Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE/KSZE)

1. Organisation, Beschlussgremien, Institutionen und Feldpräsenz

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE; seit 1.1.1995) mit Sitz in Wien ist eine Regionalorganisation gemäß Kap. VIII der UN-Charta. Aus der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hervorgegangen, beruht sie auf politischen Vereinbarungen zwischen den 57 Teilnehmerstaaten. Zu ihnen zählen alle international anerkannten europäischen Staaten, Russland und die Türkei, die Staaten im Südkaukasus und in Zentralasien, die Mongolei sowie die USA und Kanada.

Die OSZE wird vom Außenminister des Vorsitzstaates geleitet, der jeweils für ein Jahr von den Teilnehmerstaaten bestimmt wird. Er beruft i. d. R. am Jahresende ein Treffen des Ministerrates ein, der die Lage erörtert und Beschlüsse fasst. Dem amtierenden OSZE-Vorsitz stehen der letztjährige und der nächste Vorsitz zur Seite („Troika“). Wenn Entscheidungen von grundlegender Bedeutung getroffen werden sollen, wird ein Gipfeltreffen einberufen (Paris 1990, Helsinki 1992, Budapest 1994, Lissabon 1996, Istanbul 1999, Astana 2010 zum Jahrestag der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975).

Der Ständige Rat der Botschafter koordiniert unter Leitung des OSZE-Vorsitzes die laufende Arbeit. Ausschüsse unterstützen fachlich in den drei OSZE-„Dimensionen“. Für politisch-militärische Angelegenheiten ist das mit dem Ständigen Rat gleichrangige Forum für Sicherheitskooperation zuständig, das unter einem wechselnden Vorsitz tagt.

Alle OSZE-Beschlussgremien treffen Entscheidungen im Konsens. Ausgenommen sind die autonomen Institutionen der OSZE: Das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (Warschau), der Hohe Kommissar für Nationale Minderheiten (Den Haag) und die Beauftragte für die Medienfreiheit (Wien) unterliegen keinen Weisungen.

Das OSZE-Sekretariat unterstützt unter der Leitung des Generalsekretärs die Arbeit der Beschlussgremien und führt die Feldpräsenz der OSZE in Ost- und Südosteuropa, im Südkaukasus und in Zentralasien. Sekretariat und Institutionen verfügten im April 2017 über ca. 550, die 16 Feldmissionen, Büros und Zentren über ca. 2 330 internationale Mitarbeiter. Sie beraten Gaststaaten bei der politischen Transformation (Systemtransformation) und begleiten Projekte (z. B. Rechtsreform, Grenzschutz, Polizeiarbeit, Rüstungskontrolle, sichere Waffenlagerung, Munitionsvernichtung). Im März 2014 hat der Ständige Rat eine Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine eingerichtet (ca. 860 Mitarbeiter anfangs 2017). Das reguläre Jahresbudget der OSZE umfasst ca. 140 Mio. Euro. Der Sonderhaushalt für die Sonderbeobachtungsmission von ca. 100 Mio. Euro wird durch freiwillige Beiträge der Teilnehmerstaaten finanziert.

Die Parlamentarische Versammlung der OSZE setzt sich aus 330 Abgeordneten der Parlamente der OSZE-Teilnehmerstaaten zusammen. Sie erörtern die Arbeit der OSZE, beteiligen sich an der Wahlbeobachtung und verfassen auf Jahrestagungen Mehrheitsbeschlüsse. Diese sind für die Teilnehmerstaaten nicht verbindlich.

Der Vergleichs- und Schiedsgerichtshof der OSZE in Genf wurde erst einmal angerufen (1992).

2. Ziele, Normen, Vereinbarungen

Die KSZE trat erstmals 1973–1975 in Helsinki zusammen, um trotz der bipolaren Konfrontation des Kalten Krieges die „friedliche Koexistenz“ der Blöcke zu ermöglichen. 35 Teilnehmerstaaten, unter ihnen die Mitgliedstaaten der NATO und des Warschauer Paktes sowie neutrale und nicht paktgebundene Staaten Europas, einigten sich in der Schlussakte von Helsinki am 1.8.1975 darauf, völkerrechtliche Prinzipien im geteilten Europa anzuwenden („Dekalog“), ohne allerdings die Ordnung von Jalta in Frage zu stellen. Sie verpflichteten sich, den territorialen Status quo und die Souveränität der Staaten zu respektieren, auf Gewaltanwendung und die Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten zu verzichten, das Selbstbestimmungsrecht der Völker sowie Bürger- und Menschenrechte (Grundrechte) zu achten und Verträge nach Treu und Glauben zu erfüllen. Zudem vereinbarten sie die begrenzte Kooperation in drei „Körben“, den späteren OSZE-„Dimensionen“.

