Staatsaufgaben

  1. I. Rechtswissenschaftlich
  2. II. Ökonomisch

I. Rechtswissenschaftlich

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1. Begriff und Abgrenzung

Mit S. werden die öffentlichen Aufgaben bezeichnet, auf die der Staat nach Maßgabe und in den Grenzen der Verfassung zugreift, zugreifen darf oder auch zugreifen muss; der Begriff ist damit formell wie auch materiell definiert. In den Kategorien der verschiedenen Angelegenheiten des Gemeinwesens sind öffentliche Aufgaben solche Belange, deren Pflege im öffentlichen Interesse liegt. Der Begriff des öffentlichen Interesses meint ideelle Güter (öffentliche Belange), die das Gemeinwesen hegt und anstrebt (Gemeinwohlinteressen). S. knüpfen an öffentliche Interessen an. Für das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe ist dabei ein gegenwärtiges Tätigwerden staatlicher Stellen nicht notwendig, sondern es kommt lediglich darauf an, dass Verfassung und Gesetz dem Staat die Möglichkeit eröffnen, sich eines Themas anzunehmen und seine Erledigung zu verfolgen. Damit kann es neben aktuellen staatlichen Aufgaben, bei denen der Staat von der ihm durch das Recht eröffneten Möglichkeit, sich einer Angelegenheit anzunehmen, tatsächlich Gebrauch macht, auch nur virtuelle staatliche Aufgaben geben, bei denen der Staat derzeit untätig bleibt.

S. sind abzugrenzen von den Staatszielen (Staatszielbestimmungen) und den Staatszwecken. Staatszwecke benennen den Grund, um dessentwillen ein Staat idealtypisch besteht, Staatsziele heißen die öffentlichen Belange, die sich ein individueller Staat in einer bestimmten geschichtlichen Lage zu eigen macht und in deren Dienst er sich stellt. Staatszwecke entstammen der Staatsphilosophie und -theorie, Staatsziele sind normiert im geltenden Recht. Staatsziele aktualisieren sich in den verschiedenen Feldern staatlicher Aufgaben.

2. Historische Entwicklung

Die Aufgaben des modernen Staates stehen nicht ein für alle Mal fest, sondern ändern sich mit den vorherrschenden staatstheoretischen Anschauungen. Am Anfang der historischen Entwicklung des modernen Staates als der institutionellen Überwindung des Bürgerkrieges stand seine Aufgabe, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten (Thomas Hobbes). Dabei verstand der absolutistische Staat (Absolutismus) unter Sicherheit nicht nur die physische Existenz des Menschen, sondern auch das Wohl der Bürger, die er der Sorge seiner Policey unterwarf. Die sich hiergegen formierende Verfassungsbewegung zielte darauf, die Freiheit der Bürger auch vor der Macht des Staates zu schützen (John Locke) und die „Gränzen der Wirksamkeit des Staats“ (Humboldt 1792) um der Freiheit willen auf die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zu beschränken. Sind die Menschen persönlich und gesellschaftlich in Freiheit entlassen, sind sie indes den wirtschaftlichen Risiken der Verkehrsgesellschaft ausgesetzt. Um den hieraus erwachsenden Gefahren für deren reale Freiheit zu begegnen, ist dem Staat in der Folge die soziale Aufgabe der Sorge für die tatsächlichen Voraussetzungen der Freiheit und ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit auferlegt worden.

Im vom GG verfassten Staat besteht hingegen kein Konsens über das richtige Maß an staatlicher Aktivität. So wechseln etwa ein sich bis an die „Grenzen der Belastbarkeit“ ausdehnender Sozialstaat mit dem Leitbild eines „schlanken“, sämtliche staatliche Aufgaben einer Kritik unterstellenden Staates mit einem wieder umfassend um das körperliche und seelische Wohlergehen seiner Bürger besorgten Staat, der bspw. Lebensmittel, die sich bei Verzehr im Übermaß negativ auf die Gesundheit des Menschen auswirken können (z. B. Salz, Fleisch, Fett), wie auch Genussmittel (z. B. Zucker, Tabak, Alkohol) generell zurückdrängen und die Menschen zu einem medizinisch gesunden Leben (z. B. Bewegung, Sport) erziehen will.

