Fiskus

1. Begriff

Historisch wie gegenwärtig wird unter dem Begriff F. Unterschiedliches verstanden: Eine neben dem hoheitlich handelnden Staat stehende selbständige Rechtsperson; der Staat als Teilnehmer am Privatrechtsverkehr (Staat als Privatrechtssubjekt); der Staat in seiner Eigenschaft als Vermögenssubjekt oder der Staat als Teilnehmer am Wirtschaftsleben. Umgangssprachlich wird der F. zur Personifikation des Steuern erhebenden und Steuern verwaltenden Staates.

2. Geschichte, insb. Fiskustheorien

F. (von lat. [Geld-]Korb) als Rechtsbegriff ist römischrechtlichen Ursprungs. Fiscus bezeichnet urspr. das private Vermögen eines Bürgers, später auch die Finanzausstattung der Provinzstatthalter. Daraus entwickelt sich fiscus als Begriff für das als selbständige Rechtspersönlichkeit gedachte Vermögen des Kaisers, das zu Beginn des Prinzipats in scharfe terminologische Entgegensetzung zum dem Senat unterstehenden Staatsschatz (aerarium populi Romani) gebracht wird. Entspr. der Herrschaftsideologie des frühen Prinzipats, die den Kaiser neben seinen republikanischen Ämtern als bloßen Privatmann betrachtete, unterlag dieses Krongut des Kaisers dem Privatrecht, während der Staatsschatz öffentlich-rechtlich gebunden war. Diese strikte Unterscheidung verlor sich spätestens ab dem 3. Jh. Der Begriff gelangte mit der Rezeption des römischen Rechts jedoch auch in den deutschen Rechtskreis, konnte in der Sache angesichts des Fehlens einer Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht in der (spät-)mittelalterlichen Rechtsordnung jedoch noch nicht rezipiert werden. Im Zuge der frühneuzeitlichen Staatsbildungsprozesse und der Entwicklung eines Konzepts der Souveränität des Staates wurden die zuvor als Bündel gesehenen Herrschaftsbefugnisse zunehmend zu einer als einheitlich aufgefassten Staatsgewalt verdichtet. Im Absolutismus wurden vor diesem Hintergrund zunehmend die Möglichkeiten des Rechtsschutzes der Untertanen gegenüber staatlichem Handeln eingeschränkt. So entzogen sich viele Landesherrn etwa durch ein privilegium de non appellando der Kontrolle durch Reichsgerichte. Diese Tendenz zur Beschränkung des direkten Rechtsschutzes wohlerworbener Rechte gegen die zunehmend als souverän gedachte Staatsgewalt setzte sich in den polizeistaatlich geprägten Territorialstaaten des 18. und des frühen 19. Jh. fort. Zur Kompensation konstruierte die Fiskustheorie ein selbständiges, neben dem Staat stehendes (Privat-)Rechtssubjekt, den F. als Träger des Staatsvermögens. Der F. agierte privatrechtlich, konnte mithin auch verklagt werden. Die Klage ging freilich nicht auf Aufhebung des belastenden Hoheitsaktes, sondern auf Geldersatz. Die zweckbedingte Umwandlung einer im Kern hoheitlichen Rechtsbeziehung in eine privatrechtliche Entschädigungssituation sollte so auch unter den Bedingungen des Polizeistaates ein Minimum an Rechtsschutz ermöglichen. Mit dem Aufkommen einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jh. verlor diese Konstruktion an Notwendigkeit wie an Überzeugungskraft. Der Staat konnte als einheitliche Rechtsperson begriffen und auf die Fiktion anderer Rechtssubjekte als seines alter ego verzichtet werden. Im konstitutionellen staatsrechtlichen System des 19. Jh. blieb in prinzipiell rechtsfreien Räumen die Figur noch erhalten; bekanntestes Beispiel ist der sog.e Militärfiskus. Die überkommene der F.-Theorie entspr.e Sentenz „dulde und liquidiere“ wurde im deutschen Enteignungsrecht (Enteignung) erst durch die sog.e Nassauskiesungsentscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1981 endgültig aufgegeben (BVerfGE 58, 300). Bis dahin besaß der Bürger grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er gegen eine als rechtswidrig empfundene Eigentumsbeeinträchtigung seitens des Staates im Verwaltungsrechtsweg vorging, um diese zu beseitigen, oder ob er darauf verzichtete und gleich Entschädigung in Geld verlangte. Mit dieser Entscheidung stellte das BVerfG klar, dass die Abwehr der Eigentumsbeeinträchtigung im Verwaltungsrechtsweg (sog.er Primärrechtsschutz) dem Anspruch auf Enteignungsentschädigung (sog.er Sekundärrechtsschutz) vorgeht, ein Wahlrecht mithin nicht mehr besteht.

