Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC)

Version vom 14. November 2022, 06:01 Uhr von Staatslexikon (Diskussion | Beiträge) (Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC))

1. Entstehungsgeschichte und Mandat des IPCC

Im Jahr 1979 wurde die erste wissenschaftliche Konferenz zum Klimawandel im österreichischen Villach abgehalten, nachdem Anfang der 1970er Jahre die Problematik einer möglichen Erderwärmung wissenschaftliches und mediales Interesse geweckt hatte. Dank der Unterstützung des UNEP und der World Meteorological Organisation (WMO) erschien dazu 1980 der erste internationale Bericht. 1985 schlug der damalige UNEP-Direktor Mostafa Kamal Tolba vor, eine Rahmenkonvention ins Leben zu rufen, die sich mit der Vermeidung gefährlichen Klimawandels beschäftigen sollte. Drei Jahre später wurde der W. (IPCC) gegründet.

Als führende internationale Institution ist es Ziel des IPCC, umfassend, objektiv und transparent Informationen zusammenzutragen, damit Entscheidungsträger Klimafolgen sowie Vermeidungs- und Anpassungsoptionen bewerten können. Die Wissenschaft stellt belastbare Evidenz für die Auseinandersetzung mit den Ursachen und möglichen Folgen des Klimawandels zur Verfügung. Gleichzeitig schafft sie die Grundlagen, um gangbare Pfade zur Begrenzung zu explorieren.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen formulierte das Mandat des IPCC in ihrer Resolution klar: Der IPCC hat die Aufgabe, den wissenschaftlichen Sachstand zu den Ursachen des Klimawandels zusammenzutragen und gleichzeitig die Möglichkeiten seiner Begrenzung zu explorieren. Er unterstützt die UNFCCC, die den institutionellen Rahmen der Klimaverhandlungen bildet, bei der Vorbereitung eines international verbindlichen Klimaabkommens. Dieses wurde nach fast 30 Jahren im Jahr 2015 in Paris beschlossen. Bisher hat der IPCC fünf Sachstandsberichte verfasst, der sechste befindet sich gerade in der Entstehung. Die Berichte haben die Agenda der internationalen Klimapolitik maßgeblich beeinflusst. Für seine Arbeit erhielt der IPCC 2007 den Friedensnobelpreis. Das Nobelpreiskomitee befand als auszeichnungswürdig, dass der IPCC die Weltöffentlichkeit auf das Klimaproblem aufmerksam gemacht und dazu beigetragen hat das Entscheidungsproblem für die politischen Mandatsträger zu formulieren.

2. Struktur des IPCC

Der IPCC, getragen von seinen beiden „Mutterorganisationen“ WMO und UNEP, besteht aus einem Panel, einem Büro, drei Arbeitsgruppen und einer sog.en Task Force on National Greenhouse Gas Inventories. Während die Arbeitsgruppe I die physikalischen Aspekte des Klimawandels evaluiert, analysiert die Arbeitsgruppe II dessen Auswirkungen und die Möglichkeit der Anpassung an den Klimawandel. Die Arbeitsgruppe III exploriert die technischen Optionen zur Emissionsreduktion, die mit ihren Kosten und Risiken bewertet werden sollen. Die Aufgabe der Task Force ist es, Standards für die Ermittlung der nationalen Treibhausgasemissionen festzulegen. Alle Ämter im IPCC sind ehrenamtlich. Getragen wird der IPCC von den Wissenschaftlern, die als Autoren die Berichte verfassen. Das Sekretariat der UNFCCC bereitet die jährlichen Klimakonferenzen, die COP, vor. Auf dieser Konferenz greifen die Repräsentanten der Mitgliedsnationen auf die durch den IPCC zur Verfügung gestellten wissenschaftlichen Erkenntnisse zurück, der jedoch selbst keine Forschung betreibt, sondern die vorhandene wissenschaftliche Literatur auswertet. Die Darstellung des vorhandenen Wissens in sog.en Sachstandsberichten soll politikrelevant sein, ohne dabei alternativlose politische Empfehlungen abzugeben. Im Gegensatz zu Nationalakademien, die die Aufgabe haben, die Politik in wichtigen Fragen zu beraten, ist der IPCC nicht einer nationalen Regierung verantwortlich, sondern allen 196 Regierungen, die die Klimarahmenkonvention unterzeichnet haben. Die Sachstandsberichte des IPCC bedürfen der formellen Zustimmung durch die Regierungen. Die Zusammenfassung für Entscheidungsträger (Summary for Policy Makers) müssen alle Regierungen einhellig verabschieden.

