Finanzausgleich

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  1. I. Verfassungsrechtlich
  2. II. Ökonomisch

I. Verfassungsrechtlich

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1. Begriff und Bedeutung

Der F. bezeichnet ein (verfassungs-)rechtlich geordnetes System der Finanzbeziehungen und der Verteilung von Finanzkompetenzen zwischen öffentlichen Einheiten mit eigenen Haushalten, insb. Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Kommunen), u. U. aber auch Anstalten des öffentlichen Rechts (Sozialversicherungen, Rundfunkanstalten). Außerstaatlich kann es auch bei öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften und ihren Untergliederungen einen F. geben. Der F. im weiteren Sinne umfasst alle Finanzkompetenzen, im engeren (zumeist und auch im Folgenden gemeinten) Sinne die Verteilung der Einnahmen. Der F. setzt verselbständigte Einheiten mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden (territorial, nach der Einwohnerzahl und der Leistungskraft) voraus. Der bundesstaatliche F. verteilt Finanzzuständigkeiten zwischen Bund und Ländern (zu diesen rechnen die Kommunen), der kommunale F. zwischen Land und Kommunen (Gemeinden und Kreise). Die Notwendigkeit des F.s folgt daraus, dass nach dem GG wie nach jeder föderalen Verfassung oder der eines dezentralen Einheitsstaates die Aufgaben und die daraus folgenden Ausgaben auf die Gebietskörperschaften verteilt sind, die im Rahmen der insgesamt zur Verfügung stehenden öffentlichen Einnahmen (im Steuerstaat des GG insb. Steuern) Anspruch auf eine aufgabengerechte Finanzausstattung haben. Alle Gebietskörperschaften sollen befähigt werden, selbständig, im vorgesehenen Umfang und möglichst wirtschaftlich ihre Aufgaben zu erfüllen. Finanzmittel sind so zu verteilen, dass die Prinzipien der bundesstaatlichen Autonomie, der Gleichheit der Länder und der wechselseitigen Solidarität zum Tragen kommen. Leitend ist dabei, dass im modernen Finanzstaat, in dem die Verfügung über Geldmittel Voraussetzung, Mittel und Ziel staatlichen Handelns ist, alle Gestaltungsmöglichkeiten von der verfügbaren Finanzkraft abhängen. Um möglichst große Beständigkeit, geringe Strategieanfälligkeit und rechtsstaatliche Berechenbarkeit der Finanzen zu erreichen, sind in Deutschland die wesentlichen Festlegungen des bundesstaatlichen F.s im GG (insb. Art. 106 und 107 GG), des kommunalen F.s in den Landesverfassungen enthalten. Gleichwohl muss, um wechselnden Finanzierungsbedürfnissen Rechnung tragen zu können, der F. Beständigkeit und Beweglichkeit verbinden. Die Details zum F. regelt daher auf der Grundlage der Verfassung der Gesetzgeber. Insb. zwischen den Prinzipien der Eigenständigkeit und des solidarischen Eintretens füreinander hat der F.s-Gesetzgeber dabei die richtige Mitte zu finden. Typischerweise ist die hierbei gefundene Lösung in ihrer Angemessenheit streitanfällig. Der F. ist ein zentraler Bestandteil der Finanzverfassung. Das BVerfG nennt beide „tragende Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes“ (BVerfGE 55, 274, 300).

