Staatsvermögen

1. Begriff und Charakteristik

S. ist die Gesamtheit der geldwerten Güter und Rechte, über die der Staat verfügen kann. Auch wenn in Deutschland die Unterscheidung zwischen öffentlichem Eigentum und Privateigentum – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine rechte Tradition besitzt, unterscheidet sich der Staat als Eigentümer politisch, ökonomisch und rechtlich charakteristisch von privaten Eigentümern. Das S. steht in der Gegenwart nicht als solches, sondern stets nur in bestimmten Konstellationen, bestimmt durch konkrete Problemlagen, im Fokus des Interesses, v. a. wenn es um Veräußerung von S. zur außerordentlichen Einnahmeerzielung geht. Das bedeutet nicht „ordentliche“ Einnahmebeschaffung, sondern dass in der Vergangenheit geschaffene Vermögenswerte bei der Vermögensveräußerung verloren gehen. Als Normalfall, als „ordentliche“ Staatsfinanzierung in diesem Sinn figuriert damit die im Haushalt (Staatshaushalt) periodisch gekoppelte zeitnahe Vereinnahmung und Verausgabung.

2. Funktionen

Das S. ist wie das gesamte staatliche Finanzwesen funktional an die staatliche Aufgabenerfüllung (Staatsaufgaben) gekoppelt, instrumentell, kein Selbstzweck. Ohne einen derartigen Bezug zur Aufgabenerfüllung wäre die Akkumulation von Eigentum in der Hand des Staates zumindest im Grundsatz illegitim. Das stellt einen entscheidenden Unterschied zu jeglichem Privatvermögen dar, das – trotz etwaiger Sozialbindungen – als solches zunächst keiner Rechtfertigung bedarf, auch Selbstzweck sein mag (wenn auch nicht muss). Mag auch – mangels der Kategorie des öffentlichen Eigentums in Deutschland – das Eigentumsverhältnis zu den Vermögensgegenständen in privatrechtlicher Form sich konstruktiv zunächst nicht vom Eigentum Privater unterscheiden, ist dieses „Privateigentum des Staates“ (der dann oftmals als Fiskus tituliert wird) jedoch stets durch zweckbezogene, d. h. funktionale öffentlich-rechtliche Bindungen überlagert, besteht eine „gemischt-rechtliche“ Konzeption des S.s. Der Grad der öffentlich-rechtlichen Bindung schwankt – bes. stark ist er bei der zur Erfüllung hoheitlicher Kernaufgaben unverzichtbaren Vermögensteilen, eher schwach gestaltet er sich bei reinen Anlagegütern. Aus alledem folgt ferner, dass der Staat auch in der Sphäre seines Finanzvermögens niemals „Privatmann“ ist – wie dies noch Paul Laband im Kaiserreich angenommen hatte. Die Tatsache, dass es sich um „Privateigentum“ des Staates handelt, ist mithin rein rechtsdogmatisch-konstruktiv zu verstehen. Der Staat als juristische Person ist konstruktiv Bezugspunkt, Zurechnungssubjekt für (Privat-)Eigentum, ohne damit zum „Privateigentümer“ in einem materiellen Sinne zu werden, denn das S. ist als Bestandteil öffentlicher Gewalt grundrechtlich gebunden, kann sich nicht auf grundrechtliche Verbürgungen berufen. Damit ist die Grenze zum Verwaltungsvermögen entscheidend relativiert: Wenn beide Vermögensgruppen stets öffentlichen Zwecken dienen, geht es eher um den Grad der Unmittelbarkeit der Zweckverwirklichung, als um eine kategoriale Unterscheidung.

