Diskursethik

  1. I. Philosophisch
  2. II. Sozialethisch

I. Philosophisch

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1. Theoretische Grundlagen der Diskursethik

Unter dem in der zeitgenössischen Philosophie eingeführten Begriff einer D. versammeln sich unterschiedliche Ansätze zur Begründung von Ethik. Sie gehen von einem Konzept „öffentlicher Vernunft“ aus, das sie theoretisch aus einer Analyse des „kommunikativen Handelns“ und der Struktur des argumentativ verfassten Diskurses ableiten. Ihre Hauptvertreter, die Philosophen Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas, bedienen sich zur Begründung der D. des in der Philosophie bewährten „rekursiven Verfahrens“: Ausgehend von theoretischen Einsichten zur Bedeutung der Rolle der Sprache bei Charles Sanders Peirce, Ludwig Wittgenstein oder John Austin identifizieren sie in der Sprachpraxis der argumentativen Rede grundlegende Strukturen einer öffentlichen, im Prinzip allen Menschen zugänglichen Vernunft (Vernunft – Verstand), die niemand leugnen oder „hintergehen“ kann, der selbst argumentierend handelt. In einer von den Autoren selbst zeitweilig „transzendentalpragmatisch“ genannten Analyse wird aufgezeigt, dass jeder Mensch, der unter den jeweils spezifisch verschiedenen Bedingungen seiner Lebenswelt und gesellschaftlich bestimmten Alltagspraxis handelt, an einer „kommunikativen Praxis“ mit anderen Menschen teilnimmt. Hieraus ziehen die Vertreter der Diskurstheorie den Schluss, den kein theoretischer Skeptiker oder Kulturrelativist, ohne einen „performativen Selbstwiderspruch“ zu begehen, in Zweifel ziehen kann, dass es keine soziokulturelle Lebensform gibt, die „nicht auf eine Fortsetzung kommunikativen Handelns mit argumentativen Mitteln wenigstens implizit angelegt ist“ (Habermas 1983: 110). Mit diesem Aufweis der grundlegenden Rolle der Argumentation als eines strukturierenden Moments in der Welt des gesellschaftlichen Handelns ist die theoretische Grundlage für die begründende Rolle des ethischen Diskurses (daher auch der Name „D.“) bei strittigen Fragen nach dem moralisch richtigen Handeln in den pluralistischen, nachtraditionalen und modernen Gesellschaften (Gesellschaft) gelegt. So ist der Diskurs die bei J. Habermas handlungstheoretisch eingeführte soziale Situation, in der von den Handelnden selbst Argumente für und gegen den Geltungsanspruch von Aussagen über moralische Verpflichtungen ausgetauscht und überprüft werden können. Damit tritt in der D. an die Stelle der bei Immanuel Kant vorgesehenen innersubjektiven Prüfung von Handlungsmaximen die intersubjektive Prüfung moralischer Normen (Norm) oder sittlicher Regeln.

2. Das Programm der Diskursethik

Aus dieser Einsicht in die grundlegende Rolle des Diskurses als einer sozialen Situation, in der von den Akteuren selbst Argumente für und gegen den Geltungsanspruch von Aussagen vorgebracht werden, die im Lichte weiterer Argumente, vorgebracht von anderen Diskursteilnehmern, geprüft werden können, gewinnen die Vertreter der D. die Prinzipien für den ethischen Diskurs, als dessen Aufgabe die Überprüfung der „Sollgeltung von Geboten und Handlungsnormen“ (Habermas 1991:11) bestimmt wird. Die D. unterscheidet zwei Prinzipien oder Grundsätze: 1. den sog.n transzendentalpragmatischen Grundsatz ‚D‘ und 2. den sog.n Universalisierungsgrundsatz ‚U‘ : Der Grundsatz ‚D‘ besagt, dass „nur die Normen Geltung beanspruchen dürfen, die die Zustimmung der Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses finden (oder finden könnten)“ (Habermas 1983: 103). Aus diesem ersten und obersten Prinzip für eine ethische Begründung der Geltung sittlicher Normen folgt in der D. eine für alle Diskursteilnehmer bindende weitere Verfahrensregel, der Universalisierungsgrundsatz ‚U‘. Er besagt, dass eine strittige sittliche Norm unter den Diskursteilnehmern nur dann Zustimmung und somit Sollgeltung finden kann, „wenn die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus einer allgemeinen Befolgung der strittigen Norm für die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen voraussichtlich ergeben, von allen zwangslos akzeptiert werden können“ (Habermas 1983: 103). Aus diesem Ansatz von D. resultiert die Aufforderung von J. Habermas, dass die D. nur noch Fragen der alle Menschen betreffenden Gerechtigkeit behandeln kann.

