Ernährung

  1. I. Sozialethische Aspekte
  2. II. Ernährungsrecht

I. Sozialethische Aspekte

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1. Menschenrecht auf Nahrung

Das Recht auf Nahrung ist eines der grundlegendsten Menschenrechte. Aus christlicher Sicht ergibt es sich daraus, dass alle Menschen mit gleicher Würde ausgestattet sind und Gott die Erde für alle geschaffen hat. Folglich steht auch allen Menschen ein ausreichender Anteil an den Erdengütern zu.

Im Rahmen der UNO ist das Recht auf Nahrung in Art. 25 AEMR von 1948 festgeschrieben. Völkerrechtlich verbindlich wurde es im UN-Sozialpakt (IPwskR) umgesetzt, der seit 1976 verbindliches Völkerrecht ist und von mehr als 160 Staaten ratifiziert wurde. Art. 11 Abs.1 IPwskR enthält die Bestimmungen zum Recht auf Nahrung: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard […] an, einschließlich ausreichender Ernährung […]. Die Vertragsstaaten unternehmen geeignete Schritte, um die Verwirklichung dieses Rechtes zu gewährleisten, und erkennen zu diesem Zweck die entscheidende Bedeutung einer internationalen, auf freier Zustimmung beruhenden Zusammenarbeit an“. Das zuständige UN-Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat 1999 definiert: „Das Recht auf ausreichende Ernährung ist realisiert, wenn jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu jeder Zeit physischen und ökonomischen Zugang zu ausreichender Nahrung oder zu Mitteln zu ihrer Beschaffung hat“. Als ausreichend kann die Nahrung angesehen werden, wenn „die Verfügbarkeit der Nahrung in Quantität und Qualität genügt, um den Ernährungsbedarf der Individuen zu decken; wenn sie frei von schädlichen Substanzen (Lebensmittelrecht) und kulturell akzeptabel ist. Der Zugang zu solcher Nahrung muss dauerhaft sein […]“ (CESCR General Comment Nr. 12).

Beim Welt-E.s-Gipfel im Jahr 1996 beschlossen 182 Regierungsvertreter, die Anzahl der unterernährten Menschen bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Im Jahr 2004 wurden bei der FAO „Freiwillige Leitlinien zur schrittweisen Verwirklichung des Rechtes auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen Ernährungssicherheit“ verabschiedet, welche die Staaten bei der Umsetzung unterstützen sollten.

Die Generalversammlung der UNO verabschiedete im Jahr 2000 die Millenniums-Entwicklungsziele, zu denen das Ziel der Halbierung der extremen Armut und Unter-E. in der Welt bis zum Jahr 2015 gehört, Bezugsjahr war 1990.

2. Situation

Die mit der Überwachung der Erreichung der E.s-Ziele betraute FAO konstatierte 2015 eine fast erreichte Halbierung der Unter-E. bezogen auf 1990, jedoch nicht bezogen auf 1996. Zwischen Ländern und Regionen stellte sie erhebliche Unterschiede fest, bes. in China sei die Unter-E. stark zurückgegangen, in vielen Ländern Afrikas und Asiens gebe es jedoch kaum Fortschritte oder sogar eine Verschlechterung der E.s-Lage.

2015 war das Recht auf Nahrung laut FAO für 795 Mio. Menschen nicht erreicht. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die FAO rückwirkend die Schätzungen der Unterernährten im Ausgangsjahr 1990 erhöht und die Bemessungsgrundlage für Unter-E. verändert hat. Seit 2012 wird ein niedrigerer Kalorienbedarf als ausreichend eingestuft und es werden nur noch diejenigen Menschen erfasst, die ein ganzes Jahr lang hungern. Legt man die offizielle Definition des Rechts auf Nahrung zugrunde, nach der jeder jederzeit Zugang zu ausreichender Nahrung haben muss, konnten 2015 ca. 2 Mrd. Menschen das Menschenrecht auf Nahrung nicht genießen. Dies trotz der internationalen Anerkennung des Rechtes auf Nahrung und trotz Umsetzungshilfen zur Implementierung dieses Menschenrechtes. Die Generalversammlung der UNO beschloss im September 2015, im Rahmen der SDG (Nachhaltigkeitsziele), den Hunger in der Welt bis zum Jahr 2030 zu beenden und E.s-Sicherheit für alle Menschen zu verwirklichen.

3. Gründe für mangelnde Ernährung

Zu den wichtigsten Gründen für das Fortbestehen unzureichender E. gehören

a) ungünstige natürliche Bedingungen,

b) Probleme bei Nahrungsmittelproduktion und Verteilung,

c) Nachernteverluste,

d) nationale politische Prioritäten,

e) internationale Handelsregeln,

f) Landnahme und Verwendung landwirtschaftlicher Produkte für andere Zwecke als E.,

g) Nahrungsmittelspekulation,

h) Klimaänderungen.