3. Fiskusprivilegien

Nimmt der Staat am Privatrechtsverkehr teil, stehen ihm auch heute noch einige Sonderrechte zu, die sog.en F.-Privilegien: Er darf sich herrenlose Grundstücke aneignen (§ 928 Abs. 2 BGB), für Grundstücke des F. werden nur auf seinen Antrag hin Grundbuchblätter angelegt (§ 3 Abs. 2 GBO), der F. ist subsidiärer Erbe (§ 1936 BGB), für die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung gegen den F. gelten Besonderheiten (§ 882a ZPO; Art. 22 BayAGGVG) u. a. mehr. Zu den F.-Privilegien zählt auch die zunehmend eingeschränkte und in ihrem Sinn inzwischen zweifelhafte Subsidiaritätsklausel des Amtshaftungsanspruchs: Nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB (i. V. m. Art. 34 GG) tritt der Amtshaftungsanspruch des Bürgers gegenüber dem Staat bei bloß fahrlässiger Schädigung eines Bürgers durch einen Beamten im haftungsrechtlichen Sinn gegenüber einem anderweitigen zivilrechtlichen Haftungsanspruch (Haftung) zurück. Differenziert ist die Steuerfreiheit des F. zu betrachten. V. a. unter dem Einfluss des Europarechts sowie des Gedankens der Wettbewerbsneutralität kann auch der Staat bei bestimmten Tätigkeiten besteuert werden. Das BVerfG hat am Beispiel einer wegen Verletzung ihres Eigentumsrechts klagenden Gemeinde festgestellt, dass auch die F.-Privilegien die Gemeinde nicht in eine grundrechtstypische Gefährdungslage bringen, sie mithin nicht grundrechtsfähig werde (BVerfGE 61, 82 [105 f.]).

4. Fiskalisches Staatshandeln

Heute ist der F. die funktionale Bezeichnung für die Verwaltung in bestimmten Angelegenheiten, für den Staat „in Zivil“, nicht „in Uniform“ (Jellinek 1931: 25). Der Staat als juristische Person des öffentlichen Rechts handelt grundsätzlich in hoheitlichen, d. h. öffentlich-rechtlichen Formen. Das gilt v. a. im Bereich der sog.en Eingriffsverwaltung, d. h. sofern Eingriffe in (Grund-)Rechtspositionen der Bürger erfolgen. Handelt der Staat/die Verwaltung in den Formen des Privatrechts, spricht man von fiskalischem Staatshandeln oder F.-Verwaltung. Hier werden traditionell drei Typen unterschieden: Fiskalische Hilfsgeschäfte, erwerbswirtschaftliche Tätigkeit sowie das Verwaltungsprivatrecht. Mittels fiskalischer Hilfsgeschäfte deckt die Verwaltung ihren Bedarf an Sachmitteln: „Finanzamt kauft Kohlen oder Bleistifte“, die Polizei wird mit Uniformen, Fahrzeugen und Waffen versorgt. Der Staat als Nachfrager unterliegt grundsätzlich den rechtlichen Bindungen des Vergaberechts. Bei der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit nimmt der Staat am wirtschaftlichen Wettbewerb teil. Dies ist nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen zulässig. Das kommunale Wirtschaftsrecht ist ein praktisch relevanter Bereich; es bindet die kommunale Wirtschaftstätigkeit an die Erfüllung eines öffentlichen Zweckes, setzt es in Relation zur Leistungsfähigkeit der Kommune und begrenzt es grundsätzlich auf den örtlichen Bereich. Von Verwaltungsprivatrecht schließlich spricht man, wenn öffentliche Aufgaben in den Rechtsformen des Privatrechts wahrgenommen werden. Hier handelt es sich um Verwaltung im materiellen Sinne.

Die Verwaltungsrechtsdogmatik geht vom Grundsatz der Formenwahlfreiheit der Verwaltung aus. Sofern es sich nicht um hoheitliche Eingriffsverwaltung handelt, kann die Aufgabenerfüllung öffentlich-rechtlich oder in den Rechtsformen des Privatrechts erfolgen. Oftmals kann ein bestimmtes Ziel alternativ öffentlich- oder privatrechtlich erreicht werden: Ein gefährliches Produkt kann verboten werden oder vor den Gefahren wird gewarnt. Um eine „Flucht ins Privatrecht“ (Fleiner 1928: 326) zu verhindern, unterliegt die Verwaltung dann jedoch prinzipiell entspr.en Rechtsbindungen wie im öffentlichen Recht. Eine im Vordringen befindliche Lehre sieht hinsichtlich der Rechtsbindung die Unterscheidung zwischen fiskalischem Handeln der Verwaltung und dem Verwaltungsprivatrecht daher als überholt an.