2. Modelle und Instrumente des Finanzausgleichs

Idealtypisch gibt es bei der Steuerverteilung drei Modelle. Nach dem Trennsystem werden die Erträge einer Steuer vertikal jeweils dem Bund oder den Ländern zugewiesen und horizontal nach bestimmten Prinzipien auf die einzelnen Länder weiterverteilt. Mit der Ertragszuständigkeit kann die Regelungsbefugnis über eine Steuer verknüpft sein, sie muss es aber nicht. Nach dem Verbundsystem werden die Steuererträge rechnerisch zusammengefasst und nach im Einzelnen festzusetzenden Verteilungsgrundsätzen und -quoten verteilt. Die Regelungskompetenz liegt bei der zentralen Gebietskörperschaft, dem Bund. Nach dem Zuweisungssystem kommen alle Steuererträge einer Ebene zu (typischerweise der Bund), die dann mit Finanzzuweisungen für die aufgabengerechte Ausstattung der anderen Ebene zu sorgen hat. Das Trennsystem hat den Vorteil hoher Transparenz und Autonomiewahrung, ist aber nicht in der Lage, auf Aufkommensverschiebungen zwischen den Steuern und wechselnde Finanzierungsbedürfnisse der Ebenen flexibel zu reagieren. Das Verbundsystem verschafft allen Gebietskörperschaften eine gesicherte und anpassungsfähige Grundfinanzierung, zwingt die Beteiligten aber zur Einigung auf die anzuwendenden Verteilungsgrundsätze. Das Zuweisungssystem hat die höchste Flexibilität, ist aber für die Zuweisungen empfangende Ebene autonomiefeindlich. Das GG kombiniert im F. der Art. 106 und 107 GG Elemente aus allen drei Systemen mit einem quantitativen Vorrang des Verbundsystems. Das entspr. der Charakteristik des grundgesetzlichen Bundesstaates, der starke kooperative Verbindungen der Gebietskörperschaften mit dem Leitbild bundesweiter Einheitlichkeit der Lasten, Leistungen und Lebensverhältnisse aufweist.

3. Der bundesstaatliche Finanzausgleich

Vor dem Hintergrund eines weitgehend bundesrechtlich geregelten Steuerrechts (Art. 105 GG) bilden Art. 106 und 107 GG ein vierstufiges System der Einnahmenverteilung. Jeder Stufe sind, im Rahmen des Ziels aufgabenadäquater Finanzausstattung für jede Gebietskörperschaft, bestimmte Verteilungs- und Ausgleichsziele zugeordnet.

