Kirchliche Gerichtsbarkeit

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  1. I. Katholisch
  2. II. Evangelisch

I. Katholisch

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1. Theologie und Geschichte (Theoretische Annäherung)

Die theologische Begründung k.r G. hängt unmittelbar mit der Frage nach dem theologischen Ort des Kirchenrechts zusammen. Die traditionelle katholische Antwort ist in der Lehre von der societas perfecta zu suchen (can. 1401 CIC). Ansätze einer k.n G. zeigen sich schon im NT (1 Kor 6,1–6; Mt 18,15–18). Seit 318 bzw. 333 besaßen die Bischöfe in Konkurrenz mit dem Staat eine anerkannte Zivilgerichtsbarkeit, später Schiedsgerichtsbarkeit unter Christen. Mit dem Eintritt der Kirche in den germanischen Rechtsbereich entstand das Sendgericht (Leitung: Archidiakon). Das heutige kanonische Prozessrecht hat zwei Wurzeln: das römische Recht und das klassisch-kanonische Recht des Hohen Mittelalters. Es ist an der Römischen Kurie entstanden (römisch-kanonischer Prozess). Literarischer Ausdruck dieser Entwicklung ist ab dem Ende des 12. Jh. der „Ordo iudiciarius“ (Tancred um 1216; Guilelmus Durantis 1271–91). Dieses Verfahrensrecht wurde von den kirchlichen Höchstgrichten, insb. der Römischen Rota weitergebildet. Es war Vorbild für das staatliche Prozessrecht. In der Signatura gratiae et iustitiae entwickelte sich an der Römischen Kurie eine eigene Gerichts- und Gnadenbehörde, die über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und deren Einführung entschied. Die res iudicata (Rechtskraft) wurde aus dem römischen Recht übernommen und weitergebildet. Dabei wurde nicht nur der Rechtssicherheit, sondern auch der salus animarum Genüge getan. In dieser Periode hat die Kirche auch einen weiten Zuständigkeitsbereich abgesteckt und beansprucht (alle Angelegenheiten, in denen das Seelenheil in Gefahr ist oder in denen eine Gefahr der Sünde gegeben war).

Das im CIC/1917 kodifizierte Prozessrecht wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil weitergebildet. So wurde der Eheprozess (Kirchliches Eherecht) verbessert und gestrafft (MP Causas matrimoniales, 27.3.1971). In einzelnen Teilkirchen kam es zu Neuentwicklungen, die sich entweder überhaupt von dem Charakter des Eheprozesses als Streitverfahren entfernten (Niederlande) oder eine wesentliche Kürzung und Vereinfachung des Verfahrens unter stärkerer Einbeziehung von Sachverständigen mit sich brachten (USA). Diesen teilkirchlichen Entwicklungen wurde ein betont gesamtkirchlich-einheitliches Prozessrecht im CIC/1983 gegenübergestellt. Mit der Kurienreform wurde 1967 in der katholischen Kirche wieder eine Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt (Apostolische Signatur). Der CIC behandelt das Verfahrensrecht im siebenten Buch („De processibus“). Außerhalb des CIC geregelt sind z. B. Selig- und Heiligsprechungsverfahren, Auflösung einer nichtsakramentalen Ehe zugunsten des Glaubens, Lehrbeanstandungsverfahren, Schiedsordnungen einzelner Diözesen.

2. Neueste Entwicklung: MP Mitis iudex, Arbeitsgerichtsbarkeit und „sexueller Missbrauch“

Papst Franziskus hat inzwischen mit zwei MP auch das Ehenichtigkeitsverfahren entscheidend geändert. Die beiden Codices CIC und CCEO wurden entspr. novelliert. Das Ehenichtigkeitsverfahren des CIC wurde durch das päpstliche MP Mitis iudex dominus Iesus, 15.8.2015 geändert; gleichzeitig auch das Verfahren im CCEO mit dem MP Mitis et misericors Iesus, 15.8.2015. Grundsätze: Die Bedeutung des Ortsbischofs als oberster Richter seiner Diözese, der möglichst selbst entscheiden soll, wird hervorgehoben. Die übereinstimmende Entscheidung zweier Richter/Instanzen ist im Normalfall nicht mehr erforderlich. Die vom ersten Richter gemäß Rechtsnorm erreichte „moralische Gewissheit“ (MP Mitis iudex dominus Iesus, I.) reicht aus. Laien (Frauen und Männer) werden als Richter nicht mehr gebraucht. Das Verfahren soll, soweit möglich, für die Beteiligten kostenfrei sein. Ein kürzeres Verfahren soll für Fälle geschaffen werden, in denen „die behauptete Ehenichtigkeit von besonders offenkundigen Argumenten gestützt wird“ (MP Mitis iudex dominus Iesus, IV.). Die Verantwortlichkeiten des Metropolitangerichts werden gestärkt, bei doch zulässigen Berufungen in derartigen Verfahren. Die teilkirchliche Durchführung des MP ist noch nicht abgeschlossen.