In diesem Modell der Prüfung moralischer Normen durch die Teilnehmer eines ethischen Diskurses geht der Zustimmung zu einer (vormals strittigen) Norm die argumentativ vermittelte Einsicht in deren Sollgeltung voraus. Hieraus folgt die Selbstverpflichtung eines jeden Diskursteilnehmers, sein Handeln (Handeln, Handlung) an der von ihm anerkannten Norm auch praktisch wirksam auszurichten. So sollen sich hier Fremdverstehen und Selbstverstehen, die Einsicht in von anderen vorgetragene Argumente und deren Prüfung, die kognitive Erkenntnis der Sollgeltung einer Norm und moralische Selbstverpflichtung in ein komplexes, prozesshaft vorgestelltes Ganzes integrieren, das mit dem Begriff der Zustimmung im transzendentalpragmatischen Grundsatz ‚D‘ umrissen wird. Es muss allerdings beachtet werden, dass im ethischen Diskurs nur die moralische Geltung einer (strittigen) Norm von den jeweiligen Diskursteilnehmern intersubjektiv „anerkannt“ und auf diesem Weg als praktisch gültig „gerechtfertigt“ werden soll, nicht aber geltungstheoretisch allg. als gültig bewiesen und in diesem Sinn ethisch „begründet“ wird.

3. Probleme der Diskursethik

Die Übertragung der Aufgabe der ethischen Überprüfung sittlicher Normen oder Absichten von dem selbstreflexiv verfahrenden Subjekt als Träger der praktischen Vernunft bei I. Kant auf eine intersubjektive Diskursgemeinschaft bei den Vertretern der D. führt zu einer Reihe spezifischer Veränderungen in der Beschreibung der Aufgaben der Ethik, aber auch zu neuen Problemlagen der Moralphilosophie. Während I. Kant der praktischen Vernunft die Doppelaufgabe der moralischen Begründung und Gesetzgebung zuweist, erfüllt der ethische Diskurs die bescheidenere Aufgabe der Prüfung, Kritik oder Rechtfertigung von sittlichen Normen, die von Mitgliedern einer Diskursgemeinschaft vorgenommen wird. Die diskursive Vernunft gebietet aber nicht; in diesem Sinn tritt sie nicht die Nachfolge des kantischen Autonomieprinzips (Autonomie) an. Sie ist darauf angewiesen, dass die Diskursteilnehmer sich in ihrem Handeln (Handeln, Handlung) tatsächlich an den Einsichten orientieren, denen sie im ethischen Diskurs zugestimmt hatten. Damit stellt sich für die D. das vom Begründungsproblem zu unterscheidende Problem, wie die Teilnehmer am ethischen Diskurs auch zu einem Handeln gemäß ihrer Einsicht motiviert werden können. Ein weiteres Problem der D. resultiert aus dem Umstand, dass die im ethischen Diskurs erreichte Zustimmung auf der expliziten Grundlage der Interessen der Beteiligten beruhen soll. Sie werden durch die D. aufgefordert, im ethischen Diskurs die Folgen und Nebenwirkungen ihrer Zustimmung zu einer sittlichen Norm vor dem Hintergrund ihrer Interessen abzuwägen. Dieser Vorschlag der D. wirft eine Reihe grundlegender Fragen auf wie z. B. das Problem, wie auf diesem Weg der Gedanke einer allgemeinen Reichweite oder Universalität bestimmter sittlicher Normen begründet werden kann. Es bleibt unklar, wie aus einer Interessensabwägung überhaupt ein moralischer Anspruch auf Geltung sittlicher Normen abgeleitet werden kann. Die Annahme von sog.n „allgemeinen“, d. h. allen Menschen eigentümlichen „Interessen“, wie sie auch im ethischen Utilitarismus unterstellt werden, löst die mit diesen Fragen angezeigten Probleme nicht. Vielmehr führt sie zu neuen Begründungsproblemen, bindet die Ethik an Annahmen einer vormoralischen Anthropologie und provoziert zu der Frage, ob hier nicht das Problem der Heteronomie des moralisch Gesollten in einer gegenüber der Moralphilosophie I. Kants neuen, also veränderten Form wieder auftritt. Schließlich geht mit der Reduktion der D. auf Fragen der Gerechtigkeit nicht nur eine extreme Einschränkung der Zuständigkeit der philosophischen Ethik einher, sondern auch das metaethische Problem, ob es kognitiv möglich und ethisch sinnvoll ist, die Fragen einer evaluativen Bewertung menschlichen Handelns (die Fragen nach dem sittlich „Guten“) von den Fragen einer normativen Beurteilung (die Fragen nach dem sittlich „Gesollten“ oder „Gerechten“) nicht nur zu unterscheiden, sondern wie die D. ausdrücklich sagt, sogar „radikal“ zu „trennen“.