3. Verfassungsrecht

Das GG enthält keine Kodifikation der Aufgaben des von ihm verfassten Staates. Lediglich indirekt lassen sich der bundesstaatlichen Verteilung der Kompetenzen für Gesetzgebung (Bundesstaat) und Vollziehung Aussagen für das Verhältnis des Staates zur Gesellschaft (Staat und Gesellschaft) entnehmen. Bestimmt das GG, welche staatliche Ebene befugt ist, auf einem Gebiete gesetzgebend oder vollziehend tätig zu werden, setzt es voraus, dass der Staat hier als solches im Verhältnis zur Gesellschaft Aktivitäten entfalten darf. Das Tätigwerden des Staates ist dabei jedoch nicht abhängig von einer sachlichen Ermächtigung in der Verfassung; für staatliche Aufgaben besteht kein Vorbehalt der Verfassung. Der Staat kann sich jedes Themas annehmen, das seiner Verfügung zugänglich ist; er besitzt eine virtuelle Allzuständigkeit. Das GG legt es in das politische Ermessen des Gesetzgebers, die Aufgaben staatlichen Handelns zu bestimmen; um seiner Freiheitlichkeit willen regelt es weniger die Aufgaben staatlichen Handelns als seine Mittel. Es genügt, dass eine bundesstaatliche Kompetenz zur Gesetzgebung besteht und der Vorrang der Verfassung beachtet wird.

4. Unterscheidungen

S. können danach unterschieden werden, ob sie unmittelbar (direkt) der Verwirklichung des Gemeinwohls dienen (finale S., z. B. Gefahrenabwehr, soziale Fürsorge) oder ob sie vorrangig auf die Organisation des staatlichen Machtapparats und so lediglich mittelbar (indirekt) auf das öffentliche Interesse gerichtet sind (instrumentale Staatsaufgaben, z. B. Steuererhebung, Beschaffungswesen). Sodann lassen sich S. danach differenzieren, ob der Staat sie erfüllen muss (obligatorische S., z. B. Bereitstellung und Durchsetzung der Rechtsordnung, Justizgewähr, Schulaufsicht, Schutz der grundrechtlich gewährleisteten Güter und Freiheiten, Erschließung des Staatsgebietes durch Verkehrswege) oder er sie lediglich wahlweise zu erfüllen braucht (fakultative S., z. B. Betrieb der Verkehrsunternehmen, Pflege der Kultur). Weiter gibt es öffentliche Angelegenheiten, die in all ihren Facetten nur vom Staat erledigt werden können (ausschließliche S.), und solche, bei denen auch Private tätig werden dürfen (konkurrierende S.); bei der Wahrnehmung der konkurrierenden S. kommt den Individuen und gesellschaftlichen Verbänden gegenüber dem Staat aufgrund des Subsidiaritätsprinzips (Subsidiarität) der Vorrang zu, wenn sie bereit und in der Lage sind, den öffentlichen Interessen, um deren Verwirklichung es geht, zu genügen. Ausschließlich dem Staat vorbehalten sind solche Angelegenheiten, deren Erfüllung notwendig und wesentlich durch Einsatz des dem Staat vorbehaltenen Mittels des körperlichen Zwangs geprägt ist (z. B. Polizei, Militär, Justiz, Zwangsvollstreckung), konkurrierende Angelegenheiten dagegen sind solche, die ohne körperlichen Zwang wahrgenommen werden können (z. B. Bildungs-, Kultur- und Wirtschaftsförderung, Schulwesen und Daseinsvorsorge). Die obligatorischen staatlichen Aufgaben müssen nicht alle vom Staat selbst wahrgenommen werden (unvertretbare S.), sondern können in bestimmten Bereichen auch gesellschaftlichen Kräften (vertretbare S.) zugeordnet oder überlassen und vom Staat nur in einer Garantenstellung gesichert werden. Nur vom Staat wahrgenommen werden können (unvertretbare S.) die elementaren staatlichen Funktionen (Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung) wie auch solche Tätigkeiten, die seine Authentizität beanspruchen (z. B. Selbstdarstellung des Staates, staatliche Öffentlichkeitsarbeit). Sämtliche Formen der Privatisierung von ausschließlichen und obligatorischen Aufgaben, die erfolgreich nur unter Einsatz von Zwangsmitteln erledigt werden können, sind ausgeschlossen.

