Marktversagen

1. Überblick

Die Grundentscheidung für eine marktwirtschaftliche Ordnung beruht auf der Erkenntnis, dass die Koordination über Märkte zu besseren Ergebnissen führt, als ein System staatlich-bürokratischer Lenkung. Dementsprechend werden in einer Marktwirtschaft die Entscheidungen über

a) die Verwendung der zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren,

b) die mittels dieser Ressourcen bereitzustellenden Güter und die entspr.en Produktionsverfahren sowie über

c) die Verteilung der hergestellten Güter auf die Nachfrager

durch dezentrale, freie Entscheidungen der Akteure gefällt. Die Koordination dieser Entscheidungen erfolgt über den Markt.

Sieht man die Marktkoordination als den im Allgemeinen bestmöglichen Steuerungsmechanismus an, so folgt daraus, dass – sofern Wohlfahrtssteigerung als Ziel unterstellt wird – Eingriffe in den Markt gerechtfertigt werden müssen. Eine solche Rechtfertigung muss Argumente dafür liefern, dass der Markt in dem betreffenden Bereich „versagt“. Es ist also zu belegen, dass ein freies Wirken der Marktkräfte ohne entspr.e hoheitliche Eingriffe zu schlechteren Ergebnissen führt als mit diesen Eingriffen. Somit stellt die Theorie des M.s eine zentrale normative Grundlage für staatliches Handeln dar.

Es lassen sich eine mikro- und eine makroökonomische Theorie des M.s unterscheiden. Erstere arbeitet – aufbauend auf der mikroökonomischen Theorie – die Bedingungen heraus, die zu einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit einzelner Märkte führen. Diese Form einer Theorie des M.s steht im Mittelpunkt dieses Beitrages. Bei der makroökonomischen M.s-Theorie handelt es sich um solche Ansätze, die das Problem der Stabilität oder Instabilität des privaten Sektors insgesamt bzw. die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe zur Sicherung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts behandeln. Zwischen beiden Ansätzen einer Theorie des M.s klafft – zumindest beim gegenwärtigen Stand des Wissens – eine Lücke, denn die ökonomische Theorie ist derzeit nicht dazu in der Lage, auf der Grundlage der Beobachtung einzelner Individuen und Märkte gesamtwirtschaftliche Phänomene wie Inflation und Arbeitslosigkeit hinreichend zu erklären. Da die makroökonomische Theorie des M.s einen gänzlich anders gearteten Ansatz darstellt, bleibt sie im Folgenden ausgeblendet. Ergänzt wird die Theorie des M.s durch Argumente eines Politik-, Staats- bzw. Systemversagens, auf die abschließend kurz eingegangen wird.

2. Grundlagen

2.1 Der Markt als Referenzsystem

Ganz allg. versteht man unter einem Markt sämtliche Austauschprozesse, die aus dem Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern (Akteuren) erwachsen. Bei den Marktakteuren kann es sich sowohl um einzelne Personen als auch um Organisationen bzw. Kollektive (Haushalte, Unternehmen) handeln. Die Marktakteure müssen nicht an einem bestimmten Ort aufeinandertreffen, sondern können auch räumlich weit voneinander entfernte Standorte haben, wie dies etwa beim Versandhandel oder dem Computerhandel von Wertpapieren der Fall ist. Auch müssen Leistung und Gegenleistung nicht simultan stattfinden, sondern können auch zeitlich versetzt erfolgen (Beispiel: Garantie- oder Versicherungsleistungen).

Märkte (oder genauer: Marktprozesse) lassen sich in nahezu allen Lebensbereichen beobachten, in denen Akteure über Freiheitsspielräume verfügen und versuchen, diese Freiheitsspielräume durch Eingehen von Austauschbeziehungen zur Erreichung ihrer eigenen Ziele (= Vorstellungen über erwünschte Daseinszustände) zu nutzen. Marktprozesse finden statt, weil sie es den Akteuren ermöglichen, ihre Ziele durch Spezialisierung und Tausch besser zu realisieren, als sie dies könnten, wenn sie ausschließlich auf sich selbst gestellt wären (z. B. etwas produzieren, wozu sie gar nicht oder nur unzureichend in der Lage sind). Märkte bzw. Wettbewerb sind untrennbar mit individueller Freiheit (= Abwesenheit von Zwang) verbunden, denn Wettbewerb setzt das Vorhandensein von Handlungsalternativen und damit von Freiheitsspielräumen (Freiheit zum Wettbewerb) voraus. Nach dem modernen ökonomischen Verständnis sind Marktprozesse keineswegs auf die rein wirtschaftliche Sphäre des Daseins beschränkt. Begriffe wie „Heiratsmarkt“ oder „Parteienkonkurrenz“ deuten darauf hin, dass es durchaus möglich und sinnvoll sein kann, soziale Phänomene außerhalb des rein wirtschaftlichen Bereichs als Austauschprozesse rational eigennützig handelnder Akteure aufzufassen.