Ad a, b, c, d): Die Bodenbeschaffenheit und klimatische Bedingungen begrenzen die Möglichkeiten für die Nahrungsmittelproduktion. Dies führt in einigen Teilen der Erde dazu, dass nicht genügend Nahrungsmittel für die dort lebende Bevölkerung angebaut werden können. Hinzu kommen große Verluste an Nahrungsmitteln nach der Ernte, die von der FAO auf ein Drittel der Erntemenge weltweit geschätzt werden. Gründe dafür sind in Entwicklungsländern v. a. ungünstige Lager-, Transport- und Verarbeitungsbedingungen, in Industrieländern zusätzlich das Wegwerfen weniger schöner, nicht benötigter oder schlecht gewordener bzw. für schlecht gehaltener Nahrungsmittel durch den Handel und die Konsumenten. Hinzu kommen in vielen Ländern politische Prioritätensetzungen, die den Agrarsektor vernachlässigen und daher nicht zur Erhöhung der Produktion und Verarbeitung von Nahrungsmitteln und zur Verbesserung der E. führen. Insgesamt konnten aber seit den 1990er Jahren weltweit so große Mengen an Nahrungsmitteln produziert werden, dass die Weltbevölkerung ausreichend hätte ernährt werden können. Die unzureichende E. ist daher insb. ein Verteilungsproblem und hängt mit ungerechten internationalen Regeln und Strukturen zusammen.

Ad e): Internationale Handelsregeln benachteiligen landwirtschaftliche Produzenten in weniger entwickelten Ländern. Denn zum einen haben sich wirtschaftlich starke Industriestaaten die Möglichkeit, ihre Landwirtschaft (Land- und Forstwirtschaft) zu subventionieren, in den Verträgen der WTO festschreiben lassen, und damit stehen Produzenten aus Entwicklungsländern, die von ihren Regierungen kaum Subventionen erhalten, im Wettbewerb mit den Produzenten aus Industriestaaten, die ihre Produkte weltweit verkaufen. Können die Produzenten aus Entwicklungsländern nicht so günstig produzieren wie ihre subventionierten Wettbewerber, können sie die Produkte auch auf dem heimischen Markt kaum verkaufen und sehen sich daher oft gezwungen, die Produktion einzustellen. Zum anderen dürfen Entwicklungsländer, die feststellen, dass der Abbau von Außenhandelsbarrieren und die Exporte aus Industriestaaten zum Rückgang der eigenen landwirtschaftlichen Produktion und Weiterverarbeitung führen, gemäß der Regeln der WTO keine neuen Schutzmechanismen für die eigene Landwirtschaft einführen. Somit stehen in diesen Ländern weniger einheimische Nahrungsmittel zur Verfügung, und sie sind abhängig von ausländischen Nahrungsmittelimporten. Zusätzlich erschwert das Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistiger Eigentumsrechte (Immaterialgüterrecht) der WTO in Verbindung mit dem Erfordernis, Patent- oder Sortenschutzrechte für Saatgut einzuführen, den Zugang der Bauern in Entwicklungsländern zu Saatgut. Denn durch die so entstehenden zusätzlichen Gebühren und den dadurch begünstigten Aufkauf lokaler Saatgutbetriebe in Entwicklungsländern durch internationale Saatgutkonzerne, die z. T. eine Oligopol- oder sogar Monopolstellung erhalten, erhöhen sich die Preise z. T. erheblich.

Ad f) Landnahme oder auch Landgrabbing genannt, tritt in größerem Umfang etwa seit Beginn der 2000er Jahre auf. Es bezeichnet den Aufkauf von Land in armen Entwicklungsländern durch ausländische Staaten und Firmen zur Nutzung für die Nahrungsmittelproduktion für die Heimatländer der Investoren (bspw. China, Indien, Saudi Arabien). Die Investoren wollen damit die E. ihrer eigenen Bevölkerung sichern, jedoch wird die E. in den betroffenen Entwicklungsländern dadurch erschwert. Etwa zur gleichen Zeit hat die verstärkte Nutzung von Nahrungsmitteln zur Verwendung für andere als E.s-Zwecke stark zugenommen. Der Einsatz von Nahrungspflanzen zur Energieerzeugung, als sogenannter Biotreibstoff führt dazu, dass diese Pflanzen nicht mehr zur E. zur Verfügung stehen. Bes. problematisch ist es, wenn Nahrungspflanzen aus Entwicklungsländern, in denen Menschen unzureichend ernährt sind, in Industriestaaten als Treibstoff eingesetzt werden.

