Öffentliche Finanzwirtschaft

1. Ziele, Träger und Instrumente

Mit dem Begriff der ö.n F. wird die wirtschaftliche Aktivität des Staates bezeichnet, die sich in Form von Einnahmen und Ausgaben im öffentlichen Haushalt niederschlägt. Der Gegenstandsbereich der ö.n F. umfasst also primär die budgetintensive Staatstätigkeit. Hiervon zu unterscheiden ist ein staatliches Handeln, wie es bspw. in Form der Gesetzgebung und Rechtsprechung erfolgt, das sich nicht unmittelbar durch die Einnahmen- und Ausgabengestaltung vollzieht und daher als verordnungsintensive Staatstätigkeit klassifiziert werden kann. Eine weitergehende Kennzeichnung der ö.n F. kann anhand von drei Merkmalen erfolgen: den Zielen der finanzwirtschaftlichen Aktivität, den Trägern der Finanzpolitik sowie den finanzpolitischen Instrumenten.

Im Kontext einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung muss sich die Notwendigkeit einer öffentlichen Aufgabenerfüllung zunächst aus den Zielen der finanzwirtschaftlichen Aktivität ableiten lassen, wobei üblicherweise zwischen sogenannten vorgegebenen und abgeleiteten Zielen unterschieden werden kann. Als der ö.n F. „vorgegeben“ sind diejenigen Ziele der allgemeinen Wirtschaftspolitik anzusehen (z. B. Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum, Außenhandelsbilanz etc.), die ebenfalls durch andere Politikbereiche verfolgt werden (z. B. Wettbewerbs-, Arbeits-, Sozial- und Umweltpolitik) und nicht nur durch finanzpolitisches Handeln beeinflusst sind. Im Anschluss an Richard Musgrave hat sich diesbezüglich die sogenannte Theorie vom multiplen Budget etabliert, d. h. man unterscheidet bei den Funktionsbereichen der ö.n F. zwischen Allokations-, Distributions- und Stabilisierungszielen. Unter Allokation versteht man allgemein den effizienten Einsatz der volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen gemäß den Präferenzen der Bürger. In einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung erfolgt diese Allokation über einen funktionsfähigen Wettbewerbsprozess. Im Rahmen der Allokationsfunktion des Staates kann es daher als erste Aufgabe angesehen werden, die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs sicherzustellen bzw. nicht zu beeinträchtigen. Wenn die Bedingungen des allgemeinen Gleichgewichtes auf den Faktor- oder Gütermärkten jedoch nicht ausreichend erfüllt sind, dann werden die Marktergebnisse in real existierenden Marktwirtschaften von denen eines perfekten Konkurrenzmarktes abweichen. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Marktversagen, da bestimmte Güter und Dienstleistungen nicht bzw. nicht in einem adäquaten Umfang über den Markt bereitgestellt werden. Es ist dann die allokationspolitische Aufgabe der ö.n F., diese sogenannten öffentlichen Güter für die Bevölkerung bereitzustellen. Eine weitere Rechtfertigung staatswirtschaftlichen Handelns kann über das Distributionsziel erfolgen. Hierbei steht die zielgerichtete Beeinflussung bzw. Korrektur der personalen Einkommens- und Vermögensverteilung im Vordergrund. Der öffentliche Sektor kann in die sogenannte Primärverteilung auf der Einnahmeseite über die Gestaltung der Zwangsabgaben und auf der Ausgabenseite über Transfers eingreifen, um z. B. ein Mindesteinkommen (oder spezifische Versorgungsstandards) sicherzustellen. Die Intervention über die Besteuerung bzw. die Übertragung von Einkommen führt dann analytisch zu einer neuen Einkommenssituation, der sogenannten sekundären Einkommensverteilung. Die Stabilisierungsfunktion der ö.n F. ist zu Beginn des 20. Jh., insb. aufgrund der gemachten Erfahrungen während der ersten Weltwirtschaftskrise, als dritte Zielsetzung hinzugetreten. Vor dem Hintergrund, dass der wirtschaftliche Entwicklungsprozess häufig nicht gleichgewichtig bei Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität verläuft, wird dem Staat die Aufgabe zugesprochen, durch den Einsatz der finanzpolitischen Instrumente eine Glättung der Konjunktur- und Wachstumsschwankungen zu realisieren.