Märkte sind untrennbar mit Wettbewerb bzw. Konkurrenz hinsichtlich der Nutzung knapper Güter verbunden: Da sich die Akteure im Allgemeinen nicht mit dem begnügen, was angesichts begrenzter Ressourcen alle in gleicher Weise haben könnten, stehen sie bei dem Versuch der Realisierung eigener Ziele notwendig in Konflikt zu anderen Akteuren, die dies.n Güter beanspruchen. Diese Konkurrenz schlägt sich dann in den Austauschverhältnissen der Güter, den Preisen, nieder. Der Preis eines Gutes ist ein Indikator für seine Knappheit, gemessen an den verfügbaren Mengen und der auf diese Mengen gerichteten Nachfrage aller Akteure. Er gibt an, auf welche Menge anderer Güter man verzichten muss, um eine Einheit des nachgefragten Gutes zu erlangen. Wichtig ist insb. der dynamische Charakter dessen, was unter dem Begriff „Markt“ zu verstehen ist. Der Markt kennzeichnet einen wettbewerblichen Prozess, der mit Konkurrenz um knappe Güter und ausgeprägten Anreizen zu Leistungssteigerungen verbunden ist. Diese Leistungsanreize stellen i. d. R. einen entscheidenden Vorteil einer marktwirtschaftlichen Steuerung der Wirtschaft gegenüber alternativen Organisationsformen dar.

Die Funktionsweise des Marktes wird gelegentlich mit dem Bild vom Wirken einer „unsichtbaren Hand“ (Smith 1776: 387) umschrieben. Damit soll hervorgehoben werden, dass ein funktionierender Markt die individuellen Handlungen (Handeln, Handlung) und Entscheidungen in einer Weise koordiniert, die keiner Lenkung durch eine zentrale Instanz bedarf. Weil die Koordination durch den Markt ohne jede kollektive Steuerung über eine Vielzahl von individuellen Anpassungsprozessen abläuft, wird er auch als ein spontanes (d. h. von niemandem als Ganzes geplantes) Entdeckungsverfahren gekennzeichnet. Entdeckt wird dabei nicht nur der jeweils beste Zustand des Gemeinwohls, sondern gefunden werden auch technisch-organisatorische Möglichkeiten, diesen Zustand zu verbessern. Da sich das Ergebnis dieses Entdeckungsverfahrens erst im Verlauf des Marktprozesses durch spontane Interaktion ergibt, kann es im Vorhinein allenfalls prognostiziert werden. Entspr.e politische Eingriffe, die das „richtige“ Marktergebnis zu antizipieren versuchen, sind daher mit der Gefahr einer „Anmaßung von Wissen“ verbunden.

2.2 Was soll der Markt leisten?

Grundlage zur Behandlung der Frage, inwiefern der Markt „versagt“ ist eine genauere Definition dessen, was der Markt bzw. ein funktionsfähiger Wettbewerb leisten soll. Hierzu werden allg. die folgenden fünf Funktionen genannt, die der Markt erfüllen soll:

a) Verteilung der Markteinkommen entspr. der Marktleistung. Dabei bestimmt sich die Marktleistung nach der Produktivität bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen. Eine leistungsgerechte Entlohnung wird deshalb als erstrebenswert angesehen, weil sie mit relativ stark ausgeprägten Anreizen zur Leistungssteigerung verbunden ist. Die funktionelle Einkommensverteilung nach der Marktleistung impliziert nicht zwangsläufig ein ethisches Gerechtigkeitsprinzip (Gerechtigkeit) und macht verteilungspolitische Eingriffe des Staates nicht unbedingt überflüssig.

b) Erstellung und Verteilung des Angebotes an Waren und Dienstleistungen entspr. den Präferenzen der Konsumenten (Prinzip der Konsumentensouveränität). Durch die Erfüllung dieser Funktion wird das Maß an individueller Bedürfnisbefriedigung im Rahmen der jeweiligen Faktorausstattung und der jeweiligen Einkommensverteilung maximiert.

c) Lenkung der Produktionsfaktoren in ihre jeweils produktivste Verwendungsmöglichkeit (optimale Faktorallokation). Die zur Verfügung stehenden Ressourcen sollen dort eingesetzt werden, wo sie den höchsten Ertrag erbringen.

d) Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen (Anpassungsflexibilität). Die Wirtschaft soll sich durch den Wettbewerb so an sich wandelnde Rahmenbedingungen (z. B. Veränderungen von Nachfragestruktur, der Produktionstechnik oder von Rohstoffpreisen) anpassen, dass die drei zuerst genannten Aufgaben auch im Zeitablauf zufriedenstellend erfüllt sind.

e) Förderung des technischen Fortschritts bei Produkten und Produktionsmethoden (Innovationsfunktion). Da technischer Fortschritt definitionsgemäß den Output bzw. das Niveau der Bedürfnisbefriedigung bei gegebenem Input erhöht, wird durch Steigerung des technischen Fortschritts auch das Wachstum der gesellschaftlichen Wohlfahrt beschleunigt.