3. Systematik des Staatsvermögens

Traditionell wird – in Anknüpfung an finanzwissenschaftliche Vorstellungen (Finanzwissenschaft) des 19. Jh., juristisch rezipiert v. a. durch P. Laband – das S., dem jeweiligen Verwendungszweck folgend, in Verwaltungsvermögen und Finanzvermögen eingeteilt (vgl. auch BVerfGE 10,20 [37 f.]). Bei den Gegenständen des Verwaltungsvermögens ergibt sich die spezifisch rechtliche Bindung aus dem mit ihnen zu verfolgenden öffentlichen Zweck. Diese Zweckbestimmung kann rechtsförmlich – v. a. durch Widmung (Beispiel: öffentliche Straßen und Wege) – oder eher informell durch Ingebrauchnahme des Gegenstandes erfolgen (Beispiel: Polizeifahrzeug; Büromaterial). Die Gegenstände des Verwaltungsvermögens lassen sich weiter systematisieren in solche im internen oder im externen Verwaltungsgebrauch: Erstere dienen durch ihren Sachgebrauch dem Verwaltungszweck, letztere wie Straßen, Brücken aber auch Museen und Theater erfüllen ihren Zweck durch den Gebrauch durch außerhalb der Verwaltung stehende Dritte. Das Finanzvermögen erfüllt seinen Zweck demgegenüber durch seine Erträge bzw. seinen Kapitalwert. Durch wirtschaftliche Betriebe, Unternehmensbeteiligungen, Grundstücke ohne Verwaltungsnutzung, Forsten, Wertpapiere oder Darlehensforderungen lassen sich die Staatseinnahmen stärken. Öffentliche Zwecke werden daher nur mittelbar gefördert. In der Sache treten diese Einnahmen, weniger wegen der hier umfänglichen Privatisierungen, als vielmehr wegen der Dominanz der Steuer in der Staatsfinanzierung weitgehend zurück. Gerade hierin bildet sich die Funktionsänderung des S.s, fort von der Staatsfinanzierung durch Domänen, Forsten, später Post, Telegraphie, Eisenbahn und Industriebeteiligungen, hin zur unmittelbaren Verwirklichung konkreter öffentlicher Aufgaben und Verwaltungszwecke deutlich ab. Die Legitimation des Finanzvermögens hat sich in der Gegenwart aus einander sich gegenseitig überlagernden Gründen fast gegen Null verringert: Das GG geht mit seinem Konzept der Steuerstaatlichkeit von einem Vorrang der Steuerfinanzierung aus; wirtschaftsverfassungsrechtlich mag die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand nicht pauschal unzulässig sein, sie steht jedoch spätestens durch die gerade hier bes. intensive europarechtliche Überlagerung unter zunehmend stärkerem Druck. Das Horten von Finanzmitteln durch den Staat ist niemals „neutral“ oder staatsrechtlich irrelevant: Da es die verfügbare Finanzmasse verändert, beschränkt es auch private Freiheit. Die konkreten Vermögensgegenstände liegen – zumindest z. T. – „quer“ zu dieser Systematik, denn Grundstücke können als Grund für Verwaltungsgebäude Teil des Verwaltungs-, als Anlage- oder Spekulationsobjekte des Finanzvermögens sein. Entsprechendes gilt für Beteiligungen, die im Rahmen funktionaler Privatisierung der Erfüllung materieller Verwaltungsaufgaben dienen, als Industriebeteiligung jedoch auch reinen Anlagecharakter besitzen.

4. Rechtlicher Rahmen

Eine der „klassischen“ Fragen des Staatseigentums ist diejenige nach den Grenzen der Eigentumsakkumulation. Zwei Richtungen können unterschieden werden: Die Bildung von „Reserven“ und die erwerbswirtschaftliche Betätigung.

Das Rechtsregime der Beschaffung von Staatseigentum unterliegt einem bemerkenswerten Paradigmenwandel. Verfolgte das öffentliche Auftragswesen ursprünglich primär haushaltsrechtliche Zielsetzungen, um eine möglichst sparsame Beschaffung zu erzwingen und wurde zwischenzeitlich die konjunkturpolitische Dimension öffentlicher Beschaffung erkannt, hat sich dieses Feld unter unionsrechtlicher Anleitung und Überlagerung zu dem primär wettbewerbsrechtlich ausgerichteten Vergaberecht weiterentwickelt, ein expandierendes komplexes neues Rechtsgebiet von kaum zu überschätzender praktischer Bedeutung.