Ad g) Spekulation auf Nahrungsmittel wurde bis zu Beginn des 3. Jahrtausends hauptsächlich von Fachleuten der Agrarmärkte durchgeführt mit dem Ziel, die Preise von Agrarprodukten abzusichern. Als Folge der 2007 in den USA begonnenen weltweiten Finanzkrise (Finanzmarktkrise) und der Unsicherheit der meisten Finanzanlageprodukte, begannen viele weitere Anleger, z. T. in großem Umfang, mit der Nahrungsmittelspekulation. Viele spekulierten bspw. in den Jahren 2008 und 2009 auf steigende Nahrungsmittelpreise. Dies führte im Zusammenwirken mit Ernteausfällen in einigen großen Produzentenländern und der Nutzung von Nahrungsmitteln als Treibstoff in den genannten Jahren tatsächlich zu erheblichen Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln mit der Folge, dass sich Haushalte mit geringen Einkommen weniger Nahrungsmittel leisten konnten. Dadurch stieg die Anzahl der Hungernden und Unterernährten in Entwicklungsländern stark an.

Ad h) Klimaänderungen (Klimawandel) führen u. a. zu Veränderungen der Nutzungsmöglichkeiten von Boden für den Anbau von Nahrungsmitteln. Durch den Anstieg der Treibhausgase in der Erdatmosphäre und die dadurch mit verursachten ansteigenden Temperaturen und extremen Wetterereignisse wie Dürren, extreme Stürme und Überschwemmungen werden sich die Anbaubedingungen für Nahrungsmittel in weiten Teilen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas (Lateinamerika und Karibik) weiter verschlechtern mit der Konsequenz von Produktionsrückgängen und schlechterer E. der Bevölkerung.

4. Lösungsansätze aus sozialethischer Sicht

Sowohl aus menschenrechtlicher Sicht als auch aus christlich-sozialethischer Sicht gemäß dem Personalitätsprinzip muss der Mensch im Mittelpunkt der Bemühungen um die Verbesserung der E. stehen. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip (Subsidiarität) und den menschenrechtlichen Bestimmungen des internationalen Völkerrechts geht es um eine Zuordnung der Verantwortlichkeiten, nach der der Staat die grundlegende Verantwortung der Garantie des Menschenrechts auf Nahrung hat.

Er hat es zu beachten, d. h. er darf niemanden in seinen Möglichkeiten, sich selbst ernähren zu können einschränken, er hat es zu schützen, d. h. sicherzustellen, dass andere – Unternehmen und Privatpersonen – das Recht beachten, und er hat es im Notfalle zu erfüllen, d. h. durch Hilfsleistungen einzutreten, wenn einzelne nicht in der Lage sind, ihre E. selbst sicherzustellen bspw. aufgrund von Einkommens- oder Ernteausfällen. Ist ein einzelner Staat nicht in der Lage, das Recht auf Nahrung für alle Einwohner sicherzustellen, ist die internationale Gemeinschaft der Staaten zu Hilfestellung verspflichtet. Darüber hinaus ist die Staatengemeinschaft verpflichtet, internationale Abkommen so auszugestalten, dass eine fortschreitende Realisierung des Rechts auf Nahrung möglich ist. Unternehmen sind verpflichtet, das Recht auf Nahrung der Menschen zu beachten und Einzelpersonen sind verpflichtet, die Rechte der anderen zu beachten und selbst alles zu tun, was ihnen möglich ist, um die eigene E. zu sichern. Das Solidaritätsprinzip verlangt, auch im E.s-Bereich die Solidarität aller mit der Gemeinschaft und die Unterstützung der Schwächsten durch die Gemeinschaft. Gemäß dem Gemeinwohlprinzip (Gemeinwohl) müssen alle Bedingungen im E.s-Bereich so gestaltet werden, dass die Menschenwürde und das Recht auf ausreichende, schadstofffreie und kulturell akzeptable Nahrung für alle Menschen gesichert wird, damit eine ganzheitliche Entfaltung aller Menschen möglich wird.

