Mutterschutz: Unterschied zwischen den Versionen

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Darüber hinaus sichert der Sozialstaat finanzielle Risiken von Müttern ab, sei es in Gestalt des Mutterschaftsgeldes (§&nbsp;13 MuSchG i.&nbsp;V.&nbsp;m. §&nbsp;24i SGB&nbsp;V), sei es als Mehrbedarf werdender Mütter im Rahmen der sozialen Grundsicherung (§§&nbsp;21 Abs.&nbsp;2 SGB II, 30 Abs.&nbsp;2 SGB XII). Hinzu kommen weitere Hilfsangebote, etwa der Bundesstiftung <I>Mutter und Kind</I> zur Prävention von [[Schwangerschaftsabbruch|Schwangerschaftsabbrüchen]].
 
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C. Seiler: Mutterschutz, Version 14.08.2021, 13:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Mutterschutz}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
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C. Seiler: Mutterschutz, Version 08.06.2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Mutterschutz}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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Version vom 8. Juni 2022, 08:16 Uhr

1. Mehrfaches Schutzanliegen

Der Schutz werdender und junger Mütter zählt zu den wichtigsten Errungenschaften des modernen Sozialstaates. Er zielt darauf, die Mutter in allen Aspekten der Mutterschaft, von der Schwangerschaft über die Geburt bis hin zur Stillzeit, zu schützen und zu stärken, und so zugl. das Leben und die Gesundheit ihres Kindes. Indirekt begünstigt werden Staat und Gesellschaft, die auf das Heranwachsen der nächsten Generation angewiesen sind und allen Müttern Anerkennung und Unterstützung schulden.

2. Historische Entwicklung

Die liberalen Verfassungen des 19. Jh. kannten noch keine sozialen Verbürgungen zugunsten der Mütter. Erstmals sah die GewO von 1878 ein dreiwöchiges Beschäftigungsverbot für Wöchnerinnen vor.

Den eigentlichen Ausgangspunkt des M.es bildete der national und wohl auch international vorbildlose Art. 119 Abs. 3 der WRV: „Die Mutterschaft hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staats“. Die damalige Grundrechtsdogmatik und der von der individuellen Mutter abstrahierende Wortlaut der Bestimmung führten indes zu einer Auslegung als bloßem Programmsatz ohne subjektive Berechtigung und derogative Kraft. Als „Zukunftsrecht“ diente die Vorschrift gleichwohl als Leitlinie für Gesetzgebung und Rechtsprechung. Verwirklicht wurde ihr Auftrag durch das (ein völkerrechtliches Übereinkommen umsetzende) MuSchG von 1927, das bis heute den arbeitsrechtlichen M. prägt.

Im Parlamentarischen Rat stand der M. dem Grunde nach nicht mehr zur Disposition. Er wurde letztlich in zweifacher Hinsicht erweitert: Inhaberin des Anspruchs wurde nun im Sinne eines echten Grundrechts „jede Mutter“, nicht mehr die Mutterschaft als solche. Adressat des Schutzauftrags ist seither die ganze „Gemeinschaft“, nicht mehr allein der Staat.

3. Der Mutterschutz im geltenden Recht

3.1 Verbürgung im Grundgesetz

Art. 6 Abs. 4 GG verspricht seit 1949: „Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft“. Gemeint ist die leibliche Mutter, deren biologische Mutterschaft geschützt und gefördert werden soll. Umfasst sind damit sämtliche Umstände der Schwangerschaft, der Niederkunft, der nachgeburtlichen Ruhe und Pflege sowie der Stillbeziehung zum Kind (jeweils einschließlich ihrer körperlichen, seelischen, finanziellen, beruflichen oder sonstigen Folgen unmittelbarer oder mittelbarer Art). Die soziale Mutterrolle geht hingegen gleichberechtigt mit der Vaterschaft im Familienschutz nach Abs. 1 und im Elternrecht nach Abs. 2 von Art. 6 GG auf.

