Ombudswesen

1. Allgemeines

Wie ein Blick auf die Rechtslage in anderen Ländern sowie der EU zeigt, kann das O. heute als eine Institution des europäischen öffentlichen Rechts eingestuft werden. Die Ombudsmannfigur findet ihre Ursprünge insb. in der im Jahre 1809 etablierten Verfassungsinstitution des Justitieombudsman in Schweden. In ähnlicher Ausgestaltung hat sie sodann über Finnland und Dänemark in einer Vielzahl von Rechtskulturen Eingang gefunden. U. a. forciert der Europarat die Verbreitung dieser Rechtsfigur. In der Empfehlung 1615 (2003) wird die Wichtigkeit derartiger Einrichtungen für den Schutz der Menschenrechte und die Förderung der Rechtsstaatlichkeit sowie guten Verwaltungshandelns betont. Die Neutralität des Ombudsmanns und sein universeller Respekt durch Beschwerdeführer und Verwaltung seien für dieses Rechtsinstrument essentiell. „[T]hese attributes are best preserved by limiting enforcement powers to the moral pressure inherent in public criticism, with reports on maladministration to, and subsequent political condemnation of it by, parliament“ (PACE 2003).

Nach dem deutschen Schrifttum ist ein öffentlicher Ombudsmann klassischer Prägung ein unabhängiger und neutraler, vorzugsweise dem Parlament verantwortlicher Amtsträger zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung aufgrund von Beschwerden. So erhält die Bevölkerung einen kostengünstigen, niederschwelligen Ansprechpartner bei Verwaltungsmissständen, der oft auch Eigeninitiativuntersuchungen in Bezug auf die öffentliche Verwaltung einleiten kann. Obwohl solche Ombudspersonen meistens keine rechtsverbindlichen, kassatorischen oder abändernden Entscheidungen treffen, sondern nur Empfehlungen aussprechen, können sie häufig kraft ihres bes.n Ansehens und ihrer Mittlerfunktion eine Korrektur von fehlerhaften Entscheidungen der Verwaltung im Einzelfall oder von Verwaltungsmissständen bewirken. Dies kann sich positiv auf das Vertrauen in die Verwaltung auswirken.

2. Europäische Union

Die Einrichtung des Europäischen Bürgerbeauftragten (European Ombudsman) wurde durch den Vertrag von Maastricht zur Verringerung der Bürgerferne der heutigen EU, zur Stärkung ihrer demokratischen Legitimität sowie zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit geschaffen. Das Recht zu seiner Anrufung wird in Art. 20 Abs. 2 S. 2 lit. d, Art. 24 Abs. 3 AEUV und Art. 43 EuGRC garantiert, die Einrichtung des Bürgerbeauftragten in Art. 228 AEUV in vier Absätzen geregelt. Weitere Vorschriften enthalten das Statut für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten (ABl.EG 1994 L 113/15, ABl.EG 2002 L 92/13, ABl.EU 2008 L 189/25), die Durchführungsbestimmungen des Europäischen Bürgerbeauftragten (ABl.EU 2016 C 321/1) sowie Art. 231–233 GO EP 2018.

Der Europäische Bürgerbeauftragte wird vom Europäischen Parlament parallel zur Dauer seiner Wahlperiode gewählt. Er übt sein Amt in völliger Unabhängigkeit sowie weisungsfrei aus. Sein Aufgabenbereich beschränkt sich auf Missstände bei der Tätigkeit der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. Deshalb kann er den Vollzug des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten nicht kontrollieren. Ein „Missstand“ liegt vor, wenn die jeweilige Stelle nicht im Einklang mit den für sie verbindlichen Regeln und Grundsätzen handelt. Da in anderen Sprachfassungen von „maladministration“ bzw. „mauvaise administration“ die Rede ist, gehört auch die Einhaltung der Grundsätze guter Verwaltung zu seinem Kontrollmaßstab, selbst wenn diese im gerichtlichen Rechtsschutz nicht justiziabel sein sollten. Aus Gründen der richterlichen Unabhängigkeit sowie der Rechtssicherheit ist die Wahrnehmung der Rechtsprechungsbefugnisse von seiner Kontrolle ausgenommen. Innerhalb seines Zuständigkeitsfelds wird der Bürgerbeauftragte entweder eigeninitiativ oder aufgrund von Beschwerden von Unionsbürgern oder Personen mit (Wohn-)Sitz in einem Mitgliedstaat tätig. Die formellen Anforderungen an die nach Art. 2 Abs. 4 S. 1 Statut innerhalb von zwei Jahren einzulegende Beschwerde, deren vorgebrachter Sachverhalt nicht Gegenstand eines Gerichtsverfahrens (gewesen) sein darf, sind gering.