Bezogen auf die Hauptgründe für das Fortbestehen unzureichender E. müssten Staaten vermehrt Agrarforschung unterstützen, die verbesserte Anbaumethoden unter ungünstigen natürlichen Bedingungen untersucht. Die Reduzierung der Nachernteverluste kann staatlicherseits durch geeignete politische Rahmenbedingungen beeinflusst werden. Hauptverantwortliche sind hier jedoch Unternehmen und Einzelne, die in Entwicklungsländern Lagerung, Transport und Verarbeitung der Nahrungsmittel verbessern sollten. In Industriestaaten sollten Handel und Konsumenten besser kalkulieren, welche Mengen sie anbieten bzw. benötigen und ein Wegwerfen der Nahrungsmittel vermeiden. Bes. in Entwicklungsländern sollte die Produktion und Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln durch geeignete politische Rahmenbedingungen unterstützt werden. Auch die internationalen Handelsregeln müssen dahingehend verändert werden, dass die Benachteiligung der landwirtschaftlichen Produzenten in weniger entwickelten Ländern beendet wird. Entweder müssen Industriestaaten auf den Export von im Inland subventionierten Nahrungsmitteln in Länder, in denen die lokale Produktion dadurch verdrängt wird, verzichten, oder wenn Industriestaaten weiterhin die Möglichkeit behalten wollen, ihre subventionierten Agrarprodukte weltweit zu exportieren, dann müssen Entwicklungsländer im Rahmen der WTO die Möglichkeit bekommen, ihre Produzenten davor zu schützen, um die heimische Produktion und Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln aufrechtzuerhalten und möglichst auszubauen. Auch das Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistiger Eigentumsrechte der WTO ist dahingehend zu ändern, dass für Entwicklungsländer, die unter unzureichender E. ihrer Bevölkerung leiden, Ausnahmen gemacht werden, die den ungehinderten Zugang der Bauern in Entwicklungsländern zu Saatgut sicherstellen.

Die Freiwilligen Leitlinien zur Verwirklichung des Rechts auf Nahrung und die vom Welt-E.s-Ausschuss 2012 verabschiedeten „Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern“ sollten als Grundlage für nationale und internationale Regelungen bzgl. des Erwerbs von Agrarland genutzt werden. Der Kauf von Agrarland in armen Entwicklungsländern sollte nur dann erlaubt werden, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Produktion von Nahrungsmitteln für die eigene Bevölkerung entsteht und wenn keine formellen oder informellen Landrechte der eigenen Einwohner verletzt werden. Der eigene Staat trägt auch in diesem Fall die Hauptverantwortung, jedoch sind alle Staaten sowie Unternehmen und Einzelpersonen ebenfalls gefordert, die legitimen Rechte der Einwohner zu beachten. Die im Jahr 2016 verabschiedeten OECD-FAO Leitsätze für verantwortliche landwirtschaftliche Lieferketten enthalten detaillierte Richtlinien, wie Unternehmen ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen in diesem Bereich umsetzen sollten. Insb. wenn bekannt ist, dass eine Regierung nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Landrechte der eigenen Bevölkerung zu garantieren oder zu sichern, müssen Unternehmen ihre Verantwortung selbstständig wahrnehmen. International verbindliche Regeln sollten durch die Gemeinschaft aller Staaten verabschiedet und umgesetzt werden. Nahrungsmittel sollten nur dann als Biotreibstoff oder für andere Nicht-E.s-Zwecke genutzt werden, wenn sichergestellt ist, dass dadurch keine E.s-Probleme entstehen. Spekulation auf Nahrungsmittel sollte internationalen Regeln unterworfen werden, die sicherstellen, dass Preiserhöhungen für Menschen mit ungesichertem Zugang zu Nahrung vermieden werden. Alle Länder müssen verstärkt Anstrengungen unternehmen, um Klimaveränderungen, die zu verminderten Möglichkeiten der Produktion von Nahrungsmitteln führen, zu verhindern. Bei allen Prozessen zur Findung und Umsetzung geeigneter Regeln ist es aus sozialethischer Sicht sehr wichtig, die Bevölkerung mit einzubeziehen, v. a. die von E.s-Unsicherheit bes. betroffenen Menschen.

II. Ernährungsrecht

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1. Begriff

Der Begriff E.s-Recht erfasst zwei disparate Aspekte: Zum einen das Recht auf Nahrung bzw. das Recht auf angemessene E., das als Menschenrecht in völkerrechtlichen Dokumenten sowie in den Verfassungen einiger Staaten ausdrücklich, in der anderer Staaten inzident verankert ist. Zum anderen das Lebensmittelrecht, das auf der Basis hinreichend vorhandener E. den Zielen Gesundheitsschutz und Verbraucherschutz sowie Verbraucherinformation dient, dabei auch völkerrechtliche Vorgaben des Welthandelsrechts (WTO-Recht) erfasst.