Staatseigentum dient einmal der Verwirklichung anderer Ziele, andererseits ist es selbst und unmittelbar Gegenstand der Nutzung. Rechtsregime hinsichtlich der Verwendung von Staatseigentum finden sich auf beiden Ebenen. Die Zulässigkeit der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates ist v. a. auf kommunaler Ebene eine virulente Rechtsfrage. Unabhängig von schwankenden politischen und ökonomischen Bewertungen der Sinnhaftigkeit kommunaler Wirtschaftstätigkeit waren die Verwaltungsgerichte mit diesen Fragen aufgrund von Konkurrentenklagen kontinuierlich beschäftigt. Geht es um die unmittelbare Nutzung von im Eigentum des Staates stehenden Sachen ist die für das öffentliche Sachenrecht grundlegende Unterscheidung zwischen dem sogenannten Gemeingebrauch und der Nutzung im Verwaltungsgebrauch zentral. Öffentliche Straßen und Wege sind die traditionellen öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch. Nicht dem Gemeingebrauch unterfallend aber auf durch Zulassung gewährte unmittelbare Nutzung gerichtet sind die öffentlichen Einrichtungen der Kommunen: V. a. die Vergabe der Nutzung von Stadthallen, etwa für politische Veranstaltungen, haben insofern umfängliche Judikatur hervorgebracht.

Bestimmte Gegenstände sind für den Eigentümer nur beschränkt verfügungsfähig. Der Kulturgüterschutz unterscheidet insofern nicht zwischen Beschränkungen privater oder staatlicher Kunsteigentümer. Entsprechendes gilt etwa für auch den Staat als Besitzer und Nutzer in der Forschung zur Verfügung stehendem spaltfähigen Kernmaterial, das in einer komplexen Konstruktion im Eigentum der EURATOM steht. Andere Eigentumsgegenstände, die massiven Verfügungsbeschränkungen unterliegen, können nach deutschem Recht grundsätzlich nur (etwa Kriegswaffen) bzw. auch (etwa sonstige Waffen oder Betäubungsmittel) in Staatseigentum stehen.

Zahlreiche Teilrechtsgebiete des öffentlichen Rechts weisen Bezüge zum S.s-Recht auf: das Wirtschaftsverwaltungsrecht/das öffentliche Wirtschaftsrecht, das Haushaltsrecht, das Finanzverfassungsrecht (Finanzverfassung) und das Steuerrecht. Auch jenseits des öffentlichen Rechts im engeren Sinne berührt das Staatseigentum zahlreiche Rechtsgebiete und zwar über die Tatsache hinaus, dass das gesamte Zivil- und Wirtschaftsrecht zunächst angesichts der Konstruktion des Staatseigentums als Privateigentum prinzipiell anwendbar bleibt. Nimmt der Staat am Privatrechtsverkehr teil, stehen ihm auch heute noch einige Sonderrechte zu, die sogenannten Fiskusprivilegien. Das Strafrecht knüpft bei seinen Qualifikationsstraftatbeständen nicht im technischen Sinn an Staatseigentum an; bei der gemeinschädlichen Sachbeschädigung (§ 304 StGB) oder dem bes. schweren Diebstahl (§ 243 Abs. 1 Nr. 5 oder 7 StGB) sind jedoch Sachen betroffen, die regelmäßig bzw. – so bei den Kriegswaffen – nur in Staatseigentum stehen.

5. Veräußerung von Staatsvermögen

Historisch war „konstruktive Prämisse“, um ein „S.“ zu bilden, die Lösung des Monarchen aus der in den Patrimonialstaatslehren prägenden Sicht, dass der Landesherr als Privatrechtssubjekt private Herrschaftsrechte (und damit auch Vermögensrechte) in sich vereinte und die Erkenntnis, des von der Person des Landesherrn getrennt zu denkenden Staates. In unterschiedlicher Weise waren nun – sofern nicht das Patrimonialvermögen insgesamt etatisiert wurde – zwischen dem Fürsten- und dem S. zu trennen. Drei Ansichten konkurrierten miteinander: Eine erste Gruppe von Autoren vertrat in Parallele zum Haushaltsrecht für jegliche Veräußerung von Staatsgut die parlamentarische Zustimmung; P. Laband vertrat, dass das Verwaltungsvermögen zum Kernbereich der Exekutive gehöre und somit ohne Zustimmung der Volksvertretung veräußert werden könnte, während das Finanzvermögen dieser Zustimmung bedürfe; die radikal exekutivische Ansicht unter Leugnung jeglichen parlamentarischen Mitwirkungsrechts wurde u. a. von Gerhard Anschütz vertreten. Das vorkonstitutionelle Verbot der Veräußerung des Fürsteneigentums bzw. deren Bindung an die Zustimmung der Stände hatte zunächst den Hintergrund, das dynastisch gebundene Vermögen zusammenzuhalten, darüber hinaus, die im Verlust- oder Minderungsfall subsidiär eintretende Steuerfinanzierung zu vermeiden.

