Forschung

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1. Forschung ist Wissenschaft

Inhaltlich weist F. vier Begriffselemente auf: Sie ist auf ein Ziel ausgerichtet, ist ein prozesshaftes Geschehen, wird durch Wissenschaftler gesteuert und ist wissenschaftlich-methodisch.

Finalität ist ein Wesensmerkmal von F. Sie ist ausgerichtet auf ein bestimmtes Ziel, das als F.s-Interesse, Erkenntnisinteresse, F.s-Ziel, Entwicklungsziel oder ähnliches angestrebt wird. Der Detaillierungsgrad des Ziels kann dabei stark variieren, je nachdem, ob es sich um Grundlagen-F., spezielle Projekt-F., angewandte F. oder Entwicklungsvorhaben handelt. Oft wird F. als zielgerichtete Suche nach Wahrheit beschrieben. Dies ist anspruchs- und voraussetzungsvoll zugl. und sollte nicht den Blick darauf verstellen, dass auch das Entwickeln einer neuen F.s-Methode, einer Technik oder eines Verfahrens genauso wie das Verstehen innerer und äußerer Kausalverläufe oder das Verstehen von Texten wertvolle Ziele sein können. Innovation kann ein Ziel sein, muss es aber nicht. Wertvolle Ziele können auch darin bestehen, rückwärtsgewandt den fehlenden Beweis für eine andernorts aufgestellte Hypothese zu liefern oder eine im Ausland erbrachte geistige Leistung im Inland zu rezipieren. Nur eine ziellose Vorgehensweise fällt aus dem Begriff der F. heraus.

(Zufalls-)Entdeckung, (Zufalls-)Fund oder zufällige Beobachtung eines Vorgangs sind für sich genommen noch keine F., so nützlich und wertvoll sie auch sein mögen. Zum Bestandteil (und zum Erfolg) von F. werden sie erst durch ihre Einbettung in einen F.s-Prozess. Dabei kommt es weniger auf die Dauerhaftigkeit von F. als auf das Herausbilden eines F.s-Interesses und eine methodische Vorgehensweise an. So ist der zufällige Fund von Fossilien durch einen Laien möglicherweise eine sensationelle Entdeckung, aber noch keine F. und auch kein F.s-Erfolg. Dazu wird der Fund erst, wenn er sich in der Folge eines entsprechenden F.s-Prozesses einstellt. Professionalität ist dabei kein Wesensmerkmal. F. durch nicht-professionelle Forscher (Hobby-Forscher, Jugendliche als Forscher) ist auch F., wenn sie sich denn als zielgerichteter Prozess unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden darstellt.

F. setzt allerdings immer menschliche Steuerung voraus. Computer und Maschinen forschen nicht, auch wenn sie unverzichtbare Instrumente sind. Die Vorstellung, F. könne durch vollständig autonom handelnde Maschinen geleistet werden, ist eine fruchtlose Utopie.

Das vierte Merkmal, die wissenschaftlich-methodische Vorgehensweise, impliziert nicht, dass es nur eine einzige wissenschaftliche Methode gibt. Vielmehr besteht Methodenpluralismus. Auch die bisher angewandten wissenschaftlichen Methoden können überdacht, verifiziert, falsifiziert, verworfen oder modifiziert werden. Oft genug entstehen große Erfolge gerade dadurch, dass eine neue, vom wissenschaftlichen Mainstream abweichende Methode angewandt wird. Einige wenige Voraussetzungen werden allerdings immer erfüllt sein müssen, um überhaupt von wissenschaftlicher Methode sprechen zu können: Ideologieresistenz, Rationalität, innere Konsistenz und Nachvollziehbarkeit. Ohne diese Merkmale gibt es keine Wissenschaft und keine wissenschaftliche F. Der innere Zusammenhang mit der Wissenschaft ist so eng, dass sich verkürzend sagen lässt: F. ist Wissenschaft.