Auf der ersten Stufe der vertikalen Steuerertragsverteilung werden aus den gesamten Steuereinnahmen (2014: 643 Mrd. Euro) vier Finanzmassen gebildet: die Bundessteuern (Art. 106 Abs. 1 GG; 2014: 102 Mrd. Euro), die Landessteuern (Art. 106 Abs. 2 GG; 2014: 19 Mrd. Euro), die Gemeinschaftsteuern (Art. 106 Abs. 3 GG; 2014: 462 Mrd. Euro) und die Gemeindesteuern (Art. 106 Abs. 5 bis 7 GG; 2014: 59 Mrd. Euro). Fiskalisch am bedeutsamsten ist der große Steuerverbund aus Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 3 GG), der ca. 70 % der Steuereinnahmen umfasst. Während die Verteilungsquoten der Einkommen- und Körperschaftsteuer unmittelbar in der Verfassung festgelegt sind (Körperschaftsteuer: jeweils 50 % für Bund und Länder; ESt jeweils 42,5 % für Bund und Länder nach Abzug des Gemeindeanteils von 15 %; Art. 106 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 GG, § 1 Gemeindefinanzreformgesetz), werden die Anteile an der USt (Art. 106 Abs. 3 S. 3 und 4, Abs. 5a GG) durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz festgelegt. D. i. das erste Regelungsthema des FAG. Derzeit erhalten – nach diversen Vorabanteilen des Bundes – die Kommunen 2,2 %, danach der Bund 50,5 % und die Länder 49,5 % des verbleibenden Aufkommens. Seit 1969 ist der Bundesanteil stetig gefallen. Die Umsatzsteuerverteilung ist das flexible Element der vertikalen Steuerverteilung; bei der Bestimmung der Quoten ist der Bundesgesetzgeber an die in Art. 106 Abs. 3 S. 4 GG enthaltenen Grundsätze gebunden. Diese zeigen – v. a. durch einen gleichmäßigen Anspruch auf Deckung der „notwendigen Ausgaben“ (Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 1 GG) im Rahmen der laufenden Einnahmen, ferner durch das Kriterium der Wahrung der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ (Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG) –, dass dem großen Steuerverbund insgesamt und bes. der Umsatzsteuerverteilung eine Ausgaben- und Bedarfsorientierung zugrunde liegt. Bereits hier tritt die Eigenständigkeit von Bund und Ländern zu Gunsten der Schaffung einer finanziellen Ertrags- und Gefahrengemeinschaft zurück. Die zweite Stufe des bundesstaatlichen F.s besteht in der horizontalen Steuerertragsverteilung (Art. 107 Abs. 1 GG). Sämtliche Steuererträge, die nach Art. 106 GG der Ländergesamtheit zustehen, werden jetzt den einzelnen Ländern zugeteilt. Das vorrangige Verteilungsprinzip ist das örtliche Aufkommen. Das betont die Eigenständigkeit und Selbstverantwortung der Länder; es hat keinen unmittelbaren Bezug zu ihrer Aufgaben- und Ausgabenbelastung. Die einzige Ausnahme vom Örtlichkeitsprinzip gilt für die USt. Ihr Aufkommen wird den Ländern grundsätzlich nach der Einwohnerzahl zugeteilt (Art. 107 Abs. 1 S. 4 GG). Wegen der bes.n Erhebungstechnik dieser Steuer, die auf den Endverbraucher überwälzt wird, ist ihr Aufkommen nach örtlicher Vereinnahmung nicht geeignet, die Leistungsfähigkeit eines Landes widerzuspiegeln. Dem kommt das Kriterium der Einwohnerzahl näher, dem die Annahme eines gleichmäßigen Durchschnittskonsums zugrunde liegt. Zugl. bewirkt dieses Kriterium eine gewisse Nivellierung der Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern, die sich verstärkt, wenn der Gesetzgeber, wie dies derzeit der Fall ist, von der Ermächtigung des Art. 107 Abs. 1 S. 4 2. Halbs. GG Gebrauch macht, bis zu 25 % des Länderanteils an der USt als Ergänzungsanteile für diejenigen Länder vorzusehen, deren Einnahmen aus den wichtigsten Steuern unter dem Länderdurchschnitt liegen (§ 2 Abs. 1 FAG).