Infolge neuer Krisen (Afghanistan 1979, Militärregime in Polen 1980, Aufstellung sowjetischer SS-20 Mittelstreckenraketen und NATO-Doppelbeschluss) wurden die Vereinbarungen zunächst nur eingeschränkt umgesetzt. Nach Stagnation bei den Folgekonferenzen (Belgrad 1978, Madrid 1983) brachte erst die Wiener Konferenz am 15.1.1989 den Durchbruch. Im Kontext mit der Reform der UdSSR unter Präsident Michail Sergejewitsch Gorbatschow gelang es den KSZE-Teilnehmerstaaten, Weichen zu stellen hin auf die Beendigung des Rüstungswettlaufs, die Überwindung der Teilung Europas und zum Aufbau einer kooperativen Friedens- und Sicherheitsordnung.

Auf der Stockholmer Konferenz (1986) vereinbarten die Teilnehmerstaaten umfangreiche vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen (VSBM). In der Charta von Paris (21.11.1990) einigten sie sich darauf, künftig unter dem Dach der KSZE zu kooperieren, die Helsinki-Prinzipien umzusetzen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (Rechtsstaat) zu fördern und militärische Zurückhaltung durch Rüstungskontrolle abzusichern. Der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag, 19.11.1990) schuf ein militärisches Gleichgewicht zwischen den damals 16 NATO- und sechs Warschauer Pakt-Staaten auf niedrigerem Niveau, um großangelegte Aggressionen und Überraschungsangriffe zu verhindern. Das Wiener Dokument vom 19.11.1990 erweiterte das Stockholmer VSBM-Dokument.

Die OSZE bekennt sich zum Ziel eines gemeinsamen Raumes ungeteilter, gleicher und kooperativer Sicherheit. Ein umfangreicher „Acquis“ von Normen und Vereinbarungen erstreckt sich auf die drei „Dimensionen“ eines erweiterten Sicherheitsbegriffs:

Die politisch-militärische („erste“) Dimension umfasst militärische und nichtmilitärische Sicherheitsaspekte. Dazu gehören VSBM über die Transparenz und politische Kontrolle des Militärs und der Sicherheitskräfte (Wiener Dokument, OSZE-Verhaltenskodex u. a.) sowie die Kooperation bei der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität. Sie schließt den Cyber- und Informationsraum ein.

In der ökonomischen und ökologischen („zweiten“) Dimension haben die Teilnehmerstaaten vereinbart, u. a. die wirtschaftliche Konnektivität im gesamten OSZE-Raum und die Transport- und Energiesicherheit für Staaten ohne Seehäfen zu fördern, die Investitionsbedingungen durch die Herstellung von Rechtssicherheit und Korruptionsbekämpfung zu verbessern sowie bei der Steuerung von Migration und im Umweltschutz zu kooperieren.

In der („dritten“) „menschlichen“ Dimension haben sich die Teilnehmerstaaten verpflichtet, bei der Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte, der Medienfreiheit und des Minderheitenschutzes sowie bei der institutionellen Verankerung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zusammenzuarbeiten. Dazu haben sie in Kopenhagen (Juni 1990) gemeinsame Standards entwickelt. Demnach gilt die gemeinsame Sorge um deren Implementierung nicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Teilnehmerstaaten. Mit den Aufgaben der Überwachung, Berichterstattung und Frühwarnung sind die autonomen Institutionen der OSZE beauftragt (u. a. durch Wahlbeobachtung, Berichte über Rechtsstaatlichkeit, Minderheiten und Medien).

Die OSZE war mit ihrer Feldpräsenz v. a. auf dem Westbalkan erfolgreich, hat aber nach 2001 nicht mehr vermocht, die europäische Sicherheit maßgeblich mitzugestalten. Das Ziel eines gemeinsamen Sicherheitsraums ohne Trennlinien trat hinter die Erweiterung von NATO und EU zurück. Neue geopolitische Kontroversen (NATO-Erweiterung, Raketenabwehr, Erosion des KSE-Vertrags, Territorialkonflikte in Georgien, Moldau, Zypern und um Berg-Karabach sowie das Kosovo/Intervention Russlands in der Ukraine) sowie wachsende Defizite mehrerer Teilnehmerstaaten in der Demokratie- und Rechtsstaatsentwicklung haben zu neuen Spannungen geführt. Gleichwohl blieb die OSZE im Konfliktmanagement v. a. in der Ostukraine ein wesentlicher Akteur, u. a. in der Trilateralen Kontaktgruppe (Ukraine, Russland, OSZE) und bei der Beobachtung der Minsker Waffenstillstandsabkommen vom September 2014 und Februar 2015. Auf dem Treffen des OSZE-Ministerrats in Hamburg unter deutschem Vorsitz haben sich die Teilnehmerstaaten am 9.12.2016 darauf verständigt, einen „Strukturierten Dialog“ zu führen, um eine Trendwende zu ermöglichen und die konventionelle Rüstungskontrolle neu zu beleben.