Mitbestimmung

  1. I. Wirtschaftliche Perspektiven
  2. II. Rechtliche Regelung

I. Wirtschaftliche Perspektiven

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1. Historischer Hintergrund

M. beinhaltet die Beteiligung der von Entscheidungen Betroffenen an deren Zustandekommen, z. B. durch eine Vertretung in Leitungs- bzw. Kontrollgremien und Vetorechte. Ein zunächst seit dem 19. Jh. von einzelnen christlich geprägten Unternehmern vertretenes Leitbild sah begrenzte Mitwirkungsmöglichkeiten für ältere oder sehr werkstreue Arbeiter vor. Es erwies sich bei fortschreitender Industrialisierung (Industrialisierung, Industrielle Revolution) als unzureichend. Beratende Arbeiterausschüsse wurden noch im Kaiserreich für den Bergbau staatlich vorgeschrieben. Die freien Gewerkschaften sahen sie als Konkurrenz zu sich an und lehnten sie ab. Ab den 1890er Jahren unterstützten viele Anhänger des Sozialkatholizismus (Sozialer Katholizismus) und des sozialen Protestantismus interkonfessionell ausgerichtete christliche Gewerkschaften (Christliche Arbeitnehmerorganisationen), die eine gesetzliche Anerkennung als Interessenvertreter der Arbeitnehmer forderten. Nach dem Ersten Weltkrieg gaben auch die sozialdemokratisch ausgerichteten Gewerkschaften ihre noch vor dem Krieg gehegte ablehnende Haltung gegen gesonderte betriebliche Vertretungsorgane auf. Gesetzliche M.s-Rechte der Arbeitnehmer wurden erstmals in der Weimarer Republik durch Schaffung des kollektiven Arbeitsrechts verwirklicht (BetrVG 1920; ab 1922 auch Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat). Dies prägte nach der Aussetzung in der Nazizeit auch die BRD. Wirtschaftliche M. wurde nach 1945 zwischen der von den Christdemokraten angeführten Bundesregierung und den Gewerkschaften in Form eines „sozialen Gründungskomisses“ (Jähnichen 2016: 1044) institutionalisiert. Gesetzliche M. wurde in Deutschland folglich unmittelbar nach den Weltkriegen etabliert. Sie basierte auf sozialreformerischen Ideen etwa zur Demokratisierung der Wirtschaft und zur Gleichstellung von Arbeit und Kapital bei der Produktionsentscheidung. Die Arbeitgebervertreter akzeptierten gewerkschaftlich geforderte gesetzliche M. in einer Marktwirtschaft dabei v. a., um aus ihrer Perspektive noch Schlimmeres (Risiko einer Sozialisierung privater Produktionsmittel 1918/19; Gefahr der Auslandskontrolle 1946) zu verhindern. Ihre Verwirklichung in der BRD gilt als „ein international einmaliges Modell der betrieblichen, unternehmerischen und gesellschaftlichen Mitbestimmung“ (Zerche u. a. 2000: 55).

2. Arten der wirtschaftlichen Arbeitnehmermitbestimmung

Wirtschaftliche M. beinhaltet in der BRD die Mitwirkung der Repräsentanten der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite (Sozialpartner) bei übergreifenden politischen Entscheidungen der Regierungen durch eine institutionalisierte Beteiligung dieser Verbände. Dieser Aspekt bleibt trotz einer Revitalisierung dieser Zusammenarbeit im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise (Finanzmarktkrise) von 2008/09 umstritten. Solche neokorporatistischen Arrangements haben heute wegen möglicher unerwünschter Nebenwirkungen durch Interessenausgrenzung Nichtbeteiligter und aufgrund der die (internationale) Abwanderung des Kapitals erleichternden Globalisierung bei gleichzeitiger Bedeutungszunahme der betrieblichen Ebene erheblich an Bedeutung verloren. Die Mitgliederbasis der Tarifverbände und die Abdeckung mit Tarifverträgen erodieren, sodass sie zudem ihre Verpflichtungsfähigkeit gegenüber dem Staat einbüßen, zuvor getroffene Vereinbarungen einzuhalten. Überbetrieblich findet sich eine M. dieser Gruppen in den Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungen und der Arbeitsverwaltung. Ebenfalls erfolgt mitwirkende Repräsentation oder Beratung in öffentlichen Institutionen, etwa im Rundfunkrat oder Befragungen im Deutschen Bundestag. Die demokratische Legitimation dieser Einflussnahme ist jedoch umstritten. Aus der Möglichkeit des individuellen Miteigentums von Arbeitnehmern an Unternehmen ergeben sich je nach Rechtsform ebenfalls gewisse Mitwirkungsrechte. Deren Einfluss ist mangels kollektiver Interessenwahrnehmung gering. Bereits der Tarifvertrag lässt sich schließlich schon als Form der gewerkschaftlichen M. ansehen. Denn hier können Beschäftigte indirekt über ihre Vertreter durch Mitsetzung von Regeln mit Hilfe von Tarifverträgen unternehmerische Funktionen ausüben. Tarifpolitische M. hat aber wegen der erwähnten abnehmenden Tarifbindung deutlich an Einfluss verloren. Dies erklärt, warum M. heute häufig für die direkt auf die Arbeitsbeziehungen und wirtschaftliche Aspekte bezogenen Regelungen auf Betriebs- oder Unternehmensebene reserviert wird.