M. liegt vor, wenn mindestens eine der genannten fünf Funktionen nicht hinreichend erfüllt ist. Während sich die Funktionen a) bis c) auf die Optimierung eines bestimmten Zustandes beziehen und somit statischer Natur sind, haben die Funktionen d) und e) dynamischen Charakter. Von bes. großer Bedeutung ist dabei die Innovationsfunktion, denn in empirischen Untersuchungen hat sich klar gezeigt, dass der ganz überwiegende Teil des Wirtschaftswachstums auf Innovationen im weiteren Sinne beruht.

2.3 Der Markt im ökonomischen Standardmodell

Der Standardansatz zur Analyse von Märkten ist das Modell der vollständigen Konkurrenz, das durch eine Reihe stark abstrahierender Annahmen gekennzeichnet ist. Es lässt sich zeigen, dass bei Erfüllung aller Annahmen des Modells der vollständigen Konkurrenz ein gesamtwirtschaftliches Wohlfahrtsmaximum erreicht wird. Aus diesem Grunde kommt diesem Modell Referenzcharakter zu. Die wesentliche Kritik am Modell der vollständigen Konkurrenz bezieht sich auf seinen statischen Charakter, der sich etwa darin zeigt, dass Faktorausstattung, Produktionstechnik und Präferenzen als gegeben und konstant vorausgesetzt werden. Aufgrund dieser Annahmen wird die Eignung des Modells der vollständigen Konkurrenz für eine Analyse dynamischer Marktprozesse nicht selten in Zweifel gezogen. Es gibt eine Reihe von Argumenten dafür, dass eine befriedigende Innovationsleistung des Marktes Abweichungen von bestimmten Annahmen des Modells der vollständigen Konkurrenz erforderlich macht. Das optimale Ausmaß der unter dynamischen Aspekten, insb. für eine gute Innovationsleistung des Marktes, wünschenswerten Abweichungen von den Annahmen des Modells der vollständigen Konkurrenz lässt sich allerdings sowohl theoretisch wie auch praktisch kaum im Ansatz genau bestimmen.

Bei der Entscheidung, ob und auf welche Weise der Staat bei einer unbefriedigenden Funktionsweise des Marktes eingreifen sollte, ist zu fragen, ob man realistischerweise erwarten kann, dass dies tatsächlich zu einer Verbesserung führt. In diesem Zusammenhang sind insb. die mit einem staatlichen Eingriff verbundenen Kosten in Rechnung zu stellen. Es sind also immer wertende Entscheidungen darüber erforderlich, inwieweit ein Markt im Großen und Ganzen funktionsfähig ist oder ob das Ausmaß an M. so gravierend ist, dass wirtschaftspolitisches Handeln sinnvoll erscheint.

3. Ursachen von Marktversagen

Nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens gibt es v. a. vier Ursachen für eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit von Märkten. Dabei handelt es sich um

a) externe Effekte,

b) Unteilbarkeiten und Marktmacht,

c) Informationsmängel sowie

d) Anpassungsmängel.

Darüber hinaus wird ein staatlicher Eingriff gelegentlich auch damit zu rechtfertigen versucht, dass behauptet wird, die Akteure würden nicht hinreichend rational oder sogar irrrational handeln. Im Folgenden werden diese möglichen Ursachen von M. genauer behandelt.

3.1 Externe Effekte

Ein idealer Markt ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Akteur für die von ihm verursachten Kosten aufkommt. Ebenso erhält in einem idealen Markt jeder Akteur für die durch sein Handeln bei Dritten erzeugten Vorteile – sofern er dies wünscht – ein entspr.es Entgelt. Sind diese Voraussetzungen des Modells der vollständigen Konkurrenz nicht erfüllt, so liegen (technologische) externe Effekte vor. Die Folge ist, dass die privaten (d. h. die für den jeweiligen Produzenten oder Konsumenten als Ausgaben oder Einnahmen spürbaren) Kosten und Nutzen von den sich gesamtgesellschaftlich ergebenden sozialen Kosten bzw. Nutzen abweichen. Die Differenz zwischen beiden Kosten- bzw. Nutzenkategorien gibt das Ausmaß des externen Effektes an und wird als „externe Kosten (Nutzen)“ oder „soziale Zusatzkosten (-nutzen)“ bezeichnet. Bei Vorliegen solcher Externalitäten spiegeln die Marktpreise die tatsächlichen Knappheitsrelationen nur verzerrt wider. Aufgrund der verzerrten Marktpreise produziert ein Verursacher externer Kosten eine gesamtwirtschaftlich gesehen zu große Menge. Der Geschädigte produziert demgegenüber gesamtwirtschaftlich gesehen zu wenig und der Preis seines Produktes ist infolge der Schädigung zu hoch. Der Fall positiver externer Effekte ist dadurch gekennzeichnet, dass der Nutzenstifter nicht für sämtliche von ihm erzeugten Vorteile entlohnt wird; der Preis des betreffenden Gutes ist folglich zu gering. Ein Standardbeispiel hierfür sind Ergebnisse von Forschung und Entwicklung, von denen nicht selten auch solche Unternehmen profitieren, die keinen Beitrag zur Generierung dieser Ergebnisse geleistet haben. In diesem Falle produziert der Nutzenstifter eine gesamtgesellschaftlich zu geringe Menge, deren Marktpreis zu niedrig ist. Die Menge des Nutznießers ist demgegenüber zu hoch und der Preis des entspr.en Gutes ist zu gering.

