Immunität

1. Begriff und Bedeutung

Der Begriff entstammt dem Lateinischen: Immunitas bzw. immunis bringen das Freisein von Pflichten (munus = Last) zum Ausdruck. Historische Relevanz hat er für das Römische Recht und die Kirche erlangt. Heute findet er sich v. a. im Verfassungs- wie im Völkerrecht.

2. Immunität in Römischem Recht und Kirchengeschichte

Das Römische Recht verstand unter Immunitas die Freiheit von öffentlichen Lasten. Als Immunitas personae schützte sie gegen persönliche Dienstpflichten, als Immunitas patrimonii gegen Vermögensabgaben (so wurden etwa die Pächter kaiserlicher Domänen von munizipalen Lasten befreit, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern).

Seit Konstantin I. genossen auch Kirche und Klerus I., was sich ebenfalls gegen die Auferlegung bestimmter Lasten (Abgaben) richtete, aber auch den Schutz kirchlicher Orte gegen weltliche Macht einbezog (Kirchenasyl). Eine Befreiung von weltlicher Gerichtsbarkeit beförderte zudem das Entstehen einer eigenen kirchlichen Gerichtsbarkeit.

Die mittelalterliche Kirche betrachtete ihre I. als göttliches Recht und sah alle hiervon abweichenden Entscheidungen als nichtig an. Verstöße wurden mit Sanktionen bis hin zur Exkommunikation belegt. Mit dem Entstehen moderner Staatlichkeit verlor die kirchliche I. jedoch an Anerkennung. Heute kann sie keine Ausnahme vom staatlichen Gewaltmonopol begründen.

Im geltenden Recht sind einige wenige kirchliche Privilegien als historische Relikte dieser I. verblieben, so etwa die Befreiung Geistlicher von der Wehrpflicht (§ 11 WPflG) oder vom Schöffenamt (§ 34 Abs. 1 Nr. 6 GVG). Eine Sonderstellung kommt Geistlichen auch bei der Bestellung als Vormund zu (§ 1784 BGB).

3. Immunität als verfassungsrechtlicher Schutz von Amts- oder Mandatsträgern

I. im verfassungsrechtlichen Sinn meint eine Unverletzlichkeit von Amts- oder Mandatsträgern in Gestalt ihres Schutzes vor staatlicher Strafverfolgung (abzugrenzen von der Indemnität als Unverantwortlichkeit für innerparlamentarisches Handeln). Dieser Schutz hat keinen absoluten Charakter, sondern endet i. d. R. mit der parlamentarischen Zustimmung zu einer Strafverfolgung. Sein primärer Zweck liegt darin, die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Staatsorgans (Parlament) aufrechtzuerhalten. Die persönliche Absicherung des Berechtigten (Abgeordneter) bleibt demgegenüber bloßer Rechtsreflex.

Die Wurzeln der I. liegen im englischen Parlamentarismus, in dem sich bereits früh ein entsprechender Genehmigungsvorbehalt zugunsten des Parlaments herausbildete. Die amerikanische Verfassung von 1787 (Art. I Abschnitt 6), die französische Verfassung von 1791 (Titel III, Kapitel 1, Abschnitt V, Art. 7 und 8) und die belgische Verfassung von 1831 (Art. 44, 45) übernahmen diese Grundsätze. In Deutschland verbürgten die Paulskirchenverfassung von 1849 (§§ 117–119), die Reichsverfassung von 1871 (Art. 31) und die WRV von 1919 (Art. 37) eine I. des Abgeordneten.

Das GG regelt die I. der Abgeordneten des Bundestages in Art. 46 Abs. 2–4 GG. Parlamentsintern findet sich Näheres in § 107 GOBT sowie der zugehörigen Anlage 6. Der Bundespräsident wird über den Verweis in Art. 60 Abs. 4 GG in gleicher Weise geschützt. § 7 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten erstreckt den Schutz des Art. 46 GG auf die Mitglieder der Bundesversammlung. Die Mitglieder des Bundesrates genießen hingegen keine I. Die Verfassungen der Länder enthalten, wenn auch z. T. mit kleineren Modifikationen, entsprechende Verbürgungen zugunsten der Abgeordneten ihrer Landtage (z. B. Art. 38 LV BW).