2. Recht auf angemessene Ernährung

a) Das Menschenrecht auf Nahrung ist völkerrechtlich in einer Reihe von rechtlich nicht verbindlichen Resolutionen, beginnend mit Art. 25 Abs. 1 AEMR, deren Inhalt wohl Völkergewohnheitsrecht geworden ist (str.), sowie in völkerrechtlichen Verträgen verankert. Am bedeutsamsten ist insoweit Art. 11 IPwskR (UN-Sozialpakt) von 1966, der seit 1976 in Kraft ist und von über 160 Staaten ratifiziert wurde (einschließlich Deutschland; innerstaatlich gemäß Art. 59 Abs. 2 GG mit dem Rang eines einfachen Bundesgesetzes). Danach erkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie an, einschließlich „ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung“ (Art. 11 Abs. 1 IPwskR). In Anerkennung des „grundlegenden Rechts eines jeden, vor Hunger geschützt zu sein“ (Art. 11 Abs. 2 IPwskR), verpflichten sich die Vertragsstaaten einzeln und im Wege internationaler Zusammenarbeit zu näher aufgeführten erforderlichen Maßnahmen, einschließlich Programmen. Wenngleich die Unterscheidung als weniger entscheidend gesehen wird, deutet die unterschiedliche Formulierung darauf hin, dass der Schutz vor Hunger ein allgemeiner Mindeststandard ist, während ein angemessener Lebensstandard relativ je nach dem Entwicklungsstand des betroffenen Staates und ggf. auf dessen Fortschreiten angelegt ist. Die Reichweite des Rechts auf angemessene Nahrung und der damit verbundenen Pflichten wird in der „Allgemeinen Bemerkung“ (General Comment) Nr. 12 des UN-Ausschusses CESCR, der die Einhaltung des UN-Pakts überwachen soll, näher bestimmt. Danach ist das Recht auf Nahrung sichergestellt, wenn Nahrungsmittel verfügbar (available) sind, keine schädlichen Stoffe enthalten (free from adverse substances) und innerhalb einer bestimmten Kultur akzeptabel sind (cultural or consumer acceptability). Letzteres impliziert z. B. religiös motivierte Speisegesetze oder sonstige kulturell begründete Vorbehalte gegenüber bestimmten Lebensmitteln, ferner in bestimmten Regionen typische Unverträglichkeit (z. B. Laktoseintoleranz). Für die Staaten besteht eine Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht. Grundlegend für das Recht auf Nahrung ist auch das Recht auf Wasser (General Comment Nr. 15). Das Recht auf Nahrung wird auch in Menschenrechtsverträgen, die spezielle Aspekte regeln, normiert, so in Art. 12 Abs. 2 CEDAW (hinsichtlich ausreichender E. während der Schwangerschaft und der Stillzeit), Art. 24 Abs. 2 c, e und Art. 27 Abs. 3 der UN-Kinderrechtskonvention und in Art. 25 S. 3 f und Art. 28 Abs. 1 CRPD. Hinzu kommen sogenannte Soft Law-Leitlinien der FAO, die das Problembewusstsein für Fragen wie Folgen des sogenannten Landgrabbing schärfen und entsprechende Gegenmaßnahmen anregen sollen. Berechtigter des Rechts auf Nahrung ist jeder Mensch, Verpflichtete sind die Staaten. Wie alle Menschenrechte ist auch das Recht auf Nahrung nicht nur international-, sondern auch binnengerichtet. Universell gesehen sind hinsichtlich des Rechts auf Nahrung im Vergleich zu den völkerrechtlichen Garantien nach wie vor erhebliche Defizite zu verzeichnen: Diese haben verschiedene Ursachen (neben Kriegen und Katastrophen z. B. Probleme des Transports, der Lagerung und der Verteilung, aber auch Gefährdungen der heimischen Produktion durch Importe).

b) Ausdrücklich wird das Recht auf Nahrung in den Verfassungen von 23 Staaten erwähnt. Davon zu unterscheiden ist die rechtliche Durchsetzbarkeit und die Realität in den einzelnen Staaten. Auch wenn es nicht ausdrücklich geschützt ist, lässt sich ein Recht auf Nahrung bzw. angemessene E. aus anderen Grundrechtsbestimmungen herleiten, praktisch erfolgt durch den Obersten Gerichtshof Indiens aus Art. 21 der Verfassung (Schutz des Lebens und der persönlichen Freiheit). In Deutschland folgen aus dem Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG; Sozialstaat) Ansprüche zur Sicherung des Existenzminimums, aus der Pflicht zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) neben der staatlichen Pflicht zur Grundsicherung mit Lebensmitteln (Daseinsvorsorge) auch die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit durch das Lebensmittelrecht.

3. Lebensmittelrecht

a) Das Lebensmittelrecht ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, da es Materien erfasst, die nur in Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftlern der Fachrichtungen Biologie, Chemie, Lebensmittelchemie und Veterinärmedizin erfasst und bewältigt werden können. Innerhalb der Rechtswissenschaften ist es intradisziplinär, da es die großen Teildisziplinen Zivilrecht (z. B. Produkthaftungsrecht, Wettbewerbsrecht), öffentliches Recht (als besonderes Sicherheits- bzw. Ordnungsrecht) und Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht (Bewehrung von Verstößen) sowie wegen der weitgehenden Europäisierung der Materie das Europarecht, wegen dessen Vorgaben (neben dem Recht auf angemessene E. das Welthandelsrecht) auch das Völkerrecht umfasst.