Vor dem Hintergrund der Verwirklichung dieser vorgegebenen Ziele sowie aus der Existenz von ö.n F.en lassen sich dann zwei weitere Zielsetzungen „ableiten“: das fiskalische Ziel und die staatsinterne Effizienz. Die fiskalische Zielsetzung wird häufig auch als originäres Ziel der ö.n F. bezeichnet, da hiermit die Aufgabe verbunden ist, die notwendigen Einnahmen bereitzustellen, die zur Finanzierung der von den Einzelressorts angemeldeten Ausgaben erforderlich sind. Ebenfalls zum fiskalischen Ziel gehört auf der Ausgabenseite des Budgets die Forderung nach einer sparsamen Mittelverwendung. Die Einnahmebeschaffung ist jedoch kein Selbstzweck, sondern unterstützt lediglich die Zielerfüllung der anderen Politikbereiche und dient folglich der Verfolgung der vorgegebenen Ziele. Das Ziel der staatsinternen Effizienz umschreibt Verbesserungen des Aufbaus und des organisatorischen Ablaufs innerhalb der Institutionen des öffentlichen Sektors. In einem föderalistischen System (Föderalismus) gehört hierzu auch die Festlegung der Kompetenzverteilung auf die einzelnen Träger der Finanzpolitik sowie die Aufgabenverteilung zwischen den Gebietskörperschaften. Darüber hinaus muss geregelt werden, welcher Träger die Ausgabenverantwortung besitzt, welche Einnahmenkompetenzen den Träger zugewiesen werden und wie die öffentlichen Einnahmen ggf. (um-)verteilt werden sollen (Finanzausgleich).

Als Träger der Finanzpolitik werden diejenigen Institutionen angesehen, die für die Ausführung der Finanzpolitik verantwortlich sind. Damit sind zuerst die öffentlichen Gebietskörperschaften gemeint (Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände), aber auch eine supranationale Ebene wie bspw. die EU zählt hierzu. Ebenfalls zu den Trägern der Finanzpolitik werden i. d. R. auch öffentliche Körperschaften gezählt, die der Erfüllung einer spezifischen öffentlichen Aufgabe dienen, wie bspw. die Sozialversicherungsträger. Mit dem Begriff der Parafisci (auch: intermediäre Finanzgewalten, quasistaatliche Organisationen) werden solche Institutionen bezeichnet, die nicht eindeutig zum öffentlichen Sektor (Gebietskörperschaften) zählen, aber auch nicht direkt dem Sektor der Privatwirtschaft (Haushalte, Unternehmen) zugeordnet werden können. Ein Parafiscus wird überwiegend anhand von zwei Merkmalen definiert, einerseits über die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe (im Unterschied zu einer privatwirtschaftlichen Aktivität), andererseits über das Recht, über eigene Finanzquellen mit Zwangscharakter (Zwangsabgaben, Pflichtbeiträge) zu verfügen.

Zur Zielverfolgung und -verwirklichung stehen den Trägern der ö.n F. die finanzpolitischen Instrumente, d. h. die öffentlichen Ausgaben und Einnahmen, zur Verfügung. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Staatsaufgaben) bes. deutlich durch die jeweiligen Ausgaben für den entsprechenden Sachzweck abbilden lassen, werden die öffentlichen Ausgaben zumeist nach Aufgabenbereichen (Verteidigung, Öffentliche Sicherheit, Schulen, soziale Sicherung etc.) gegliedert. Den öffentlichen Haushaltsplänen liegt eine Ausgabengliederung gemäß dem Ministerial- bzw. Ressortprinzip zu Grunde, d. h. die öffentlichen Ausgaben werden den jeweils verantwortlichen Behörden zugeordnet. Mit Blick auf die öffentlichen Einnahmen kann grundsätzlich zwischen einer fiskalischen Funktion, also der ausreichenden Einnahmeerzielung zur Finanzierung der Ausgaben, sowie einer nichtfiskalischen Lenkungsfunktion unterschieden werden, bei der die Verhaltensänderung des Zensiten im Mittelpunkt steht. Gegliedert werden die öffentlichen Einnahmen meistens nach unterschiedlichen Arten. Es wird dann zwischen Zwangsabgaben (Steuern, Sozialabgaben), Gebühren, Beiträgen, Erwerbseinkünften, Kreditaufnahmen und Zuweisungen unterschieden.