5. Modi der Aufgabenwahrnehmung

Greift der Staat auf eine öffentliche Angelegenheit zu, wird diese nicht zur Gänze zu einer staatlichen Aufgabe. In einer freiheitlichen Ordnung kann die alleinige und vollständige Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch staatliche Stellen nur die Ausnahme und nicht die Regel sein, sichern die Grundrechte der Gesellschaft doch jenseits der ausschließlichen staatlichen Aufgaben einen Vorrang (Subsidiaritätsprinzip) zu. Demzufolge lassen sich öffentliche Aufgaben danach unterscheiden, in welchem Ausmaß der Staat sie selbst erledigt oder er sich ihre Erfüllung mit der Gesellschaft teilt. So gibt es die vollständige Wahrnehmung durch staatliche Stellen selbst (z. B. militärische Landesverteidigung, polizeiliche Gefahrenabwehr), die Teilnahme des Staates an der Aufgabenwahrnehmung in Kooperation oder in Konkurrenz zu gesellschaftlichen Akteuren (z. B. Sozial- und Jugendhilfe, politische Bildung), die Lenkung privater Tätigkeit durch Interventionen (z. B. Subventionen, beeinflussende Planung), die Überwachung privater Tätigkeit durch Aufsicht (z. B. Wirtschaft, Schule), die Sicherstellung privater Leistungen und eines bestimmten Leistungsniveaus (z. B. im Gesundheitswesen), die Förderung und Anregung privater Tätigkeit in für das Gemeinwohl bedeutsamen Feldern, die sich der staatlichen Regelungsgewalt entziehen (z. B. religiöse, sittliche und kulturelle Grundlagen des Gemeinwesens) sowie die Schaffung eines rechtlichen Rahmens mit dem Mittel des Gesetzes für die private Hervorbringung des Gemeinwohls auf der Grundlage grundrechtlicher Freiheit.

6. Europäisierung und Internationalisierung

Das Thema der S. bezieht sich auf das Verhältnis des Staates zur Gesellschaft, nicht auf das Binnenverhältnis der staatlichen Organisation oder auf das Verhältnis des Staates zu überstaatlichen und zwischenstaatlichen Potenzen. Um eine Aushöhlung des demokratischen Herrschaftssystems (Demokratie) in Deutschland zu verhindern, hat das BVerfG eine Reihe von öffentlichen Aufgaben identifiziert, deren Regelung dem Nationalstaat vorbehalten bleiben muss; das Thema erhält so eine über das innerstaatliche Verhältnis von Staat und Gesellschaft hinausweisende Dimension. So ist es unter Geltung des GG den staatlichen Organen der Bundesrepublik versagt, die sozialstaatliche Existenzsicherung (Existenzminimum), das zivile und militärische Gewaltmonopol, die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kreditaufnahme sowie die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Eingriffstatbestände, kulturelle Fragen wie die Verfügung über die Sprache, die Gestaltung der Familien- und Bildungsverhältnisse, die Ordnung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit oder den Umgang mit religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnissen auf die EU oder andere supranationale Organisationen (Supranationalität) zu übertragen.

II. Ökonomisch

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1. Legitimation staatlichen Handelns

Im Unterschied zur rechtswissenschaftlichen Bestimmung von S. bei der verfassungsrechtliche Aspekte im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, erfolgt die ökonomische Festlegung von staatlichen Aufgaben anhand von spezifischen Markt- oder Gütereigenschaften, die einen Einsatz des staatlichen Gewaltmonopols erforderlich machen, um eine nicht vorhandene bzw. unzulängliche Güterversorgung der Bevölkerung in bestimmten Bereichen zu korrigieren. Gemeinsam ist den staatsrechtlichen und ökonomischen Theorien, dass eine Grenzziehung zwischen dem staatlichen und dem gesellschaftlichen Bereich vorgenommen wird. Aus der ökonomischen Perspektive heraus betrachtet wird dabei der staatliche Bereich mit kollektiv gefassten Beschlüssen verbunden, die im politischen Prozess getroffen wurden und den Einsatz von Zwangsmitteln rechtfertigen. Demgegenüber wird der gesellschaftliche Bereich mit privaten Entscheidungsträgern gleichgesetzt, die als Eigentümer von Ressourcen selbstverantwortlich über die Ressourcenverwendung bestimmen können. Im Kontext einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung erfolgt die Produktion der meisten Güter und Dienstleistungen über einen marktlichen Interaktionsprozess, der kein staatliches Handeln erforderlich macht. Denn unter bestimmten Bedingungen wird ein Gütermarkt mit funktionsfähigem Preissystem dazu führen, dass nachfrageseitig die individuellen Präferenzen befriedigt werden und angebotsseitig zu den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten produziert wird.

Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die ökonomische Fragestellung hinsichtlich der Bestimmung staatlicher Aufgaben: Gibt es Güter, bei deren Produktion oder Konsum der Marktmechanismus in unterschiedlich starkem Ausmaß keine optimale Allokation der Ressourcen herbeiführt, sodass Versorgungmängel bei der Befriedigung privater bzw. öffentlicher Bedürfnisse entstehen? In Abhängigkeit von Art und Ausmaß dieses sogenannten Marktversagens können dann staatliche Interventionen in Form von Regulierungen oder durch den instrumentellen Einsatz der öffentlichen Finanzen angezeigt sein, um die Güterversorgung zu verbessern. Entscheidend für die ökonomische Festlegung staatlicher Aufgaben sind die Eigenschaften von spezifischen Märkten und spezifischen Gütern, die ein staatliches Handeln erforderlich machen.

2. Historische Entwicklung

Dogmengeschichtlich betrachtet kann die ökonomische Begründung von staatlichen Eingriffen im Rahmen von marktwirtschaftlich verfassten Ordnungen als eine der zentralen Aufgaben der Nationalökonomie angesehen werden, die sich spätestens mit der Entstehung von modernen Staaten theoretisch mit kollektiven Bedürfnissen und der Bereitstellung von öffentlichen Gütern beschäftigt hat. Mit dem Entstehen der Disziplin als selbstständige Wissenschaft im 18. Jh. wurde die Grenzziehung zwischen Staat und Markt erstmalig neu bestimmt, wobei als Ausgangspunkt zunächst die fundamentale Entdeckung der ökonomischen Klassiker (Klassische Nationalökonomie) gelten kann, dass mit dem eigennutzorientierten Handel der Wirtschaftssubjekte auf Märkten keine schädigenden Wohlfahrtseffekte verbunden sind, sondern sogar eine Förderung des Gemeinwohls erzielt werden kann. Mit der Metapher der „unsichtbaren Hand“ (Smith 1776: 387) Adam Smiths wird die Erkenntnis umschrieben, dass ein Wirtschaftssystem mit offenen Märkten und funktionierendem Wettbewerb als ein nicht autoritärer und selbststeuernder gesellschaftlicher Koordinierungsmechanismus angesehen werden kann, der die Güterversorgung optimiert und dadurch den Wohlstand erhöht.

Als Konsequenz für die normative Bestimmung der S. folgt hieraus eine Orientierung am Laissez-faire-Prinzip: Der Staat sollte den Grundsatz der Nichteinmischung in die wirtschaftlichen Belange seiner Bürger befolgen. Es liegt hier eine Negativabgrenzung staatlicher Tätigkeit vor, bei der zur Förderung des Wohlstands zunächst alle Privilegien und rechtliche Hindernisse beseitigt werden und der staatliche Einfluss auf ein Mindestmaß reduziert werde sollte. Im Anschluss hieran wurden Ausnahmebereiche genannt, in denen staatliches Handeln legitimiert war. So lassen sich A. Smith folgend bspw. drei funktional unterschiedliche Bereiche der legitimen staatlichen Tätigkeit benennen: Staatsschutz mittels Verteidigung nach außen; Rechtsschutz nach innen; Wahrnehmung öffentlicher Einrichtungen und Dienstleistungen. Mit diesem Ansatz lässt sich das staatliche Aufgabenspektrum jedoch nur unzureichend bestimmen, weshalb die neueren ökonomischen Überlegungen, die als „Theorie des Marktversagens“ bzw. „Theorie der öffentlichen Güter“ bezeichnet werden, auf die Eigenschaften von unterschiedlichen Märkten und Gütern zur Bestimmung staatlicher Aufgaben rekurrieren. Gemein ist diesen beiden normativen Theorien die übergeordnete Zielsetzung, die S. ausschließlich aus ökonomischen Erwägungen heraus abzuleiten.