Mögliche Gegenmaßnahmen zur Beseitigung (Internalisierung), der durch externe Effekte verursachten Ineffizienzen, sind im Wesentlichen:

a) moralische Appelle mit denen versucht wird, eine Verhaltensänderung der Akteure herbeizuführen;

b) staatliche Bereitstellung, d. h. Übernahme der entspr.en Produktion durch den Staat;

c) Fusion der Beteiligten, also von Schädigern und Geschädigten bzw. Nutzenstiftern und Nutznießern;

d) Ge- und Verbote bzw. Auflagen;

e) Steuern und Subventionen;

f) Verhandlungen zwischen den Beteiligten, um eine angemessene Kompensation für die Externalitäten zu erreichen;

g) handelbare Schädigungsrechte sowie

h) Regelungen des Haftungsrechts (Haftung).

Eingehende Analysen der verschiedenen Alternativen zeigen, dass Lösungen, die den Schädigern die von ihnen verursachten Kosten anlasten bzw. die Nutzenstifter für die von ihnen erzeugten Vorteile honorieren (Steuern und Subventionen, Verhandlungen, handelbare Schädigungsrechte), anderen Eingriffsmöglichkeiten, insb. Ge- und Verboten, im Allgemeinen überlegen sind. Bei der Beurteilung der verschiedenen Instrumente ist insb. deren Wirkung auf die dynamische Effizienz von Bedeutung: Inwieweit stimuliert ein Eingriff Anstrengungen der Akteure, negative Externalitäten von vornherein zu vermeiden sowie Fertigungsverfahren zu entwickeln und einzusetzen, mit denen sie sich kostengünstiger vermeiden lassen oder bei denen sie gar nicht erst entstehen? Im Falle externer Zusatznutzen stellt sich die Frage, ob die Externalität politisch gewollt ist, wie dies i. d. R. etwa bei staatlichen Ausgaben für Bildung und Kultur der Fall ist. Hier beinhaltet dynamische Effizienz insb. die Frage, inwiefern Anreize bestehen, die positiven externen Effekte möglichst kostengünstig zu erzeugen. Sollen positive Externalitäten vermieden werden, dann bezieht sich dynamisch Effizienz auf Anreize zur Entwicklung und Anwendung von Verfahren, mit denen diejenigen von der Nutzung eines Gutes ausgeschlossen werden, die nicht hinreichend zu den Kosten der Bereitstellung beitragen (Ausschlussprinzip).

3.2 Unteilbarkeiten und Marktmacht

Das ökonomische Referenzmodell der vollständigen Konkurrenz geht von der Annahme einer atomistischen Marktstruktur aus, d. h. es wird unterstellt, dass sowohl die Angebots- wie auch die Nachfrageseite durch sehr viele Akteure mit jeweils nur relativ geringem Marktanteil gekennzeichnet sind. Tatsächlich ist auf vielen Märkten ein nicht unerhebliches Ausmaß an Konzentration und Marktmacht festzustellen. Dies kann Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des Marktes zur Folge haben. Insb. kann es sein, dass Anbieter mit Marktmacht (z. B. ein Monopolist) die Nachfrage ausbeuten, indem sie eine zu geringe Menge anbieten und ungerechtfertigt hohe Preise verlangen. Analog könnte auch ein Nachfrager mit Marktmacht von seinen Zulieferern unangemessen niedrige Preise verlangen.

Marktmacht kann verschiedene Ursachen haben, wie z. B. die Existenz von technologisch bedingten Unteilbarkeiten, Innovationsvorsprünge von Anbietern, Fusionen von Unternehmen, gesetzliche Marktzugangsbeschränkungen oder auch die Anwendung unfairer Geschäftspraktiken. Technologische Unteilbarkeiten resultieren in der Regel v. a. daraus, dass die Kapazitäten bestimmter Ressourcen (z. B. Kraftwerke, Straßen- und Schienenwege) aufgrund technischer Gegebenheiten nur in großen Sprüngen variiert werden können. Im Extremfall sind die Größenvorteile so stark ausgeprägt, dass die Nachfrage am kostengünstigsten von nur einem Anbieter bedient werden kann, so dass ein „natürliches“ Monopol vorliegt. Solche natürlichen Monopole treten in vielen Bereichen der leitungsgebundenen Versorgung auf, wie etwa beim lokalen Stromnetz oder im Telekommunikationsbereich beim Teilnehmeranschlussnetz. Der Begriff des natürlichen Monopols ist allerdings insofern nicht ganz zutreffend, als dass er suggeriert, die Monopoleigenschaft sei unveränderlich. Tatsächlich können technischer Fortschritt und zunehmende Nachfrage dazu führen, dass die Monopoleigenschaft entfällt, wie dies z. B. in den letzten Jahrzehnten vielfach im Bereich der Telekommunikation – etwa bei Telefon-Fernverbindungen – zu verzeichnen war.