3. Wirkungen

Das deutsche M.s-Recht geht im Ländervergleich sehr weit, was kontrovers eingeschätzt wird. Für Kritiker belastet sie per Saldo den Wirtschaftsstandort, da sie Entscheidungsprozesse kompliziere und die Rentabilität von Investitionen vermindere. Befürworter sehen in ihr hingegen einen Grund der wirtschaftlichen Erfolge Deutschlands, weil M. die Identifikation der Beschäftigten mit den Unternehmenszielen und ihre Motivation stärke. Theoretisch und empirisch sind die Effekte der M. nicht eindeutig. In Deutschland hat sich aber eine Kultur des kooperativen Miteinanders in den Arbeitsbeziehungen entwickelt, die Arbeitskämpfe vermindert. M. gilt daher oft als Pfeiler der deutschen Sozialen Marktwirtschaft.

II. Rechtliche Regelung

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1. Theoretische Grundlagen

Der M.s-Gedanke bedeutet, dass bei der Schaffung und Ausgestaltung einer das Zusammenleben in einer menschlichen Gemeinschaft regelnden Ordnung auch die Mitglieder dieser Gemeinschaft ein Mitspracherecht haben sollten. Von M. ist dabei typischerweise nur die Rede, wenn es um die Beteiligung einer Gruppe von Personen geht, nicht dagegen, wenn es nach dem individuellen Konsensprinzip der Zustimmung einer einzelnen Person bedarf, um für diese konkrete Rechtsfolgen zu erzeugen. Beteiligung kann unmittelbar durch kollektive Mitentscheidungsrechte der Gruppenmitglieder selbst oder mittelbar durch regelmäßig von der Gruppe gewählte Repräsentanten erfolgen.

Der M.s-Gedanke hingegen wird etwa im Rahmen der Staatsverfassung durch das Demokratieprinzip verwirklicht. Hier meint M. die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung der sie betreffenden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Das System der M. entstand in Abgrenzung zu der v. a. im 19. Jh. herrschenden Idee, dass der Arbeitgeber als Inhaber des Unternehmens „Herr im eigenen Hause“ sein und die alleinige Entscheidungsgewalt über die dort geltenden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen haben müsse. Eine mitbestimmte Ordnung soll dagegen die Arbeitnehmer vom Objekt zum mitgestaltenden Subjekt machen. Die hiermit verbundene Teilhabe der Arbeitnehmer an den Entscheidungen prägt wesentlich die „Verfassung“ des Unternehmens oder Betriebs als menschliche Gemeinschaften mit wirtschaftlicher Zwecksetzung. M. wird daher vielfach auch als Ausprägung des Gedankens der „Wirtschaftsdemokratie“ angesehen. Dass es Verbindungslinien zwischen der Beteiligung der Bürger im Staat und der Beteiligung der Arbeitnehmer im Unternehmen oder Betrieb gibt, wird auch daran erkennbar, dass der erste (gescheiterte) Versuch der Errichtung von Fabrikausschüssen von der Nationalversammlung 1848/49 unternommen wurde. Dem Gedanken der konstitutionellen Monarchie entsprach derjenige der „konstitutionellen Fabrik“.

