Staatsorganisation

  1. I. Rechtswissenschaftlich
  2. II. Politikwissenschaftlich

I. Rechtswissenschaftlich

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1. Einleitung

Der Begriff der Organisation wird in verschiedenen, bspw. betriebswirtschaftlichen oder sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen verwendet. Im juristischen Kontext wird er durchaus mehrdimensional begriffen, nämlich mit Blick auf die Wirkeinheit von funktionsteilig handelnden Organen institutionell, im Zusammenhang mit den Beziehungen dieser Organe zueinander instrumental oder aber, sofern die Herstellung von Wirkeinheit im Zentrum der Betrachtung steht, funktional. Nimmt man in einem enggeführten Begriffsverständnis die Organisation von Staaten in den Blick, so richtet sich der Fokus auf deren verfassungsrechtlich ausgeformte Konstruktion, die entweder, gewissermaßen losgelöst vom konkreten Staat, nach den abstrakten Maßstäben der Staatsrechtslehre zu beurteilen ist, oder aber, fokussiert auf einen einzelnen Staat, dessen konkrete Erscheinungs- und Verwirklichungsform einer näheren Betrachtung unterwirft.

2. Organisation und Organisationsgewalt

Staaten sind Herrschaftsorganisationen, die auf einen organisatorischen Rahmen angewiesen sind, und zwar unabhängig von ihrer Legitimation. Als juristische Personen und damit als souveräne Rechtssubjekte gewinnen sie von den handelnden Personen nicht nur Unabhängigkeit, sondern sind zugleich durch Stetigkeit gekennzeichnet, was nicht zuletzt im völkerrechtlichen Verkehr (Völkerrecht) von großer Bedeutung ist. In ihrer konkreten Ausgestaltung vermittelt die S. einem Staat als rechtlich verfasster Gemeinschaft daher nicht nur Sichtbarkeit nach innen und außen, sondern sichert diesem zugleich seine Handlungsfähigkeit; denn ohne ein organisatorisches Grundgeflecht und damit ohne organisatorische Verfasstheit wäre der Staat eine amorphe Erscheinung und letztlich nicht in der Lage, als solcher in Erscheinung zu treten, zu handeln und verbindliche Entscheidungen zu treffen. Die organisatorische Verfasstheit eines Staates stellt mithin eine Funktionsbedingung für dessen Handlungsfähigkeit dar, und zwar unabhängig von dessen Legitimation. Diese mittels einer Verfassung zu verwirklichen, ist im Verfassungsstaat Aufgabe des Inhabers der Organisationsgewalt, mithin des Verfassungsgebers.

Die aus dieser Organisationsgewalt fließende Gestaltungsmacht ist umfassend; sie schließt die Entscheidung darüber ein, welche Staatsgewalten etabliert und wie diese einander zugeordnet werden, welche Staatsorgane eingerichtet werden und welche Kompetenzen diesen zukommen und in welcher Weise sich die Staatsorgane gegenseitig kontrollieren. In föderativ organisierten Staaten ist von der Organisationsgewalt auch die Entscheidung darüber umfasst, ob und in welchem Umfang die eine Staatsgewalt zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten aufgeteilt wird (Föderalismus). Darüber hinaus schließt die Organisationsgewalt auch die Entscheidung darüber ein, ob und in welchem Umfang Tätigkeiten aus der staatlichen Sphäre ausgegliedert und durch juristische Personen, insb. durch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, oder durch Private wahrgenommen werden dürfen.

