Indexzahlen

In der empirischen Wirtschaftsforschung lassen sich theoretische Größen – wie das Preisniveau eines Landes – häufig nicht direkt beobachten. Solche Größen werden durch ein Bündel von Variablen mit verschiedenen, aber ähnlichen Merkmalswerten (z. B. Einzelpreise) abgebildet. Mithilfe von I. werden diese Variablen in geeigneter Form zu einer einzigen Kennziffer zusammengefasst. Dabei wird der Verlust der zugrundeliegenden Einzelinformationen bewusst in Kauf genommen, um die gemeinsame Entwicklung der Merkmalswerte zu erfassen. I. sind dabei in erster Linie ein Instrument des zeitlichen statistischen Vergleichs, d. h. sie beschreiben die zeitliche Entwicklung „komplexer“ statistischer Phänomene. In den Wirtschaftswissenschaften wird üblicherweise zwischen Preisindizes, Mengenindizes und Wertindizes differenziert.

1. Preisindizes

Beim Preisindex von Étienne Laspeyres (1871) orientiert sich die Gewichtung der Güter an deren wertmäßigem Anteil im Warenkorb einer Basisperiode. Da die Preise der Basisperiode im Nenner stehen, wird zur Mittelung der Preismesszahlen ein mit den Umsatzanteilen der Basisperiode gewichtetes arithmetisches Mittel verwendet:

Abb. 1: Preisindex von É. Laspeyres

Abb. 1: Preisindex von É. Laspeyres

Der Laspeyres-Index gibt somit an, wie sich das Preisniveau ändert, wenn das in der Basisperiode gültige Verbrauchsschema unverändert auch in der Berichtsperiode Gültigkeit hat.

Beim Preisindex von Hermann Paasche (1874) orientiert sich die Gewichtung der Güter an deren wertmäßigem Anteil im Warenkorb der jeweiligen Berichtsperiode. Da die Preise der Berichtsperiode im Zähler stehen, wird hier das gewogene harmonische Mittel der Preismesszahlen verwendet:

Abb. 2: Preisindex von H. Paasche

Abb. 2: Preisindex von H. Paasche

Der Paasche-Index gibt somit an, wie sich das Preisniveau ändert, wenn das in der Berichtsperiode gültige Verbrauchsschema unverändert auch in der Basisperiode Gültigkeit gehabt hätte.

Für den Aufbau längerer Zeitreihen eignet sich der Laspeyres-Index aus folgenden Gründen besser als der Index von H. Paasche:

a) Das Gewichtungsschema bleibt konstant und die I. spiegeln somit die Auswirkung der reinen Preisveränderung wider. Damit ist die direkte Vergleichbarkeit der einzelnen Indexwerte eher gewährleistet.

b) Die Preise sind im Zeitablauf einfacher zu erheben als die Verbrauchsgewohnheiten.

c) Für neue Güter (z. B. Blu-Ray-Player) existieren keine historischen Preise. Sie müssen folgerichtig mit speziellen Bewertungstechniken beim Paasche-Index geschätzt werden.

Neben den Preisindizes von É. Laspeyres und H. Paasche gibt es eine Reihe weiterer Formen der Indexberechnung:

a) Der Fisher’sche Idealindex ergibt sich als geometrisches Mittel aus dem Laspeyres- und dem Paasche-Index.

b) Der Preisindex von Joseph Lowe verwendet konstante gemittelte Gewichte, so dass er sowohl von der Basis- als auch von der Berichtsperiode unabhängig ist.

c) Der Marshall-Edgeworth-Index verwendet Gewichte, die sich aus dem arithmetischen Mittel der Verbrauchsmengen in der Basis- und der Berichtsperiode ergeben.

d) Kettenindizes ergeben sich aus der Multiplikation von Teilindizes (Wachstumsfaktoren), die sich jeweils auf das Vorjahr beziehen und somit ein jährlich wechselndes Wägungsschema aufweisen.