Umgekehrt aber erschöpft sich Wissenschaft nicht in F., sondern es treten weitere Wissenschaftsbereiche hinzu, bspw. die wissenschaftliche Lehre, der Wissenstransfer etc. Dass heute zusätzlich und in zunehmendem Maße Interdisziplinarität und F.s-Kooperation verlangt und praktiziert werden, mag forschungspolitisch für begrüßenswert gehalten werden, zwingende Voraussetzung für erfolgreiches wissenschaftlich-methodisches Forschen ist Interdisziplinarität indes nicht. Disziplinäre F. hat nach wie vor ihre Berechtigung. Genau so wenig trifft es zu, F. immer nur und ausschließlich als einen institutionalisierten Vorgang zu begreifen, so als könne außerhalb der staatlichen und privaten Hochschulen, der außeruniversitären F.s-Einrichtungen und der Unternehmen keine F. geleistet werden. Das Bild des einsamen Gelehrten, der professionell oder als Amateur forscht, mag aus der Mode gekommen sein und als humboldtscher Mythos belächelt werden. Doch auch diese individuelle F. außerhalb aller Institutionen gehört, z. B. in den Geisteswissenschaften, aber nicht nur dort, zur Realität. Insgesamt ist das Bild der F. viel facettenreicher, als viele glauben. Wird mit dem Begriff F., wie weit verbreitet, ein soziales Subsystem gemeint, indem etwa von der „F. in Deutschland“ gesprochen wird, bleibt dieser Facettenreichtum meist ausgeblendet.

2. Forschung als Rechtsbegriff

Das GG garantiert: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ (Art. 5 Abs. 3 S. 1). Der Begriff F. ist interpretationsbedürftig. Die Interpretation steht vor der Aufgabe, den sachlichen Anwendungsbereich (Schutzbereich) des – vorbehaltlos gewährleisteten – Grundrechts nicht so eng zu ziehen, dass der Garantiegehalt verkürzt wird, und ihn andererseits nicht so weit auszudehnen, dass die Garantie ins Beliebige entgleitet. Doch dies ist nicht die einzige Schwierigkeit. Eine Überbetonung subjektiver Elemente, die F. immer dort sehen will, wo ein Grundrechtsträger eine Tätigkeit als F. bezeichnet, ist genauso wenig angemessen wie eine Überbetonung objektiver Elemente, die auf den „aktuellen Stand der Wissenschaft“ abstellt.

Problematisch ist zudem der exakte Gewährleistungsinhalt. Als Grundrecht ist die F.s-Freiheit ein individuelles Recht jedes Forschers, das ihn vor staatlichen Eingriffen schützt. Zugl. gewährleistet die F.s-Freiheit aber auch den Universitäten und – nach einer Entscheidung des BVerfG – den Fachhochschulen einen geschützten Freiheitsraum, auf den sie sich notfalls auch verfassungsprozessual berufen können. Daneben treten objektiv-rechtliche Gewährleistungsinhalte, die dem Staat die Erfüllung von Schutzpflichten und darüber hinaus auch eine Funktionsgewährleistungsgarantie für die staatlich eingerichteten Hochschulen abverlangen.

2.1 Teleologie der Wissenschaftsfreiheit

Die deutsche Verfassung steht mit der Garantie von Wissenschaftsfreiheit in einer Tradition, die sich bis in die Paulskirchenverfassung (1849) zurückverfolgen lässt (§ 152: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“). Die WRV stellt die Verbindung von Kunst und Wissenschaft her, die sich in der Formulierung des GG wiederfindet: „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei“, wobei der Text sogleich den Staat verpflichtet: „Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil“ (Art. 142 WRV). Die Paulskirchenverfassung trat indes nie in Kraft, und die Grundrechte der WRV wurden nicht als verbindliche Rechte, sondern als politische Programmsätze begriffen. Erst das GG schuf für ganz Deutschland ein echtes, einklagbares Grundrecht.