3. Die Verfassung als staatsordnender Rahmen

Auch wenn die Verfassung, in der sich die Organisationsgewalt des Verfassungsgebers manifestiert, regelmäßig durch den Anspruch gekennzeichnet ist, eine Einigungs-, Rechtfertigungs- und Schutzfunktion wahrnehmen zu wollen, so kommt doch der ihr innewohnenden Ordnungsfunktion vorrangige Bedeutung zu; ohne staatsrechtliche Ordnung (Staatsrecht) sind andere sinngebende Funktionen eines Staates nicht zu verwirklichen. Ein organisatorisches Gerüst zu verwirklichen, um auch andere, im Einzelnen wie auch immer ausgeformte Staatsziele verwirklichen zu können, mit anderen Worten eine Staatsordnung ins Werk zu setzen, ist daher die primäre Aufgabe einer Verfassung, mithin die Architektur der S. zu zeichnen und damit zugleich die Struktur, Zusammensetzung und Verfahrensweise der verschiedenen Staatsorgane festzulegen, über die Schaffung, Abgrenzung und Zuordnung der Staatsfunktionen (Staatsaufgaben) zu befinden und die Kompetenzen zwischen den Staatsfunktionen und den verschiedenen Ebenen des Staates zu verteilen. Die Verfassung stellt daher die eine umfassende Rahmenordnung für ein staatliches Gebilde dar, sie gibt dem Staat das organisatorische, auf Beständigkeit ausgelegte Gerüst, das in letzter Konsequenz darauf ausgerichtet ist, Sicherheit nach innen wie nach außen zu gewährleistet.

Flankiert wird die Summe der staatsorganisatorischen Einzelregelungen durch die – geschriebenen oder ungeschriebenen – verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen. Diese Grundentscheidungen – seien sie aufgrund einer Ewigkeitsgarantie unabänderlich oder aber durch die Option der Verfassungsänderung dispositiv – geben dem verfassten Staat jenseits seiner organisatorischen Ausgestaltung das maßgebliche materiell-rechtliche Gepräge, unabhängig davon, ob sie als Strukturprinzipien, als Staatsstrukturprinzipen, als Grundprinzipien oder als Verfassungsprinzipien charakterisiert werden (Staatszielbestimmungen). Hierzu zählen etwa der Grundsatz der Gewaltenteilung, das Demokratie-, das Sozialstaats-, das Rechtsstaats- und das Umweltprinzip (Demokratie, Sozialstaat, Rechtsstaat, Umweltschutz). Darüber hinaus bietet die Verfassung hinreichend Raum, einer Gesellschaft inhaltliche Orientierung zu vermitteln, was zumeist durch die Verankerung eines Grundrechtskataloges (Grundrechte) erfolgt.

II. Politikwissenschaftlich

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Der Staat ist eine „organisierte Wirkungs- und Entscheidungseinheit“ (Heller 1934: 228). Zu seiner Organisation gehört auch die Zuweisung von Kompetenzen, Aufgaben und Finanzmitteln zu ihrer Durchführung. Die Regeln hierfür sind in der Verfassung, in Gesetzen, in Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften festgelegt. In einem Bundesstaat ist zwischen dem Bund und den Bundesländern sowie generell zwischen Leitungs- und Ausführungsebene zu unterscheiden. Die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten sowie die Einnahmequellen sind zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Daneben gibt es die kommunale Selbstverwaltung, die den Kreisen und Gemeinden/Städten einen eigenen – wenn auch begrenzten – verfassungsrechtlich gewährleisteten Wirkungskreis zuweist. Das eigene Steueraufkommen reicht hierfür allerdings nicht aus. Darüber hinaus erfüllen die Kommunen Aufgaben im Auftrag des Bundes und des Landes (Auftragsverwaltung). Hierfür erhalten sie Finanzzuweisungen. Die Bundesregierung, bestehend aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern, ist die Leitungsebene im Bund, der Bundespräsident repräsentiert Deutschland nach außen. In den Flächenländern besteht die Landesregierung aus dem Ministerpräsidenten, der zugl. (Landes-)Staatsoberhaupt ist, und den Landesministern. In den Stadtstaaten (Berlin, Hamburg, Bremen) gelten abweichende Regelungen, da sie zugleich Kommunen oder – wie Bremen – sogar Zwei-Städte-Staaten sind. Die Gesetzgebungszuständigkeiten sind so verteilt, dass die Länder das Recht zur Gesetzgebung haben, „soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“ (Art. 70 Abs. 1 GG). In der Praxis verkehrt sich dieses Verhältnis jedoch eher in sein Gegenteil. Ähnliches gilt auch für die Ertragshoheit über die Steuern.

