Medienpädagogik

M. ist eine relativ junge Spezialisierungsrichtung innerhalb der heute sowohl als akademische Disziplin wie als professionelles Handlungsfeld plural verfassten Pädagogik. Zusammen mit anderen Teildisziplinen wie Sozialpädagogik, Sonderpädagogik oder Erwachsenenbildung verweist M. auf die Ausweitung und Ausdifferenzierung des pädagogischen Aufgaben- und Reflexionsbereiches in komplexen, spätmodernen Gesellschaften. Während sich einige „spezielle Pädagogiken“ (Paschen 1997: 66), die für einen „aus einem Gesamt ausdifferenzierten Bereich zuständig sind“ (Paschen 1997: 76), auf bestimmte Institutionen oder Handlungsfelder spezialisiert haben, gehört die M. zu den Querschnittsdisziplinen der Erziehungswissenschaft.

1. Begriffliche Annäherung: Medien

Allg. und deskriptiv betrachtet sind Medien Mittler von Informationen. Unterscheiden lassen sich zunächst personale und apersonale Medien. Personale Medien wie Sprache, Gestik und Mimik stehen Menschen zwar nicht unmittelbar (weil der Gebrauch gelernt werden muss), aber ohne weitere Hilfsmittel zur Verfügung. Apersonale Medien erweitern unsere körperlich-sinnlichen Möglichkeiten der Vermittlung und Aneignung von Informationen auf technische Weise, und zwar in räumlicher (durch Übertragungsmedien wie Telefon, Fernsehen, Datennetze) und in zeitlicher Hinsicht (durch Speichermedien wie Drucksachen, Fotografien, Festplatten). Dominant angesprochen werden von ihnen der Hör- und der Sehsinn, sodass der sinnliche Erfahrungsraum bei technisch-medial vermittelten Informationen bislang eingeschränkt bleibt. Allerdings sind die medialen Handlungsmöglichkeiten durch die Computertechnologie maßgeblich erweitert worden, insb. um interaktiv-virtuelle Welten.

2. Historische Annäherung: Pädagogik und Medien

Die Pädagogik hat seit den Anfängen ihrer Entwicklung zur Disziplin wie zum Beruf ein ambivalentes Verhältnis zu technischen Medien ausgebildet. Auf der einen Seite wurden medial vermittelte Informationen schon im 18. Jh. als problematische Konkurrenz angesehen. Pädagogik erhob den Anspruch, exklusiv zu wissen, was gut und förderlich für die Entwicklung des Kindes sei und was nicht. Ausgehend von Jean-Jacques Rousseau, und verstärkt durch die bis heute populären Sichtweisen der sog.en Reformpädagogik, spielte dabei die Idee einer natürlichen und auf sog.en Primärerfahrungen beruhenden Erziehung eine wichtige Rolle.

Durch apersonale Medien vermittelte Informationen gelten in dieser Denktradition als minderwertige Erfahrungen aus zweiter Hand. Ebenfalls diskutiert wurde und wird die Frage der (fehlenden) Eignung bestimmter medialer Inhalte für Heranwachsende, was in Deutschland zu einem komplexen System von Einrichtungen und rechtlichen Regelungen des Jugendmedienschutzes geführt hat. Auf der anderen Seite erfuhren Medien in der Pädagogik als methodisch-didaktische Hilfsmittel schon früh Anerkennung und Verwendung, etwa bei Johannes Amos Comenius. Mediale Hilfsmittel wie Bilder, Karten, Bücher oder Filme können in dieser Denktradition Lehr- und Lernprozesse in Bildungseinrichtungen erleichtern und unterstützen.

Die moderne M. knüpft an diese Traditionen zwar an, distanziert sich aber von ihren Engführungen, v. a. der „pädagogischen Kontroll-Orientierung“ der „Medienkritiker“ (Baacke 2007: 46; Herv. i. O.) wie der rein funktionalen Medienbetrachtung in der Didaktik. Sie tritt stattdessen für einen handlungsorientierten und auf Kompetenzentwicklung ausgerichteten Umgang mit Medien ein.

Durch apersonale Medien vermittelte Informationen galten als minderwertige Erfahrungen aus zweiter Hand. Außerdem wurden die medial (z. B. in Romanen) vermittelten Inhalte als ungeeignet für Kinder, Jugendliche und Frauen (!) angesehen. Obschon in der Didaktik Medien von Anfang an als wichtige Helfer anerkannt wurden, distanziert sich erst die moderne M. von bewahrpädagogischen Engführungen und integriert sowohl Aspekte des Jugendmedienschutzes als auch der Mediendidaktik in ihr Aufgabenspektrum.

3. Medienpädagogische Aufgabenfelder

Die gegenwärtigen Aufgabenbereiche der M. lassen sich durch die drei Begriffe Medienerziehung, Mediendidaktik und Mediensozialisation kennzeichnen.

Die Praxis der M. wird zumeist als Medienerziehung bezeichnet, v. a. wenn sie sich an Heranwachsende richtet. Sie macht Medien und mediale Entwicklungen zum pädagogischen Thema und Gegenstand. Zielsetzung ist die Förderung der Kompetenz, mediale Angebote in unterschiedlichen Formaten und Kontexten zu erkennen, zu verstehen, zu bewerten und einzuordnen, aber auch die Fähigkeit, sich in medialen Kontexten orientieren zu können und dort selbstständig zu agieren. Durch die Förderung von „Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie zur Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen“ (§ 14 Abs. 1 SGB VIII) soll sie zum erzieherischen Jugendmedienschutz beitragen, der ergänzend zum gesetzlichen Jugendschutz (JuSchG) fungiert. Methodisch greift die Medienerziehung i. d. R. die Prinzipien der handlungsorientierten M. auf, knüpft im Rahmen „aktiver Medienarbeit“ (Niesyto 2009) an den Medienerfahrungen der Zielgruppen an und setzt handhabbare Medientechniken (wie Foto- oder Filmkamera, Tablet oder Smartphone) für die Erstellung eigener Medienprodukte ein.

