Korruption

  1. I. Wirtschaftswissenschaftlich
  2. II. Sozialethisch
  3. III. Soziologisch

I. Wirtschaftswissenschaftlich

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1. Definition von Korruption

Unter K. versteht man den Missbrauch eines öffentlichen Amtes zum eigenen Vorteil. Transparency International definiert den, oft unterschiedlich verstandenen, K.s-Begriff als Missbrauch anvertrauter Macht zur privaten Nutzung oder zum Vorteil (Transparency International 2016). Ob Bestechung oder Bestechlichkeit im internationalen Geschäftsverkehr oder im eigenen Land, ob Käuflichkeit in der Politik oder der Versuch, durch Schmiergelder Vorteile zu erlangen – K. verursacht nicht nur materielle Schäden, sondern untergräbt auch das Fundament einer Gesellschaft. K. kommt in allen gesellschaftlichen Bereichen vor, also auch zwischen Firmen. Man spricht bei der K. auch oft von einem unsichtbaren Phänomen, denn es gibt meistens nur zwei Täter: Den, der besticht und den, der sich bestechen lässt. Naturgemäß haben an einer Aufdeckung beide kein Interesse und setzen alles daran, ihr Tun zu verschleiern.

2. Arten und Formen der Korruption

K. erfolgt

a) in aktiver Form: Fordern, Anbieten, Versprechen eines Vorteils, Vorteilsgewährung, Bestechung, Schmiergeldzahlung, und

b) in passiver Form: Vorteilsannahme, Bestechlichkeit.

Das BKA unterscheidet zwischen situativer und struktureller K. Britta Bannenberg trifft eine etwas andere Unterscheidung, nämlich in Bagatell- oder Gelegenheits-K. (petty corruption), Struktur der gewachsenen Beziehungen und Netzwerk-K. (grand corruption).

2.1 Situative Korruption

Situative K. wird meistens spontan aus einer Situation heraus begangen und nicht geplant. Entscheidend ist hier die günstige Gelegenheit, die sich auf kleine Beträge (oder Gefälligkeiten) bezieht. Meistens beschränkt sich das Geschehene auf zwei Personen und ist nicht auf Wiederholung angelegt.

2.2 Strukturelle Korruption

Im Unterschied zur situativen K. ist die strukturelle K. typischerweise langfristig angelegt und wird intensiv vorbereitet. Häufig wird sie durch das sogenannte Anfüttern eingeleitet, in dem man jemanden einlädt oder kleine Geldgeschenke gibt, um das Potenzial für größere korrupte Geschäfte auszuloten. In diesen Fällen ist die K. meistens räumlich und personell beschränkt und spielt sich regional ab, kann aber gerade in Entwicklungsländern oder in Ländern mit weniger gefestigten rechtsstaatlichen Strukturen zur Dauereinrichtung werden.

2.3 Netzwerkkorruption

Netzwerk-K. kann in etlichen Fällen der organisierten Kriminalität zugeordnet werden. Hier können die Geber mehrere Personen oder Firmen sein und die Nehmer nur wenige. Diese Art der K.s-Handlung wird häufig über mehrere Jahre, manchmal Jahrzehnte lang, überregional und international begangen. Sie kommt häufig bei der Vergabe von Großaufträgen an monopolartige Auftragnehmer oder Kartelle vor und betrifft z. B. den Bau von Flughäfen, Autobahnen, Kasernen, Wohn- und Gewerbegebieten mit Deponien, Lärmschutzwänden und andere größere staatliche Einrichtungen. Sie tritt auch in Form einer Zusammenarbeit zwischen Ausländerbehörden und Schleuseraktivitäten der organisierten Kriminalität auf.