Der Bürgerbeauftragte verfügt über ein weites Ermessen hinsichtlich der Entscheidung über eine bei ihm eingelegte Beschwerde sowie der Durchführung einer Untersuchung einschließlich deren Modalitäten (EuGH, Urteil vom 4.4.2017, Rs. C-337/15). Bei dieser folgt aus dem Primärrecht für die beteiligten Protagonisten eine allg.e Kooperationspflicht. Konkreter sind die Untersuchungsbefugnisse im Statut und in den Durchführungsbestimmungen ausgestaltet. Bei Feststellung eines Missstands bemüht sich der Bürgerbeauftragte um eine einvernehmliche Problemlösung. Gelingt sie nicht, fordert er die betreffende Stelle zu einer begründeten Stellungnahme innerhalb von drei Monaten auf. Anschließend trifft der Bürgerbeauftragte eine endgültige Feststellung und teilt diese der jeweiligen Einrichtung, dem Beschwerdeführer und dem Europäischen Parlament mit. Seine Sonder- und Jahresberichte an das Parlament haben keine rechtsverbindliche Wirkung, erlangen aber allg.e Aufmerksamkeit. Der Bürgerbeauftragte hat sich in bes.m Maße um die Ausarbeitung und Entwicklung von Verfahrensstandards verdient gemacht. Beispielhaft dafür sei sein „Europäischer Kodex für gute Verwaltungspraxis“ genannt.

3. Deutschland

In Deutschland ist das Ombudswesen nicht sehr verbreitet. Erklären lässt sich dies mit der Befürchtung, dass andernfalls das Parlament und sein Petitionsausschuss (Petitionsrecht), an welche die Bürger Petitionen richten können (Art. 17 GG), abgewertet würden. Der direkte Kontakt zwischen der Bevölkerung und dem Parlament bzw. seinen Petitionsausschüssen sei wichtig. Mit einem Ombudsmann werde eine neue, bürokratisch arbeitende Behörde installiert, die nur zu zusätzlichen Kosten führe. Zudem solle mit dem unabhängigen Ombudsmann eine vierte Gewalt entstehen. Auch hält man angesichts der gut ausgebauten Verwaltungsgerichtsbarkeit eine weitere Kontrollinstanz für entbehrlich. Als Argumente für diese Einrichtung lassen sich dagegen benennen: Im Unterschied zum Petitionsausschuss verbindet die Bevölkerung den Ombudsmann mit einem bestimmten Gesicht. Er kann sich frei von politischen Zwängen ganz auf die Kontrolle der Verwaltung konzentrieren. Kraft seiner Spezialisierung und Professionalisierung kann er der Verwaltung auf Augenhöhe begegnen und Systemmängel innerhalb dieser aufspüren. Ein Ombudsmann ist ein niederschwellig erreichbarer Ansprechpartner und Berater für die Bürger und hat eine Moderatoren-, Dolmetscher- sowie Lotsenfunktion. Im Gegensatz zur Verwaltungsgerichtsbarkeit kann er sich aufgrund der Unverbindlichkeit seiner Entscheidungen auch mit der Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns, der Einhaltung nicht justiziabler und außerrechtlicher Verfahrensstandards durch die Verwaltung befassen.

3.1 Bundesrecht

Einen vom Parlament gewählten Ombudsmann zur allg.en Kontrolle der Verwaltung gibt es auf Bundesebene nicht. Allerdings wird nach Art. 45b GG ein Wehrbeauftragter zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle berufen.