II. Sozialethisch

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Die D. sucht nach elementaren Voraussetzungen menschlichen Handelns (Handeln, Handlung), die zugleich eine normative Vorgabe für die Ausgestaltung menschlicher Beziehungen darstellen. Diese Reflexion vollziehen ihre Vertreter (v. a. Jürgen Habermas, Karl-Otto Apel) im Kontext des Wechsels von einem (bewusst-)seinsphilosophischen bzw. subjekttheoretischen Ansatz zu einem kommunikationstheoretischen Paradigma der Moralphilosophie. Die D. steht für das Konzept einer Moraltheorie, das die kommunikative Vernunft als Bezugsgröße auszeichnet, von der aus unter den Bedingungen der Moderne die Rechtfertigung allgemeinverbindlicher moralischer Verpflichtungen möglich ist. Eine christliche (Sozial-)Ethik findet hier ein philosophisches Modell der Ethikbegründung vor, mit dessen Hilfe sich die allg.e Zustimmungsfähigkeit ihrer normativen Aussagen auch ohne Rückgriff auf ein metaphysisch begründetes Naturrecht aufzeigen lässt.

1. Kommunikation – Gesellschaft – Sozialethik

Ansatz und Anliegen der D. bestehen darin, eine strittige Materie derart zu regeln, dass die daraus resultierenden Folgen aus der Perspektive aller Betroffenen zustimmungsfähig sind. Dabei wird ein Prüfverfahren konzipiert, das aus den normativen Implikationen kommunikativen Handelns bzw. diskursiver Argumentation abgeleitet ist. Kommunikatives Handeln wird hierbei nicht als der bes. Anwendungsfall einer andernorts begründeten Ethik betrachtet, sondern selbst als Erkenntnisort ethischer Normen (Norm) identifiziert. Zugleich gilt diese Interaktionsform als eine der elementaren Wirkkräfte für den Aufbau und Bestand sozialer Systeme. Die gesellschaftliche Relevanz der D. ist daher sozialanalytisch und -kritisch definiert: Die ethische Qualifizierung eines Sozialsystems bemisst sich danach, ob dort jene Voraussetzungen angetroffen werden, unter denen eine freie und chancengleiche Teilnahme der Bürger an politischen und moralischen Diskursen möglich ist. Nur jene Gesellschaft darf letztlich als ethisch gerechtfertigt gelten, die mit ihrer Infrastruktur nicht nur die gerechte Verteilung materieller und kultureller Güter fördert (Gerechtigkeit), sondern ihren Mitgliedern auch die Möglichkeit einer diskursiven und somit ethisch gerechtfertigten Aushandlung von strittigen Interessen (Interesse), Bedürfnissen (Bedürfnis) und Normen gewährt.

