Apartheid

1. Begriff

Das Wort A. (Afrikaans) bedeutet „Getrenntheit“ und bezieht sich auf das System der Rassentrennung im Südafrika des 20. Jh. In neuerer Zeit wird der Begriff A. auch auf andere Regime übertragen, die das Mittel der Rassendiskriminierung zum Machterhalt einsetzen.

2. Geschichte

Bei Gründung der Südafrikanischen Union 1910 wurde das bisher nur in Natal praktizierte Konzept der Eingeborenenverwaltung auf ganz Südafrika übertragen. Das dafür 1911 geschaffene Ministerium (Department of Native Affairs) betrieb zunächst nur eine die weiße Minderheit privilegierende Boden- und Siedlungspolitik und verbannte mit dem „Natives Land Act“ von 1913 die schwarze Mehrheit in Reservate. Der „Native (Urban Area) Act“ vertrieb 1923 die Schwarzen aus den Städten.

Die Gold- und Diamantenfunde in Transvaal und Oranje erhöhten den Bedarf an billigen schwarzen Arbeitskräften, die aus den Reservaten rekrutiert und nahe den Bergwerken kaserniert wurden. Der „Mines and Works Act“ von 1922 legitimierte die Ungleichheit von Schwarzen und Weißen in der Wirtschaft. Unter dem Motto „zivilisierter Arbeitspolitik“ beseitigte der „Industrial Conciliation Act“ die Tariffähigkeit schwarzer Gewerkschaften. Mit dem „Native Administration Act“ von 1927 wurde die Zuständigkeit für alle Angelegenheiten der heimischen Bevölkerung vom Parlament auf die Regierung übertragen.

Der Wahlsieg der National Party 1948 führte zur Phase der sog.n Großen A., die durch eine systematische Unterdrückung der schwarzen Mehrheit, aber auch der Inder und Farbigen gekennzeichnet war. Für alle öffentlich zugänglichen Orte und Einrichtungen war eine strikte Trennung von Weißen und Nicht-Weißen vorgeschrieben. Der „Group Areas Act“ (1950) wies den vier Rassen gesonderte Wohn- und Siedlungsgebiete zu. Mischehen wurden 1949 durch den „Prohibition of Mixed Marriage Act“ untersagt, sexuelle Kontakte zu Nicht-Weißen 1950/57 durch den „Immorality Act“ unter Strafe gestellt. Mit dem „Population Registration Act“ (1950) wurde die Bevölkerung in Weiße, Schwarze oder Farbige eingeteilt und für dessen Umsetzung ein „Race Classification Board“ geschaffen.

In den 1950er Jahren folgten weitere A.-Gesetze, deren Legitimität auf die britische Doktrin der „sovereignty of parliament“ gestützt wurde. Durch den „Promotion of Bantu Self-Government Act“ (1959) wurde die Grundlage für die Bildung von zehn territorial zersplitterten, nach Sprachgruppen getrennten Homelands (Transkei, Ciskei, Bophuthatswana, Gazankulu, KaNgwane, KwaNdebele, KwaZulu, Lebowa, Qwaqwa und Venda) für insgesamt 26,45 Mio. Schwarze geschaffen. Mit dem „Bantu Homelands Citizenship Act“ (1970) verlor die schwarze Bevölkerung ihre südafrikanische Staatsbürgerschaft und wurde faktisch staatenlos (Staatsangehörigkeit), weil die Homelands international nicht anerkannt waren. Der „Bantu Homelands Constitution Act“ (1971) ermächtigte die Regierung, die Homelands in die sog. Unabhängigkeit zu entlassen.

3. Unrechtsstaatlichkeit

Die erste Verfassung der Südafrikanischen Union vom 31.5.1910, die für ein „Dominium“ innerhalb des britischen Commonwealth noch vom Parlament in Westminster beschlossen werden musste, unterschied bereits zwischen weißen Bürgern (citizens) mit allen staatsbürgerlichen Rechten und schwarzen Untertanen (subjects), die weitgehend macht- und schutzlos waren, selbst wenn sie in der Kap-Provinz noch bis 1936 das aktive Wahlrecht besaßen. Die zweite Verfassung vom 31.5.1961, mit der sich Südafrika von britischen Einflüssen befreite und zur selbständigen Republik erklärte, behielt die Diskriminierung Nicht-Weißer unverändert bei. Die dritte Verfassung vom 22.9.1983, die am 3.9.1984 in Kraft trat, schuf ein sog.es Drei-Kammer-Parlament, dessen 1. Kammer (House of Assembly) für allg.e und eigene Angelegenheiten der Weißen zuständig war, während die 2. und 3. Kammer auf die Behandlung eigener Angelegenheiten der Inder (House of Representatives) oder Coloureds (House of Delegates) beschränkt blieb. Über Kompetenzkonflikte entschied der (weiße) Staatspräsident, dessen Votum nicht anfechtbar war.