Die M. erfolgt im Regelfall aufgrund einer gesetzlichen Regelung in Gestalt der mittelbaren Beteiligung der Arbeitnehmer durch von diesen gewählte Repräsentanten. Das Gesetz schränkt damit die weitgehende Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers und Unternehmers ein. Zugl. schafft die staatliche Norm die rechtliche Legitimation für das Tätigwerden der Interessenvertreter im Verhältnis zu den Arbeitnehmern. M. ist also durch die Schaffung einer institutionalisierten Gruppenrepräsentation der Arbeitnehmer auf gesetzlicher Grundlage gekennzeichnet. Nicht sinnvoll ist es, auch die Tarifautonomie als Ausprägung des M.s-Gedankens anzusehen (so Bernd Rüthers in der Vor-Aufl.), denn Tarifverträge regeln die Arbeitsbedingungen zunächst und in erster Linie für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG). Diese Mitgliedschaft wiederum wird durch freiwilligen Beitritt zu der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisation erworben. Tarifautonomie wird deshalb heute mit Recht überwiegend als kollektiv ausgeübte Privatautonomie angesehen, die dem Konsensprinzip (Konsens) folgt.

2. Verschiedene Formen der Arbeitnehmerbeteiligung

Man unterscheidet im Hinblick auf die Formen der Arbeitnehmerbeteiligung zwischen der betrieblichen M. und der M. im Unternehmen. Unterschiede bestehen v. a. unter zwei Aspekten.

Der eine betrifft den Gegenstand der M. Die betriebliche M. verschafft den Arbeitnehmern in erster Linie Mitspracherechte bei Entscheidungen, welche sich auf den Betrieb als arbeitsorganisatorische Einheit beziehen. Es geht um Angelegenheiten, welche die Arbeitnehmer deshalb betreffen, weil sie im Rahmen ihrer Tätigkeit in die betriebliche Organisation eingegliedert und daher den dort geltenden Arbeitsbedingungen unterworfen sind. M. im Unternehmen bezieht sich dagegen auf die originär unternehmerischen Entscheidungen selbst. Eine trennscharfe Abgrenzung ist nicht möglich, weil auch die betriebliche M. mitunter den Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten berührt. Vorwiegend geht es bei der betrieblichen M. jedoch um Mitsprache bei Maßnahmen unternehmerischer Art, die Folgewirkungen für den Betrieb als organisatorische Einheit entfalten oder entfalten können.

Der zweite Aspekt betrifft die Art und Weise der Repräsentation. Im Bereich der betrieblichen M. erfolgt die Beteiligung der Arbeitnehmer dergestalt, dass einem eigens zu diesem Zweck gebildeten Gremium (dem Betriebs- oder Personalrat) durch Gesetz Mitwirkungs- und M.s-Rechte in bestimmten Angelegenheiten zugewiesen werden. Die gewählten Repräsentanten treten dem Arbeitgeber als Gesprächs- und Verhandlungspartner gegenüber. Betriebliche M. ist demnach durch ein dualistisches Modell gekennzeichnet, das auf dem Gegenmachtsprinzip beruht. Kerngedanke ist, dass ein fairer Interessenausgleich zustande kommt, wenn Vertreter unterschiedlicher Interessen zu einer konsensualen Lösung finden müssen und gewährleistet ist, dass nicht eine Seite allein ihre Interessen durchsetzen kann. Im Bereich der Unternehmens-M. erfolgt die Beteiligung dergestalt, dass die Arbeitnehmer Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden, wo sie dieselben Rechte und Pflichten haben wie die Vertreter der Anteilseigner. Der Ausgleich zwischen den Interessen erfolgt gleichsam intern im Rahmen der Willensbildung des Unternehmensorgans. Man kann daher von einem Integrationsmodell sprechen.

