Industrie- und Handelskammern
1. Struktur der IHKs
In der BRD gibt es 79 IHKs. IHKs sind öffentlich-rechtliche Körperschaften, in denen auf Basis des IHKG alle Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft mit Ausnahme von Handwerk, Landwirtschaft und freien Berufen Mitglieder sind. In Deutschland sind damit über 3 Mio. Unternehmen IHK-zugehörig. Etwa ein Drittel davon ist im Handels- bzw. im Genossenschaftsregister eingetragen, zwei Drittel sind Kleingewerbetreibende. Die regionalen Kammerbezirke der IHKs unterscheiden sich in Fläche, Mitgliederzahl und Wirtschaftsleistung. Die starke regionale Verankerung ermöglicht es den IHKs, ihre Aufgaben mit enger Rückbindung an die Situation der Unternehmen vor Ort zu erfüllen. Kritiker sprechen sich gegen diese „Zwangsmitgliedschaft“ in IHKs aus. Das BVerfG hat mit seinem Beschluss vom 12.7.2017 entschieden, dass die gesetzlich vorgeschriebene Mitgliedschaft nicht zu beanstanden sei. Sie sichert die Teilhabe und Mitsprache aller Gewerbetreibenden in ihrer IHK unabhängig von Größe und Beitrag – insb. bei wirtschaftlicher Selbstverwaltung und Interessenvertretung. Dabei handelt es sich um legitime öffentliche Aufgaben, die laut BVerfG eine Pflichtmitgliedschaft rechtfertigen. Spitzenorganisation der IHKs ist der DIHK in Berlin. Der DIHK ist ein privatrechtlich organisierter Verein. In Flächenstaaten haben sich zudem IHKs in Landesarbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen.
2. Selbstverwaltung der Wirtschaft
Als öffentlich-rechtliche Körperschaften sind die IHKs eine Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft. In dieser Funktion erfüllen sie eigenverantwortlich zahlreiche Aufgaben, die ihnen per Gesetz vom Staat übertragen sind. Dabei binden die IHKs alle Unternehmen eines Kammerbezirks ein. Auf dieser Grundlage ermöglichen IHKs der Wirtschaft, sie betreffende Angelegenheiten selbst zu regeln und sind damit ein Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips (Subsidiarität). Den gesetzlichen Rahmen für Tätigkeit und Organisation der IHKs bilden IHKG, Landesgesetze und die IHK-Satzungen. IHKs sind im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung personell, finanziell und organisatorisch unabhängig und unterliegen lediglich der Rechtsaufsicht, i. d. R. durch das Wirtschaftsministerium des jeweiligen Landes.
Die IHKs sind mitgliedergetragen und demokratisch aufgebaut. Oberstes Entscheidungsgremium für die Arbeit der IHK ist die Vollversammlung, in welche die IHK-Mitglieder in regelmäßigen Abständen ihre Vertreter wählen. Ihre Zusammensetzung soll spiegelbildlich die Struktur und Vielfalt der regionalen Wirtschaft abbilden. Dazu werden verschiedene i. d. R. branchenorientierte Wahlgruppen gebildet und bei der Sitzverteilung die Wirtschaftskraft berücksichtigt. Aus ihrer Mitte wählt die Vollversammlung das Präsidium sowie den ehrenamtlichen Präsidenten der IHK. Zudem bestellt sie den IHK-Hauptgeschäftsführer. Die Mehrheit der Vollversammlungs- und Präsidienmitglieder kommt aus kleinen und mittleren Unternehmen, was die mittelständisch geprägte Wirtschaftsstruktur (Mittelstand) in Deutschland spiegelt. Die ehrenamtliche Arbeit in IHK-Gremien bietet Unternehmen zahlreiche Formen der Mitwirkung. So engagieren sich mehrere Hunderttausend Personen in IHK-Ausschüssen, Arbeitskreisen oder als Prüfer in der Aus- und Weiterbildung.
Die IHKs finanzieren ihre Aufgaben aus Gebühren und Entgelten für individuelle Leistungen sowie aus Beiträgen ihrer Mitglieder. Dazu erheben sie einen Grundbeitrag und eine Umlage nach dem Gewerbeertrag oder dem Gewinn. Die Beiträge orientieren sich an der Leistungskraft der Unternehmen und sind so dem Solidarprinzip (Solidarität) verpflichtet. Die Höhe von Beiträgen und Gebühren legt die Vollversammlung jährlich in der Wirtschaftssatzung fest und entscheidet so über die konkrete Finanzierung der IHK-Aufgaben. Wichtige Einflussfaktoren sind dabei Struktur und Leistungskraft der regionalen Wirtschaft sowie inhaltliche Schwerpunkte der IHK-Arbeit. Der Großteil von Unternehmen mit niedrigen Umsätzen ist per Gesetz von der Beitragszahlung freigestellt, viele weitere aufgrund von IHK-Satzungsregelungen.
