Moralisches Risiko (moral hazard): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 14. November 2022, 05:58 Uhr

M. R. bedeutet allg., dass jemand zusätzliche Risiken eingeht, die er für sich allein nicht eingehen würde, weil ggf. ein anderer (zumindest partiell) für die Kosten aufkommt. M. R. tritt entspr. auf Versicherungs- und Finanzmärkten auf, bezeichnet jedoch auch den Teil von Prinzipal-Agenten-Problemen, bei denen der Agent nachvertraglich verdeckte Handlungen (hidden action) zum Nachteil des Prinzipals vornehmen kann.

1. Versicherungs- und Finanzmärkte

M. R. liegt vor, wenn sich Versicherungsnehmer riskanter verhalten, als sie es ohne Versicherung täten, weil die Versicherung bzw. die Gemeinschaft der Versicherten zahlt, wenn sich ein ungünstiges Ereignis realisiert. Haftpflicht- und insb. vollkaskoversicherte Autofahrer fahren demnach schneller und rücksichtsloser, Krankenversicherte achten weniger auf ihre Gesundheit, gegen Arbeitslosigkeit Versicherte bemühen sich weniger darum, einen bestehenden Job zu behalten oder einen neuen zu finden. Bes. problematisch sind Überversicherungen, wenn z. B. eine Feuerversicherung mehr zahlt, als ein Gebäude überhaupt wert ist, was einen Anreiz zur Brandstiftung schafft.

M. R. gibt es auch auf Finanzmärkten, wenn z. B. Schuldner immer mehr Kredite aufnehmen, die sie im Falle einer Insolvenz ohnehin nicht zurückzahlen können, oder Banken ihnen solche Kredite gewähren, weil sie die Kredite mit ihren Risiken weiterverkaufen oder im Falle einer Krise vom Steuerzahler gerettet werden. Insb. in der Eurozone können sich ganze Staaten stärker verschulden, weil ihre Anleihen zu großen Teilen von der EZB gekauft werden, im Krisenfall Rettungsfonds einspringen und sie deshalb viel niedrigere Zinsen zahlen müssen.

2. Prinzipal-Agenten-Beziehungen

M. R. tritt nicht nur auf Märkten auf, sondern auch innerhalb von bestehenden Prinzipal-Agenten-Beziehungen, d. h. nach Abschluss eines Vertrages, mit dem ein Auftraggeber (Prinzipal) Aufgaben an einen Auftragnehmer (Agenten) delegiert. Andere Opportunismusprobleme, die vor Vertragsabschluss auftreten, werden als adverse Selektion bezeichnet, die auch auf Versicherungs- und Finanzmärkten existiert. M. R. tritt nachvertraglich auf, wenn die vereinbarte Leistung des Agenten vom Prinzipal nicht direkt beobachtet oder zumindest nicht gerichtsfest nachgewiesen werden kann. Der Agent droht dann, zum Nachteil des Prinzipals weniger als vereinbart zu arbeiten oder z. B. auch direkt höhere Risiken einzugehen. Wenn die Sache gut ausgeht, bemerkt der Prinzipal dieses Fehlverhalten häufig gar nicht. Realisieren sich hingegen die schlechten Risiken, hat v. a. der Prinzipal den Schaden.

Die Prinzipal-Agenten-Theorie beschäftigt sich damit, wie sich durch geeignete Anreizgestaltung Risiken und Schäden möglichst gering halten lassen. Bestimmte Risiken lassen sich vielleicht gar nicht vermeiden oder sollen nicht auf den Agenten abgewälzt werden, weil dieser oft risikoaverser ist als der Prinzipal. Es geht dann um den optimalen Trade-off zwischen Anreizen und Risiken für den Agenten, die beide zugl. zu hoch oder auch zu niedrig sein können.

Typische Anwendungsbeispiele sind die Beziehungen zwischen Arzt und Patient, Handwerker und Kunde oder angestelltem Manager und Unternehmenseigentümer (an erster Stelle steht hier jeweils der Agent, gefolgt vom Prinzipal), wobei auch Erweiterungen auf z. B. die Politik oder Universitäten möglich sind. Das Modell lässt sich auch mehrstufig erweitern, wenn z. B. Manager normale Arbeitnehmer als Agenten einsetzen, selbst jedoch vom Aufsichtsrat überwacht werden, dessen Mitglieder wiederum Agenten der Aktionäre sind. Dies ist mit Kollusionsgefahren verbunden, also einer nicht erwünschten Zusammenarbeit der Agenten unterschiedlicher Stufe zu Lasten der Prinzipale. Andere Probleme ergeben sich, wenn mehrere Agenten auf der gleichen Stufe als Team zusammenarbeiten oder in Leistungsturnieren gegeneinander antreten sollen, was nicht beides gleichzeitig geschehen darf. Wenn ein Agent mehrere verschiedene Aufgaben zu erledigen hat, dann darf eine für sich genommen gut beobachtbare Aufgabe nicht stärker als die anderen Aufgaben angereizt werden, weil letztere sonst kaum oder gar nicht erledigt wird. Wenn die Prinzipal-Agenten-Beziehungen über viele Perioden besteht, dann erleichtert das den Rückschluss auf die nicht direkt beobachtbaren Handlungen. Denn jeder kann einmal Pech haben, aber ein guter Agent liefert nicht zu häufig schlechte Ergebnisse ab.