Im Bereich der Mediendidaktik geht es um den Einsatz von Medien zur Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen. Im Unterschied zu primär technologisch ausgerichteten Ansätzen geht die M. dabei vom Primat der Didaktik und damit einer adressatengerechten und an Erziehungs- und Bildungszielen orientierten Gestaltung von Lehr- und Lernsituationen aus.

Erziehung und Didaktik charakterisieren als immer wieder begründungspflichtige intentionale Bestrebungen die M. als Handlungswissenschaft, die Modelle und Konzepte für die Praxis entwickelt. Mit Mediensozialisation als drittem Aufgabenbereich wird angezeigt, dass M. als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft auch eine Reflexionswissenschaft ist. Medien haben in modernen und spätmodernen Gesellschaften eine überragende Bedeutung als Informationsmittel, die Vorstellungen über die Wirklichkeit generieren und tradieren. Sie sind weiterhin dominante Mittel der Unterhaltung – und auch der Werbung. Medien vermitteln also nicht nur Informationen über die Wirklichkeit, sondern bringen auch Erdachtes medial zur Darstellung (wie im Spielfilm oder Computerspiel). Die aus dieser umfassenden Relevanz resultierende große Verantwortung begründet einen permanenten Bedarf an gesellschaftlicher Reflexion und (Selbst-)Beobachtung aller Medien und Medienakteure, und hier sind im Zeitalter digital vernetzter Medien auch alle Nutzenden mit einzubeziehen, die unabhängig von Redaktionen und anderen Instanzen eigene Informationen verbreiten können. An dieser Reflexion und Beobachtung beteiligt sich die M. v. a. im Hinblick auf die sich ständig wandelnde Rolle der Medien für Prozesse der Sozialisation, der „Selbstsozialisation“ (Zinnecker 2000) und der „informellen Bildung“ (Meder 2002). Sie greift dabei sowohl auf theoretische Modelle wie auf quantitative und qualitative empirische Verfahren zurück.

4. Theoretische Leitkonzepte

Die M. orientiert sich an theoretischen Ansätzen, die Mediengebrauch als komplexen Vorgang verstehen, den die Nutzenden aktiv mitgestalten. Dies begründet auch das sozialwissenschaftliche Interesse am Medienalltag der Adressatinnen. Als Leitkategorie der M. hat sich in den 1990er-Jahren der Begriff der Medienkompetenz durchgesetzt. Wegweisend waren dafür die Arbeiten von Dieter Baacke, der darunter eine moderne Ausfaltung kommunikativer Kompetenz verstand, die zwar immer schon vorhanden, im Interesse gleicher Teilhabechancen aber auch pädagogisch zu fördern sei. Während Baacke meinte, man solle darauf verzichten, „normative Zielkriterien festzulegen“ (Baacke 2007: 96), wird Medienkompetenz mittlerweile zunehmend (auch) als messbare Qualifikation konzipiert. Demgegenüber tritt das Konzept der „Medienbildung“ (Jörissen/Marotzki 2009) für eine prozessorientierte Perspektive und eine bildungstheoretische Grundlegung der M. ein. Medienbildung widmet sich der „Frage, inwieweit der als autonom gedachte Bildungsprozess des Menschen in seinem Verhältnis zur Welt, zu den Mitmenschen und zu sich selbst durch die Medien bzw. die neuen Medienentwicklungen beeinflusst wird“ (Spanhel 2010: 50).

5. Ausblick

Die Relevanz der M. wird bildungspolitisch zwar zunehmend anerkannt (z. B. von der KMK 2012), die institutionelle Verankerung bleibt aber hinter den programmatischen Forderungen zurück. Das gilt für die Schule ebenso wie für außerschulische Bereiche wie die Erwachsenenbildung, die Sozialpädagogik oder die Sonderpädagogik. Zumeist wird M. dabei als Querschnittsaufgabe gesehen, an der sich alle Erzieher, Lehrkräfte, Erwachsenenbildner usw. beteiligen sollen. Inwieweit diese Aufgabe wahrgenommen wird, hängt aber stark am Engagement einzelner Akteure. Ein Großteil der Fachkräfte sieht sich dazu inhaltlich und methodisch nicht in der Lage. Daher wird seit einigen Jahren eine medienpädagogische Grundbildung für alle pädagogischen Fachkräfte gefordert, die über die wissenschaftliche Aus-, Fort- und Weiterbildung umgesetzt werden soll. Die Umsetzung erweist sich aber als zäh. Da an einigen Hochschulen (z. B. in Ludwigsburg, Merseburg und Magdeburg) eigenständige medienpädagogische Studienangebote entwickelt wurden, stehen mittlerweile breit ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung, die neue Perspektiven für eine nachhaltige Verankerung der M. im Bildungsbereich eröffnen. Sie können in schulischen wie außerschulischen Handlungsfeldern insb. medienpädagogische Schnittstellenaufgaben übernehmen.