3. Messung des Ausmaßes an Korruption

Das Ausmaß an K. zu messen ist eines der schwierigsten sozialwissenschaftlichen Themen, denn es gibt kein direktes Maß des Schadens an K. und es ist – von einzelnen Fallstudien abgesehen – unbekannt, welche Bestechungssummen an wen bezahlt werden. Das häufigste Maß der K., das mit anderen Indizes stark korreliert, ist der Corruption Perceptions Index (CPI) von Transparency International. Den CPI gibt es seit 2004 und er wird jährlich veröffentlicht. Die am wenigsten korrupten Länder waren im Jahre 2016 Dänemark, Neuseeland, Finnland, Schweden, Schweiz und Norwegen (Plätze 1-5). Deutschland liegt auf Rang 10 und Österreich auf Rang 17. Als hochkorrupte Länder am unteren Ende der Rangliste werden Somalia, der Süd-Sudan, Nordkorea, Syrien und Jemen geführt. Der CPI ist ein Index, der das Ausmaß der Wahrnehmung von K. darstellt. Da der Index sich aus Befragungen der Bevölkerung, Experten, Betroffenen, etc. zusammensetzt, ist die Vergleichbarkeit zwischen Ländern nur bedingt gegeben. Insofern berücksichtigt der CPI weder die tatsächliche noch die kriminelle Energie, die mit K. einhergeht. Zahlreiche andere Indizes versuchen beide Aspekte zu erfassen, beruhen aber entweder auch auf Befragungen oder Fallstudien und liefern daher kein verlässliches, international vergleichbares Maß für K.

4. Kosten und Folgeschäden der Korruption

Eine der wenigen Studien, die sich mit der tatsächlichen Höhe des Schadens der K. in den einzelnen Ländern befasst, wurde von Axel Dreher, Christos Kotsogiannis und Steve McCorriston (2007) vorgelegt. Sie zeigt, dass das BSP des am wenigsten korrupten Landes der Welt – hier die Schweiz im Jahr 2003 – um 2,5 %, d. h. um ca. 6 Mrd. US-Dollar, steigen könnte, wenn es gelänge, die K. zu bekämpfen. Für die Niederlande ergibt sich ein Verlust von 3,4 % oder 9 Mrd. US-Dollar. Es folgen Zypern (4,2 %), Japan (4,9 %) und Schweden (5,6 %). Österreich belegt mit einem Verlust von 11,6 % oder 30 Mrd. US-Dollar den Rang 15. Am Ende der Skala steht für 2002 Niger, dessen BSP ohne K. um 27 % oder 45 Mrd. US-Dollar höher sein könnte.

Die meisten empirischen Studien zeigen, dass die K. das Wirtschaftswachstum erheblich hemmt. Ein Anstieg des K.s-Index um 0,1 Indexpunkte reduziert das Wachstum in OECD-Ländern um 1,25 %. Nach einer Studie von Friedrich Schneider betrug der volkswirtschaftliche Schaden von K. in Deutschland im Jahr 2004 ca. 117 Mrd. Euro, bei einem CPI-Wert von 82. Vom Zeitraum 2007-08 abgesehen, in dem der korruptionsbedingte volkswirtschaftliche Schaden von 138 auf 137 Mrd. Euro sank, bei einem entsprechenden Anstieg des CPI von 78 auf 79 Indexpunkte, wirkte sich die K. in Deutschland in steigendem Maße negativ auf die Wirtschaftsleistung aus und belief sich im Jahr 2012 auf ca. 147 Mrd. Euro und 2014 auf etwa 155 Mrd. Euro (ca. 6-7 % des BIP), bei einem CPI-Wert von zuletzt 79.

Gelänge es, die K. in Deutschland auf das Niveau der Schweiz im Jahr 2011 mit einem Wert von 88 Punkten zu reduzieren, damals war die Schweiz noch auf Rang 8, dann könnte der Schaden für die deutsche Wirtschaft um 37 Mrd. Euro von 142 auf 105 Mrd. Euro reduziert werden.

5. Wirtschaftliche Ursachen für Korruptionsschäden

Eine wesentliche Ursache des Schadens ist v. a. die verminderte Produktivität der Volkswirtschaft, da viele Firmen ausscheiden, die wegen der Bestechungsaktivitäten ihre Konkurrenten bei der Vergabe öffentlicher, manchmal auch privater, Aufträge nicht zum Zug kommen, obwohl sie produktiver sind. Dies führt zu weniger Investition mit der Konsequenz eines verminderten Wachstums der Volkswirtschaft. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist, dass insb. gut Ausgebildete und Spezialisten das Land verlassen, da ihre Arbeitsbedingungen nicht mehr attraktiv sind. Diese korruptionsbedingte Migration ist insb. in Entwicklungsländern ein bedeutendes Problem und führt dazu, dass diese dies kaum verkraften, wenn sie nicht ganz energisch gegenüber K. vorgehen. Ein weiterer Punkt ist, dass es zu verminderten Steuereinnahmen und dem Effekt einer schlecht ausgebauten Infrastruktur und dadurch zu reduziertem Wachstum kommen kann.