In Deutschland wurde eine eigene kirchliche Arbeitsgerichtsbarkeit (Kirchliches Arbeitsrecht) eingerichtet, die über Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts und des Dritten Weges entscheidet. Individualarbeitsrechtliche Streitigkeiten (z. B. die Frage, ob eine Kündigung oder eine Abmahnung rechtmäßig war) fallen in die Zuständigkeit von staatlichen Arbeitsgerichten.

Auf die vielen gesamt- und teilkirchlichen Normen zum Umgang mit den Fällen sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Amtsträger in der Kirche kann hier nur hingewiesen werden.

3. Begriffliches (Theoretische Annäherung)

Der CIC unterscheidet bei der Leitungsvollmacht zwischen Gesetzgebung, Verwaltung (Kirchliche Verwaltung) und G., ohne vom Grundsatz der Trennung der Gewalten beherrscht zu sein. Bei Papst und Bischof besteht grundsätzlich Einheit der Leitungsvollmacht, allerdings ist eine funktionale Trennung teils verpflichtend, teils fakultativ vorgeschrieben. Der Diözesanbischof muss einen Gerichtsvikar/Offizial bestellen. Das Amt des Offizials und des Generalvikars sind i. d. R. inkompatibel. Der Grundsatz der Kontrolle der Verwaltung durch Gerichte wurde im neuen Recht trotz gesetzesreifer Vorschläge nicht verwirklicht. G. ist organisatorisch jener Bereich der Leitungsvollmacht, der durch Richter oder Richterkollegien ausgeübt wird. Die Richter sind weisungsungebunden, sie werden auf bestimmte Zeit ernannt und dürfen nur aus rechtmäßigem und triftigem Grund abberufen werden (can. 1422 CIC). Inhaltlich hat G. Streitentscheidung, Feststellung von Rechtsverhältnissen, Rechtsgestaltung oder Strafverhängung zum Gegenstand. Die Gerichte haben aber auch Anteil an der Rechtserzeugung.

Die Funktion der k.n G. wird im CIC an verschiedenen Stellen angesprochen: cann. 6 § 2, 17, 18 CIC (Interpretation); can. 19 CIC (Lückenfüllung); can. 27 CIC (Gerichtsgebrauch); cann. 19, 1452, 1752 CIC (kanonische/Billigkeit und salus animarum). Praktisch umfasst die G. in der Kirche heute drei Bereiche: Ehegerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit (nur an der Römischen Kurie) und in zunehmendem Maße Schiedsgerichtsbarkeit (can. 1733 § 2 CIC; Teilkirchen). Begrifflich ist zwischen (all-)gemeiner G. und bes.r G. zu unterscheiden. Der gemeine Gerichtsweg zeichnet sich durch die notwendige Beobachtung bestimmter verfassungs- und verfahrensmäßiger Grundsätze aus. Der CIC unterscheidet zwischen dem Streitverfahren (cann. 1501–1655 CIC; diese Normen gelten subsidiär auch für andere Verfahrensarten), den bes.n Verfahrensarten und den Strafprozess. Verwaltungsgerichtsbarkeit wird in einem zweifachen Sinn verstanden: Verwaltungsgerichtsbarkeit alten Typs (= arteigene Rechtsprechung innerhalb der Verwaltung, z. B. Entlassung von Religiosen, Laisierung, Lehrbeanstandungsverfahren, summarischer Ehenichtigkeitsprozess, Separationsverfahren, Ab- und Versetzung von Pfarrern) und neuen Typs (= gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten; einziges Beispiel: Apostolische Signatur).