3. Aufgaben der IHK
Die Aufgaben der IHKs sind im IHKG allg. formuliert. Sie sollen das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder wahrnehmen, die gewerbliche Wirtschaft fördern, die Behörden beraten und sich für das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns einsetzen. Das verschafft den IHKs Spielraum bei der konkreten Ausgestaltung dieser Aufgaben. So können die IHKs den sich wandelnden wirtschaftlichen Verhältnissen vor Ort und den Anforderungen der regionalen Unternehmen gerecht werden.
a) Auf dieser Basis setzen sich die IHKs gegenüber Politik und Verwaltung für die Belange der gewerblichen Wirtschaft ein. Sie bündeln die vielfältigen Interessen ihrer Mitglieder und stellen dabei einen ausgewogenen Ausgleich der Belange unterschiedlicher Branchen und Unternehmen sicher. Diese gemeinsame Position der Wirtschaft vertreten die IHKs über Stellungnahmen, Gutachten oder Anhörungen in ihrem IHK-Bezirk. Zu landesweiten Themen äußern sich die IHKs durch Landesarbeitsgemeinschaften im jeweiligen Bundesland. Auf Bundes- und Europaebene bringen die IHKs die Interessen der gesamten gewerblichen Wirtschaft über den DIHK in den politischen Entscheidungsprozess ein. Die IHKs stellen dabei auf Sachverhalte mit spezifischen Auswirkungen auf die Wirtschaft ab und berücksichtigen auch Minderheitenmeinungen. Für Parlament und Regierung ist dieser abgewogene gesamtwirtschaftliche Blickwinkel ein wichtiges Hilfsmittel bei der Entscheidungsfindung.
b) Die IHKs haben den gesetzlichen Auftrag, die gewerbliche Wirtschaft zu fördern. Art, Umfang und Finanzierung dieser Unterstützung legen die IHKs selbst fest. In erster Linie umfasst sie – vermehrt digitale – Informationsangebote, Veranstaltungen und Seminare. Die IHKs geben Auskünfte z. B. zu Rechts- oder Steuerfragen. Ferner begleiten und beraten sie insb. kleine und mittlere Unternehmen von der Existenzgründung über Innovations- und Finanzierungsfragen bis zur Unternehmensnachfolge über deren gesamten Lebenszyklus. Die IHKs konzentrieren ihr Dienstleistungsangebot dabei auf Bereiche, in denen sie nicht im Wettbewerb zu privaten Anbietern stehen. Ein wichtiges Handlungsfeld der IHK-Organisation ist zudem die deutsche Außenwirtschaftsförderung. Hier arbeiten IHKs und das vom DIHK koordinierte weltumspannende Netz der Deutschen Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen eng zusammen. IHKs beraten Unternehmen in Deutschland, während die Auslandshandelskammern mit über 130 Büros in 90 Ländern zahlreiche Dienstleistungen am jeweiligen Standort anbieten.
c) Die IHKs unterstützen Behörden und Gerichte mit Stellungnahmen und als Gutachter. Als Träger öffentlicher Belange bringen sie die Perspektive der Wirtschaft in der kommunalen Bauleitplanung bspw. bei Infrastrukturprojekten ein.
d) Im Bereich der Wirtschaftsverwaltung haben die Gesetzgeber auf Bundes- und Länderebene den IHKs zahlreiche staatliche Aufgaben zur Durchführung in Selbstverwaltung übertragen. Dies nutzt die in der Wirtschaft vorhandene Sachkompetenz, entlastet den Staat finanziell sowie personell und ermöglicht eine praxisnahe Ausführung unter Beteiligung der betroffenen Unternehmen.
Eine der zentralen Aufgaben der IHKs ist die berufliche Bildung, in deren Aufbau die IHKs schon seit Beginn des 20. Jh. eingebunden waren. Das BBiG hat den IHKs die Organisation und Betreuung der beruflichen Bildung in den Betrieben anvertraut: Sie registrieren Ausbildungsverträge, prüfen die Eignung von Ausbildungsbetrieben und Ausbildern oder vermitteln in Konfliktsituationen. Zudem organisieren IHKs die Zwischen- und Abschlussprüfungen. Hierfür richten sie ehrenamtlich besetzte Prüfungsausschüsse ein. IHKs sind auch in der beruflichen Weiterbildung aktiv. Sie beraten Unternehmen sowie Beschäftigte, bieten Lehrgänge an und nehmen Prüfungen ab. Die Entwicklung und Modernisierung von IHK-Ausbildungsberufen und IHK-Weiterbildungen gehört ebenfalls zu ihrem Aufgabenspektrum. Daneben engagieren sie sich in der Berufsorientierung, Lehrstellenvermittlung und der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse.
Neben der beruflichen Bildung sind den IHKs über 50 weitere Aufgaben auf Bundes- oder Länderebene übertragen. Explizit im IHKG genannt ist die Erstellung von Ursprungszeugnissen für den internationalen Warenverkehr. Weitere Aufgaben umfassen die Durchführung von Sach- und Fachkundeprüfungen etwa im Bewachungsgewerbe, das Führen von Registern bspw. für Versicherungsvermittler oder die Bereitstellung vereidigter Sachverständiger.
e) Das IHKG überträgt den IHKs ebenfalls die Aufgabe, für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns, also eine auf ethischen Grundsätzen basierende Unternehmensführung (Wirtschaftsethik) zu wirken. In diesem Rahmen informieren die IHKs Unternehmen und unterstützen diese bei der Umsetzung konkreter Schritte insb. im Bereich CSR. Zudem engagieren sie sich bei Compliance/Korruptionsbekämpfung und bei der Schlichtung von Wettbewerbsstreitigkeiten.
Literatur
G. Hardach: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag 1861–2011, 2011 • W. Kluth (Hg.): Hdb. des Kammerrechts 22011 • G. Frentzel/E. Jäkel/W. Junge: Industrie- und Handelskammergesetz, 72009 • W. Kluth: Funktionale Selbstverwaltung, 1997.
Empfohlene Zitierweise
A. Dercks: Industrie- und Handelskammern, Version 04.01.2021, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon8 online, URL: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Industrie-_und_Handelskammern (abgerufen: 31.10.2024)