3. Marktversagen und die Bestimmung staatlicher Aufgaben

Staatliche Handlungen in Form von Korrekturen der marktwirtschaftlichen Güterversorgung sind dann erforderlich, wenn Märkte durch die Eigenschaft fehlender oder unvollständiger Konkurrenz gekennzeichnet werden können (Monopole, Oligopole), d. h. die industrielle Organisation einen freien Zugang zum Markt verhindert. In diesem Fall besteht die staatliche Aufgabe darin, über eine Monopol- und Fusionskontrolle oder andere wettbewerbspolitische Maßnahmen die bestehenden Marktunvollkommenheiten zu beseitigen. Regulierende Staatseingriffe sollen ebenfalls eingesetzt werden, wenn ökonomisch unvermeidliche Monopole existieren (sogenannte natürliche Monopole, monopolistische Bottlenecks), so wie dies häufig bei leitungsgebundenen Angeboten (Elektrizitäts-, Gas-, Wassernetzen) der Fall ist, um ein gesellschaftlich wünschenswertes Angebotsverhalten zu bewirken.

Aus ökonomischer Perspektive können staatliche Aufgaben ferner auch entstehen, wenn mit der privatwirtschaftlichen Produktion und Konsumtion sogenannte externe Effekte (externe Kosten und externe Erträge) verbunden sind. Hierunter können allgemein Handlungen eines Wirtschaftssubjekts verstanden werden, die die Wohlfahrt von unbeteiligten Dritten beeinflussen, indem sie ihnen entweder „externe Kosten“ aufbürden oder ihnen „externe Erträge“ verschaffen. Die Produktionstätigkeit einer Fabrik kann bspw. zu einer Verunreinigung der Luft führen und damit zu Schäden (externen Kosten) bei den Anwohnern führen, ohne dass dieser Effekt über den Marktprozess verrechnet wird. Als Beispiel für externe Erträge kann die Impfung eines Teils der Bevölkerung betrachtet werden, da die geimpften Personen nicht mehr als Krankheitsüberträger in Frage kommen und somit das Erkrankungsrisiko auch für den nicht geimpften Bevölkerungsteil sinkt, und zwar ohne für einen entsprechenden Impfstoff zu zahlen. Aufgrund der Tatsache, dass solche Kosten und Erlöse nicht direkter Bestandteil der Wirtschaftsrechnung von Unternehmen und privaten Haushalten sind, kommt es häufig zu Abweichungen von der volkswirtschaftlich optimalen Güterversorgung, da für die Wirtschaftssubjekte ein Anreiz besteht, die Produktion und den Konsum mit hohen externen Kosten auszudehnen bzw. mit hohen externen Erlösen zu verringern. In diesen Fällen kann es als staatliche Aufgabe angesehen werden, die Verursacher von privaten Aktivitäten mit unerwünscht hohen externen Kosten zu belasten bzw. solche privaten Aktivitäten, die mit hohen externen Erträgen verbunden sind, zu subventionieren (Subventionen).

Weiterhin kann es auf Märkten zu ineffizienten Ergebnissen kommen, wenn zwischen den Anbietern und Nachfragern große Informationsasymmetrien hinsichtlich der Produktqualität, von Vertragsbestandteilen oder hinsichtlich eines zu versichernden Risikos bestehen, sodass für die jeweils besser informierte Seite ein starker Anreiz besteht, ihren Informationsvorsprung ökonomisch auszunutzen. Allgemein gesprochen kann bei ungleich verteilten Informationen die Sorge von schlechter informierten Marktteilnehmern dazu führen, dass die entsprechenden Märkte nicht mehr vollständig geräumt werden oder sogar zusammenbrechen. In solchen Fällen kann es zur staatlichen Aufgabe werden, durch geeignete regulierende Eingriffe die Informationsprobleme der Marktteilnehmer zu beseitigen. Bsp. hierfür sind die Pflichtversicherung, Maßnahmen des Verbraucherschutzes sowie gesetzliche Gewährleistungsrechte.