Der Beitrag der D. zur Konzeption einer modernitätskompatiblen Sozialethik beschränkt sich auf die Angabe von Bedingungen, unter denen sich die Vielfalt je individueller Entwürfe gelungenen Lebens egalitär entfalten kann. Es ist dies eine zwar lediglich formale, aber im Hinblick auf ihre inhaltliche Ausgestaltung sehr anspruchsvolle Bestimmung eines Verfahrens zur Klärung von Interessenskonflikten und moralischen Geltungsansprüchen.

2. Diskursethik und katholische Soziallehre

Affinitäten zwischen D. und einer christlichen Moral, zu deren Kern ein kommunikatives Freiheits- und Vernunftverständnis gehört, sind unabweisbar und eröffnen neue Möglichkeiten, die materialethischen Basisüberzeugungen der katholischen Soziallehre plausibel zu machen. Was dort mit den Prinzipien der Personalität, der Sozialität bzw. des Gemeinwohls und der Solidarität an Urteilskriterien und Richtlinien für das konkrete Handeln und an Maßstäben zur ethischen Analyse sozialer Situationen, Strukturen und Systeme entwickelt wird, kann kommunikationstheoretisch rekonstruiert und diskursethisch abgesichert werden. Konvergenzen zwischen katholischer Soziallehre und D. sind bereits hinsichtlich der Deutung der anthropologischen und sozialen Dimension der normativen Vernunft (Vernunft – Verstand) erkennbar: Sprach- und handlungsfähige Subjekte (Subjekt) realisieren diese Fähigkeiten nicht kraft einer genetischen Anlage, sondern nur dadurch, dass sie als Mitglieder einer jeweils bes.n Sprachgemeinschaft in eine intersubjektiv geteilte Lebenswelt hineinwachsen. Hierbei kommt es gleichursprünglich zum Aufbau personaler und sozialer Identität. Denn die wachsende Selbstbestimmung des Individuums ist verschränkt mit der zunehmenden Integration in soziale Bezüge und Abhängigkeiten. Daraus erklärt sich die gleichsam konstitutionelle Verletzbarkeit der Identität und Integrität von Person und lebensweltlichem Beziehungsgefüge. Ihr Schutz ist stets nur gemeinsam und gleichzeitig zu gewährleisten. Er muss der Integrität der einzelnen Person gelten und ebenso dem Geflecht gegenseitiger Anerkennungsverhältnisse, in denen Personen ihre Identität und Freiheit nur wechselseitig stabilisieren können.

Daher lehnt auch die katholische Soziallehre alle Formen eines liberalistischen Individualismus ab, wie sie ebenso jeder Spielart des Kollektivismus entgegensteht. Ethische Orientierungen haben vor diesem Hintergrund stets zwei Aufgaben in einem zu bewältigen: Sie bringen die Belange der Individuen zur Geltung, indem sie die Achtung vor der Würde und Freiheit eines jeden fordern. Im selben Maße schützen sie aber auch die Beziehungen intersubjektiver Anerkennung. Über diese Beziehungen erwerben Individuen als Angehörige einer Gemeinschaft eine soziale Identität und ebenso drückt sich darin die Identität ihrer Lebenswelt aus. Diesen beiden komplementären Aspekten „entsprechen die Prinzipien der Gerechtigkeit und der Solidarität. Während das eine gleichmäßige Achtung und gleiche Rechte für jeden einzelnen postuliert, fordert das andere Empathie und Fürsorge für das Wohlergehen des Nächsten“ (Habermas 1986: 21). Gerechtigkeit bezieht sich auf die gleiche Freiheit autonomer, d. h. unvertretbarer und sich selbst bestimmender Individuen (Autonomie), während sich Solidarität auf das Wohl der in einer sozialen Lebensform miteinander verbundenen Subjekte bezieht.