Für die Frage nach der Notwendigkeit eines wirtschaftspolitischen Eingriffes (Wirtschaftspolitik) im Falle von natürlichen Monopolen ist entscheidend, inwiefern der Monopolist einem wirksamen Wettbewerb ausgesetzt ist, d. h. inwiefern er über Marktmacht verfügt. Selbst ein Monopolist steht dann im Wettbewerb, wenn er damit rechnen muss, dass Konkurrenten mit günstigeren Angeboten in den Markt eintreten, der Markt also bestreitbar ist. Je stärker die Bestreitbarkeit eines Monopols oder einer marktmächtigen Stellung, desto wirksamer werden die Möglichkeiten zur Ausbeutung der Marktgegenseite durch die potenzielle Konkurrenz begrenzt. Der Politik fällt also zunächst einmal die Aufgabe zu, Monopolmärkte für zusätzliche Anbieter offen zu halten. Eine wesentliche Determinante der Bestreitbarkeit eines Marktes stellen die bei Marktaustritt nicht rückholbaren bzw. verlorenen Kosten (Sunk Costs) dar. Hiermit bezeichnet man den Wert von Aufwendungen, der bei einem Marktaustritt unwiederbringlich abgeschrieben werden muss. Diese Sunk Costs sind umso höher, je stärker die betreffenden Produktionsfaktoren spezialisiert sind bzw. je weniger sie sich für eine andere Verwendung eignen (Irreversibilität).

Ist ein natürliches Monopol nicht oder nur wenig bestreitbar, so besteht die Herausforderung für die Politik darin, dieses Monopol in geeigneter Form so zu regulieren, dass die negativen wirtschaftlichen Folgen möglichst gering ausfallen. Dies könnte etwa durch Vorgaben hinsichtlich der Preisgestaltung, durch eine Beschränkung der erzielbaren Gewinne, durch eine zeitlich befristete Versteigerung einer Monopolstellung oder auch durch Schaffung gegengewichtiger Marktmacht geschehen. In diesem Zusammenhang kann es sich als notwendig erweisen, dem Monopolisten Vorgaben hinsichtlich der Qualität der Leistung und seines Geschäftsgebarens zu machen. Nicht selten wird versucht, die negativen Folgen einer Monopolstellung dadurch abzumildern oder zu vermeiden, dass die entspr.en Unternehmen in staatlicher Regie als öffentliche Unternehmen (öffentliche Betriebe) geführt werden.

Die Beschränkung bestehender Marktmacht sowie insb. auch die Verhinderung der Entstehung weiterer Marktmacht stellen zentrale Aufgaben der Wettbewerbspolitik dar. Wesentliches Mittel hierbei ist die Fusionskontrolle. Im Rahmen der Fusionskontrolle müssen Unternehmenszusammenschlüsse ab einer bestimmten Umsatzhöhe der Beteiligten von der zuständigen Wettbewerbsbehörde genehmigt werden. Dabei besteht die wesentliche Aufgabe der Wettbewerbsbehörde darin, die mit einer Fusion verbundenen Nachteile gegen eventuell entstehende gesamtwirtschaftliche Vorteile (z. B. Kostenersparnisse, höhere Innovationsstärke) abzuwägen. In diesem Zusammenhang wird von Anhängern der als „Chicago School“ bezeichneten Denkrichtung die Ansicht vertreten, dass eine Fusionskontrolle weitgehend überflüssig sei. Dabei besteht das Kernargument darin, dass Zusammenschlüsse, die nicht zu einer verbesserten Leistungsfähigkeit führen, langfristig im Wettbewerb nicht erfolgreich sein können, so dass auch kein Problem der Marktmacht entsteht.

3.3 Informationsmängel

Im ökonomischen Standardmodell der vollständigen Konkurrenz wird unterstellt, dass alle Akteure über vollkommene Information zu sämtlichen relevanten Sachverhalten verfügen. In realen Märkten sind die Akteure aber in aller Regel nur unvollständig informiert. Diese Informationsmängel können dazu führen, dass die Funktionsweise des Marktes wesentlich beeinträchtigt ist. Man kann zwei Typen von Informationsmängeln, nämlich Unkenntnis und Unsicherheit, unterscheiden. Unkenntnis liegt dann vor, wenn Marktakteure unzureichend informiert sind, es aber im Prinzip möglich wäre, diese Lücke durch entspr.e Informationsbeschaffung zu beseitigen. Unsicherheit bezieht sich auf die zukünftige Entwicklung, die auch unter größtem Aufwand nicht mit vollkommender Gewissheit prognostiziert werden kann.