Insgesamt gesehen verschlechtert sich durch die zunehmende K. die Qualität der staatlichen Institutionen und deren Verlässlichkeit. Es wird auch das Gerichts- und Justizsystem in der Qualität und Effektivität leiden, was wiederum ein Faktor ist, der ganz wesentlich zu einem verminderten Wachstum beiträgt.

6. Ökonomische Ansatzpunkte für die Korruptionsbekämpfung

Aus ökonomischer Sicht ist entscheidend, dass das stabile Kartell zwischen Bestechendem und Bestochenem aufgebrochen wird, sodass keiner von beiden weiß, ob der andere nicht Behörden von dem Vorgang informiert. Zu diesem Zweck können die Whistleblower, d. h. die Aufdecker, staatlich geschützt werden, z. B. durch eine Kronzeugenregelung, die für diejenigen, die K. aufdecken und sie den Behörden bekannt geben, eine mildere Strafe oder Straffreiheit vorsieht. Dabei besteht allerdings das Problem, dass einer, der an der K. häufig massiv beteiligt ist, straffrei ausgeht, während die anderen entsprechende Strafen erhalten. Der entscheidende Vorteil ist, dass das Kartell der an K. Beteiligten nicht mehr stabil ist, denn jetzt lohnt sich das Ausbrechen für den einzelnen. Ebenso ist es wichtig, gute Complianceregeln (Compliance), eine intakte Gesetzgebung und staatliche Institutionen zur Bekämpfung von K. zu haben.

II. Sozialethisch

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1. Normative Einordnung von Korruption

K. beinhaltet bereits das negative Werturteil, mit dem der Missbrauch einer Vertrauensstellung durch übereinstimmendes Handeln zweier oder mehrerer Akteure zustande kommt. Im Gegensatz zu Betrug oder Wucher, was häufig Unwissenheit des Geschädigten voraussetzt, ist den Akteuren bei K. ihr unmoralisches Verhalten bewusst. K. ist dadurch gekennzeichnet, dass ein staatlicher Beamter oder Politiker seine rechtlichen Verpflichtungen verletzt oder ein Beauftragter (bspw. der Einkäufer eines Unternehmens) zu Lasten seines Auftraggebers handelt. Die Initiative zur K. kann von jeder der beteiligten Seiten ausgehen, etwa wenn staatliche Amtsträger erpresserisch ihren Rechtspflichten ohne Seitenzahlung nicht nachkommen (etwa bei Baugenehmigungen, Einfuhrerlaubnissen etc.). Sie kann auch von privaten Akteuren ausgehen, die eine Strafverfolgung oder Steuerzahlung vermeiden bzw. einen öffentlichen Auftrag erhalten wollen. K. kann auch zur Bildung von Netzwerken führen bzw. in der Spitze des politischen Systems verankert sein. Durch verbreitete K. im Verhältnis von Bürger und Staat kann erst gar kein rechtsstaatliches und demokratisches Bewusstsein wachsen oder ein vorhandenes unterminiert werden. K. geht zu Lasten der ärmeren und weniger einflussreichen Personen der Gesellschaft, weil die fundamentale Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz durch die Fähigkeit der höheren Zahlungsbereitschaft verfälscht wird. K. in internationalen Sportverbänden (FIFA, IOC) geht zu Lasten der eigentlichen Sportanhänger, die sich in Vereinen organisieren und sich gemeinsam, soziale Differenzen übergreifend, an den Wettkämpfen erfreuen wollen. K. in NGOs oder Religionsgemeinschaften ist verwerflich, weil z. B. Spendengelder zweckentfremdet werden und damit Vertrauen als Grundlage dieser Organisationen unterminiert wird. In der kirchlichen Sozialverkündigung ist K. v. a. von Papst Franziskus scharf verurteilt worden.

K. verfälscht den Wettbewerb, weil dieser darauf abzielt, dass sich die Anbieter durchsetzen, die im Preis-Leistungs-Verhältnis am besten sind. Wenn durch K. weniger leistungsfähige Anbieter zum Zuge kommen, wird sowohl die Allokation von Ressourcen beeinträchtigt als auch die leistungsgerechte Einkommensverteilung verfälscht. Da K. zur Tarnung und Verschleierung verdeckte Zahlungen, Umweggeschäfte etc. verwendet, gibt es hohe Transaktionskosten. Wenn im öffentlichen wie im privaten Sektor K. weit verbreitet ist, so dass fast die gesamte Bevölkerung in korrupte Praktiken involviert ist, fehlt ein für den ökonomischen Erfolg wichtiges Sozialkapital. Großprojekte sind in Entwicklungsländern oft stärker korruptionsgefährdet. Umfangreiche K. ist häufig mit Kapitalflucht ins Ausland verbunden, was gerade bei wenig entwickelten Ländern die Entwicklungsmöglichkeiten schmälert. In Gesellschaften mit enormer K. ist die soziale Ungleichheit hoch und die formelle Beschäftigungsrate relativ gering. Sie befinden sich dann in einer Falle kollektiver Selbstschädigung, aus der schwer zu entkommen ist.

2. Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung

Eine hohe Transparenz möglichst vieler Vorgänge in einer Gesellschaft reduziert K., so dass durch NGOs, Presse oder Oppositionsparteien eine Kontrollfunktion ausgeübt werden kann. Durch Verwaltungsgerichte können Bürger vor dem rechtswidrigen Handeln des Staates geschützt werden. Transparency International leistet einen Beitrag zur Förderung der moralischen Sensibilität für unterschiedliche Formen der K., die eine Grundvoraussetzung für ihre Bekämpfung ist. Eine angemessene Auswahl, Ausbildung, Bezahlung, Sanktionsmechanismen in der staatlichen Verwaltung, Reduzierung der Komplexität und Ermessensspielräume in der Gesetzgebung können den Bürger vor erpresserischem Verhalten durch staatliche Behörden schützen bzw. private Akteure abschrecken, sich durch K. Vorteile durch die öffentliche Hand zu erwerben. Demokratische Rechtsstaaten sind weniger korrupt als Diktaturen.

Bei Unternehmen ist es sinnvoll, dass diese durch geeignete Kontrollmechanismen (z. B. K.s-Richtlinien, Schulungen für Konfliktfälle, unternehmensinterne Kommunikationskanäle, Vier-Augen-Prinzip, Rotationsverfahren, Sanktionierung bei Fehlverhalten) verhindern, dass sie durch K. ihrer Mitarbeiter geschädigt werden. Kurzfristig kann die Auftragsgewinnung durch K. vorteilhaft sein. Wenn Mitarbeiter mit K. beauftragt werden, verleitet man diese, nicht nur i. S. d. Unternehmens, sondern zum eigenen Vorteil zu handeln. Da bei einer Aufdeckung die Strafverfolgung, der weitere Ausschluss von Ausschreibungsverfahren oder ein Reputationsverlust drohen, sollte ein Unternehmen auf kurzfristige Gewinnerzielung durch K. verzichten. Ggf. muss man aus Märkten, in denen ohne K. keine Geschäfte möglich sind, ganz aussteigen. Durch den verstärkten Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) kann K. besser aufgedeckt werden. Falls Konkurrenten in diesen Märkten tätig sind, kann innerhalb westlicher Industrienationen auf der politischen Ebene darauf hingewirkt werden, dass solche Geschäftstätigkeit (z. B. auch durch Regelungen der Börsenaufsicht) zumindest erschwert wird. Auf OECD-Ebene ist eine solche Regelsetzung geschehen, indem die früher gegebene steuerliche Absetzbarkeit von Bestechungsgeldern 1999 gestrichen wurde.

III. Soziologisch

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Die Soziologie ist eine Wissenschaft, die nach multikausalen Zusammenhängen sucht. Diese Multikausalität hat auf der einen Seite Nachteile, da soziologische Erklärungen selten jene inhaltliche Tiefe erreichen wie andere wissenschaftliche Disziplinen. Auf der anderen Seite ist diese Multikausalität aber auch ein Vorteil, weil sie z. B. in Bezug zum Thema K. ermöglicht, jenseits spezifischer Rationalität, allgemeine und grundlegende Strukturmuster zu erkennen, für welche spezialisierte Disziplinen nicht den Blick haben können. Anders als bei der Psychologie steht bei der Soziologie nicht das korrupte Individuum im Fokus, sondern der Akteur, eingebunden in eine spezifische Situation. Die Wechselwirkung zwischen Situation und individuellem Handeln stellt das Explanandum der Soziologie dar. Während die Psychologie sich im Themenbereich K. in der Regel mit Persönlichkeitsstrukturen oder Merkmalen befasst, welche zu deviantem Verhalten (Devianz) führen, analysiert die Soziologie vor allen Dingen die Situation als jene strukturelle Voraussetzung, die K. für den Akteur als rationale Entscheidung oder erstrebenswerte Orientierung erscheinen lässt. Diese Perspektive ermöglicht es zu erkennen, dass die Frage, ob K. überhaupt als abweichendes Verhalten aufgefasst wird, von der Situation abhängt in der sich der Akteur orientiert. So sind durchaus Situationen vorstellbar, in denen K. von der spezifischen sozialen Situation als erwartetes Verhalten definiert wird. Die Analyse dieser Situationsabhängigkeit findet in der Soziologie i. d. R. auf drei verschiedenen Ebenen statt.

