordnungen.

In Überwindung zu enger Rational Choice-Ansätze (Rational Choice Theory) kam es auch in der verhaltenstheoretischen Soziologie zu einer zunehmenden Verknüpfung individueller und institutioneller Ansätze, z. B. bei James Coleman oder Hartmut Esser. Die Anthropologin Mary Douglas behandelt I.en weder als kollektive Realitäten noch als Rahmen für bloß individuelle Nutzenkalküle (Nutzen), sondern als durch menschliche Verbindungen erzeugte Klassifikationssysteme sowie als Orientierungsrahmen für Kollektivgüter.

In postmodernen (Postmoderne) Diskursen und in Konzepten einer zweiten, „reflexiven“ Moderne (Ulrich Beck und Anthony Giddens) werden die auf Dauer angelegten I.en als dynamische Strukturierungsprozesse verstanden. Zugl. sieht U. Beck in der Individualisierung die Verflüssigung von Normensystemen und in der Globalisierung sogar einen „Institutionen-Weichmacher“ (1997: 16). Demgegenüber hat Ralf Dahrendorf in Abweichung von seinem zu unvermittelten früheren Dualismus von persönlicher Freiheit und der „ärgerlichen Tatsache der Gesellschaft“ (1991: 148) später die Bedeutung von „Ligaturen“ (1991: 147), also institutionellen Normierungsleistungen, betont.

II. Ökonomische Institutionenbegriffe

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1. Definitionen

In ökonomischen Analysen werden I.en üblicherweise als Restriktionen für menschliches Verhalten definiert. Dabei werden unterschiedliche Arten von I.en ebenso differenziert wie unterschiedliche Kontexte, in denen sie wirken.

2. Interne und externe Institutionen

Als interne I.en werden in der I.en-Ökonomik Verhaltensregeln bezeichnet, die einzelne Menschen für sich selbst wählen und durch die sie ihren eigenen Handlungsspielraum einschränken. Diese Selbstbindungen stellen eine individuelle Strategie zum Umgang mit Unsicherheit dar. Als Handlungsroutinen (Aktion) sichern sie ihren Nutzern i. d. R. ein zufriedenstellendes Anspruchsniveau (satisficing i. S. v. Herbert Alexander Simon). Oft entwickeln sie sich aus Lernprozessen bei (ähnlich) wiederkehrenden Entscheidungssituationen. Zu den internen I.en zählt der Wecker, den man sich abends zur Selbstorganisation stellt, ebenso wie die von Odysseus gewählte Form der Selbstbindung, der sich an den Mast seines Schiffes ketten ließ, um den Gesang der Sirenen genießen zu können ohne ans todbringende Ufer gelockt zu werden. Werden ähnliche Handlungsroutinen von mehreren Menschen angewendet, bilden sich gemeinsame Standardregeln heraus. Diese werden als externe I.en bezeichnet.

Externe I.en werden von unterschiedlich großen Kollektiven genutzt, um potentiell vorteilhafte Kooperationen (Interaktion) zwischen den einzelnen Kollektivmitgliedern zu ermöglichen. Sie lassen sich mit Douglass Cecil North als „humanly devised constraints that structure political, economic and social interactions“ (North 1991: 97) definieren. Als kollektive Spielregeln beeinflussen sie nicht nur das menschliche Verhalten; vielmehr beeinflusst eben dieses Verhalten auch die (Weiter-)Entwicklung bestehender I.en.

Für die Nutzer von externen I.en wird das Verhalten potentieller Kooperationspartner bei Anwendung der gemeinsamen Verhaltensregeln besser vorhersehbar. So können kostspielige, bilaterale Mechanismen zur Absicherung von Kooperationen vermieden werden, d. h. die Transaktionskosten sinken. Damit externe I.en ihr Transaktionskosten senkendes Potential entfalten können, müssen sie mit entspr.en Sanktionsmechanismen versehen sein. Diese sollen nicht-regelkonformes Verhalten verhindern bzw. bei erfolgten Verstößen gegen die Spielregeln dazu motivieren, zu einem regelkonformen Verhalten zurückzukehren.

Externe I.en treten in verschiedenen Formen auf und werden auf unterschiedlichen Ebenen bzw. in unterschiedlichen Kollektivgrößen genutzt.

3. Informelle und formelle Institutionen

Das wesentliche Charakteristikum von informellen I.en besteht darin, dass sie nicht schriftlich oder in anderer Form fixiert sind. Vielmehr werden sie etwa durch Erziehung und/oder mündliche Überlieferungen vermittelt. Im Bereich der Wirtschaft waren z. B. die Verhaltensregeln des sog.en ehrbaren Kaufmanns lange Zeit eine informelle I., die Kooperationen der Kaufleute erleichterte. Handelspartner konnten darauf vertrauen, nach erfolgtem Handschlag zur Besiegelung eines mündlich vereinbarten Geschäfts, nicht übervorteilt zu werden. So ließen sich Verträge ohne größeren schriftlichen Aufwand und ohne die Einschaltung von (teuren) Juristen schließen. Dieses Beispiel zeigt, dass informelle I.en dann gut wirken, wenn ein Verstoß gegen die Regeln leicht erkannt werden kann und auch unmittelbare, spürbare (soziale) Sanktionen nach sich zieht. Informelle I.en funktionieren gut, wenn die Zahl der sie nutzenden Kollektivmitglieder nicht zu groß wird.

In modernen, ausdifferenzierten Gesellschaften werden persönliche (Handels-)Beziehungen oft durch anonymere (Markt-)Beziehungen ersetzt. Gleichzeitig ersetzen formelle I.en oft die informellen I.en, um auch in großen Kollektiven potentielle Kooperationsvorteile realisieren zu können. Diese formellen I.en sind i. d. R. – ebenso wie die dazugehörigen Sanktionsmechanismen – schriftlich fixiert. So haben in der Wirtschaft bspw. umfangreiche schriftliche Corporate Governance-Kodizes die informellen Verhaltensregeln des ehrbaren Kaufmanns abgelöst.

Adäquat gestaltete formelle I.en zur Beeinflussung des individuellen Verhaltens sind in unterschiedlichen Kontexten relevant: Für die Funktionsweise des politischen Systems, d. h. das Verhalten politischer Akteure sind etwa die Verfassungsregeln von Bedeutung, in denen u. a. Abstimmungsregeln für politische Entscheidungen sowie Grundrechte zum Schutz von Minderheiten fixiert werden. Damit ein Wirtschaftssystem erwünschte Ergebnisse hervorbringen kann, sind u. a. Gesetze zum Schutz des Wettbewerbs ebenso relevant wie klar definierte Eigentumsrechte. In Organisationen, wie z. B. Unternehmen, stellen nicht nur Arbeitsverträge sondern auch definierte hierarchische Strukturen (Hierarchie) wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der beteiligten Akteure dar.