Mit der Verteilung nach Art. 107 Abs. 1 GG liegt die eigene Finanzausstattung fest. Auch die Umsatzsteuerergänzungsanteile gehören zur primären Zuweisung von Steuereinnahmen. Die Verteilungsergebnisse sind jedoch nur ein Zwischenergebnis, auf dem die anschließenden Stufen drei und vier des F.s gründen. Auf diesen Stufen wechseln die Zielsetzungen und Mittel. An die Stelle der Zuordnung von Steuererträgen im Dienste bundesstaatlicher Autonomie und Gleichheit tritt die korrigierende Umverteilung von Finanzmasse im Dienste finanzieller Solidarität durch Finanzzuweisungen zwischen den Gebietskörperschaften. Solche Zuweisungen gibt es zunächst, im Verhältnis der Länder untereinander, im Länder-F. (Art. 107 Abs. 2 S. 1 und 2 GG) als der dritten Stufe des F.s. Der Gesetzgeber hat die Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen, also Unterschiede zu verringern, die nach der Steuerverteilung verblieben sind. „Finanzkraft“ meint das Finanzaufkommen jedes Landes, vergleichbar durch Umrechnung auf die Einnahmen pro Einwohner, nicht eine Relation zwischen Einnahmen und Ausgaben. Bes. finanzielle Lasten einzelner Länder (Sonderbedarfe), die sich kaum objektivierend ermitteln lassen, bleiben grundsätzlich unberücksichtigt. Eine bes. Ausgabenfreudigkeit eines Landes darf nicht auf die Solidargemeinschaft der Länder abgewälzt werden. „Angemessen“ ist der Ausgleich, der finanzielle Unterschiede vermindert, ohne sie aufzuheben. Es gilt das Verbot der Nivellierung der Länderfinanzen, die Zahlerländer dürfen außerdem in ihrer Leistungsfähigkeit nicht entscheidend geschwächt werden (BVerfGE 1, 117 [132]; 72, 330 [386]; 86, 148 [215]; 101, 158 [222]). Der Länder-F. hat die richtige Mitte zu finden zwischen der Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Bewahrung der Individualität der Länder auf der einen und der solidargemeinschaftlichen Mitverantwortung für die Existenz und Eigenständigkeit der Bundesgenossen auf der anderen Seite (BVerfGE 101, 158 [222]). Den dadurch eröffneten Spielraum füllt der Gesetzgeber durch eine insgesamt weitgehende Annäherung der Länderfinanzkraft aus. Das seit 2005 geltende FAG verwendet erstmals eine mathematische Ausgleichsformel, die den finanzschwachen Ländern einen Anstieg auf 93 % des Länderdurchschnitts garantiert (§ 10 FAG). 2014 hatte der Länder-F. ein Volumen von 9 Mrd. Euro; Zahlerländer waren Bayern (4,85 Mrd. Euro), Hessen (1,75 Mrd. Euro), Baden-Württemberg (2,35 Mrd. Euro) und Hamburg (55 Mio. Euro). Alle anderen Länder waren Nehmerländer. Die vierte und abschließende Stufe des F.s bilden fakultative Bundesergänzungszuweisungen (Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG). Sie sollen verbleibende Defizite der Finanzausstattung einzelner Länder verringern. Nur an dieser Stelle dürfen im F. bes. Ausgabenbelastungen berücksichtigt werden. Die Bundesergänzungszuweisungen erlauben einen abschließenden Ausgleich; die Zahlungen des Bundes dürfen nur leistungsschwachen Ländern gewährt werden; das wichtigste Kriterium der Leistungsschwäche ergibt sich aus einer Bewertung des Verhältnisses von Finanzaufkommen und Ausgabenlasten. Nach § 11 Abs. 2 FAG gewährt der Bund leistungsschwachen Ländern zur ergänzenden Deckung ihres allg.en Finanzbedarfs Zuweisungen, die ein Land auf maximal 99,5 % der länderdurchschnittlichen Finanzkraft heben. § 11 Abs. 3 und 4 gewähren den ostdeutschen Ländern bis 2019 degressiv ausgestaltete Zuweisungen zum Ausgleich teilungsbedingter Sonderlasten und – verfassungsrechtlich problematisch – Zahlungen an kleinere Länder zum Ausgleich (vermuteter bes.r Kosten politischer Führung). Die frühere Berücksichtigung sog.er extremer Haushaltsnotlagen bei der Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen hat das BVerfG grundsätzlich für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 116, 343).

4. Die Kommunen im Finanzausgleich

Der zweistufige Aufbau des Bundesstaates ordnet im Zusammenhang des bundesstaatlichen F.s die Kommunen den Ländern zu (vgl. Art. 106 Abs. 9 GG), die primärer Adressat des Anspruchs ihrer Gemeinden auf eine aufgabenangemessene Finanzausstattung sind. Das GG enthält jedoch Absicherungen des finanziellen Status der kommunalen Ebene. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG schließt die finanzielle Eigenverantwortung der Kommunen ein. Die Regelung des F.s nimmt sich eingehend der finanziellen Rechte der Gemeinden an. Neben den Ertragsanteilen an der ESt und USt (Art. 106 Abs. 5, 5a GG) gewährt Art. 106 GG den Gemeinden die alleinige Ertragshoheit über die Grundsteuer, die Gewerbesteuer (möglich sind Umlagen zugunsten des Bundes und der Länder) und die – fiskalisch nicht bedeutenden – kommunalen Verbrauch- und Aufwandsteuern (z. B. Hunde-, Jagd-, Getränke-, Zweitwohnungsteuer). Art. 106 Abs. 7 GG verpflichtet die Länder darüber hinaus, einen kommunalen F. durchzuführen, der die Steuereinnahmen der Gemeinden so ergänzen muss, dass die kommunale Ebene eine finanzielle Mindestausstattung zur Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben und ihrer freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben aufweist.