b) Zwecke des Lebensmittelrechts sind der Schutz des Verbrauchers vor gesundheitsschädlichen oder auch nur gesundheitlich bedenklichen Stoffen (Gesundheitsschutz), der Schutz des Verbrauchers vor Täuschungen über die Beschaffenheit von und Qualität durch entsprechende Anforderungen an die Bezeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln (Täuschungsschutz) sowie darüber hinausgehend die Unterrichtung des Verbrauchers über bestimmte, für seine Kaufentscheidung möglicherweise relevante Eigenschaften und Merkmale (z. B. ohne Gentechnik, Herkunft, Tierhaltung) der angebotenen Lebensmittel (Verbraucherinformation). Ferner kann das Lebensmittelrecht daneben auch andere Zwecke wie z. B. den Schutz der Landwirtschaft durch Bezeichnungsschutz z. B. für Milcherzeugnisse verfolgen. Der Begriff umfasst somit im engeren Sinne die Gesamtheit der Rechtsnormen über Gewinnung, Herstellung, Zusammensetzung, Beschaffenheit und Qualität von Lebensmitteln sowie über ihre Bezeichnung, Aufmachung, Verpackung und Kennzeichnung. Dem Lebensmittelrecht werden darüber hinaus auch die Regelungen über kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände zugeordnet, die ausdrücklich keine Lebensmittel sind, aber ebenfalls den Schutz des Verbrauchers vor gesundheitlichen Schäden und vor Täuschungen bezwecken. Tabakerzeugnisse werden aus politischen Gründen als „gesundheitsschädliche Produkte“ nicht mehr vom Lebensmittelrecht umfasst.

c) Die Geschichte des Lebensmittelrechts reicht bis ins Altertum zurück und zeigt mit der Bekämpfung von Gesundheitsgefährdung und Betrug bes. Kontinuität. In Deutschland erfolgte 1871 im StGB eine einheitliche Regelung für das Deutsche Reich. Das Nahrungsmittelgesetz von 1879 führte erstmals einen vorbeugenden Verbraucherschutz ein. Als technisches Sicherheitsrecht erforderte auch das Lebensmittelrecht rasche Veränderungen, die auch wegen der speziellen Sachmaterie nur durch die Ermächtigung zum Erlass von Rechts-VO möglich sind. Dem trug das Lebensmittelgesetz von 1927 Rechnung. 1933–45 galten daneben die Bestimmungen des Zwangsverbandes „Reichsnährstand“. Die seit 1927 eingetretenen Veränderungen in der Lebensmitteltechnologie und die angewachsene Unübersichtlichkeit des Lebensmittelrechts führten 1958 zu einer Reform, die die Verwendung von „Fremdstoffen“, heute Zusatzstoffen, regelte, wodurch das Missbrauchsprinzip durch das Verbotsprinzip ergänzt wurde, und mit dem „Deutschen Lebensmittelbuch“ eine Zusammenstellung von Beurteilungskriterien für Lebensmittel schuf. 1975 trat das „Gesetz zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts mit dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz“ in Kraft, das 2005 durch das LFGB ersetzt wurde, das auch zur Umsetzung und Durchführung von EU-Recht dient und stets an dessen Fortentwicklung (z. B. durch die LMIV) angepasst werden muss.

d) Die Rechtsgrundlagen des Lebensmittelrechts verdeutlichen wegen seiner starken Determinierung durch das Unionsrecht, das wegen seines Vorrangs entgegenstehendes nationales Recht verdrängt (Sperrwirkung), die Folgen eines Mehrebenensystems.