2. Öffentlicher Haushalt und finanzpolitische Willensbildung

Der öffentliche Haushalt (Staatshaushalt) umfasst die strukturierte und in Zahlen ausgedrückte Zusammenstellung aller öffentlichen Ausgaben und Einnahmen für eine bestimmte Periode. Er stellt damit die Planungs- und Handlungsgrundlage der ö.n F. dar. Die politisch geplanten Budgetgrößen finden ihren Niederschlag in den Haushaltsplänen, die tatsächlich realisierten Budgetgrößen in den Haushaltsrechnungen. Die Aufstellung von Haushaltsplänen und -rechnungen erfolgt jeweils für die einzelnen Gebietskörperschaften (bzw. andere staatliche Institutionen), wobei diese – in unterschiedlicher Abgrenzung – auch zu einem Gesamthaushalt zusammengefasst werden können. In formaler Hinsicht sind die öffentlichen Haushalte immer ausgeglichen, da der Haushaltsplan denjenigen Einnahmebedarf aufzeigt, der zum Ausgleich der veranschlagten Ausgaben für die Finanzierung der Aufgabenerfüllung erforderlich ist (sogenannte Bedarfsdeckungsfunktion). Realiter weist der Haushalt allerdings entweder Defizite oder Überschüsse auf, je nachdem ob eine Nettokreditaufnahme oder Nettotilgung (bzw. Reservenbildung) stattgefunden hat.

Der Haushaltsplan wird sehr treffend auch als „Regierungsprogramm in Zahlen“ bezeichnet, da er die politische Zielsetzung der Regierung zum Ausdruck bringt, indem er aufzeigt, für welche Zwecke (z. B. Bildung, Kultur, Sicherheit) und in welchem Umfang Haushaltsmittel vorgesehen sind. In einem demokratischen Staatswesen (Demokratie) wird diese Entscheidung über die Höhe und Struktur des öffentlichen Budgets durch die Regierung und das Parlament getroffen. Deshalb kann der öffentliche Haushalt auch als Ausdruck einer finanzpolitischen Willensbildung angesehen werden. Denn das Budget wird im Kontext eines politischen Prozesses bestimmt, der durch Wähler, Parteien, Parlamente, Regierungen, Verwaltungen sowie Interessengruppen beeinflusst wird. Im Rahmen der „ökonomischen Theorie der Politik“ (Neue Politische Ökonomie; Public Choice Theory) wird daher auch der Untersuchung dieses Willensbildungsprozesses eine bes. Aufmerksamkeit geschenkt.

3. Öffentliche Ausgaben und Staatsanteil

Die isolierte Betrachtung des absoluten Budgetvolumens, wie es im öffentlichen Haushalt ausgewiesen wird, ist jedoch nur wenig aussagekräftig. Sowohl das Einnahme- wie auch das Ausgabevolumen muss deshalb in Bezug zu anderen volkswirtschaftlichen Größen gesetzt werden, um Aussagen über den staatlichen Einfluss zu gewinnen. Aufgrund der Tatsache, dass der öffentliche Sektor durch die Bereitstellung öffentlicher Leistungen sowie die korrespondierende Finanzierung über Zwangsabgaben in die Entstehung und Verteilung des Sozialprodukts eingreift, kann insb. das BIP als die zentrale Bezugsgröße angesehen werden. Die sogenannte Staatsquote (sämtliche öffentliche Ausgaben in % des BIP) steht daher im Mittelpunkt der Diskussion, wenn eine ordnungs- oder prozesspolitische Beurteilung (Ordnungspolitik, Prozesspolitik) des staatlichen Einflusses vorgenommen werden soll. Innerhalb der finanzwissenschaftlichen Ausgabeanalyse steht dabei die Erklärung bestehender Trends hinsichtlich der Veränderung von Niveau und Struktur der öffentlichen Ausgaben über längere Zeitperioden hinweg im Mittelpunkt der Betrachtung, um hierdurch Rückschlüsse über den weiteren Entwicklungsverlauf der Staatsausgaben zu erlangen. Die Beschäftigung mit dem Staatsanteil kann historisch gesehen auf das Ende des 19. Jh. datiert werden, als der deutsche Finanzwissenschaftler Adolph Wagner das nach ihm benannte „Gesetz der wachsenden Ausdehnung der öffentlichen und speziell der Staatstätigkeiten“ postulierte, woraus für die ö. F. eine wachsende Ausdehnung des Finanzbedarfs resultieren sollte (Wagner 1863: 45). Die Staatsquote ist in Deutschland im Zeitraum von 1913–1954 von 15,7 % auf 41,0 % gestiegen, und in der Folgezeit von 1960–1995 lässt sich nochmals ein Anstieg auf knapp 55 % erkennen. Erst gegen Ende des 20. Jh. lässt sich ein leichter Rückgang der Staatsquote feststellen, die sich in den letzten Jahren bei rund 45 % eingependelt hat. Ein ähnlicher Verlauf zeigt sich auch bei einer internationalen Betrachtung der Entwicklung der Staatsquoten für einige ausgewählte Industrienationen. Zwar lässt sich hier keine eindeutige Entwicklung konstatieren, da es sowohl Länder mit einem Anstieg wie auch mit einem Rückgang der Staatsquote gibt. Betrachtet man jedoch den gesamten Zeitverlauf, so lässt sich ein Trend zum langfristigen Anstieg der Staatstätigkeit konstatieren, der sich in einer erhöhten staatlichen Ausgabenpolitik niedergeschlagen hat.