5. Reformüberlegungen

Nach § 20 FAG gilt das FAG bis Ende 2019. Zu diesem Zeitpunkt treten auch die den bundesstaatlichen F. ergänzenden Regelungen des Solidarpakt II (finanzielle Privilegierungen der ostdeutschen Länder) außer Kraft; gleichzeitig gilt ab 2020 die neu gefasste Schuldenbremse des GG (Art. 109 Abs. 3 GG) in vollem Umfang für die Länder (Art. 143d Abs. 1 GG). Die daraus folgende Reformaufgabe eröffnete mehrere Optionen. Es hätte zunächst die Möglichkeit bestanden, durch eine weitere Stufe der Föderalismusreform alle Bestandteile der Finanzverfassung grundsätzlich zu überprüfen und gegebenenfalls zu reformieren. Dies stellte der Koalitionsvertrag der Großen Koalition zur Legislaturperiode 2013–2017 in Aussicht, verwirklicht wurde es aber nicht. Die zweite Möglichkeit lag darin, die Verfassung unangetastet zu lassen und die geltenden finanzausgleichsrechtlichen Gesetze mit einigen Veränderungen, v. a. wegen des Wegfalls des Solidarpaktes II, zu entfristen. Diesen naheliegenden Weg wollte die Politik nicht beschreiten, obwohl ein Angebot des Bundesfinanzministers vom Herbst 2015, der Ländergesamtheit ab 2020 jährlich etwa 5 Mrd. Euro (unter Berücksichtigung Ende 2019 wegfallender Bundesmittel) mehr zur Verfügung zu stellen, genau darauf abzielte. Die Ministerpräsidentenkonferenz legte sich Ende 2015 auf ein anderes Modell fest, wonach aus dem vierstufigen Bund-Länder-F. unter Wegfall des Länder-F.s ein dreistufiges System werden sollte. Die Aufgabe der Finanzkraftangleichung zwischen den Ländern solle ab 2020 die horizontale Umsatzsteuerverteilung übernehmen. Dazu sei die Verteilung nach der Einwohnerzahl durch Zu- und Abschläge zu modifizieren. Der Bund versuchte, dies durch 15 Gegenforderungen zu verhindern, die fast alle die Aufsichtsmöglichkeiten des Bundes über die Länder außerhalb des F.s verstärken sollten. Die daraus entstandene schwierige Verhandlungssituation wurde gelöst, indem die Vorschläge des Bundes und der Länder kombiniert wurden. Die Grundgesetzänderung vom 13.7.2017 hat nach einem schnellen und wenig diskursiven Verfahren insgesamt 13 Art. geändert und eingefügt. Begleitend sind insgesamt 23 finanzbezogene Gesetze, v. a. das FAG und das Maßstäbegesetz, geändert worden. Art. 107 Abs. 1 und 2 GG wird ab 2020 in völlig veränderter Gestalt gelten. Neben dem Wegfall des Länder-F.s sorgt der systemwidrige Ausbau der Bundesergänzungszuweisungen durch neue „Gemeindesteuerkraftzuweisungen“ an Länder mit finanzschwachen Gemeinden und forschungsbezogenen Zahlungen für gravierende Unwuchten. Das Gesamtergebnis des neuen F.s lässt sich auf die Formel bringen, dass die Länder eigenständige Gestaltungsrechte gegen mehr Geld freiwillig aufgeben. Der Wegfall des Länder-F.s modifiziert und vertikalisiert die bisherige Verpflichtung der Länder zur horizontalen Solidarität. Die neue Gestalt des F.s dürfte ein labiles Zwischenstadium zu einem vollständig vertikalisierten Ausgleich darstellen. Die Hoffnung der Länder, Konflikte zwischen ihnen durch Wegfall des Länder-F.s zu minimieren, wird sich kaum erfüllen lassen. Schauplatz des Verteilungsstreits wird zukünftig die horizontale Umsatzsteuerverteilung sein. Der verstärkte zentralistische Zug des grundgesetzlichen Föderalismus scheint unaufhaltsam.