Ein M. im Falle von Unkenntnis kann insb. dann auftreten, wenn die Informationen asymmetrisch verteilt sind, also der Anbieter bzw. der Nachfrager besser über transaktionsrelevante Aspekte informiert ist als die jeweilige Marktgegenseite. Kann bspw. ein Nachfrager die Qualität eines Gutes vor Erwerb nicht vollständig einschätzen (Beispiele: Gebrauchtwagen, Essen in einem Restaurant) so wird er im Zweifel nur zur Zahlung eines relativ geringen Preises bereit sein. Diese geringe Zahlungsbereitschaft führt dann dazu, dass nur wenige oder gar keine Transaktionen von Gütern hoher Qualität stattfinden, so dass v. a. Güter relativ geringer Qualität gehandelt werden (adverse Auslese).

Ein Beispiel für Informationsasymmetrie zu Lasten des Anbieters sind Versicherungsverträge. Nachfrager nach Versicherungen repräsentieren dann eine relativ schlechte Qualität („schlechte Risiken“), wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei ihnen ein versicherter Schadensfall auch tatsächlich eintritt, etwa deshalb, weil sie zu bes. unvorsichtigem Verhalten neigen. Weiß ein Anbieter von Versicherungen im Vorhinein nicht, ob es sich bei einem bestimmten Nachfrager um ein gutes oder um ein schlechtes Risiko handelt, so wird er seinen Preis so kalkulieren, dass er im Durchschnitt keinen Verlust erleidet. Da dieser Preis für die Personen mit guten Risiken relativ hoch ist, werden sie zu einem Verzicht auf die Versicherung neigen. Folglich fragen v. a. Personen, die ein relativ schlechtes Risiko darstellen, eine Versicherung nach, was dazu führt, dass die kostendeckende Versicherungsprämie relativ hoch kalkuliert werden muss. Personen mit gutem Risiko haben dann keine Möglichkeit, sich zu einer angemessenen Prämie zu versichern.

Eine weitere Form von M. infolge von Informationsasymmetrie wird als moralisches Risiko (moral hazard) bezeichnet. Dieses Problem bezieht sich auf den Fall der unvollkommenen Information nach Vertragsabschluss, wenn ein Vertragspartner nicht genau feststellen kann, inwiefern sich der andere Vertragspartner an eine Abmachung hält. Ein Beispiel hierfür ist ein Versicherungsnehmer, der einen Schadensfall nur vortäuscht oder einen Schaden mutwillig herbeiführt. Auch bei dieser Konstellation wird eine Versicherung v. a. von solchen Personen nachgefragt, die ein schlechtes Risiko darstellen. Hieraus ergibt sich dann eine relativ hohe Versicherungsprämie, so dass für Personen mit gutem Risiko kein adäqutes Angebot existiert. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie die mit asymmetrisch verteilter Information verbundenen Probleme auch ohne staatliche Eingriffe zumindest teilweise gelöst werden können. So besteht für die Akteure die Möglichkeit, sich besser zu informieren (Screening), bspw. indem sie Experten hinzu ziehen. Auch gibt es diverse Mittel, mit denen ein Anbieter eine relativ gute Qualität signalisieren kann (Signaling); etwa durch Aufbau einer Reputation oder das Einräumen von Garantieversprechen. Ebenso kann ein Nachfrager nach einer Versicherung z. B. durch Akzeptanz eines Selbstbehaltes oder das Eingehen auf Tarife mit Schadensfreiheitsrabatt dem Anbieter vermitteln, dass er ein gutes Risiko darstellt. Sind solche Lösungen nicht hinreichend befriedigend, so kann die Politik auf vielfache Weise eingreifen, indem sie z. B. Informationspflichten einführt, Informationen zur Qualität verschiedener Angebote (z. B. Produkttests) öffentlich bereitstellt, Mindeststandards verfügt oder den Abschluss bestimmter Versicherungen zur Pflicht macht (Beispiele: Arbeitslosen- und Krankenversicherung, Kfz-Haftpflichtversicherung).

In Bezug auf die Folgen von Unsicherheit für den Marktprozess ist es sinnvoll, zwischen unternehmerischer und nicht-unternehmerischer Unsicherheit zu unterscheiden. Das Wesen der unternehmerischen Unsicherheit besteht darin, dass ein Unternehmer Risiken in Kauf nimmt in der Hoffnung, einen entspr.en Gewinn zu erzielen. Nicht-unternehmerische Unsicherheit bezieht sich auf solche Risiken, die „normale“ Begleiterscheinungen des Lebens darstellen, ohne mit Einkommenschancen verbunden zu sein.