3. Rechtsgrundlagen

3.1 Betriebliche Mitbestimmung

Die betriebliche M. ist vornehmlich im BetrVG geregelt. Die heute geltende Fassung stammt im Wesentlichen aus dem Jahr 1972 und hat seither nur geringfügige Veränderungen erfahren. Die erste gesetzliche Regelung erfolgte – nach gewissen Vorläufern in der Reichsgewerbeordnung (1891) und dem „Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst“ (1916) – im BRG aus dem Jahre 1920. Dieses sah vor, dass in allen Betrieben mit mindestens 20 Arbeitnehmern „zur Wahrnehmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer“ Betriebsräte zu bilden sind (§ 1 BRG). In der Bezeichnung „Betriebsrat“ scheint noch die Vorstellung einer „Räterepublik“ durch, welche auch in Art. 165 Abs. 2 WRV ihren Niederschlag gefunden hatte. Der Sache nach handelte es sich bei den Betriebsräten aber nicht um die unterste Stufe einer Wirtschaftsverfassung nach dem Räteprinzip, sondern bereits um eine Interessenvertretung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer i. S. d. heutigen Regelung. Nachdem das Betriebsrätesystem während der NS-Diktatur (Nationalsozialismus) durch ein autoritäres, nach dem „Führerprinzip“ organisiertes System abgelöst worden war, in dessen Mittelpunkt der vom „Betriebsführer“ geleitete Vertrauensrat stand, wurde die in der Zeit der Weimarer Republik bestehende Betriebsverfassung nach 1945 zunächst durch Ländergesetze bzw. durch ein Gesetz des Kontrollrats weitgehend wiederhergestellt. Nach der Gründung der BRD erfolgte durch die Schaffung des BetrVG im Jahre 1952 eine bundeseinheitliche Regelung. Sie knüpfte an das BRG an, ging jedoch im Hinblick auf den Umfang der M.s-Rechte deutlich hierüber hinaus. Eine Verstärkung und Ausweitung der M. erfolgte in der Zeit der SPD/FDP-Koalition mit der Neufassung des BetrVG im Jahre 1972.

Die Vorschriften des BetrVG gelten nur in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen (§ 130 BetrVG). Für den Bereich des öffentlichen Dienstes finden sich entspr.e Regelungen in den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder. Abgesehen von der terminologischen Abweichung, dass die Arbeitnehmervertretung den Namen „Personalrat“ trägt, sind die Regelungen im Übrigen stark an diejenigen des BetrVG angelehnt. Dies gilt insb. für das BPersVG.

Seit einigen Jahren wird die betriebliche M. zunehmend durch EU-Recht (Europarecht) beeinflusst. So ergeben sich aus der RL 2002/14/EG Mindestvorgaben im Hinblick auf die Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmervertretern in Unternehmen oder Betrieben sowie deren Schutz bei der Wahrnehmung ihres Amtes. Die Richtlinie setzt einen sehr allg. gefassten Rahmen und überlässt die Ausgestaltung den Mitgliedstaaten. Allerdings ergibt sich hieraus die zwingende Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten unter den dort genannten Voraussetzungen überhaupt eine Arbeitnehmervertretung schaffen und dass diese mit Beteiligungsrechten ausgestattet sein muss. Weitere Regelungen beschäftigen sich mit der Beteiligung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit, d. h. in mindestens zwei Mitgliedstaaten operierenden Unternehmen (RL 2009/38/EG über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats) sowie in Unternehmen, die sich der spezifischen, durch Unionsrecht geschaffenen Rechtsformen der Europäischen (Aktien-)Gesellschaft (SE) oder der Europäischen Genossenschaft (SCE) bedienen (RL 2001/86/EG, RL 2003/72/EG). Gemeinsames Kennzeichen dieser Regelungen ist, dass sie primär auf eine Verhandlungslösung setzen: die Leitung des Unternehmens und ein hierzu gebildetes bes.s Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer vereinbaren die näheren Modalitäten über die Bildung der Arbeitnehmervertretungen und deren Rechtsstellung. So können sie festlegen, auf welche Weise Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer zu erfolgen haben. Nur wenn eine Vereinbarung nicht zustande kommt, gilt eine gleichsam „subsidiäre“ gesetzliche Regelung. In Deutschland sind die Richtlinien durch das EBRG, das SEBG und das SCEBG umgesetzt worden.

3.2 Unternehmensmitbestimmung

Für den Bereich der Unternehmens-M. gibt es aus historischen Gründen nach Größe und Gegenstand der Unternehmen unterschiedliche Vorschriften. Schon § 70 S. 1 BRG sah vor, dass in Unternehmen mit Aufsichtsrat ein oder zwei Betriebsratsmitglieder dorthin entsandt werden können. Die politische Diskussion um eine M. der Arbeitnehmer in den Organen des Unternehmens gewann jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich an Fahrt. Aufgeladen wurde die Debatte nicht zuletzt durch die (problematische) Rolle, die einige Wirtschaftsbereiche bei der Unterstützung des NS-Regimes und bei der Kriegsführung gespielt hatten. Dies ließ den Ruf nach einer stärkeren Kontrolle v. a. großer und einflussreicher Industrieunternehmen durch Arbeitnehmervertreter in den Unternehmensorganen laut werden. Der Aspekt der Kontrolle trat zu dem – nach wie vor bedeutsamen – Ziel hinzu, mit einer solchen Repräsentation die Selbstbestimmung der Arbeitnehmer und die Idee einer Wirtschaftsdemokratie zu fördern. Hauptstreitpunkte in der Debatte waren zum einen das Verhältnis von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsräten, insb. ob diese eine gleiche Anzahl von Vertretern entsenden sollen (paritätische M.), zum anderen die Frage, ob es auch im Vorstand zwingend einen Vertreter der Arbeitnehmerinteressen geben solle.