4. Gütereigenschaften und die Bereitstellung von öffentlichen Gütern

Neben dieser Begründung staatlichen Handelns aufgrund von bestimmten Markteigenschaften sind es aber v. a. spezifische Gütereigenschaften, die gemäß der Theorie der öffentlichen Güter staatliche Aufgaben definieren. Die Bestimmung staatlicher Aufgaben anhand von gutstechnischen Eigenschaften lässt sich verdeutlichen, wenn auf zwei Klassifikationsvariablen zurückgegriffen wird: einerseits der Möglichkeit, das sogenannte Ausschlussprinzip (Exkludierbarkeit) zur Anwendung zu bringen und andererseits die Konkurrenzsituation, die bei der Güterverwendung besteht (Rivalität im Konsum). Unter Anwendung dieser Klassifikation ergibt sich eine Matrix von vier unterschiedlichen Güterarten, wie in Tab. 1 ersichtlich.

Grad der Nutzungsrivalität
hoch niedrig
Grad der Ausschließbarkeit hoch 1. Private Güter
Beispiele:
- Lebensmittel
- Mobiltelefon
2. Klub-Kollektivgüter
Beispiele:
- abgrenzbarer Park
- Tennisclubanlage
niedrig 3. Quasi-Kollektivgüter
Beispiele:
- Fischbestand im Ozean
- überfüllte Innenstadt
4. Reine Kollektivgüter
Beispiele:
- Leuchtturm
- Landesverteidigung

Tab. 1: Individual- und Kollektivgüter

Mit dem „Grad der Ausschließbarkeit“ wird die Möglichkeit eines Anbieters bezeichnet, die Konsumenten bzw. Nutzer einer Leistung zur Zahlung eines Preises heranzuziehen oder sie vom Konsum des Gutes auszuschließen. Wenn es mit privatrechtlichen Mitteln nicht möglich ist von den Nachfragern einen kostendeckenden Preis für die Leistung zu fordern, dann wird es kein privatwirtschaftliches Angebot des betreffenden Gutes geben. Volkswirtschaftlich betrachtet ist dieses Ausschlussprinzip also von großer Bedeutung, weil hierdurch sichergestellt wird, dass ein Konsument vor der Kaufentscheidung eine Abwägung zwischen den Kosten und Nutzen eines Gutes durchführt. Mit dem „Grad der Nutzungsrivalität“ wird zum Ausdruck gebracht, inwieweit mehrere Konsumenten ein Gut nutzen können, ohne dass es zu einer gegenseitigen Beeinträchtigung führt. Bei Verbrauchsgütern (wie z. B. Lebensmittel, Bekleidung) besteht im Konsum eine Rivalität, denn was eine Person X verbraucht, steht für eine Person Y nicht mehr zur Verfügung. Demgegenüber kann bei einigen Gebrauchsgütern (wie z. B. Leuchtturm, Radioprogramm) festgestellt werden, dass diese Verwendungsrivalität fehlt. Die Kosten der Bereitstellung dieser Güter sind offensichtlich unabhängig davon, wie viele Nutzer (Schiffe, Zuhörer) vorhanden sind.

In Hinblick auf die vier Gütergruppen lässt sich dann schlussfolgern:

a) Neben den privaten Gütern existieren verschiedene Formen von Kollektivgütern, die den Charakter von Gebrauchsgütern aufweisen und von mehreren Menschen genutzt werden können;

b) Zwischen den Kollektivgütern kann zunächst danach unterschieden werden, ob eine Verwendungsrivalität der Nutzer gegeben ist. Sofern diese Rivalität besteht, sollte wenn möglich versucht werden das Ausschlussprinzip anzuwenden, da es ansonsten zu negativen Wohlfahrtseffekten in Form einer Übernutzung von Ressourcen kommen kann (Überfischung der Weltmeere, Stau in der Innenstadt);

c) Bei reinen Kollektivgütern wird es aufgrund der Charakteristika kein privatwirtschaftliches Angebot geben, sodass staatliches Handeln erforderlich wird, um eine entsprechende Versorgungslücke der Bevölkerung zu vermeiden.

Zusammengefasst kann die Frage der ökonomischen Bestimmung von S. damit wie folgt beantwortet werden: Im Bereich der Güterversorgung sollte der Staat immer dann tätig werden, wenn es – bei gegebenem Stand der Technik – um die Bereitstellung von reinen Kollektivgütern bzw. Quasi-Kollektivgütern geht. Die zur ökonomischen Bestimmung staatlicher Aufgaben angeführten Gütereigenschaften sind nicht notwendigerweise stets auch mit den gleichen Gütern verbunden, da es aufgrund des technischen Fortschritts häufig zu einer Veränderung dieser gutstechnischen Eigenschaften kommt.