I. d. R. folgt aus unternehmerischer Unsicherheit kein Bedarf für einen staatlichen Eingriff, denn wird bei unternehmerischen Entscheidungen unter Unsicherheit die Gewinnhoffnung nicht erfüllt, so schlägt sich hierin die ganz normale Funktionsweise des Wettbewerbs nieder. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang allerdings argumentiert, es liege ein M. vor, weil die Akteure zu risikoscheu seien. Folglich sei insb. die Innovationsfunktion des Wettbewerbs nicht hinreichend erfüllt. Das zentrale Problem einer solchen Argumentation besteht darin, dass man für die Diagnose einer zu großen Risikoscheu einen Referenzstandard benötigt, der die optimale Risikoneigung angibt. Bei der Entscheidung, ob der Staat in diesem Falle eingreifen sollte, geht es dann letztendlich um die Frage, wer besser zur Einschätzung eines Risikos in der Lage ist; der Unternehmer, der auf dem entspr.en Markt tätig ist und dabei seine privaten Mittel riskiert oder ein Politiker bzw. Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, der entspr.e Maßnahmen mit Steuergeldern finanziert?

Weitgehend unbestritten ist, dass ein hohes Maß an Unsicherheit zu erheblichen Beschränkungen bei der Vergabe von Krediten durch Finanzinstitute führen kann (Kreditrationierung). Dies betrifft insb. die Finanzierung von Unternehmensgründungen, v. a. von innovativen Gründungen, die noch erheblichen Aufwand zur Entwicklung ihres Produktes leisten müssen. Einen Ansatz zur Lösung dieses Problems der Unterfinanzierung von innovativen Unternehmensgründungen stellt die Beteiligungsfinanzierung dar, wie sie etwa von Venture-Kapital-Gesellschaften angeboten wird. Allerdings ist auch Beteiligungskapital nur sehr beschränkt verfügbar, was insb. die frühen Entwicklungsphasen (z. B. Seed-Phase) von innovativen Unternehmen betrifft. In diesem Bereich versagt der Markt, was entspr.e Abhilfe durch den Staat wünschenswert macht.

Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, mit denen man das Maß an nicht-unternehmerischer Unsicherheit beeinflussen kann. Insb. bietet der Markt eine Lösung in Form einer Versicherung des Risikos an. Bei einem Versagen des Marktes für Versicherungsleistungen, etwa infolge asymmetrischer Information, könnte dann staatliches Eingreifen wünschenswert sein. Es kann aber auch sein, dass Akteure in zu geringem Maße Eigenvorsorge durch Abschluss einer Versicherung betreiben, weil sie darauf vertrauen, im Notfall staatliche Unterstützung zu erhalten. Diese Form eines M.s impliziert die Frage nach dem gewünschten Umfang der Staatstätigkeit: Will man einen umfassenden Sozialstaat, der den Bürgern die Vorsorge weitgehend abnimmt, oder will man eine Gesellschaft, die auf Eigenverantwortlichkeit und Eigenvorsorge setzt und erst dann einspringt, wenn der Einzelne sich nicht selbst helfen kann?

3.4 Anpassungsmängel

Von einem M. in Form eines Anpassungsmangels spricht man insb. dann, wenn der Marktpreis starke Schwankungen aufweist oder es zu überschießenden Reaktionen in Form spekulativer Blasen kommt. Darüber hinaus kann es sein, dass sich die Akteure nur relativ langsam an wandelnde Rahmenbedingungen anpassen oder die Marktselektion nicht entspr. der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (survival of the fittest) erfolgt.

Die Ursache für relativ starke Preisschwankungen besteht häufig darin, dass die Erzeugung des betreffenden Gutes mit erheblichem Zeitbedarf verbunden ist, und daher das Angebot nur zeitlich verzögert an die Marktpreise angepasst werden kann. Beispiele hierfür sind landwirtschaftliche Erzeugnisse. Eine ursachenadäquate Lösung für relativ starke Preisschwankungen bestünde in einer Koordination der privaten Investitionsentscheidungen. Preisober- und Untergrenzen stellen keine geeignete Lösung dar, weil der richtige Marktpreis im Vorhinein unbekannt ist und erst im Verlauf des Marktprozesses von den Akteuren entdeckt wird. Bei durch Spekulation getriebenen Überhitzungen von Märkten (spekulative Blasen) besteht das Hauptproblem darin, dass beim Platzen einer solchen Blase auch andere Märkte, auf denen es keine spekulativen Übertreibungen gibt, in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt sein können. In diesem Falle kann es Aufgabe der Politik sein, unbeteiligte Akteure vor solchen Beeinträchtigungen zu schützen.

Der Grund für einen relativ langsamen Abbau von Kapazitäten bei langfristig rückläufiger Nachfrage (Strukturkrise) besteht häufig darin, dass beim Marktaustritt erhebliche Sunk Costs anfallen (Beispiele: Landwirtschaft, Stahlindustrie). Bei Existenz hoher Sunk Costs kann insb. auch der Fall eintreten, dass es zu einer „falschen“ Reihenfolge des Marktaustritts kommt, indem die relativ unproduktiven Kapazitäten nicht als Erstes stillgelegt werden. In solchen Fällen könnte die Politik die Kapazitätsanpassung unterstützen, indem sie den Marktaustritt subventioniert (Stilllegungsprämien), Strukturkrisenkartelle zulässt bzw. den Kapazitätsabbau koordiniert.

