Beihilfe

1. Kernanliegen und Grundstruktur des EU-Beihilfeaufsichtsrechts

Die B.-Aufsichtsregeln des Rechts der EU (Europarecht), welche nahezu unverändert bereits im Vertrag über die Gründung einer EWG vom 25.3.1957 (EWGV) enthalten waren, finden sich heute in den Artikeln 107 bis 109 des AEUV. Die Normen tragen als Teil des Wettbewerbskapitels des AEUV (Titel VII, Kap. 1) zu einem System bei, welches den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes (Europäischer Binnenmarkt) vor Verfälschungen schützen soll, indem mitgliedstaatliche Zuwendungen an Unternehmen unter die Kontrolle der EU gestellt werden. Auf diese Weise ergänzt das B.-Aufsichtsrecht zugleich das Binnenmarktkonzept des AEUV, welches seinerseits durch die Verwirklichung der Grundfreiheiten einen zentralen Beitrag zur Herstellung freien und unverfälschten Wettbewerbs leistet. Schließlich können das B.-Verbot und das Verbot tarifärer Handelshemmnisse und insb. von Zöllen (Zoll) in wettbewerblicher Perspektive als zwei Seiten derselben Medaille begriffen werden. Die Abwehr unliebsamer Konkurrenz aus anderen Mitgliedstaaten lässt sich gleichermaßen durch die Belastung ausländischer Produktionen und Dienstleistungen wie auch durch die Unterstützung einheimischer Unternehmen erreichen, wenn auch Letzteres für den jeweiligen Mitgliedstaat in der Einnahme-/Ausgabeperspektive deutlich unattraktiver ist. Eine unkontrollierte Vergabe mitgliedstaatlicher B.n würde jedenfalls den Wettbewerbsmechanismus und mithin die Statik des Binnenmarktgebäudes gefährden. Strukturell folgt das B.-Aufsichtsrecht einem Modell, welches im Anschluss an ein grundsätzliches Verbot staatlicher B.n in Art. 107 Abs. 1 AEUV verschiedene Ausnahmen vom Verbot anerkennt. Diese finden sich in Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV sowie in Art. 106 Abs. 2 AEUV. Art. 108 AEUV macht Vorgaben zum Verfahren der B.n-Kontrolle, welches maßgeblich in den Händen der Europäischen Kommission liegt. Art. 109 AEUV ermächtigt den Rat sodann zum Erlass von Verordnungen, welche das EU-B.n-Recht über die Art. 107 und 108 AEUV hinausgehend konkretisieren, präzisieren und auch weiterentwickeln (sollen).

2. Das Beihilfeverbot

Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verboten sind staatliche und aus staatlichen Mitteln gewährte B.n gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Formulierung dieses Verbotstatbestandes impliziert ein weites Verständnis des B.n-Begriffs. Dem entspricht die verbreitete Beschreibung von B.n als Maßnahmen, die gleich in welcher Form (Tun oder Unterlassen) die Belastungen verringern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat. Mit anderen Worten erfasst der B.n-Begriff in beliebiger Form gewährte Zuwendungen, soweit diesen keine marktgerechte Leistung gegenüber steht. Dabei wird in Zweifelsfällen, namentlich bei staatlichen Zuwendungen an eigene Unternehmen, staatlichen Beteiligungen an privaten Unternehmen sowie staatlichen Bürgschaften und Darlehen, zur Abgrenzung marktgerechten staatlichen Verhaltens von Zuwendungen mit B.-Charakter der sogenannte Private-Investor-Test herangezogen. Dieser vergleicht das Verhalten der betreffenden staatlichen Stelle mit dem hypothetischen Verhalten eines nach Rentabilitätsgesichtspunkten agierenden privaten Investors. Wenn ein hypothetischer privater Investor den in Rede stehenden wirtschaftlichen Vorteil dem Unternehmen nicht oder allenfalls zu anderen, ungünstigeren Konditionen gewährte, liegt in der Vorteilsgewährung eine Begünstigung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV.

Neben einer Zuwendung ohne marktgerechte Gegenleistung setzt der Verbotstatbestand voraus, dass die Begünstigung bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zukommt. Entscheidend für den Unternehmensbegriff ist die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, einerlei in welcher Trägerschaft und Rechtsform. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es grundsätzlich nicht an. Anders verhält es sich freilich dann, wenn ein Begünstigter ausschließlich ihm gesetzlich zugewiesene, soziale Aufgaben wahrnimmt, soweit die Leistungserbringung von Gesetzes wegen unabhängig von der Beitragshöhe unter vollständiger Umsetzung des Solidaritätsgrundsatzes erfolgt. Nach diesem Maßstab unterfallen bestimmte Sozialleistungsträger nicht dem beihilferechtlichen Unternehmensbegriff; dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH etwa für die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland. Den Produktionszweigen kommt als Begünstigten neben den Unternehmen keine eigenständige Bedeutung zu, fließen Zuwendungen an einen Produktionszweig doch zugleich den in diesem versammelten, einzelnen Unternehmen zu. Das Attribut „bestimmt“ exkludiert im Sinne eines Selektivitäts- bzw. Spezifitätskriterium allgemeine Fördermaßnahmen der Wirtschaftspolitik zu Gunsten der Gesamtheit aller Unternehmen aus dem Anwendungsbereich des beihilferechtlichen Verbotstatbestandes.