3. Reform des IPCC

In der Vergangenheit wurde der IPCC wiederholt Gegenstand heftiger öffentlicher Diskussionen. Nach dem Klimagipfel in Kopenhagen 2009, bei dem das erhoffte globale Klimaschutzabkommen nicht verabschiedet werden konnte, geriet der IPCC ins Kreuzfeuer der Kritik. In der Arbeitsgruppe II hatte man fälschlicherweise das vollständige Abschmelzen der Himalaya-Gletscher bis zum Jahr 2035 angemahnt. Eine Korrektur über das formelle Fehlerprotokoll erfolgte jedoch nicht. Durch den Umgang mit diesem Vorfall geriet die Glaubwürdigkeit des IPCC innerhalb weniger Wochen ins Wanken. Der internationale Dachverband der Wissenschaftsakademien (InterAcademy Council, IAC) wurde beauftragt, die Verfahren des IPCC zu überprüfen und Vorschläge für eine Reform des IPCC zu erarbeiten. Im August 2010 veröffentlichte der IAC seinen ersten Bericht. Er kam zu dem Schluss, dass der IPCC die Öffentlichkeit sachgerecht aufkläre, die Wissenschaft vorantreibe und Regierungen bei der Priorisierung ihrer Forschungsagenda helfe. Obwohl man den IPCC als bedeutende soziale Innovation einschätzte, weil er keine Organisation sei, sondern aus einem Netzwerk von Wissenschaftlern bestünde, mahnte man Verbesserungsbedarf an. Im Mai 2011 wurden die Reformvorschläge beschlossen: eine gestärkte Rolle für die Gutachter der Sachstandsberichte; vereinheitlichte Darstellung von Unsicherheiten über alle Arbeitsgruppen hinweg; die Gründung einer Task Force, die die Umsetzung der Reformvorschläge ebenso überprüfen sollte wie die Begutachtung der Sachstandsberichte, die Kommunikationsstrategie und die Anwendung transparenter Auswahlkriterien für Autoren. Die Reformvorschläge des IAC gewährleisten vermehrte Transparenz und einen expliziten Umgang mit Unsicherheiten.

4. Künftige Herausforderungen für den IPCC

Die Erstellung der Sachstandberichte des IPCC ist gegenwärtig das aufwendigste und komplexeste Verfahren der wissenschaftlichen Politikberatung. Für die Wissenschaft stellt die umfassende Aufklärung über die Risiken eines ungebremsten Klimawandels eine große Herausforderung dar. Im Oktober 2018 hat der IPCC den Sonderbericht zur 1,5 °C Grenze veröffentlicht: Darin macht er deutlich, dass bereits bei einem Temperaturanstieg um 1–2 °C das arktische Meereis irreversibel verschwindet, die Korallenriffe zerstört und das Grönlandeis destabilisiert wird. Die Emissionen sollen bis 2050 die Nulllinie erreichen und Technologien verfügbar sein, die der Atmosphäre Emissionen entziehen („negative Emissionen“). Im sechsten Sachstandsbericht, der voraussichtlich 2022 veröffentlicht wird, müssen der gesamte Lösungsraum der Klimapolitik sowie die Folgen des Klimawandels ausgeleuchtet werden. Risikomanagement ist hier ebenso wichtig wie die systematische Kartographie alternativer Politikpfade. Damit wird ein neuer Maßstab der wissenschaftlichen Politikberatung geschaffen: die Bereitstellung umfassender wissenschaftlicher Erkenntnisse für Politiker ohne direkte Einflussnahme auf deren Entscheidungen. Damit bleibt der IPCC für Entscheidungsträger relevant und vermeidet gleichzeitig die Instrumentalisierung durch nationale Interessen. Vor dem Hintergrund, dass das Klimaabkommen von Paris sich auf eine ambitionierte Klimapolitik festgelegt hat, wird dieser Aspekt an Bedeutung gewinnen. Da die Vernichtung des Naturkapitals als Konsequenz eines ungebremsten Klimawandels v. a. die Armen trifft, muss die Wissenschaft Klimapolitik als Umweltpolitik begreifen und gleichzeitig die Folgen der Klimapolitik für die gesamte Verteilung des Natur-, Human- und Kapitalvermögens erfassen.