Nach 1945 wurden zunächst in den „Schlüsselindustrien“ Bergbau und Stahl Aufsichtsräte gebildet, die paritätisch mit Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besetzt wurden. Außerdem wurde auf der Ebene des Vorstands die Funktion eines Arbeitsdirektors geschaffen. Dies geschah am Anfang ohne eigene gesetzliche Grundlage durch einvernehmliche Regelungen zwischen Besatzungsbehörden, Gewerkschaften und Alteigentümern. 1951 wurde dieses Modell im MontanMitbestG für die Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie gesetzlich fixiert. Es gelang den Gewerkschaften jedoch zunächst nicht, die paritätische M. für alle Unternehmen durchzusetzen. Das BetrVG 1952 sah für die Unternehmen außerhalb der Montanindustrie weder einen Arbeitsdirektor noch eine gleiche Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern vor. Lediglich ein Drittel der Aufsichtsratssitze war mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen („Drittelparität“). Anders als nach dem BRG wurden diese nicht vom Betriebsrat entsandt, sondern von den Arbeitnehmern in unmittelbarer Wahl gewählt (§ 76 Abs. 2 S. 1 BetrVG 1952). Erst das MitbestG von 1976 führte allg. für Unternehmen mit mehr als 2 000 Arbeitnehmern die paritätische M. ein, wobei – im Unterschied zur Montan-M. – die Anteilseignerseite aufgrund der Tatsache, dass die Stimme des von ihr bestimmten Aufsichtsratsvorsitzenden bei einem Stimmenpatt den Ausschlag gab, immer noch ein gewisses Übergewicht hatte. Für Unternehmen mit mehr als 500, aber weniger als 2 000 Arbeitnehmern blieb es bei der Regelung des BetrVG 1952. Diese wurde 2004 durch das Drittelbeteiligungsgesetz abgelöst.

Auch in der Unternehmens-M. sind inzwischen Vorschriften des Rechts der EU zu beachten, v. a. für die M. in der SE. Hier enthält die RL 2001/86/EG und das nationale SEBG neben den bereits erwähnten Vorschriften über die betriebliche M. auch eine Regelung über die M. auf Unternehmensebene primär nach der Verhandlungslösung. Kommt es zu keiner Einigung zwischen der Unternehmensleitung und dem bes.n Verhandlungsgremium, gibt es aber keine gesetzliche M.s-Ordnung als subsidiäre „Reserveregelung“. Vielmehr bleibt in den Fällen der Gründung der SE durch Umwandlung oder durch Verschmelzung das zuvor in den Gründungsgesellschaften bestehende M.s-Niveau erhalten (vorher-nachher-Prinzip, § 35 SEBG).

4. Ausgestaltung der betrieblichen Mitbestimmung

Die betriebliche M. dient dazu, das Selbstbestimmungsdefizit auf Arbeitnehmerseite auszugleichen, das sich daraus ergibt, dass sich der Arbeitnehmer nach Zweck und Inhalt des Arbeitsvertrags zu fremdbestimmter, unselbständiger Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (§ 611a Abs. 1 BGB). Zur Erbringung der Arbeitsleistung muss sich der Arbeitnehmer notwendigerweise in die vom Arbeitgeber vorgegebene und von diesem inhaltlich maßgeblich bestimmte Organisation einfügen. Zudem kommt dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht zu, kraft dessen er wesentliche Arbeitsbedingungen nach billigem Ermessen einseitig bestimmen kann (Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb, § 106 GewO). Eine individuelle Beteiligung der einzelnen Arbeitnehmer an der Gestaltung der Betriebsorganisation ist im Regelfall ausgeschlossen, sei es, weil es um die betriebliche und damit vom Arbeitgeber als Inhaber des Betriebs festzulegende Infrastruktur geht, sei es, weil die Arbeitsbedingungen vielfach einheitlich für alle oder eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern festgelegt werden müssen. In beiden Fällen transzendiert der Regelungsgegenstand gleichsam die schuldrechtliche Zweierbeziehung. Die betriebliche M. ermöglicht in diesem Bereich eine Mitgestaltung der Arbeitnehmer, weil dem Arbeitgeber mit dem Betriebsrat ein einheitlicher Ansprechpartner zur Verfügung steht, der die Interessen aller Arbeitnehmer vertritt.