Im geltenden Recht sind – neben völker- und unionsrechtlichen Bindungen – v. a. verfassungs- und haushaltsrechtliche Schranken zu beachten. Für die Privatisierung und d. h. konkret: Veräußerung des Finanzvermögens hat das BVerfG schon im Volkswagen-Urteil von 1961 bis heute gültige Worte gefunden: „Ein Verfassungssatz, der die Veräußerung rein erwerbswirtschaftlicher Unternehmen des Bundes generell verböte, besteht nicht. Eine solche Maßnahme bleibt im Rahmen des Ermessens der politischen Organe des Bundes, soweit nicht ihre Durchführung gegen Verfassungsrecht, insbesondere Grundrechtsnormen verstößt […]“ (BVerfGE 12,354 [363]). Dabei wurde gleichzeitig betont, dass bei derartigen Veräußerungen ein „angemessener Preis“ erzielt werden müsse – das alte Verbot des Verschenkens öffentlichen Vermögens in neuem, verfassungsstaatlichen Gewande. Das Gericht ergänzt, dass, falls in einer „verbilligten“ Abgabe zugleich sozialpolitische Ziele verfolgt werden, auch eine solche Gestaltung grundsätzlich zulässig sein kann. Dies war bei der Privatisierung des Volkswagen-Werks mit dem Konzept sogenannter Volksaktien gerade der Fall. Beim Verwaltungsvermögen kommt freilich die den privatrechtlichen Ausgangsstatus überlagernde öffentlich-rechtliche Sachherrschaft, welche die Zweckverwirklichung garantiert, hinzu. Dies führt bei der Veräußerung zu einer weiteren, ungeschriebenen Sperre: Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung muss prinzipiell erhalten bleiben.

Auf Ebene der Landesverfassungen versuchen zahlreiche Normen mit unterschiedlichen Mitteln – Statuierung eines Gesetzesvorbehalts; Bindung von S. in bestimmten Konstruktionen – die Substanz des Landesvermögens zu erhalten. Art. 81 BayVerf (zum sogenannten Grundstockvermögen) und Art. 63 NdsVerf stellen markante Beispiele dar.

In Konkretisierung des allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit normiert § 63 Abs. 2 ff. BHO Regeln für die Veräußerung von Bundesvermögen. Relevant sind diese Regelungen für die Veräußerung von Grundstücken und von Unternehmensbeteiligungen. Danach wird nur in den Fällen des § 64 BHO parlamentarische Zustimmung benötigt – eine einfachrechtliche Festlegung, welche verfassungsrechtliche Anforderungen freilich nicht außer Kraft setzen kann. Zentrales inhaltliches Kriterium für die Veräußerung staatlicher Vermögensgegenstände ist, dass diese „in absehbarer Zeit nicht benötigt“ werden, d. h. entbehrlich sind. Auch das ist eine Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Da die Veräußerung nur zum vollen Wert (= Verkehrswert) erfolgen darf, statuiert das Haushaltsrecht kein Bestands-, wohl aber ein Werterhaltungsgebot. Durch den 2005 eingefügten S. 2 des § 63 Abs. 2 BHO ist die Möglichkeit der Veräußerung bei langfristiger Eigennutzung eingeräumt, sofern dies wirtschaftlich vorteilhaft ist – PPP, wie insb. Sale-and-Lease-back Gestaltungen sollen so ermöglicht werden. Eine hier nicht zu vertiefende Frage ist die Vergaberechtspflichtigkeit von Vermögensveräußerungen. Für die Grundstücksveräußerung gilt die Sonderregel des § 64 BHO.