3.2 Landesrecht

Als erstes Bundesland hat Rheinland-Pfalz 1974 einen Bürgerbeauftragten neben dem Petitionsausschuss etabliert. Der Landtag wählt ihn in geheimer Wahl für acht Jahre (§ 9 BürgBG RP). Er soll im Rahmen des parlamentarischen Kontrollrechts des Landtags die Stellung des Bürgers im Verkehr mit den Behörden stärken (§ 1 Abs. 1 S. 1 BürgBG RP). Er wird gemäß seines Auftrags tätig, wenn er durch Eingaben an den Landtag oder an den Petitionsausschuss oder in sonstiger Weise hinreichende Anhaltspunkte für eine rechts- oder zweckwidrige Erledigung von Angelegenheit durch Stellen erhält. Seine Befugnisse übt er als ständiger Beauftragter des Petitionsausschusses aus (§ 4 BürgBG RP). Nachdem er der jeweiligen Stelle Gelegenheit zur Regelung der Angelegenheit gegeben hat, wirkt er auf eine einvernehmliche Lösung hin (§ 5 Abs. 1 S. 1, 2 BürgBG RP). Gelingt dies nicht, trägt der Bürgerbeauftragte dem Petitionsausschuss die Angelegenheit vor und schlägt die Art der Erledigung vor. Der Bürgerbeauftragte informiert den Bürger über die Erledigung der Angelegenheit (§ 5 Abs. 5 BürgBG RP). Seit 2014 unterstützt er die Bürger überdies im Dialog mit der Polizei (§ 1 Abs. 1 BürgBG RP); auch obliegt ihm die Befassung mit an ihn herangetragenen Vorgängen aus dem innerpolizeilichen Bereich (§ 16 Abs. 1 BürgBG RP). Er agiert als Hilfsorgan des Landtags bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle der Polizei und ist in Ausübung dieses Amts unabhängig, weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen (§ 16 Abs. 2 BürgBG RP).

In Schleswig-Holstein gibt es seit dem 1.10.1988 einen Bürgerbeauftragten in sozialen Angelegenheiten. Nach § 1 Abs. 1 BüPolBG informiert, berät und vertritt er die Interessen der Bürger in sozialen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden. Außerdem nimmt er die Funktion einer Landesstelle gegen Diskriminierung wahr (§ 1 Abs. 2 BüPolBG). Seit 1.10.2016 ist er zugl. Beauftragter für die Landespolizei (§ 1 Abs. 3 BüPolBG). In Thüringen gibt es seit 2001 auf einfachgesetzlicher Grundlage einen Bürgerbeauftragten. Als einziges Bundesland erwähnt Mecklenburg-Vorpommern den Bürgerbeauftragten in seiner LVerf. Er wird zur Wahrung der Rechte der Bürger gegenüber der Landesregierung und den Trägern der öffentlichen Verwaltung im Land sowie zur Beratung und Unterstützung vom Landtag auf sechs Jahre gewählt und ist in der Ausübung seines Amtes unabhängig (Art. 36 MVVerf). Nach der Aufgabenumschreibung in § 6 Abs. 1 PetBüG M-V obliegt ihm auch die Wahrnehmung der Belange von Menschen mit Behinderung. Als fünftes Bundesland führte Baden-Württemberg durch das am 27.2.2016 in Kraft getretene Bürgerbeauftragtengesetz die Stelle eines vom Parlament für acht Jahre gewählten Ombudsmanns ein (§ 9 BürgBG BW). Gemäß § 2 Abs. 2 BürgBG BW entfaltet ein Petitionsverfahren gegenüber dem Bürgerbeauftragten eine Sperrwirkung. Auch darf er sich nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 BürgBG BW nicht mit kommunalen Selbstverwaltungsentscheidungen (Selbstverwaltung) befassen und kann im Unterschied z. B. zum rheinland-pfälzischen Bürgerbeauftragten nicht eigeninitiativ tätig werden. Hier bestätigt sich das Bild, das sich auch im internationalen Rechtsvergleich ergibt. Je nach Land unterscheiden sich die normativen Ausgestaltungen der Ombudsinstitutionen hinsichtlich Bezeichnung, Bestellmodi, Aufgabenbereich und Befugnisse im Detail.