Die weit verbreitete Annahme, Wissenschaftsfreiheit habe sich im 17. und 18. Jh. von kirchlichen Zwängen befreien müssen, erweist sich bei näherem Hinsehen als Vereinfachung, die nach stärkerer historischer Differenzierung verlangt. So trat mit dem Einzug der Logik aristotelischer Prägung in die Scholastik (Petrus Abaelardus) schon im 11. Jh., also noch vor der Gründung der ersten Universitäten in Europa, ein eigenes, kirchlicherseits geschütztes Freiheitsverständnis auf, das sich gegen den Zugriff von Städten und Fürsten durchzusetzen wusste. Das Format der mittelalterlichen disputatio, das von der Vorstellung lebte, dass alles angezweifelt werden durfte und musste, stand in den kirchlichen Lehranstalten und an den später entstehenden Universitäten in höchster Blüte. Es kann durchaus als eine frühe Form freier wissenschaftlicher Diskurse verstanden werden. Ein halbes Jahrtausend später, im 18. Jh., war es keineswegs durchgängig die Kirche, die sich wissenschaftlichem Aufbruch entgegen stellte. Die Vertreibung Christian Wolffs von der Universität Halle im Jahr 1723 erfolgte nicht durch klerikale Gremien oder päpstliche Weisung, sondern durch ein fürstliches Dekret, das an C. Wolffs Lehre von den Wahlmöglichkeiten des Menschen Anstoß nahm. Andererseits belegt der Inquisitionsprozess gegen Galileo Galilei im Jahr 1633, dass sich die neu entstehende mathematisch-naturwissenschaftliche Methode anfänglich kaum gegen klerikale Deutungshoheit durchzusetzen vermochte.

Der jüngeren Rechtsgeschichte verdankt sich die Erkenntnis, dass Wissenschaft und F. nur dann erfolgreich sind, wenn sie von politischem Zwang und überhaupt von bestimmenden äußeren Einflüssen frei sind. In staatlichen Zwangssystemen überlebt Wissenschaft nur, wenn es ihr gelingt, sich in Nischen zurückzuziehen, während dort die offizielle staatlich beherrschte Wissenschaft nur als groteske Deformation sichtbar wird. Hinter diesem empirischen Befund, der weltweit in allen totalitären Systemen (Totalitarismus) zu beobachten war und ist, steht der tiefere psychologische Zusammenhang, dass wissenschaftliches Forschen als kreativer Vorgang, insoweit jedem künstlerischem Schaffen vergleichbar, auf einen Raum freier Entfaltung angewiesen ist.

Die verfassungsrechtliche Garantie der F.s-Freiheit verfolgt daher einen doppelten Zweck. Sie will dem forschenden Individuum um seiner selbst willen einen Freiheitsraum zur Verfügung stellen und auf diese Weise das individuelle Streben nach Erkenntnis sichern. Sie will aber zugl. Chancen für optimalen wissenschaftlichen Erfolg im Interesse der Allgemeinheit herstellen. In diesem Sinne scheint der Aspekt der Drittnützigkeit des Grundrechts stärker auf als bei anderen Grundrechten. In gewisser Weise ist die Wissenschafts- und F.s-Freiheit innerlich verwandt mit der richterlichen Unabhängigkeit, die den Richtern kein Standesprivileg, sondern der Allgemeinheit die Erwartung sichert, durch eine unabhängig entscheidende Justiz Gerechtigkeit zu erhalten.

Schon früh trat neben die individuelle Freiheitskomponente eine institutionelle Garantie. Rudolf Smend meinte, die Freiheit von Wissenschaft, F. und Lehre sei das „Grundrecht der deutschen Universität“ (Smend 1928: 57). Neben den individuellen Grundrechtsträgern treten die wissenschaftlichen Hochschulen als eigene Grundrechtsträger. Das versteht sich keineswegs von selbst, denn staatliche Einrichtungen sind normalerweise nicht grundrechtsberechtigt, sondern grundrechtsverpflichtet. Im Fall der Hochschulen wird insoweit (wie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Kirchen) eine Ausnahme gemacht. Die staatliche Organisation der Hochschulen verfolgt, so seltsam dies auf den ersten Blick klingen mag, den Zweck, Wissenschaft, F. und Lehre möglichst staatsfrei zu halten. Dieses öffentlich-rechtliche Organisationsgerüst besitzt freiheitssichernde Funktion.