II. Ökonomisch

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Die Ausgestaltung des F.s folgt aus ökonomischer Sicht vorrangig Allokations- und Verteilungsüberlegungen. Unter dem Allokationsziel (Allokation) soll der F. zu mehr Effizienz im staatlichen Handeln beitragen. Unter dem Verteilungsziel dient der F. demgegenüber einer gleichmäßigeren Wohlstandsverteilung zwischen den Regionen einer Volkswirtschaft. Während der vertikale F. die Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenzuordnung zwischen den Ebenen eines föderalen Staates (Bund, Länder und Kommunen; Föderalismus) zum Gegenstand hat, steht beim horizontalen F. die Realisierung räumlicher Ausgleichsziele auf der Ebene von Ländern und Kommunen im Mittelpunkt. Zusätzlich zum Allokations- und Verteilungsziel ergeben sich zudem aus dem Wachstumsziel weitere Anforderungen an die Gestaltung des F.s. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Sicherung einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung v. a. im Wecken und Unterstützen regionaler wie lokaler Wachstumspotenziale besteht, dem auch die Gestaltung des F.s Rechnung zu tragen hat.

1. Finanzausgleich aus Sicht der Theorie des Fiskalföderalismus

Folgt man der ökonomischen Theorie des Fiskalföderalismus, sollte ein F. vorrangig zur Steigerung der staatsinternen Effizienz beitragen. Damit ist nicht die Verteilung finanzieller Mittel zwischen Bund, Ländern und Kommunen, sondern zu allererst die zweckmäßige Aufgabenverteilung bedeutsam. Dabei liegt die Aufgabenzuständigkeit so lange bei den unteren Ebenen (Länder und Kommunen), wie eine Kompetenzverlagerung auf eine übergeordnete Ebene (Bund) keine Effizienzgewinne verspricht (Subsidiaritätsprinzip, Subsidiarität). Streut der Nutzen staatlicher Leistungen räumlich unterschiedlich stark, ist eine effiziente Versorgung im Sinne eines auf die Wünsche der Bürger abgestimmten staatlichen Güterangebots nur dann zu erwarten, wenn sich die Zuständigkeit für die Aufgabenerfüllung am Kreis der Nutznießer orientiert und diese gleichzeitig zu deren Finanzierung beitragen (Prinzip der fiskalischen Äquivalenz).

Neben der angemessenen Aufgabenverteilung stellt sich bei jedem F. auch die Frage nach der zweckmäßigen Verteilung von Ausgaben- und Einnahmenzuständigkeiten. Dabei wird gefordert, dass die Zuordnung der Ausgabenkompetenzen an der Verteilung der Aufgabenkompetenzen orientiert ist (Prinzip der Konnexität). Jede Art von Mischfinanzierung öffentlicher Aufgaben enthält demgegenüber eine Tendenz zu unwirtschaftlichem Verhalten. Sie birgt die Gefahr, dass es zu verzerrten Ausgabenentscheidungen kommt, da die politischen Akteure einer jeden Gebietskörperschaft dem gesamten Nutzen einer öffentlichen Aufgabenerfüllung nicht auch die gesamten Kosten, sondern lediglich den eigenen Finanzierungsbeitrag gegenüberstellen. Auch lassen Mischfinanzierungen aufgrund des Koordinierungsbedarfs die Verwaltungskosten ansteigen.