Zeitraum Zunahme der Staatsquote Staatsquote
1995 2000 2005 2010 2015
Belgien 1912-1956 7,3 auf 22,2 52,39 49,05 51,63 53,34 53,74
BRD 1913–1954 15,7 auf 41,0 54,66 44,75 46,20 47,26 43,71
Dänemark 1870/79–1947/50 8,4 auf 23,3 58,53 52,69 51,24 56,67 54,53
Frankreich n.v. 54,81 51,65 53,29 56,88 56,80
Großbritannien 1920–1950 26,0 auf 39,0 38,54 35,43 41,29 47,56 42,20
Italien n.v. 51,80 46,61 47,14 49,89 50,27
Norwegen 1938–1950/53 17,0 auf 32,6 50,27 42,03 42,06 44,94 48,80
Schweden 1938/39–1950 21,0 auf 31,3 63,48 53,28 52,31 50,76 49,69
Schweiz 1938–1952 19,1 auf 21,2 33,99 33,75 33,79 32,98 34,01
Südkorea n.v. 21,97 24,71 29,48 31,00 32,30
USA 1913–1957 6,0 auf 26,0 37,81 34,30 36,96 43,17 37,92

Tab. 1: Die langfristige Entwicklung der Staatsquote in ausgewählten Ländern, in Relation zum BIP in %

Quellen: Zimmermann/Henke/Broer: 37, Tab. 2.1, mit weiteren Nachweisen (Spalten 2–3); OECD National Accounts Statistics: National Accounts at a Glance (Spalten 4–8), URL: https://data.oecd.org/gga/general-government-spending.htm (abger.: 27.4.2020)

Neben solchen Analysen zur langfristigen Entwicklung der öffentlichen Ausgaben beschäftigt sich die Finanzwissenschaft mit der Fragestellung, welche ökonomischen Wirkungen jeweils mit den öffentlichen Ausgaben verbunden sind. Denn an der Höhe der allgemeinen Staatsquote ist noch nicht ersichtlich, für welche verschiedenen Verwendungszwecke (Sozialausgaben, Bildungsausgaben, Investitionsausgaben etc.) die Ausgaben getätigt wurden und welcher Beitrag zur Erreichung der finanzwirtschaftlichen Ziele damit verbunden war. Es stellt sich folglich die Frage, was sich hinter dem Staatsanteil verbirgt und welche Struktur der öffentlichen Ausgaben welchen positiven Zielbeitrag leisten können. In der jüngeren Vergangenheit wird diese Thematik unter dem Begriff der Qualität der öffentlichen Finanzen diskutiert. Hierzu kann auch die teilweise bereits praktizierte Umstellung des öffentlichen Haushalts gezählt werden, sich bei Planung und Vollzug des Budgets nicht nur an reinen Inputgrößen zu orientieren, sondern eine sogenannte Outputsteuerung zu praktizieren. Hierunter ist zu verstehen, dass die Haushaltsmittel primär auf die angestrebten Zielsetzungen, die Ergebnisse des Verwaltungshandelns (Output) sowie die hierdurch ausgelösten Wirkungen ausgerichtet werden sollten, um so eine stärkere Bürgerorientierung, eine bessere Verwaltungssteuerung sowie eine erhöhte Wirtschaftlichkeit bei der Aufgabenerfüllung zu erreichen (Globalbudget).