In dieser „Scheindemokratie“ blieb die schwarze Bevölkerung mit über 80 % weiterhin von jeder politischen Mitwirkung ausgeschlossen (Partizipation). Die systematische Missachtung der Würde (Menschenwürde) und Gleichheit aller Menschen gilt als Strukturmerkmal der A. Im Alltag belastete die Nicht-Weißen aber v. a. die Einschränkung ihrer persönlichen Bewegungsfreiheit (durch Orts- und Aufenthaltsverbote) und die Beseitigung der Freizügigkeit (durch Zuweisung bes.r Wohn- und Siedlungsgebiete). Da es weder einklagbare Menschen- noch politische Teilhabe über allg.e Wahlen gab, konnte das A.-Regime, gestützt auf sein Gesetzgebungsmonopol, die Allmacht der Regierung und die verdeckten Operationen der Geheimdienste eine Gewalt- und Willkürherrschaft errichten, die zuweilen sogar terroristische Züge annahm (Terror).

Proteste und Verdikte der internationalen Gemeinschaft blieben nicht aus. Die „Internationale Konvention über die Unterdrückung und Bestrafung des Verbrechens der A.“ der UNO vom 30.11.1973 trat 1976 in Kraft. In Art. 7 Abs. 1 j) des Römischen Statuts des Internationalen Gerichtshofs vom 17.7.1998 zählt die A. zu den „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

4. Widerstand

Der gewaltsame Vollzug der A.-Gesetze, verbunden mit weiteren Repressionen, stießen auch im Inneren Südafrikas auf zunächst gewaltlosen, später bewaffneten Widerstand. Im Zentrum der Auflehnung gegen die A. stand der ANC (gegründet 1912) als Sammelbecken von Freiheitskämpfern aller Hautfarben. Er organisierte Streiks, führte Protestaktionen durch (z. B. Passverbrennung), leitete Anti-A.-Kampagnen und rief zu Massendemonstrationen auf, die meist blutig niedergeschlagen wurden (Massaker von Sharpeville). Nach seinem Verbot im April 1960 ging der ANC in den Untergrund und schuf eine militärische Einheit („Speer der Nation“ [Umkhonto we Siswe], kurz: MK), die Anschläge und Sabotageakte verübte. Wenig später wurde die gesamte MK-Führung, darunter auch Nelson Mandela, wegen revolutionärer Umtriebe angeklagt und zu lebenslanger Freiheitstrafe verurteilt.

5. Überwindung

Eine durch weltweite Boykottmaßnahmen (Boykott) gegen das A.-Regime hervorgerufene Wirtschaftskrise führte Ende der 80er Jahre in der National Party zu der Erkenntnis, dass die schwarze Mehrheit an der Macht beteiligt werden müsse. Der ANC forderte nach Aufhebung seines Verbots und der Freilassung N. Mandelas allg.e Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung. Vertreter der Parteien und aus der Zivilgesellschaft einigten sich in der CODESA auf ein Stufenverfahren: 1993 wurde zunächst eine Interim-Verfassung mit 34 Prinzipien beschlossen, aus der zwei Jahre später eine an diese Grundsätze gebundene Dauerverfassung hervorging, die am 8. Mai 1996 verabschiedet wurde und am 4. Februar 1997 in Kraft trat. Nach den ersten allg.en, freien und gleichen Wahlen vom April 1994 wurde unter der Präsidentschaft N. Mandelas (mit den Vizepräsidenten Frederik Willem De Klerk und Thabo Mbeki) eine Regierung der Nationalen Einheit gebildet. Die Wunden der Vergangenheit versuchte eine „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ (TRC) zu heilen. Die sozio-ökonomischen Gräben der A. sind allerdings noch immer tief und trennen weiterhin eine wohlhabende weiße Oberschicht von den besitzlosen Massen der schwarzen Bevölkerung.