2.2 Der Rechtsbegriff der Forschung

Das BVerfG definiert F. als „geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen“ (BVerfGE 35, 79 [112]). Den F.s-Begriff sieht das Gericht dabei in engem Kontext zum Wissenschaftsbegriff, der wie folgt gedeutet wird: „Wissenschaft ist jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“ (BVerfGE 35, 79 [112 f.]). Dieses weite Begriffsverständnis umfasst die Wahl des konkreten F.s-Gegenstandes, die Wahl der F.s-Methode, die F.s-Vorarbeiten, das Recherchieren und Sammeln von F.s-Material, das Nutzen von Daten und Dokumenten aus allg. zugänglichen Quellen, Archiven und Datensammlungen, die Durchführung von Experimenten, Feld- und Reihenuntersuchungen oder empirischen Befragungen, die Bewertung eigener und fremder F.s-Ergebnisse, die Protokollierung von F.s-Schritten, die Niederschrift von F.s-Ergebnissen sowie die Publikation von F.s-Ergebnissen. Dieser F.s-Begriff liegt der Grundlagen-F., der angewandten F., der Industrie-F., der Ressort-F. und der Groß-F. gleichermaßen zugrunde, auch wenn es zwischen diesen F.s-Typen hinsichtlich der Zielsetzung und des Ressourceneinsatzes kategoriale Unterschiede gibt.

2.2.1 Dimensionen der verfassungsrechtlich geschützten Forschungsfreiheit

Die im GG (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) und in den Landesverfassungen als Grundrecht gewährleistete F.s-Freiheit weist mehrere Dimensionen auf. Sie ist subjektives Recht des einzelnen Forschers, der sich gegen staatliche Eingriffe in seine F.s-Tätigkeit gerichtlich zur Wehr setzen kann. Neben diese abwehrrechtliche Dimension tritt objektiv-rechtlich die Verpflichtung des Staates, den organisatorischen Rahmen gesetzgeberisch so zu gestalten, dass für die Entfaltung der F.s-Freiheit hinreichend Raum bleibt. Dies betrifft insb. die gesetzgeberische Ausgestaltung des Hochschulorganisationsrechts. Dabei bedeutet F.s-Freiheit allerdings nicht, dass ein bestimmter Typus von Hochschulorganisation verfassungsrechtlich festgeschrieben wäre. Auch ist aus der F.s-Freiheit keine Bestandsgarantie für einzelne Hochschulen abzuleiten, wohl aber eine staatliche Funktionsgewährleistungsgarantie mit der Verpflichtung, die bestehenden Hochschulen so auszustatten, dass sie ihre Aufgaben in der F. erfüllen können.

2.2.2 Rechtliche und ethische Schranken der Forschung

Auch wenn die F.s-Freiheit im Verfassungstext des GG und in den Landesverfassungen nicht mit einem expliziten Schrankenvorbehalt versehen ist, bedeutet dies nicht, dass sie schrankenlos gewährleistet ist. Rechtsschranken ergeben sich aus anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern, wie insb. der Menschenwürde, dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, dem allg.en Persönlichkeitsrecht, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder dem Tierschutz. Während die Menschenwürde schlechthin jeder Abwägung entzogen ist, obliegt es dem Gesetzgeber, die F.s-Freiheit im Konflikt mit anderen Verfassungsgütern zu einem am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Ausgleich zu bringen. Relevante Themenfelder bilden die medizinische F. an menschlichen Probanden, die Stammzellenforschung, die Gentechnik, die qualitative empirische F. und die F. mittels Tierversuchen. Der im GG verankerte (Präambel, Art. 1 Abs. 2 GG, Art. 24 Abs. 2 GG) Friedensbegriff (Frieden) steht der F. auf dem Gebiet militärischer Rüstung nicht grundsätzlich entgegen. Der Verteidigungsauftrag des GG verlangt geradezu nach einer auf militärische Verteidigung bezogenen F. Einschränkungen oder Verbote dürften aber dann rechtmäßig sein, wenn es um F. geht, die dezidiert auf völkerrechts- und verfassungswidrige Vorbereitungshandlungen zur Herbeiführung eines Angriffskrieges abzielt.