4. Öffentliche Einnahmen und Finanzierungstruktur

Richtet man den Blick auf die Einnahmestruktur, so lassen sich sowohl im Zeitablauf wie auch im internationalen Vergleich deutliche Unterschiede feststellen, jedoch stellt die Besteuerung fast überall das zentrale Einnahmeinstrument des modernen Staates dar. Betrachtet man die Entwicklung der Abgabenquote, die den Anteil von Steuern und Sozialabgaben am BIP eines Landes misst, so lässt sich für die BRD insgesamt ein Anstieg von 33,4 % im Jahr 1960 auf 40,5 % 2018 feststellen. Vergleicht man diese Entwicklung mit der Staatsquote, so fällt zunächst auf, dass ab den 1970er Jahren die Finanzierung öffentlicher Ausgaben nur noch ungefähr zur Hälfte über Steuereinnahmen erfolgt ist. Die Steuerquote, die den Anteil aller Steuereinnahmen am BIP misst, ist im Zeitraum von 1960–2018 mit ca. 23 % sehr stabil geblieben. Der Anstieg der Abgabenbelastung ist im Wesentlichen durch eine Erhöhung der Sozialbeiträge, die von 10,3 % auf 16,3 % des BIP anstiegen sind, zu erklären. Zudem ist zwischen 1970 und 2010 auch ein Anstieg der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben zu erkennen. Dies zeigt sich in einem Anstieg der Schuldenstandqoute, die sich von 18,7 % im Jahr 1960 auf 78,0 % im Jahr 2010 erhöht hat und erst in den letzten Jahren wieder auf 60,9 % des BIP zurückgegangen ist.

1960 1970 1980 1990 2000 2010 2015 2018
Staatsquote 32,9 38,5 46,9 43,6 44,7 47,3 43,7 43,8
Abgabenquote 33,4 34,8 39,6 37,3 41,2 37,9 39,3 40,5
Steuerquote 23,0 23,0 23,8 21,6 23,2 21,4 22,9 23,6
Sozialbeitragsquote 10,3 11,8 14,9 14,9 18,1 16,5 16,4 16,9
Schuldenstandquote 18,7 17,8 30,3 41,2 59,1 78,0 66,4 60,9

Tab. 2: Staatsquote und Entwicklung der Einnahmestruktur in der Bundesrepublik Deutschland, in Relation zum BIP in %, 1960–2018*

Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Monatsberichte 1/2019, Kapitel 6, URL: https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2019/01/Inhalte/Kapitel-6-Statistiken/6-1-11-entwicklung-der-steuer-und-abgabequoten.html (abger.: 27.4.2020); Statista, URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4783/umfrage/anteil-der-schulden-des-oeffentlichen-gesamthaushalts-am-bip/ (abger.: 27.4.2020)

*Abgrenzung gem. der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

In Hinblick auf die Steuerstruktur sind zunächst das Vordringen der Einkommensbesteuerung, ein deutlicher Anstieg der allgemeinen Verbrauchsbesteuerung und das Ansteigen der Sozialversicherungsbeiträge als wesentlichste Entwicklungen anzusehen. In jüngster Zeit deutet jedoch viel darauf hin, dass es, ausgelöst einerseits durch die Auswirkungen der Globalisierung und andererseits durch eine verstärkte Orientierung an effizienzorientierten Aspekten der Besteuerung, zu einem gewissen Bedeutungsrückgang der direkten Besteuerung kommen könnte. Zumindest kann von einer Tendenz gesprochen werden, hohe progressive Steuerbelastungen abzubauen und durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen gegenzufinanzieren. Ferner kann man einen rückläufigen Anteil der speziellen Verbrauchs- und Vermögensbesteuerung feststellen. Diese Entwicklungen zeigen, dass die steuerliche Merklichkeit, in ökonomischer Interpretation also der subjektiv gefühlte Nutzenentgang, zwischen direkter und indirekter Besteuerung divergieren kann. So wird die relativ geringere Merklichkeit von indirekten Steuern im Vergleich zu direkten Steuern damit begründet, dass im Fall der indirekten Besteuerung der jeweilige Steuerbetrag als ein Preisbestandteil wahrgenommen wird, der von den Steuerpflichtigen jedoch nur bedingt als ursächlich für die Höhe der Güter- und Dienstleistungspreise angesehen wird. Auch bei den Sozialabgaben fällt der Abgabenwiderstand der Bürger tendenziell geringer aus als bei den Steuerzahlungen, weil die Abgabenzahlung aus Sicht der Versicherten direkt mit einer speziellen Gegenleistung verbunden ist (Äquivalenzprinzip). Die übrigen Einnahmen der ö.n F., also Gebühren, Beiträge und Erwerbseinkünfte, spielen in quantitativer Hinsicht für die Finanzierung des öffentlichen Haushalts nur eine untergeordnete Rolle.