Code Civil

1. Entstehungsgeschichte

Im Gegensatz zu vielen deutschsprachigen Ländern war es in Frankreich bis zum Ende des 18. Jh. kaum möglich, eine einheitliche Kodifikation des Privatrechts einzuführen. Es gab im Lande zu viele Standesprivilegien und eine Mehrzahl von diversen stark verwurzelten Lokalrechten. Außerdem zeigten die Könige kaum Interesse für die neuen Aufklärungsgedanken (Aufklärung). Durch die Französische Revolution fielen diese Beschränkungen weg. Wegen der politischen Instabilität in den Jahren 1789 bis 1799 scheiterten die ersten Kodifikationsentwürfe. Nach Napoleons Machtergreifung änderte sich die Situation. Für ihn hatte eine Kodifikation des Privatrechts absolute Priorität. Dieses Vorhaben war Teil seiner Politik, um erneut Ruhe und Ordnung herzustellen. Außerdem würde ein neues Gesetzbuch ausweisen, dass er mehr war als nur ein Militärdiktator. Napoleon war der Überzeugung, dass neue Gesetzbücher ihm langfristig mehr Ruhm bringen würden als Militärsiege. Schon 1800 bekamen Jean-Étienne-Marie Portalis, François Denis Tronchet, Félix Julien Jean Bigot-Préameneu und Jacques de Maleville den Auftrag, einen Entwurf aufzustellen. Innerhalb weniger Monate war der Entwurf fertig. Die Appellationsgerichte und das Kassationsgericht lieferten einige Kommentare. Es folgten Besprechungen im Staatsrat, öfters in der Gegenwart Napoleons. Er ordnete sogar persönlich einige nicht immer juristisch sehr gute Änderungen an. Die gesetzgebende Gewalt war geteilt. Das Tribunat hat sich über den Entwurf beraten, worauf die positive Abstimmung im Corps législatif stattfand. Letztendlich wurde der C.C. in verschiedenen Abschnitten in den Jahren 1803 und 1804 veröffentlicht. Dieses Gesetzbuch ist ab 1804 in Kraft getreten. 1807 revidierte Napoleon den Text. Darüber hinaus änderte er den Namen C.C. des Français in Code Napoleon, ein klares Zeichen seines persönlichen Interesses.

2. Quellen

Die Einführung des C.C. bedeutete die Abschaffung des alten Rechts. Jedoch gibt es eine große Kontinuität zwischen dem C.C. und dem alten Recht. Immerhin haben die Verfasser sich stark von altem Recht inspirieren lassen. Weiter spielte das revolutionäre Recht eine wichtige Rolle. Der C.C. hat mehrere der großen Revolutionsprinzipien, wie z. B. die Gleichberechtigung der Bürger oder die Ehescheidung, übernommen. Im Allgemeinen bemühte sich der C.C. die Exzesse der Revolution zu vermeiden. Es war also eher eine konservative Gegenreaktion. Nichteheliche Kinder z. B. verloren die gesetzliche Gleichberechtigung, die sie während der Revolution bekommen hatten. Für spezifische, detaillierte Rechtsbestimmungen griff der C.C. sogar zurück auf die Vorrevolutionszeit: königliche Gesetze, die Rechtsprechung der Parlamente (die ehemaligen Höchstgerichte), insbes. diese des Parlaments von Paris, das ius commune (römisches und römisch-kanonisches Recht als Gesamtrecht Europas), wie es zuvor in Frankreich angewandt wurde und das Gewohnheitsrecht. Auf Basis des Pariser Gewohnheitsrechts hatte sich sogar in der frühen Neuzeit schon eine Art von „droit commun de France“ (Gesamtfranzösisches Gewohnheitsrecht) entwickelt. Letztendlich vereinte der C.C. die zwei großen französischen Rechtstraditionen: das Gewohnheitsrecht Nordfrankreichs und das ius commune Südfrankreichs. Obwohl beide sich im C.C. vermischen, ist das Vermögensrecht doch eher römisch geprägt. Im Gegensatz dazu ist das Familienrecht, einschließlich des Familienvermögensrechts, stärker gewohnheitsrechtlich beeinflusst worden. Interessante Ausnahmen bilden die Adoption, das Eherecht und das Testament, die römischrechtliche bzw. kanonischrechtliche Wurzeln haben. Wegen der Kontinuität mit dem alten Recht konnte auch die erste französische Juristengeneration des 19. Jh. in der Tradition des alten Rechts weiterarbeiten.