Jenseits der Rechtsregeln sind ethische Regeln im Umgang mit F. in F.s-Förderungseinrichtungen (DFG), in außeruniversitären F.s-Einrichtungen (MPGes, Helmholtz-Gemeinschaft), Hochschulen und wissenschaftlichen Fachgesellschaften etabliert. Zu den rechtlichen Normen bestehen signifikante Unterschiede. Ihre Entstehung verdankt sich nicht staatlicher Rechtsetzung, sondern einem Prozess (fach-)wissenschaftlicher Selbstreflexion, ihre Wirkung resultiert nicht aus normativer Geltung, sondern aus sozialer Akzeptanz. Die These, dass heute ethische Orientierung begriffsnotwendig zum Wesensmerkmal von F. zu zählen ist, dürfte nicht falsch sein.

3. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von Forschung

3.1 Erwartungen an die Forschung

Die gesellschaftliche Erwartung an F. wächst umso stärker, je erfolgreicher sie ist. In Deutschland wird der Schlüssel zu drängenden Gegenwartsfragen nicht nur, aber v. a. in der F. gesucht. Therapien zur Behandlung schwerer Krankheiten (Krebs, Multiple Sklerose, Demenz, Parkinson etc.), die technologische Durchführung der Energiewende (Elektro-Mobilität, Kernfusion etc.; Energiepolitik), die geistige Vorbereitung der Lösung interkultureller Konflikte (Migration, Integration) oder die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie (Automatisierung der Arbeitswelt, Revolutionierung des Zahlungsverkehrs; Digitalisierung) werden eingefordert. Die Vorstellung, F. sei ein Dividendensystem, in welchem jeder investierte Euro einen volkswirtschaftlich messbaren F.s-Ertrag abwerfen müsse, ist verfehlt. Zwar ist in unzähligen Studien bestätigt worden, dass F. eine Determinante volkswirtschaftlicher Prosperität darstellt. In Euro und Cent messbar und in Quartalsmustern prognostizierbar ist der volkswirtschaftliche F.s-Erfolg aber nicht.

Staatliche F.s-Politik versucht, durch den gezielten Einsatz finanzieller Ressourcen, F. an bes. wichtigen oder für wichtig gehaltenen Gegenwartsfragen zu intensivieren. Dies geschieht zum einen durch gezieltes Agenda Setting in außeruniversitären F.s-Einrichtungen (Helmholtz-Gemeinschaft), aber auch mit einer auf alle staatlichen Universitäten bezogenen wettbewerblich organisierten Exzellenz-Initiative bzw. Exzellenzstrategie. Die Erfolge dieser Maßnahmen sind unabweisbar. Die Steuerung mit dem goldenen Zügel wird so lange unproblematisch sein, wie bewusst bleibt, dass thematisch fokussierte Spitzen-F. ohne solide Breiten-F. auf Dauer nicht realisierbar ist.

3.2 Forschungsausgaben

Die Gesamtausgaben für F. und Entwicklung in Deutschland beliefen sich im Jahr 2014 auf 84,2 Mrd. Euro. Nur etwa ein gutes Drittel (24,1 Mrd. Euro) wurde dabei vom Staat (Bund und Länder) finanziert, der größte Teil der Aufwendungen wird von der Wirtschaft getragen (55,5 Mrd. Euro). In den F.s-Einrichtungen von Wirtschaft und Industrie liegt der mit Abstand größte Teil der F.-Ausgaben (56,9 Mrd. Euro), an den Hochschulen wurden im Jahr 2013 14,9 Mrd. ausgegeben. Im OECD-Vergleich liegt Deutschland mit einem Anteil seiner F.s-Ausgaben in Höhe von 2,9 % des BIP (2016) auf dem 8. Platz hinter u. a. Japan, Korea, Österreich und Dänemark.

An den Hochschulen ist F. mit den regulären staatlichen Mittelzuflüssen meistens nicht (mehr) möglich. In wettbewerblichen Verfahren vergebene Drittmittel aus staatlicher und privater Hand werden zunehmend zur F.s-Voraussetzung. Die auf diese Weise zwangsläufig entstehenden bewussten und unbewussten Abhängigkeiten sind nicht unproblematisch. Solche Abhängigkeiten zu vermeiden und entsprechende Gegenstrategien zu entwerfen, ist eine wichtige Aufgabe der scientific community.