Vorgaben des Unionsrechts ergeben sich aus den Bestimmungen des Primärrechts über den freien Warenverkehr, insb. das Verbot von mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung (Art. 34, 36 AEUV), das faktisch zu einer grundsätzlichen gegenseitigen Anerkennung der Vorschriften des jeweiligen EU-Exportlandes durch das Importland führt, es sei denn, die Beschränkungen können nach unionsrechtlichen Maßstäben unter Kontrolle des EuGH gerechtfertigt werden (vgl. § 54 LFGB). Die grundlegenden Urteile des EuGH dazu in den Fällen Dassonville und Cassis de Dijon betreffen Lebensmittel (Whisky und Likör). Eine Folge davon kann die sogenannte Inländerdiskriminierung sein, da die inländische Produktion weiterhin an die nationalen Vorschriften gebunden bleibt, es sei denn, es besteht durch EU-Sekundärrecht eine einheitliche, innerhalb der gesamten Union und nicht nur für zwischenstaatliche Sachverhalte geltende Regelung. Gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 EUV) erforderliche Rechtsgrundlagen für lebensmittelrechtliche Vorschriften sind zum einen Art. 43 AEUV (Landwirtschaft), zum anderen die allgemeine Binnenmarktkompetenz des Art. 114 AEUV. Darauf wurde eine Reihe von EU-RL gestützt, die zunehmend durch EU-VO ersetzt wurden und werden. Eine übergreifende Regelung erfolgte in der „Verordnung zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit“, der sogenannten BasisVO, die erstmals eine unionsrechtliche Definition von „Lebensmittel“ festlegt. Dies sind „alle Stoffe, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden, einschließlich Getränken, Kaugummi sowie alle Stoffe, einschließlich Wasser, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden“ (Art. 2 BasisVO). Wegen der unterschiedlichen Regelungen für das Inverkehrbringen, nämlich der grundsätzlichen Zulassungspflicht für Arzneimittel, von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Abgrenzung zu Arzneimitteln, die im Rahmen der sekundärrechtlichen Definitionen des Unionsrechts (BasisVO und Gemeinschaftskodex für Arzneimittel) erfolgt. Für Produkte, deren Zweckbestimmung sich überschneidet (Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Lebensmittel, bilanzierte Diäten, angereicherte Lebensmittel), trifft das EU-Sekundärrecht spezielle Regelungen. Gemäß der 1986 entwickelten „neuen Strategie“ wird der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung mit der Harmonisierung durch EU-Sekundärrecht dahingehend verbunden, dass auf Produktvorschriften grundsätzlich (d. h. mit Ausnahmen) verzichtet werden („kein europäischer Einheitsbrei“) und sich die Harmonisierung durch EU-Sekundärrecht auf allgemeine das Lebensmittelrecht betreffende Fragen beschränken soll. Beispiele solcher sogenannter horizontaler Regelungen sind RL bzw. VO über Zusatzstoffe, Hygiene, nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (sogenannte Health Claims), Novel Food und gentechnisch veränderte Lebensmittel, Allergene sowie über die Lebensmittelüberwachung bzw. Lebensmittelkontrolle, die für das in einem Binnenmarkt erforderliche gegenseitige Vertrauen notwendig ist, und die Lebensmittelkennzeichnung.

Im deutschen Recht sind wegen der mit dem Lebensmittelrecht als besonderem Sicherheitsrecht verbundenen Eingriffe in die wirtschaftliche Tätigkeit von Produzenten, Verarbeitern und Händlern von Lebensmitteln die Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und auf Eigentum (Art. 14 GG), die Wettbewerbsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG), wegen der gebotenen Schutzpflicht für den Verbraucher (Art. 2 Abs. 2 GG) als verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. Das Lebensmittelrecht gehört zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes und der Länder (Art. 74 Nr. 20 GG). Der Bund hat von seinem Gesetzgebungsrecht durch das LFGB, eine Vielzahl von Nebengesetzen (z. B. Weingesetz, Milch- und Margarine-Gesetz) und den Erlass von darauf gestützten Rechtsverordnungen Gebrauch gemacht. Zur Konkretisierung der Normen ist die Verkehrsauffassung, d. h. die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise Hersteller, Händler und Verbraucher wichtig. Der administrative Vollzug einschließlich des Vollzugs des Unionsrechts, soweit nicht ausnahmsweise die EU und dort die Europäische Kommission und für sie tätige Behörden (FVO mit Sitz in Irland, EFSA mit Sitz in Parma) zuständig ist, obliegt entspr. der Kompetenzverteilung gemäß Art. 30, Art. 83 ff. GG hauptsächlich den Ländern. Die Organisationsstruktur der Lebensmittelüberwachung in diesen ist unterschiedlich. Die durch die BasisVO für die Analyse von Risiken von Lebensmitteln vorgesehene Trennung von Risikobewertung und Risikomanagement führte in Deutschland 2002 zur Auflösung des „Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin“ und zur Errichtung des „Bundesinstituts für Risikobewertung“ und des für das Risikomanagement zuständigen, dem „Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft“ unterstellten „Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“.

Das Welthandelsrecht beeinflusst das europäische und damit auch das deutsche Lebensmittelrecht. Die „Codex Alimentarius Kommission“, eine gemeinsame Unterorganisation der Sonderorganisationen FAO und WHO der UNO, sammelt internationale Lebensmittelstandards, um einerseits nichttarifäre Handelshemmnisse abzubauen, die durch unterschiedliche Produktstandards verursacht werden, andererseits diese im Interesse des Gesundheitsschutzes und des Verbraucherschutzes und fairer Handelspraktiken festzulegen. Codex-Standards gewinnen erst, aber immerhin dadurch innerstaatliche bzw. wegen der Kompetenz der EU für die gemeinsame Handelspolitik innerunionale Rechtsgeltung, wenn sie vom betreffenden Staat bzw. der EU förmlich akzeptiert werden. Auf diese Standards verweisen auch die einschlägigen Abkommen, die im Rahmen der WTO geschlossen wurden, nämlich über technische Handelshemmnisse (Technical Barriers on Trade) und über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (Sanitary and Phytosanitary Measures). Vor die Streitschlichtungsorgane der WTO wurde z. B. der sogenannte Hormonstreit zwischen den USA und Kanada einerseits und der EU andererseits gebracht.