2. Mengen- und Wertindizes

Während bei den Preisindizes die Mengen- oder Verbrauchskomponente für die Basis- und Berichtsperiode konstant gehalten werden, um die Preisentwicklung zu identifizieren, wird bei Mengenindizes die Preiskomponente fixiert, um Aussagen über die durchschnittlichen Mengenänderungen zu treffen. Gewichtet man die Mengenänderungen mit den Preisen der Basisperiode, erhält man einen Mengenindex nach É. Laspeyres:

Abb. 3: Mengenindex nach É. Laspeyres

Abb. 3: Mengenindex nach É. Laspeyres

Berücksichtigt man zur Gewichtung die Preise der Berichtsperiode, ergibt sich der entsprechende Paasche-Index:

Abb. 4: Mengenindex nach H. Paasche

Abb. 4: Mengenindex nach H. Paasche

Um die Veränderung des Umsatzes zwischen der Basis- und der Berichtsperiode zu ermitteln, lassen sich Umsatz- oder Wertindizes berechnen:

Abb. 5: Umsatzindex

Abb. 5: Umsatzindex

3. Fragestellungen bei der praktischen Indexberechnung

Bei jeder praktischen Indexberechnung in der Wirtschaftsstatistik sind neben der Wahl der geeigneten Indexformel folgende Fragestellungen zu beantworten:

a) Auswahl der Reihen: Es muss festgelegt werden, welche Güter hinsichtlich Art und Qualität in den Index einbezogen werden. Die Zusammenfassung der Einzelreihen zu einem Index muss sachgerecht sein (Problem der Repräsentativität eines Warenkorbs).

b) Wahl des Wägungsschemas: Wie erfolgt die konkrete Gewichtung? Sollen beim Aufbau eines Aktienindexes die jeweiligen Aktienkurse mit dem Stammkapital oder mit dem Eigenkapital bzw. mit den Börsenumsätzen gewogen werden?

c) Wahl des Basisjahres: Als Basisjahr sollte man weder ein bes. „gutes“ noch ein bes. „schlechtes“ Jahr verwenden. Üblicherweise wird man ein normales Jahr wählen. Die Verwendung unterjähriger Basisperioden, also bspw. eines Basismonats sollte aufgrund von saisonalen Einflüssen vermieden werden, auch wenn eine monatliche Berechnung des Index stattfindet.

4. Indizes im Bereich der Volkswirtschaft

Der Verbraucherpreisindex bildet die Preisentwicklung eines durchschnittlichen Warenkorbes von Gütern ab, die den durchschnittlichen Konsum privater Haushalte (Haushalt, privater) beschreiben sollen. Er wird häufig bei sogenannten Wertsicherungsklauseln zugrunde gelegt. Diese Klauseln finden Anwendung, wenn bei Zahlungen wie Mieten, Pachten, Pensionen sichergestellt werden soll, dass der Gläubiger auch künftig den Betrag erhält, der wertmäßig der ursprünglich festgelegten Geldsumme entspricht. Unternehmen verwenden in Verträgen untereinander Preisgleitklauseln, um sich gegen Marktrisiken abzusichern. Darin wird häufig auf die Entwicklung des Erzeugerpreisindex oder eines seiner Subindizes Bezug genommen. Z. T. werden auch Außen- oder Großhandelspreisindizes oder die Preise für ausgewählte Mineralölprodukte verwendet.

Der HVPI ist ein von Eurostat erhobener Verbraucherpreisindex nach dem Laspeyres-Verfahren, der nach einheitlichen Kriterien berechnet wird. Er liefert eine vergleichbare Messgröße für einzelne Länder in der Eurozone, der EU, im EWR und in anderen Ländern, darunter Beitritts- und Kandidatenländer. Aus dem nationalen HVPI werden Verbraucherpreisindizes für die EU, für die Eurozone und für den EWR als gewogene Durchschnitte errechnet. Als Gewicht fungiert dabei der private Verbrauch aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Die Umrechnung der unterschiedlichen Währungseinheiten innerhalb der EU und dem EWR erfolgt mithilfe von Kaufkraftparitäten. Der HVPI ist die offizielle Maßzahl für die Inflation der Verbraucherpreise in der Eurozone für Zwecke der Geldpolitik und zur Bewertung der Inflationskonvergenz gemäß den Maastricht-Kriterien.

Neben dem intertemporalen Kaufkraftvergleich gibt es den internationalen Preisvergleich zwischen Ländern mit verschiedenen Währungen, der auch als Kaufkraftvergleich bezeichnet wird.

Über die Vielzahl von Preisindizes hinaus werden auch Kennziffern ermittelt, mit deren Hilfe die laufende Wirtschaftsleistung eines Landes erfasst werden soll. Der Produktionsindex misst z. B. die monatliche Leistung des produzierenden Gewerbes in Deutschland. Er ist auf Grund seiner Periodizität, seiner schnellen Verfügbarkeit und der tiefen Untergliederung nach Wirtschaftszweigen ein aktueller Indikator für die konjunkturelle Entwicklung.