Mittelstand

1. Abgrenzungsvielfalt

Der M. in einem allgemeinen Sinne fasst eine gesellschaftliche Gruppe i. S. v. „Mittelschicht“ zusammen. Ausgehend von der mittelalterlichen Einteilung in Stände oder Klassen, die ihre Bedeutung verloren hat, dient heute als Abgrenzungskriterium neben soziokulturellen Merkmalen hauptsächlich die Abweichung des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens vom Medianeinkommen (z. B. SOEP, IW Köln). Unabhängig von der konkreten Abgrenzung umfasst der M. in Deutschland die größte Bevölkerungsgruppe. Etwa jeder Zweite gehört ihr an und verfügt über ein Einkommen zwischen 80 und 150 % des Medianeinkommens. Wie stabil dieser Anteil ist und welche Veränderungtendenzen er aufweist, wird unter Ökonomen und Politikern kontrovers diskutiert.

Der M. in einem speziellen Sinne fasst Unternehmen mit bestimmten Merkmalen zusammen. Dieser Begriffsinhalt steht heute im Vordergrund und wird im Weiteren zugrundegelegt. Während die Korrespondenz zwischen dem allgemeinen und dem speziellen Begriffsinhalt in der vorindustriellen Gesellschaft ausgeprägt war, ist sie heute weitgehend aufgelöst. Die ursprüngliche Ausdifferenzierung des Handwerks und des selbständigen Unternehmertums als auf eigener Arbeit beruhendem Privateigentum legte auch ihre Einkommensquellen fest. Sie bilden noch heute den Kern des M.es und grenzen ihn von der Arbeiterklasse und den Kapitalbesitzern ab, die mit der Industriegesellschaft Bedeutung gewannen und andere Einkommensquellen besassen.

Die unternehmerischen Abgrenzungsmerkmale kennzeichnen einerseits Governance- und andererseits Größenmerkmale. Wird auf die Unternehmensgovernance (Governance) abgestellt, steht im Vordergrund die Einheit von Eigentum und Leitung, die eine personengebundene Abgrenzung beinhaltet sowie auf die unternehmerische Verantwortung und die Haftung des eigenen Vermögens fokussiert. Dies entspricht z. B. der M.s-Definition des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung mit der Operationalisierung, dass bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörigen mindestens 50 % der Anteile eines Unternehmens halten und dass diese Personen der Geschäftsführung angehören. Diese Abgrenzung bezieht v. a. die Familienunternehmen sowie die Eigentümerunternehmen ein.

Die Größenmerkmale beinhalten Schwellenwerte für die Zahl der Beschäftigten, den Umsatz pro Jahr oder die Bilanzsumme pro Jahr und entsprechen der KMU-Definition. Jene der EU differenziert drei Größenklassen. Generell zählt ein Unternehmen zu den KMU, wenn es nicht mehr als 249 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder eine Bilanzsumme von maximal 43 Mio. Euro aufweist. Die kleinsten Unternehmen werden mit bis 9 Beschäftigten, bis 2 Mio. Euro Umsatz oder bis 2 Mio. Euro Bilanzsumme abgegrenzt. Die entsprechenden Werte für kleine Unternehmen sind bis 49 Beschäftigte, bis 10 Mio. Euro Umsatz oder bis 10 Mio. Euro Bilanzsumme, wenn es nicht kleinste Unternehmen sind. Mittlere Unternehmen beschäftigen bis max. 249 Beschäftigte, erwirtschaften bis 50 Mio. Euro Umsatz oder bis 43 Mio. Euro Bilanzsumme, wenn es nicht kleinste und kleine Unternehmen sind.

2. Empirie

In der EU wie auch in Deutschland hat die mittelständische Wirtschaft große Bedeutung. 2015 zählten rund 3,45 Mio. Unternehmen zu den deutschen KMU, dies sind 99,5 % aller Unternehmen. In der EU-28 sind es sogar 99,8 %. Sie erwirtschaften 53,1 % der Wertschöpfung deutscher Unternehmen (EU-28: 57,4 %) und hatten 62,8 % (EU-28: 66,8 %) aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unter Vertrag sowie 81,8 % aller Auszubildenden. Die durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten beträgt in der EU-28 4 und in Deutschland 7,7. Auch in Deutschland stellen den größten Anteil der KMU die kleinsten Unternehmen (88 %) dar, wenngleich die deutschen KMU im Durchschnitt größer sind als jene der EU-28. Der M. umfasst u. a. Industriebetriebe, Handwerksbetriebe, Handelsbetriebe, Dienstleistungsunternehmen und Freiberufler (Freie Berufe). Ein großer Teil der mittelständischen Unternehmen sind Familienunternehmen. 4,2 % der KMU des produzierenden Gewerbes in Deutschland sind dem Hochtechnologiebereich zuzurechnen (EU-28: 2,2 %). Der Anteil der KMU an den wissensintensiven Dienstleistungen im gesamten Dienstleistungssektor beträgt in Deutschland 30,6 % und im Durchschnitt der EU-28 31,6 %.

Der M. ist ein stabilisierender Faktor des Standortes Deutschland. Einige deutsche Mittelständler sind als hidden champions bekannt. Zusätzlich wird ihnen eine hohe Innovationsorientierung (Innovation) attestiert, ihre Internationalisierungsquote hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Sie stammt aus Im- und Exportgeschäften sowie dem Angebot von Vertriebs- und Serviceleistungen im Ausland.

3. Perspektiven

Wie die Großunternehmen auch sind die mittelständischen Unternehmen gefordert, Antworten auf die demografische Entwicklung, die Internationalisierung, die Digitalisierung/Industrie 4.0 sowie die Zunahme der Wissensintensität von Leistungen zu finden. Zwar sind damit auch Chancen verbunden und sind die Unternehmen weitgehend gut gerüstet. Doch beinhalten geeignete Nachfolgeregelungen, die Erlangung und Ausbildung von Humankapital, Größennachteile sowie die Transformation von Geschäftsmodellen weitreichende Aufgaben. Viele KMU reagieren mit Kooperationsstrategien. Kooperationen finden nicht nur innerhalb des M.es statt (Produktion, Serviceleistungen, Beschaffung, Internationalisierung, Auftragsakquise), sondern auch zwischen mittelständischen und großen Unternehmen. KMU erfüllen auf der Grundlage von Kooperationsverträgen mit Großunternehmen Verwaltungs-, Vertriebs- und Dienstleistungsaktivitäten. EU-weit arbeiten heute über drei Viertel der mittelständischen Unternehmen mit Kooperationspartnern zusammen.