4. Verfassungs- und verfahrensmäßige Grundsätze (Praktische Annäherung 1)

Grundsätzlich besteht eine dreifache Abstufung der Gerichte: Bischöfliche Gerichte, Metropolitangerichte und gesamtkirchliche Gerichte (Römische Rota, Apostolische Signatur). Entspr. läuft auch der Instanzenzug. Das Metropolitangericht ist Berufungsgericht für die Gerichte der ersten Instanz der Kirchenprovinz. Dritte Instanz sind entweder die Rota oder ein anderes bischöfliches Gericht. Diese Ordnung kann allerdings durch die affectio Papalis (can. 1405 § 1 n. 4 CIC) und durch das Recht jedes Kirchengliedes, eine Sache unmittelbar beim Heiligen Stuhl einzubringen (can. 1417 § 1 CIC), durchbrochen werden. Die Gerichte werden entweder durch Einzelrichter oder als Kollegialgerichte (Ehenichtigkeitsverfahren, Weihenichtigkeitsverfahren) tätig. Gerichtspersonen sind: Offizial (Gerichtsvikar) und Vizeoffizial, Diözesanrichter, beratende Richter, Vernehmungsrichter, Notar und Gerichtsschreiber, Kirchenanwalt und Bandverteidiger. Zu Diözesanrichtern können auch Laien bestellt werden und in dieser Eigenschaft einem Kollegialgericht angehören, das nach MP Mitis iudex dominus Iesus aber nicht mehr der Normalfall ist. Klerikern vorbehalten sind das Amt des Offizials und Vizeoffizials. Vorgeschrieben sind Doktorat oder Lizentiat im kanonischen Recht (cann. 1420 § 4; 1421 § 3 CIC). Die Römische Rota ist ordentliches Berufungsgericht und wird als Kollegialgericht tätig. In bestimmten Fällen ist sie auch Gericht erster Instanz (z. B. Streitsachen der Bischöfe oder bei Zuweisung durch den Papst). Die Urteile der Rota werden gesammelt und in Jahresbänden von ihr selbst herausgegeben. Die Apostolische Signatur, ein Kollegialgericht von Kardinälen unter der Leitung eines Kardinalpräfekten, ist Kassationshof/Instanz für außerordentliche Rechtsmittel gegenüber der Rota, Befangenheitseinreden gegen Auditoren, Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten, oberste Gerichtsverwaltungsbehörde (erste Sektion) und kirchliches Verwaltungsgericht (zweite Sektion). Bei diesem Gericht lässt sich eine laufende Kompetenzerweiterung beobachten. Als Prozesspartei kann nur auftreten, wer parteifähig und prozessfähig ist. Bisher bestehende Beschränkungen des Klagerechtes, z. B. im Eheprozess (Nichtzugehörigkeit zur katholischen Kirche, Verschulden der Nichtigkeit), sind gefallen. Allerdings muss auch ein Rechtsschutzbedürfnis (z. B. neue Heirat eines Nichtkatholiken mit einer Katholikin) bestehen. Das Gericht kann nur tätig werden, wenn es zuständig ist (zuständiges Gericht = Gerichtsstand). Es gibt ordentliche (Wohnsitz des Beklagten) und Sondergerichtsstände (beim Papst: z. B. für oberste Inhaber der Staatsgewalt). Im Eheprozess besteht kumulative Zuständigkeit (can. 1673 CIC; MP Mitis iudex dominus Iesus). Verfahrensgrundsätze sind: Verhandlungs- bzw. Offizialmaxime (Strafsachen, Ehe- und Weihenichtigkeitsverfahren); Ausschluss der Öffentlichkeit; Schriftlichkeit.