Die D. führt beide Prinzipien auf eine gemeinsame anthropologische Wurzel zurück: auf die Verletzbarkeit von Lebewesen, die nur durch Vergesellschaftung zu sich selbst kommen. Im praktischen Diskurs werden beide Prinzipien zusammengeführt, indem er eine rationale Willens- und Urteilsbildung in Aussicht stellt, welche die Interessen (Interesse) eines jeden einzelnen zum Zuge kommen lässt, ohne das soziale Band zu zerreißen, das sie miteinander verknüpft: „Ohne die uneingeschränkte individuelle Freiheit der Stellungnahme zu kritisierbaren Geltungsansprüchen kann eine faktisch erzielte Zustimmung nicht wahrhaft allg. sein; ohne die solidarische Einfühlung eines jeden in die Lage aller anderen wird es zu einer Lösung, die allg.e Zustimmung verdient, gar nicht erst kommen können“ (Habermas 1986: 23). Ein rationaler Diskurs schafft durch seine Regeln gegenseitiger Anerkennung ein soziales Netz, das die Belange der Individuen schützt. Dieses Netz hat wiederum nur Bestand, wenn alle Subjekte davon absehen, ihre bloß individuellen und nicht verallgemeinerbaren Ansprüche gesellschaftlich durchzusetzen.

Die katholische Soziallehre hat zwischen die Pole der Personalität und Sozialität noch das Brückenprinzip der Subsidiarität gestellt. Das Subsidiaritätsprinzip schützt einerseits die Unvertretbarkeit der Individuen und den „Selbststand“ kleinerer sozialer Einheiten. Andererseits klagt es die „Solidarität von oben“ ein, die nicht nur das Prinzip der Personalität abstützt, sondern auch aus Gemeinwohlüberlegungen gefordert ist. Zum Gemeinwohl zählen alle Werte (Wert) und Güter, die der Selbstverwirklichung des Einzelnen dienen, sich aber nur auf dem Wege kommunikativen Handelns realisieren lassen und somit immer auch auf ein intersubjektives, soziales Wohl zielen.

3. Reichweite und Grenzen der Diskursethik

Bei der inhaltlichen Bestimmung des Gemeinwohls bleibt die D. sehr zurückhaltend und rechtfertigt dies mit der pluralistischen Struktur bestehender Lebensverhältnisse und Lebenslagen. „Je mehr sich in modernen Gesellschaften besondere Interessen und Wertorientierungen ausdifferenzieren, um so allgemeiner und abstrakter sind eben die moralisch gerechtfertigten Normen, die die Handlungsspielräume der Individuen im allgemeinen Interesse regeln“ (Habermas 1986: 26). Die Frage, was gleichermaßen gut für alle Mitglieder einer Gesellschaft ist, transformiert sie in die Frage, wie Interessenskonflikte in einem allg. akzeptierten Verfahren konsensuell (Konsens) ausgetragen werden können. Diese Umstellung hat ihr den Vorwurf eingetragen, dass sie vom Guten (Gute, das) nur das Gerechte übrig gelassen hat. Mit diesem Vorwurf verbindet sich ein zweiter Kritikpunkt: Ansatz und Zuschnitt der D. machen sie nur kompetent für die Bewältigung von Begründungsproblemen der Moral in der Moderne. Für Fragen einer „angewandten Ethik“ oder für eine Stimulierung von ethischen Haltungen sind von ihr keine substantiellen Beiträge zu erwarten. Sie präjudiziert von sich aus weder Ziele und Zwecke menschlichen Miteinanders noch zeichnet sie bestimmte Wertgrundlagen sozialer Institutionen (Institution) inhaltlich aus. Indem sie aber Verfechter normativer Handlungs- und Wertorientierungen auf eine argumentative Rechtfertigung ihrer Geltungsansprüche festlegt und von ihnen den Test der Universalisierbarkeit verlangt, sprengt sie jeden sozialen Partikularismus und ethischen Relativismus auf.