Im Einklang mit dem mehrschichtigen Schutzanliegen des M.es enthält Art. 6 Abs. 4 GG einen mehrdimensionalen Schutz- und Fürsorgeanspruch. Als Grundrecht ist die Vorschrift subjektives Abwehrrecht. Der Staat hat im Zusammenhang von Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit alles zu unterlassen, was die biologische Mutterschaft beeinträchtigen könnte. Eine objektive Schutzpflicht gibt dem Staat auf, die Mutter auch gegenüber privaten Dritten (z. B. Arbeitgeber oder Vermieter) zu schützen, soweit deren Handeln die typischen Gefahrenlagen von Schwangerschaft und Geburt zu verschärfen droht. Hinzu tritt ein legislativ konkretisierungsbedürftiges Fördergebot. Der Staat hat Müttern unter dem Vorbehalt des Möglichen sachgerechte Hilfestellungen anzubieten und ihre angemessene medizinische Versorgung sicherzustellen. Art und Maß der konkreten Fördermaßnahmen auszuwählen und sie zu einklagbaren Ansprüchen auszuformen obliegt dabei vorrangig dem parlamentarischen Gesetzgeber. All dies ist Ausdruck einer grundgesetzlichen Wertentscheidung, die als Gesetzgebungsmaxime und interpretationsleitende Direktive auf alle Bereiche staatlichen Handelns ausstrahlt und auch die Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte rechtfertigen kann. Hierin liegt der tiefere Sinn der Inpflichtnahme der gesamten staatlich verfassten Gemeinschaft durch Art. 6 Abs. 4 GG: Achtung, Schutz und Unterstützung werdender und junger Mütter benennen eine legislativ zu konkretisierende Jedermannsaufgabe.

3.2 Ausgestaltung in einzelnen Rechtsbereichen

Die Unterstützung der Mütter obliegt zunächst dem Sozialstaat. Angesprochen sind insb. die Krankenkassen. Auch wenn Schwangerschaft, Geburt und Stillen keine Krankheiten, sondern Ausdruck bes.r Gesundheit sind, bringen sie doch gesundheitliche Risiken mit sich, denen vorbeugend oder heilend abzuhelfen zu den Kerngehalten des M.es zählt. Jede Mutter hat deshalb Anspruch auf eine angemessene medizinische Versorgung. Die §§ 24c ff. SGB V setzen diesen Auftrag grundgesetzkonform um. PKV sind im Wege einer mittelbaren Drittwirkung des Art. 6 Abs. 4 GG zu einer entspr.en Ausgestaltung ihrer Vertragsbedingungen verpflichtet.

Darüber hinaus sichert der Sozialstaat finanzielle Risiken von Müttern ab, sei es in Gestalt des Mutterschaftsgeldes (§ 13 MuSchG i. V. m. § 24i SGB V), sei es als Mehrbedarf werdender Mütter im Rahmen der sozialen Grundsicherung (§§ 21 Abs. 2 SGB II, 30 Abs. 2 SGB XII). Hinzu kommen weitere Hilfsangebote, etwa der Bundesstiftung Mutter und Kind zur Prävention von Schwangerschaftsabbrüchen.

Hauptanwendungsgebiet des M.es ist das Arbeitsrecht. Das MuSchG hält Arbeitgeber an, werdende wie gewordene Mütter bes. zu schonen. Diesem Zweck dienen neben näheren Anforderungen an die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes v. a. abgestufte Beschäftigungsverbote während allg.er Schutzfristen (sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Entbindung) oder bei konkreten Gefahrenlagen (§§ 3 ff. MuSchG). Während dieser Zeiten erhalten Mütter entweder Lohnfortzahlungen ihres Arbeitgebers (§ 11 MuSchG) oder ein von der Arbeitgeberseite bis zum letzten Nettoeinkommen aufzustockendes Mutterschaftsgeld (§§ 13 f. MuSchG). Auch sind ordentliche Kündigungen während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ausgeschlossen (§ 9 MuSchG). Umgekehrt darf eine Schwangerschaft kein Einstellungshindernis sein. Eine unzulässigerweise hierauf gerichtete Frage des Arbeitgebers darf die werdende Mutter wahrheitswidrig beantworten.

Im Beamtenrecht begründen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) in Verbindung mit Art. 6 Abs. 4 GG bes. Fürsorgepflichten des Dienstherren zugunsten der schwangeren oder Mutter gewordenen Beamtin, die keinesfalls hinter dem Schutzniveau des privaten Arbeitsrechts zurückbleiben dürften.

Im Übrigen strahlt das Schutz- und Fürsorgegebot des Art. 6 Abs. 4 GG als Querschnittsaufgabe auf alle Bereiche der Rechtsordnung aus, um nur zwei Beispiele zu nennen: vom Hochschulrecht, das schwangeren Frauen und jungen Müttern die Fortsetzung ihres Studiums ermöglichen muss, bis hin zum Strafvollzugsrecht, das gegebenenfalls Hafterleichterungen zum Wohle von Mutter und Kind vorzusehen hat. Der Schutz der Mütter ist Aufgabe der ganzen staatlich verfassten Gemeinschaft.