5. Ablauf des Verfahrens (Praktische Annäherung 2)

Einzelne Verfahrensschritte sind: Einbringung der Klage – Annahme der Klage oder Klageablehnung – Ladung (bewirkt Gerichtsanhängigkeit) – Streitfestlegung – Beweisaufnahme (Beweismittel sind: Parteienvernehmung, Urkundenbeweis, Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis, richterlicher Augenschein) – Offenlegung der Prozessakten – Aktenschluss – Verteidigung – Urteil (der Richter erkennt auf Grund der Akten, er muss bzgl. der Richtigkeit seiner Entscheidung moralische Gewissheit besitzen). Das Urteil ist zu verkünden (can. 1615 CIC). Nach Eintritt der formellen Rechtskraft (zwei gleichlautende Urteile in derselben Sache, Verlust des Berufungsrechtes oder Verzicht auf die Berufung) ist es vollstreckbar. Damit tritt auch materielle Rechtskraft ein. Nicht in materielle, wohl aber in formelle Rechtskraft erwachsen Urteile in Personenstandssachen. Sie können bei Vorliegen neuer und schwerwiegender Beweise jederzeit wieder aufgehoben werden. Ordentliches Rechtsmittel ist die Berufung (appellatio). Ebenfalls als ordentliches Rechtsmittel wird die Nichtigkeitsbeschwerde bezeichnet (querela nullitatis). Das außerordentliche Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum) kann gegen ein offensichtlich ungerechtes Urteil eingebracht werden (Gründe in can. 1645 § 2 CIC taxativ aufgezählt). Nach zwei gleichlautenden Urteilen kann das Vollstreckungsdekret erlassen werden. Die gegen ein erstmaliges Constat-Urteil im Ehenichtigkeitsverfahren seit dem CIC/1983 vorgesehene automatischer Berufung (can. 1682 § 1 CIC) ist durch das MP Mitis iudex dominus Iesus wieder weggefallen.

6. Schiedlich-friedliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten

Im Prozessrecht des neuen CIC fällt bes. auf, dass Rechtsstreitigkeiten im Volk Gottes ohne Beeinträchtigung der Gerechtigkeit nach Möglichkeit vermieden und baldmöglichst friedlich beigelegt werden sollen (cann. 1446 § 1, 1659, 1713 und 1733 §§ 1, 2 CIC). Wo dies nicht möglich ist, haben die Richter nicht nur unter Bindung an das Gesetz, sondern auch unter Bindung an die kanonische Billigkeit und unter Wahrung des Seelenheils eine Entscheidung zu fällen (cann. 19, 221 § 2, 1737 § 3 und 1752 CIC).

II. Evangelisch

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1. Entstehung und Ziele

Eine von der kirchlichen Verwaltung getrennte, unabhängige k. G. zur Überprüfung rechtsförmlicher kirchlicher Entscheidungen entstand schrittweise ab dem späten 19. Jh. Nach dem Ende des landesherrlichen Summepiskopats 1918 und nochmals ab den 1950er Jahren hat diese Tendenz Auftrieb erhalten, die von der Entwicklung der staatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit befruchtet wurde. Es entstanden in den evangelischen Landeskirchen Spruchkollegien in Verfahren theologischer Lehrbeanstandung sowie drei Gerichtsbarkeiten: Disziplinargerichte (DG), Verwaltungsgerichte (VG) und Gerichte für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten (teilweise Schlichtungsstellen genannt, zumal sie auch Funktionen einer Einigungsstelle wie im Betriebsverfassungsrecht wahrnehmen). Disziplinarische „Amtszucht“ und theologische „Lehrzucht“ wurden bewusst – schon vor 100 Jahren – getrennt. Seit einer Strukturreform der k.n G. auf der Ebene der EKD im Jahr 2003 haben zahlreiche Landeskirchen ihre gerichtliche Zuständigkeit – ganz oder teilweise – auf die EKD übertragen.

Diese hier nur skizzierte Entwicklung, die weitgehend als abgeschlossen betrachtet werden kann, darf nicht als Ausdruck einer Gewaltenteilung in der evangelischen Kirche missverstanden werden, zumal in ihr gerade nicht „alle Gewalt“ vom Kirchenvolk ausgeht. Kirche gründet sich, worauf die – für das kirchliche Selbstverständnis bedeutsame – „Barmer Theologische Erklärung“ von 1934 hinweist, nicht auf Demokratie, sondern versteht sich als Christokratie (Christusherrschaft). Eine rechtsfreie Kirche ist damit nicht begründet. Vielmehr weiß sich die evangelische Kirche an ihr Recht gebunden und gewährleistet – daher – innerkirchlichen Rechtsschutz, aber nur in eigenen Angelegenheiten (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV). Ausgenommen davon sind in einigen Landeskirchen die gerichtliche Normkontrolle, v. a. aber geistliche Handlungen, etwa Fragen der Sakramentsspendung, die sich aufgrund ihrer theologischen und seelsorglichen Aspekte richterlicher Beurteilung entziehen. Ob die Kirchen den Kreis der Justitiabilität ihrer Entscheidungen weit genug gezogen haben, steht in der wissenschaftlichen und innerkirchlichen Diskussion. Seit der Einführung der obligatorischen Zivilehe 1875 gibt es in der evangelischen Kirche keine Grundlage für Ehegerichte, wie sie ab 1525 bestanden.