Das Gesetz verleiht dem Betriebsrat unterschiedliche Beteiligungsrechte, die von reinen Unterrichtungs- und Anhörungsrechten bis hin zu echten M.s-Rechten reichen. Im Bereich der echten M.s-Rechte kann der Arbeitgeber die entspr.en Regelungen i. d. R. nur gemeinsam mit dem Betriebsrat treffen und Maßnahmen nur mit dessen Zustimmung durchführen. Kommt es nicht zur Einigung, entscheidet in den Fällen, in denen ein Gestaltungsspielraum besteht, die Einigungsstelle als eine Art betrieblicher Schlichtungsstelle (§§ 76 ff. BetrVG). In den Fällen, in denen das Gesetz die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats an bestimmte Voraussetzungen knüpft, kann der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzen lassen, wenn er der Auffassung ist, dass der Betriebsrat die Zustimmung zu Unrecht verweigert hat (§ 99 Abs. 4, § 103 Abs. 2 BetrVG).

5. Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung

Die Unternehmens-M. ist rechtsformbezogen ausgestaltet. M. findet nur statt in Unternehmen, die in einer bestimmten Rechtsform (AG, KGaA, GmbH, eG) betrieben werden. Genau genommen handelt es sich also nicht um M. im Unternehmen, sondern um M. innerhalb eines Organs des Unternehmensträgers. Diese gesetzliche Grundentscheidung war von Anfang an umstritten. Zwar hatte sie den unbestreitbaren Vorzug, dass die gesetzliche M. in die bestehenden gesellschaftsrechtlichen Strukturen implementiert werden konnte. Freilich wurde dieser Vorteil mit nicht unerheblichen Friktionen erkauft. So besteht die Aufgabe des Aufsichtsrats als Gesellschaftsorgan vornehmlich darin, die Tätigkeit des geschäftsführenden Organs zu überwachen (z. B. § 111 Abs. 1 AktG) und dabei die Interessen der Gesellschaft bzw. der Kapitalgeber zu wahren. Die hieraus folgende Pflichtenstellung lässt sich nur schwierig mit der Präsenz von Vertretern der – hiermit nicht selten konfligierenden – Arbeitnehmerinteressen in Einklang bringen. Dies zeigt sich nicht zuletzt bei der Einhaltung der Regeln der Corporate Governance in mitbestimmten Unternehmen. Zudem leuchtet es im Hinblick auf das Grundanliegen der M. nicht ohne weiteres ein, warum die Arbeitnehmerbeteiligung von der Rechtsform des Unternehmensträgers abhängig sein soll, so dass etwa Personengesellschaften (OHG, KG) ohne Rücksicht auf ihre Größe nicht erfasst werden. Die Probleme hätten sich vermeiden lassen, wenn für die M. ein eigenes echtes Unternehmensorgan mit Vertretern der Anteilseigner- und der Arbeitnehmerseite geschaffen worden wäre.

Gleichwohl stößt das rechtsformbezogene Modell der Unternehmens-M. auf breite Akzeptanz. Kritik ist andererseits nie ganz verstummt. Zwar sind verfassungsrechtliche (BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50,290) und europarechtliche (EuGH 18.7.2017, ECLI:EU:C:2017:562) Bedenken zwischenzeitlich ausgeräumt. Dennoch stellt die deutsche Unternehmens-M. im weltweiten Kontext weitgehend ein Unikat dar, was in Zeiten der globalen Vernetzung zunehmend Probleme bereitet. Insoweit wird eine Anpassung an die neueren wirtschaftlichen Entwicklungen angemahnt. Zudem ist die Zahl der mitbestimmten Unternehmen deutlich zurückgegangen. Die Montan-M. spielt aufgrund des wirtschaftlichen Wandels praktisch keine Rolle mehr. In den übrigen Bereichen wird vielfach versucht, durch eine entspr.e Rechtsformwahl die M. zu vermeiden.