e) Im Lebensmittelrecht gilt grundsätzlich das sogenannte Missbrauchsprinzip. Unter diesem soweit ersichtlich allein im Lebensmittelrecht verwendeten Begriff versteht man die generelle Erlaubnis, etwas zu tun oder zu unterlassen, soweit diese Freiheit nicht dahingehend „missbraucht“ wird, als gegen Verbote oder Gebote von Rechtsnormen verstoßen wird. Folglich sind alle am Verkehr mit Lebensmitteln Beteiligten grundsätzlich frei, diese eigenverantwortlich, d. h. ohne vorhergehende behördliche Genehmigung oder Erlaubnis, herzustellen und zu vertreiben. Sie haften aber dafür, dass Herstellung und Beschaffenheit der Lebensmittel den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und tragen das entsprechende Risiko. Daher müssen die lebensmittelrechtlichen Anforderungen bestimmt genug sein, damit der Inverkehrbringer weiß, was von ihm verlangt wird. Dieser Regelungstypus einer Erlaubnis mit (eingeschränktem) Verbotsvorbehalt kann aus der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) hergeleitet werden. Denn deren Beschränkungen sind nur unter den strengen Kriterien des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verfassungsgemäß. Daher müssen sich die von diesem Grundsatz abweichenden Regelungen, die dem sogenannten Verbotsprinzip folgen, unter diesem Grundsatz rechtfertigen. Dieses Verbotsprinzip enthält den Grundsatz, dass ein bestimmtes Tun oder Unterlassen generell verboten ist, es sei denn, eine Rechtsnorm lässt es ausdrücklich zu (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Als gerechtfertigt wird dieses Verbotsprinzip für Maßnahmen zum vorbeugenden Gesundheitsschutz und daher für Zusatzstoffe, die Bestrahlung von Lebensmitteln, für Novel Food, für gentechnisch veränderte Lebensmittel und für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben angesehen. Prinzipiell ist insoweit ein Zulassungsverfahren gerechtfertigt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt aber eine am Regelungsziel orientierte und damit ggf. restriktive Auslegung.

f) Der Durchsetzung des Lebensmittelrechts dienen die Lebensmittelkontrolle und die Bewehrung von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht durch Bußgeld- oder Strafsanktionen. Präventive Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, insb. staatliche Warnungen, und repressive Maßnahmen, zu denen auch die Sicherstellung oder Beschlagnahme der beanstandeten Lebensmittel gehören, können ggf. nebeneinander eingesetzt werden. Neben den traditionellen Instrumenten des Ordnungsrechts werden zunehmend neue Handlungsformen, nämlich unterschiedliche Formen der Verbraucherinformation („Smiley“, „Ekel“- und Positivlisten, „Hygienepass“) eingesetzt, die eine Reihe von Rechtsfragen (gesetzliche Grundlage, Verhältnismäßigkeit, Gleichheitsgrundsatz, effektiver Rechtsschutz) aufwerfen.

g) Die Entwicklung des Lebensmittelrechts hat auf Defizite, die in tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen „Lebensmittelskandalen“ offenbar wurden, reagiert. So war der BSE-Skandal Anlass für die Erstellung des „Weißbuchs zur Lebensmittelsicherheit“ der EU-Kommission (2002) und den Ansatz, die Lebensmittelkette „vom Erzeuger zum Verbraucher“, „vom Feld zum Tisch“ zu erfassen. In einem Binnenmarkt kommt der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der EU-Kommission sowie den dieser verbundenen Behörden FVO und EFSA entscheidende Bedeutung zu. Dies gilt v. a. für Warnungen vor gesundheitsschädlichen oder sonst nicht verkehrsfähigen (da z. B. Ekel erregenden) Lebensmitteln, die einerseits rechtzeitig und effektiv sein müssen, andererseits Fehlalarme nicht nur im Interesse der betroffenen Hersteller, sondern auch im Interesse der Glaubwürdigkeit des Systems vermeiden sollen. Eine grundsätzliche Frage ist auch, von welchem „Leitbild“ des Verbrauchers ausgegangen werden soll. Dieses ist hinsichtlich unterschiedlicher Zielgruppen sicher zu differenzieren. Sich abzeichnende paternalistische Tendenzen bis hin zu einer „Verbrauchererziehung“ sind mit dem Menschenbild eines freiheitlich-demokratischen Staates aber unvereinbar.