Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO)

1. Vorgeschichte, Ziele und Organisation

Die WHO wurde – u. a. an der Gesundheitsorganisation des Völkerbundes, der 1902 gegründeten Panamerikanischen Gesundheitsorganisation und dem Office international d’hygiène publique (1907, Paris) anknüpfend – nach dem Zweiten Weltkrieg als UN-Sonderorganisation (UNO) gegründet. Auf Anregung Brasiliens und Chinas (1945) erfolgte die Gründung am 7.4.1948. In der Präambel der WHO-Verfassung heißt es, dass es „eines der Grundrechte jedes Menschen ist, sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen und sozialen Stellung.“ Die Verfassung nennt drei zentrale Ziele und Funktionen:

a) als zwischenstaatliche Organisation internationale Gesundheitspolitik zu organisieren,

b) die Gesundheit eines jeden als Menschenrecht zu fördern und

c) Infektionskrankheiten zu bekämpfen.

Hauptorgane sind die Weltgesundheitsversammlung (World Health Assembly, WHA) und der Exekutivrat (Executive Board). Der WHO-Generaldirektor wird von der WHA für jeweils fünf Jahre gewählt (mit der Möglichkeit der Wiederwahl). 2017 wurde mit Tedros Adhanom Ghebreyesus, Äthiopien, zum ersten Mal ein Afrikaner Generaldirektor. Die WHO verfügt über sechs relativ starke Regionalorganisationen (Afrika, Östliches Mittelmeer, Europa, Westlicher Pazifik, Südostasien, Amerika).

2. Finanzierung und Budgethoheit

Die Finanzierung erfolgt über Pflichtbeiträge der Mitgliedsstaaten und freiwillige Beiträge von Staaten und anderen Akteuren. In den 1990er Jahren wurden die Pflichtbeiträge wegen des Vorwurfs eingefroren, dass eine exzessive Politisierung pragmatische, ergebnisorientierte Entscheidungen verhindere. Seit 2010 wurden nahezu 80 % des Budgets durch zweckgebundene freiwillige, und nur etwa 20 % durch Pflichtbeiträge finanziert. Somit konnten die WHO-Gremien lediglich über einen geringen Teil ihrer Ressourcen satzungsgemäß entscheiden. Verhandlungen über eine Reform der Finanzierung konnten das Problem einer starken Beeinflussung durch Sponsoren nur insofern reduzieren, als WHO-Gremien zunächst ein Programmbudget vorlegen und freiwillige Geber aufgefordert werden, ihre Mittelvergabe an den im Entwurf genannten Zielen zu orientieren.

3. Programmatik 1950–1980

Unter der Führung von medizinischen Fachleuten konzentrierte sich die Arbeit in den 1950er und 60er Jahren auf die Bekämpfung von Krankheiten, vor allem Infektionskrankheiten. Die bereits im 19. Jh. entstandenen „International Sanitary (später: Health) Regulations“ (IHR) wurden mehrfach revidiert, zuletzt grundlegend 2005. Die Ausrottung der Pocken gilt immer noch als einer der wichtigsten Erfolge. Im Zuge des Nord-Süd-Konfliktes der 1970er Jahre spielte der Zusammenhang von (Unter-)Entwicklung und Gesundheit eine wachsende Rolle. Die „WHO Model List on Essential Medicines“ (1977) lieferte die Grundlage für günstigere medizinische Interventionen in Entwicklungsländern. Das Konzept der „Primary Health Care“ wurde 1978 (Konferenz von Alma Ata) als umfassender Ansatz für die öffentliche Gesundheitsversorgung auch in armen Ländern verabschiedet, galt allerdings in den folgenden zwei Jahrzehnten angesichts der Verschuldungskrise als nicht finanzierbar.

4. Entwicklung von Global Health Governance und Neudefinition der Rolle seit 2000

Ende der 1990er Jahre führte der Kampf gegen HIV/AIDS und für einen besseren Zugang zu bezahlbaren Medikamenten sowie zunehmendes globales Engagement für Gesundheit in Entwicklungsländern bei gleichzeitiger finanzieller Schwächung der WHO zu einer wachsenden politischen Bedeutung von NGOs und globalen Gesundheitspartnerschaften. Als paradigmatisch kann die Einrichtung des Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria angesehen werden: Um die als schwerfällig kritisierte WHO zu umgehen, entstand eine neue Organisationsform, die sich an die Struktur von PPP anlehnte. Insgesamt bedeutete die wachsende Vielfalt und Fragmentierung globaler Gesundheitsakteure (diskutiert als „Global Health Governance“ [ Governance ]) eine Schwächung der WHO.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends setzte sich ein neues Selbstverständnis durch, indem die Bedeutung von „Global Health Governance“ akzeptiert, aber ein politischer Führungsanspruch der WHO betont wurde. Internationale Expertenkommissionen unter Leitung der WHO zu zentralen Themen von „Global Health“ („Macroeconomics and Health“; „Intellectual Property Rights“, „Innovation and Health“; „Social Determinants of Health“) erzielten hohe Aufmerksamkeit. Die WHO selbst initiierte globale Partnerschaften mit anderen internationalen Organisationen und NGOs (wie z. B. Stop TB und Roll Back Malaria) und nutzte ihre Kompetenz zur Verhandlung verbindlicher internationaler Verträge. Das gilt für die „Framework Convention on Tobacco Control“ (2003), und die umfassende IHR-Revision von 2005, die der WHO weitgehende Kompetenzen im Falle einer „Public Health Emergency of International Concern“ zugesteht. Neben der „Global Strategy and Plan of Action on Public Health, Innovation and Intellectual Property“ (2008), die u. a. zur Einrichtung eines umfassenden Global Observatory on Health Research and Development führte, rückte die Forderung nach „Universal Health Coverage“, d. h. einem universellen Zugang zur Gesundheitsversorgung auch in armen Ländern, in den Mittelpunkt der Strategie.