a) Gesellschaftstheoretische Auseinandersetzungen mit dem Thema K. beschäftigen sich sehr häufig mit Kultur als intervenierende Variable. Der Forschungsgegenstand ist hier der Zusammenhang zwischen gesellschaftlich akzeptierten Wertvorstellungen, Wertehierarchien und empirischen normativen Regeln zu einer sozialen Tatsache, die von einem externen, übergreifenden Standpunkt aus besehen als K. bezeichnet werden kann. Die Soziologie nimmt hier den Standpunkt einer Beobachterin ein, die Kulturen vergleicht, indem sie ein generalisiertes K.s-Phänomen unterstellt und den Gegenstand i. d. R. aus funktionalistischer Perspektive wertet. Die Logik gebietet allerdings, dass es auf dieser analytischen, kulturvergleichenden Ebene nicht möglich ist einfach auf Rechtsnormen zurückzugreifen, die in einzelnen Gesellschaften Geltung haben. Auch die Internationalisierung des Rechts in Bezug auf K. hilft bei dieser kulturvergleichenden Problematik nicht wirklich weiter.

Die situationsabhängige Analyse ist weniger schwierig auf der Ebene von

b) Organisationen, also von Unternehmen oder Behörden/Ämtern (Verwaltung), anwendbar. Die Definition des K.s-Phänomens kann hier vom geltenden Rechtssystem übernommen werden, da eine kulturvergleichende Perspektive i. d. R. entfällt. Für eine Organisationssoziologie der K. ist vor allen Dingen wichtig zu erkennen, welche organisationsspezifischen Erwartungen, also formale und informale Strukturen das Risiko des Auftretens eines K.s-Sachverhaltes steigern oder minimieren. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die Soziologie nicht nur mit der Integrität der Mitglieder einer Organisation, sondern auch mit der Integrität der Organisation als solcher. In einer extremen Ausprägung dieser Beziehungen ist es aus soziologischer Perspektive durchaus denkbar, dass Organisationsstrukturen integre Akteure dazu nötigen, sich deviant zu verhalten. Kultur als intervenierende Variable wird hier v. a. als Unternehmenskultur beobachtbar. So wird in der Literatur deutlich herausgearbeitet, dass eine autoritäre und auf Kontrolle der Beschäftigten ausgerichtete Organisationskultur das Risiko von deviantem Verhalten eher steigert als minimiert. Hier besteht eine deutliche Differenz zu Ansätzen von juristischer oder verwaltungswirtschaftlicher Seite.

Eine weitere Erkenntnis der organisationssoziologischen Auseinandersetzung mit K. führt dazu, die Fokussierung auf die Steigerung der Rechtsvorschriften und formalen Regelungen innerhalb von Organisationen infrage zu stellen. Dies gründet in der Erkenntnis, dass die formalen Vorgaben einer K.s-Prävention ohnehin unzulänglich umgesetzt werden und dass diese mangelnde Umsetzung deutlich mit der Komplexität der geltenden Rechtssetzung und Rechtsprechung korreliert. Die formale Implementation immer neuer Regelungen aufgrund der Aufdeckung einzelner Schwachstellen kann daher zu nicht intendierten Folgen führen bis hin zur Steigerung des K.s-Risikos.

c) Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Theorien die beim Individuum als kleinste Analyseeinheit eines kollektiven Phänomens ansetzen, wie etwa die Prinzipal-Agenten-Theorie oder ein, um strukturelle Komponenten erweitertes Rational Choice Modell (Rational Choice Theory). In diesen Modellen werden jene sozialen Aspekte bzw. sozialen Beziehungsstrukturen analysiert, die Wirkung auf die rationale Entscheidung des Akteurs haben, sich deviant zu verhalten. Auch hier besteht die grundlegende soziologische Erkenntnis darin, dass illegale Handlungen auch dann durchgeführt werden, wenn universalistische Normen und unternehmerische Richtlinien existieren und entsprechende Anreiz- und Sanktionsmechanismen bestehen, diese normativen Regelungen sogar bei zunehmender Regulierung zu konterkarieren.