1. Aufgabenerfüllung

Die Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen sind die Ausführungsebene. Je nach der Aufgabenzuweisung durch die Verfassung sind der Bund, die Länder bzw. die Kommunen (öffentliche Hand) zuständig. Im sogenannten Mehrebenensystem kommt überdies die EU hinzu, die übergreifende Aufgaben erfüllt und generelle Regelungen erlässt. Zu den Besonderheiten des deutschen Bundesstaates gehört es, dass der Bund lediglich für einige im GG abschließend aufgezählte Verwaltungsbereiche zuständig ist; alles andere fällt in die Länderzuständigkeit. Im Übrigen kann der Staat seine Aufgaben (Staatsaufgaben) auf verschiedenen Ebenen selbst erledigen, im Wege der Organleihe von anderen öffentlichen Trägern erfüllen lassen, oder ganz bzw. teilweise an Private auslagern und dadurch abgeben. In Betracht kommen dabei Outsourcing (Auslagerung) oder Privatisierung, wobei das Hauptmotiv bei beiden meist in einer erwarteten Kostensenkung liegt. Daneben geht es um die Stärkung der Privatwirtschaft. Eine weitere organisationspolitische Option, um öffentliche Aufgaben zu erfüllen und öffentliche Leistungen zu erbringen, ist die sogenannte Public-Private-Partnership (PPP). Bei der institutionellen PPP handelt es sich um ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen, das sich nur teilweise im öffentlichen Eigentum befindet und i. d. R. erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgt. Probleme ergeben sich allerdings bei der Bewertung von möglichen Effizienzgewinnen sowie bei der Errichtung eines (in solchen Fällen erforderlichen) öffentlichen Netzwerkmanagements.

2. Governance

Unabhängig von der Staatsform ist Steuerung durch den Staat unverzichtbar. Angesichts des großen Machtpotenzials von Verbänden, Wirtschaft und verschiedenen NGOs einerseits sowie internationalen Konzernen, Internetgiganten und eines staatenübergreifenden Finanzsystems andererseits ist eine treffsichere staatliche (imperative) Steuerung in vielen Bereichen jedoch schwierig bis unmöglich. Dabei zeigt bes. die Vetomacht großer „Spieler“ Wirkung. Anstelle von Steuerung wird daher in jüngster Zeit zunehmend die sogenannte Governance als die einer pluralistischen Gesellschaft angemessene Lenkungsform empfohlen. Aus dem Französischen kommend (gouvernance), wird damit ein Verfahren benannt, das mehrere Machtfaktoren einschließt, nämlich den Ersten (Staat), Zweiten (Privatwirtschaft) und Dritten Sektor (Intermediäre Organisationen). Damit ist die Vorstellung verbunden, dass eine politische Einheit durch organisatorische Vorkehrungen ihre Ziele effizienter erreichen kann. Legitimatorische und damit demokratietheoretische Probleme ergeben sich aus der mangelnden Kontrollierbarkeit und der Intransparenz solcher Arrangements. Weder gegenüber den gewählten Politikern noch gegenüber den Wählern besteht eine (einklagbare) Rechenschaftspflicht. Fragen nach der Durchsetzung von Partikularinteressen (Interessen) zulasten des Gemeinwohls rücken bei dieser Sichtweise ebenso in den Hintergrund wie die nach der Machtkontrolle (Politische Kontrolle). Diese Fragen thematisiert allerdings Michel Foucault in seinem Konzept der Gouvernementalität, mit dem er Formen, Techniken und Künste des Regierens beschreibt.