Als staatlich oder jedenfalls aus staatlichen Mitteln stammend qualifiziert der EuGH B.n nicht nur dann, wenn sie unmittelbar vom Staat (Gesamt- oder Teilstaat), sondern auch wenn sie von einer öffentlichen oder privaten Einrichtung gewährt werden, soweit diese Einrichtung „vom Staat“ zur Durchführung der B.-Gewährung bestimmt worden ist und die konkrete Zuwendung dem Staat zurechenbar ist. Freilich vermochte diese gerichtliche Definition des Staatlichkeitsmerkmals es (bisher) nicht, den Ende des letzten Jh. eröffneten Dauerstreit um die beihilfenrechtliche Qualifikation staatlich garantierter Vergütungen, namentlich im Kontext gesetzlich garantierter Einspeisevergütungen für grünen Strom, zu beenden. Der EuGH hat die B.-Eigenschaft einer entsprechenden Festvergütung nach dem deutschen StromEinspG (Vorgänger des EEG) zwar in seinem PreussenElektra-Urteil aus dem Jahre 2001 mangels involvierter staatlicher Mittel aus guten Gründen abgelehnt; in der Wissenschaft und jüngst auch seitens der Europäischen Kommission wird diese Judikatur aber immer wieder herausgefordert (allerdings vom EuGH bestätigt in Rechtsprechung C-262/12 Vent de Colére [Streinz 2014: 852]).

Das Erfordernis einer durch die B. verursachten zumindest drohenden Wettbewerbsverfälschung verlangt nach einer Marktanalyse, welche die Wettbewerbssituation mit und ohne B.n-Gewährung vergleicht. Diese wird regelmäßig zu der Diagnose gelangen, dass sich die Wettbewerbssituation der mit dem Begünstigten konkurrierenden Unternehmen durch die B.n-Gewährung jedenfalls verschlechtern kann, also eine Wettbewerbsverfälschung zumindest droht. Im EU-Sekundärrecht ist freilich niedergelegt, dass Zuwendungen an ein Unternehmen, welche 200 000 Euro in drei Jahren nicht übersteigen (sogenannte De-minimis-B.n), ob ihrer mutmaßlich geringen Wettbewerbsrelevanz dem Verbotstatbestand des Art. 107 nicht (mehr) unterfallen. Angesichts der stetig zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung der einzelstaatlichen Märkte der EU-Mitgliedstaaten ist mit einer B.-Gewährung regelmäßig eine Beeinträchtigung des „Handels zwischen Mitgliedstaaten“ verbunden. Soweit sich B.n im Einzelfall indes ausschließlich lokal, regional oder national auswirken, liegen diese nach der sogenannten Zwischenstaatlichkeitsklausel außerhalb des Anwendungsbereiches von Art. 107 Abs. 1 AEUV.

3. Ausnahmen

Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV nennt unter Rekurs auf mehr oder weniger unbestimmte Rechtsbegriffe Ausnahmen vom B.-Verbot, welche mittlerweile in einer Vielzahl von Sekundär- und Tertiärrechtsakten (Verordnungen, Mitteilungen, Leitlinien und Gemeinschaftsrahmen) näher konkretisiert worden sind. Letztere geben recht präzise Auskunft darüber, welche B.n mit welcher maximalen B.n-Intensität zulässig sind, z. B. 50 % der Investitionskosten für Forschungs-B.n. Eine weitere sekundärrechtlich ausgeformte Sonderbehandlung erfahren staatliche Zuwendungen an Unternehmen gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV, wenn diese der Erbringung von „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ dienen; grosso modo angesprochen ist damit der Bereich der sogenannten Daseinsvorsorge.

4. Verfahren

Bzgl. des Verfahrens der B.-Kontrolle unterscheidet Art. 108 AEUV zwischen bestehenden B.-Regelungen und neuen B.n. Während erstere fortlaufend von der Kommission (Europäische Kommission) überprüft werden, unterliegen letztere einer Pflicht zur Notifizierung bei der Kommission und dürfen, abgesehen von engen Ausnahmen (insb. De-minimis-B.n) erst nach einer Genehmigung durch die Kommission gewährt werden.