3. Bedeutung

Der C.C. brachte Frankreich Rechtseinheit und trug maßgebend zur Bildung einer nationalen Identität bei. Das Gesetzbuch war auch ein Element der Stabilität. 1816 hat die neue königliche Herrschaft den Verweis auf Napoleon gestrichen, aber der C.C. selbst ist bis heute in Frankreich durchgehend in Kraft geblieben. Da sich die französische Verfassungen im 19. und 20. Jh. regelmäßig änderten, hat sich der C.C. sozusagen zu Frankreichs wirklicher Verfassung entwickelt. Der C.C. war in seiner ursprünglich Form auch ein literarisches Meisterwerk, das viele Autoren inspiriert hat.

Auch außerhalb Frankreichs war der C.C. sehr erfolgreich. In vielen Ländern Europas wurde er übernommen oder beeinflusste nationale Gesetzbücher: Belgien, Luxemburg, die Niederlande, große Teile der Schweiz und Deutschlands, Polen, Italien, Spanien, Portugal. Er beeinflusste auch Lateinamerika, Québec und Louisiana. Außerdem kam der C.C. in mehrere französische und belgische Kolonien in Afrika (Kolonialismus) sowie in einige arabische Staaten und in den Iran. Für diesen großen Erfolg gibt es mehrere Erklärungen. Der C.C. enthält jedoch zahlreiche Fehler (Widersprüche, ungenaue Definitionen, terminologische Verwirrungen, veraltete Theorien usw.) und begeisterte daher nicht jeden großen Gelehrten. Für die Laien war das neue Gesetzbuch, im Vergleich zum alten Recht, allerdings viel leichter zugänglich. Der C.C. war die Arbeit eines Militärdiktators, der auf verschiedene Weisen Vertragsfreiheit und Eigentumsrecht beschränkte. Jedoch hat das liberale Bürgertum (Bürger, Bürgertum) des 19. Jh. den Text ganz anders gelesen. Es stufte das Gesetzbuch als das Fundament der Eigentumsfreiheit und des Vertragsrechts ein. In vielen Regionen war die Wahl für das französische Recht auch keine freiwillige Entscheidung. Einhergehend mit einer französischen Besatzung oder Kolonisation folgte der C.C. In einigen anderen Ländern gab es bei der Erneuerung des Privatrechts schlichtweg nur das eine französische Beispiel.

Fast alle Länder die dem C.C. folgten, haben diesen inzwischen durch eine neue Privatrechtskodifikation ersetzt. Belgien bildet eine wichtige Ausnahme. In einigen Fällen sind die neuen Gesetzbücher jedoch dem französischen Modell treu geblieben. In Deutschland überlebte der C.C. nach 1815 in den linksrheinischen Gebieten und als Badisches Landrecht im Großherzogtum Baden. Im Rheinland verteidigte die Bevölkerung ihr „Rheinisches“ Recht gegen die preußischen und bayerischen Bestrebungen nach Rechtsvereinheitlichung. 1871 behielt das von Frankreich abgetrennte Reichsland Elsaß-Lothringen ebenfalls den C.C. Die Vereinheitlichung des Privatrechts durch das BGB im Jahre 1900 bedeutete jedoch das Ende des C.C. in Deutschland. Diese Wende war sehr tiefgreifend, da das neue BGB kaum durch das französische Recht beeinflusst worden war. In Frankreich gab es bis ca. 1880 kaum Änderungen, der C.C. wurde nur selten kritisiert. Die herrschende Lehre predigte eine exegetische Methode voller Hochachtung für den Text des C.C. Erst Ende des 19. Jh. – im Zug der neuen sozialen Bewegungen – stieg die Kritik und es folgten erste Änderungen. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg scheiterte der Versuch der Kommission Julliot de la Morandière, eine neue, mehr sozial ausgerichtete Kodifikation zu entwickeln. In den 1960er bis 1970er Jahren waren die Reformen des Familienrechts erfolgreicher. Jean Carbonnier sorgte dabei für die Harmonisierung der neuen Artikel mit dem alten Text. Im Vermögensrecht, insbes. für den Verbraucherschutz, erfolgte die Aktualisierung mittels Sondergesetze oder separaten Kodifikationen. Seit Anfang des 21. Jh. gibt es eine Bestrebung, den vermögensrechtlichen Teil des C.C. zu revidieren. Frankreich erhofft sich hiermit in der Diskussion der europäischen Rechtsvereinheitlichung eine moderne und attraktive Alternative zum BGB und den anderen Kodifikationen bieten zu können.