2. Aufgaben

Die sogar auf der Ebene der Kirchenverfassungen garantierte k. G. ist näher ausgestaltet in Organisations- und Verfahrensgesetzen, teils der EKD (KiGG.EKD, DG.EKD, MVG), teils der Landeskirchen (Verwaltungsgerichts- und Lehrbeanstandungsordnungen) oder der Kirchenbünde. Es besteht ein Instanzenzug. Revisionsgericht ist i. d. R. der Kirchengerichtshof der EKD (KGH.EKD). Während es in Lehrverfahren um bekenntnisrelevante theologische Lehrkonflikte mit Amtsträgern, also um die Lehrverantwortung der Kirche geht, urteilt das VG über Anfechtungs-, Feststellungs- und Verpflichtungsklagen in Kirchenverwaltungssachen und das DG über Disziplinarklagen gegen Amtsträger im Pfarrdienst- oder im Kirchenbeamtenverhältnis. Die Schlichtungsstelle wiederum entscheidet über Rechtskonflikte zwischen Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung, also Konflikte auf „betrieblicher“ Ebene von Kirche und Diakonie (Kirchliches Arbeitsrecht). Kein Gericht ist ein bes.r Schlichtungsausschuss, soweit er im Rahmen des Dritten Weges der Kirchen einen Konflikt innerhalb der Arbeitsrechtlichen Kommission löst, indem er deren rechtssetzende Funktion in casu übernimmt.

3. Besetzung und Arbeitsweise

Die Besetzung der Gerichte folgt dem Prinzip der Ehrenamtlichkeit bei Aufwandsentschädigung. Es handelt sich um Kollegialgerichte. Der Vorsitz setzt die Befähigung zum Richteramt (Richter) voraus. Die konkrete Besetzung der Gerichte, Präsidien und Kammern der k.n G. – häufig stellen sich aktive oder ehemalige Mitglieder von Bundes- oder Landesgerichten zur Verfügung – wird im Amtsblatt der zuständigen Kirche bekannt gemacht. Die Geschäftsstellen sind – wie die Gerichte selbst – von der Kirchenverwaltung unabhängig. Die Kirchengerichte tagen nach näherer Maßgabe der Verfahrensordnungen öffentlich. Gleiches kann für die Verhandlung vor der Spruchkammer in Lehrbeanstandungsverfahren gelten, die übrigens äußerst selten anhängig werden. Die höchsten Fallzahlen kennt die k. G. im Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts, gefolgt – mit Abstand – im Bereich des Verwaltungsrechts. Mangels eigener Vollstreckungsmöglichkeit können die Kirchengerichte ein kirchliches Aufsichtsorgan um Ersatzvornahme ersuchen (MVG) bzw. die staatlichen Gerichte um Amts- und Rechtshilfe, wie es mehrere evangelische Kirchenverträge vorsehen.

Verfahren, Struktur und Arbeitsweise der Kirchengerichte entsprechen rechtsstaatlichen Standards. Dass es sich um Kirchengerichte handelt, wird aber deutlich. Die Übertragung des Richteramtes setzt die Kirchenmitgliedschaft voraus, teils gilt dies auch für Bevollmächtigte und Beistände in kirchengerichtlichen Verfahren. Dem VG und dem DG gehören neben rechtskundigen auch theologische Richter (ordinierte Amtsträger) an, dem Gericht in MVG-Sachen auch Vertreter von Dienstnehmern und Dienstgebern. Die Verhandlungen selbst sollen mit Schriftlesung (VG) bzw. geistlicher Besinnung (DG) eröffnet werden. Teils ist ausdrücklich bestimmt, dass die Entscheidungen „Im Namen der Kirche“ ergehen (§ 18 KiGG.EKD). Die Mitglieder der k.n G. sind in ihrer richterlichen Tätigkeit nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das kirchliche Bekenntnis gebunden (Doppelbindung).

Die k. G. hat immer wieder Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung getroffen, etwa zur Wirkungstiefe des Begriffs der kirchlichen Dienstgemeinschaft oder zu subjektiven Rechten von Gemeindegliedern in Bezug auf Gemeindeversammlungen. Die wichtigsten Judikate der k.n G. verzeichnen die Rechtsprechungsbeilage zum ABl EKD (1992–2013), die einschlägigen Fachzeitschriften und die Internetplattform [www.kirchenrecht.de www.kirchenrecht.de].