3.5 Nichtrationalität

Gelegentlich erscheint das Verhalten von Akteuren für viele Beobachter als nicht „rational“ nachvollziehbar. Dies kann etwa das Mitmachen von modischen „Verrücktheiten“, Suchtverhalten (Sucht) oder eine unzureichende Vorsorge für Alter und Pflegebedürftigkeit betreffen. Solche Verhaltensweisen werfen die Frage auf, inwiefern sich hieraus eine Notwendigkeit für staatliche Eingriffe ableiten lässt?

Man kann zwei Formen der Nichtrationalität unterscheiden, nämlich unvollständige Rationalität und Irrationalität. Unvollständige Rationalität meint, dass die Rationalitätsannahme der ökonomischen Theorie nicht vollständig erfüllt ist. Irrationalität kennzeichnet ein Verhalten von Akteuren, das gegen deren eigenen Interessen verstößt. Beispiele hierfür wären etwa der Konsum suchterzeugender Drogen oder die Selbstverstümmelung. Die Rechtfertigung eines staatlichen Eingriffs mit Nichtrationalität ist allerding deshalb schwierig, weil man das Vorliegen von Nichtrationalität kaum interindividuell objektiv feststellen kann. Entspr.e Maßnahmen werden dann auch i. d. R. mit der Fiktion eines wohlmeinenden Staates begründet, der aufgrund umfassender Kenntnisse beurteilen könne, was gut und was schlecht für die Bürger ist (meritorischer Eingriff, Paternalismus). Dabei werden kleine lenkende Eingriffe (Nudging), welche die Entscheidungsspielräume der Menschen nicht wesentlich einengen, von vielen Sozialwissenschaftlern für durchaus vertretbar gehalten. Höchst umstritten sind hingegen mit Nichtrationalität begründete Ge- und Verbote, die „Erziehungsdiktatur“-Charakter aufweisen. Man könnte solche Eingriffe dann als legitimiert ansehen, wenn die Betroffenen der Maßnahme im Nachhinein zustimmen. Hierbei ist allerdings problematisch, dass man vorher nie genau sagen kann, ob eine solche nachträgliche Billigung auch tatsächlich eintreten wird.

Tatsächlich können viele Entscheidungen von Menschen nur schwer mit der Annahme rationalen Verhaltens vereinbar erscheinen. Insofern spricht das Argument der Nichtrationalität wichtige Probleme an. Geht man allerdings davon aus, dass die Bürger souverän sind und selbst am besten wissen, was gut für sie ist, dann sind entspr.e korrigierende Eingriffe kaum zu rechtfertigen.

3.6 Politikversagen, Staatsversagen, Systemversagen

Die Funktionsweise des politischen Sektors kann als ein wesentlicher Grund dafür angesehen werden, dass die faktische Politik nicht selten von den Erkenntnissen und Empfehlungen der Theorie des M.s abweicht. Solche Widersprüche zwischen ökonomischer Zweckmäßigkeit und politischer Rationalität werden als Politikversagen gekennzeichnet. Der Begriff des Staatsversagens ist umfassender und schließt Fehlfunktionen staatlicher Stellen wie etwa Ineffizienz und Eigendynamik von staatlicher Bürokratie mit ein. Angesichts solcher Fehlfunktionen wird diskutiert, wie das politisch-ökonomische System so ausgestaltet werden kann, dass die Gefahr von Politikversagen eingedämmt wird. Wesentliche Vorschläge in diesem Zusammenhang sind eine stärkere Regelbindung und Kontrolle staatlicher Akteure, ein dezentraler Staatsaufbau in Verbindung mit Systemwettbewerb (Konkurrenzföderalismus; Föderalismus) sowie ein Mehr an direkter Demokratie (Referenden, Initiativen und Direktwahl staatlicher Funktionsträger).

Neuere Ansätze zur Ableitung staatlichen Handlungsbedarfs, etwa im Bereich der Innovations- und Wachstumsforschung, nehmen eine systemische Perspektive ein, indem sie die vielfältigen Interaktionen zwischen dem Staat und dem Privatsektor sowie auch innerhalb dieser beiden Bereiche analysieren. Dabei werden häufig auch die formalen und informellen Institutionen in die Betrachtung einbezogen. Eine zentrale Frage dieser Ansätze besteht darin, inwiefern ein Systemversagen vorliegt, und wie ein solches Systemversagen überwunden werden kann. Dabei wird häufig eine stärker aktive Rolle der Politik gefordert, als sie sich auf der Grundlage der neoklassischen Theorie des M.s ableiten lässt.