Die der Effizienz dienende Selbstverantwortung von Ländern und Kommunen setzt schließlich ebenso voraus, dass zusätzlich zur Aufgaben- und Ausgabenautonomie auch eine größtmögliche Steuerautonomie besteht. Diese kann als gewährleistet gelten, wenn die Gebietskörperschaften einer jeweiligen Staatsebene die Art der erhobenen Abgaben und deren Ausgestaltung (Trennsystem) flexibel den jeweiligen Aufgabenerfordernissen anpassen können (Prinzip der Autonomie). Demgegenüber mindert die alleinige Aufteilung eines gegebenen Steueraufkommens zwischen mehreren Staatsebenen (Verbundsystem) ebenso wie die bloße Zuweisung finanzieller Mittel (Zuweisungssystem) die Anreize von Ländern und Kommunen, in die positive Entwicklung eigener Einnahmequellen zu investieren.

2. Finanzausgleich aus regional- und wachstumsökonomischer Sicht

Im Zentrum von regional- und wachstumsökonomischen Ansätzen steht die Frage, ob sich wirtschaftliche Aktivitäten im Raum eher gleichmäßig oder doch eher ungleich verteilen und welches die hierfür relevanten Faktoren sind. Aus diesen Überlegungen zu den Triebkräften des wirtschaftlichen Wachstums von Regionen lassen sich Rückschlüsse auf eine angemessene Gestaltung des F.s ziehen. Folgt man neueren Erkenntnissen der Regionalökonomik, verläuft die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen grundsätzlich divergent. Dafür verantwortlich ist das Zusammenspiel aus steigenden Skalenerträgen aufgrund von Marktgrößeneffekten und bestehenden Kosten der Raumüberwindung (Transportkosten), d. h. Firmen siedeln sich vorrangig dort an, wo die Nachfrage groß und benötigte Inputfaktoren gut zugänglich sind (Agglomerationsvorteile).

Diese Einsicht wird durch neuere Ansätze der ökonomischen Wachstumstheorie gestützt, die auf technischen Fortschritt und Wissenszuwachs (bzw. Humankapital) als wesentlichen Bestimmungsgrößen wirtschaftlicher Entwicklung verweisen. Dabei wird der räumlichen Nähe bei der Nutzung neuen Wissens (Innovation) eine entscheidende Rolle beigemessen, d. h. es sind v. a. regionale und lokale Spezifika von Wirtschaftsstandorten, die für mehr Wirtschaftswachstum sorgen.

Mit Blick auf den vertikalen F. lässt sich daraus ableiten, dass zusätzlich zu den föderalismustheoretischen Dezentralisierungsargumenten (bessere Abstimmung des staatlichen Güterangebots auf die Präferenzen vor Ort, klare Identifizierung politischer Verantwortlichkeiten, Senkung von Verwaltungskosten, Wettbewerb zwischen alternativen Politikkonzepten) jene räumlich begrenzt wirkenden Wachstumsfaktoren die dezentralen Träger von politischen Entscheidungen vor eine zusätzliche Aufgabe stellen. Das setzt jedoch voraus, dass Länder und Kommunen über eine hinreichend autonome Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung zur Förderung regionalen und lokalen Wachstums verfügen.

Auch legen regionalökonomische Überlegungen nahe, dass es wachstumsförderlicher ist, vorhandene Agglomerationsvorteile und sich damit verbindende Wissens- und Innovationspotenziale zu stärken. Bezogen auf den horizontalen F. sollte folglich eine Finanzmittelverteilung, die allein am Ziel der Wahrung einheitlicher Lebensverhältnisse im Sinne eines fiskalischen Ausgleichs zwischen finanzstarken und finanzschwachen Gebietskörperschaften ausgerichtet ist, sehr zurückhaltend bewertet werden. Dies wird durch ökonomische Untersuchungen gestützt, die zeigen, dass ein zu großzügig bemessenes Ausgleichsniveau des F.s ebenso wie ein zu ausgeprägter Zentralisierungsgrad staatlicher Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen zu Wachstumseinbußen führen.

Literatur