Die I. kennt einen persönlichen, sachlichen, zeitlichen und räumlichen Schutzbereich. Persönlich geschützt werden die jeweils genannten Amts- oder Mandatsträger, insb. die Abgeordneten des Bundestages. Sachlich schützt die I. vor Strafverfolgung. Dazu zählen die Verhängung von Kriminalstrafen, aber auch Sanktionen nach dem Disziplinar- und Standesrecht. Jeweils sind – mit Ausnahme von Festnahmen bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages – alle ohne Genehmigung vorgenommenen Handlungen der Aufklärung wie der Bestrafung unzulässig. Bereits getroffene Maßnahmen sind im Fall einer Reklamation des Bundestages rückgängig zu machen. Die Praxis bezieht die I. hingegen nicht auf Ordnungswidrigkeiten. Auch zivilrechtliche Prozesse oder bloße Verwarnungen werden nicht erfasst. Der Schutz der I. beginnt zeitlich mit Annahme des Mandates und endet mit Abschluss der Wahlperiode (Zusammentritt eines neuen Parlaments). Wird das Mandat zuvor niedergelegt, endet die I. Schutz besteht auch gegen „mitgebrachte“ Verfahren, deren Anlass und Beginn vor der Annahme des Mandates liegen, deren Durchführung aber stets der Genehmigung des aktuellen Parlaments bedarf. Während der Dauer des I.s-Schutzes ruht die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung (§§ 78b Abs. 2, 79a Nr. 1 StGB). Räumlich wirkt die I. nach Art. 46 GG nur innerhalb der BRD.

Die I. kann auf Antrag der zuständigen Stelle durch genehmigenden Beschluss des Plenums (mit einfacher Mehrheit) aufgehoben werden. Für bloße Ermittlungsmaßnahmen wird diese Genehmigung regelmäßig generell und vorab für die gesamte Legislaturperiode erteilt. Der Abgeordnete kann eine ihn belastende Entscheidung im Organstreitverfahren am Maßstab des Willkürverbotes überprüfen lassen. Wird eine Behörde ohne vorherige Aufhebung tätig, begründet die Verletzung der I. einen Verfahrensfehler, der zu einem Verwertungsverbot führen und nach Maßgabe der einschlägigen Verfahrensordnung angegriffen werden kann.

4. Immunität im Völkerrecht

Das klassische Völkerrecht gewährt den Staaten und ihren herausgehobenen Funktionsträgern I. Das moderne Kooperationsvölkerrecht fügt einen partiell angeglichenen Schutzstatus internationaler Organisationen hinzu.

Die souveräne Gleichheit der Staaten begründet, soweit nicht vertraglich ein anderes geregelt ist, eine Staaten-I., nach der ein Staat nicht gegen einen anderen Staat vor Gericht ziehen kann („par in parem non habet iurisdictionem“). Streitigkeiten zwischen Staaten können also nicht vor dem Gericht eines dieser Staaten ausgetragen und dessen Urteile nicht vollstreckt werden, sondern müssen diplomatisch beigelegt oder, soweit ein Vertrag eine solche Zuständigkeit begründet, vor einem internationalen Gericht (z. B. IGH) verhandelt werden. Diese sogar Verstöße gegen ius cogens umfassende Staaten-I. gilt jedoch – unabhängig von der konkret gewählten Rechtsform – nur für die Ausübung hoheitlicher Gewalt („acta jure imperii“), nicht für sonstige, insb. privatwirtschaftliche Tätigkeiten („acta iure gestionis“).

Des Weiteren genießen Staatsoberhäupter und Diplomaten (jeweils mit ihren nächsten Angehörigen) auf dem Gebiet eines anderen Staates I. (auch als Exterritorialität bezeichnet) und damit Schutz vor Strafverfolgung (Art. 31 Wiener Diplomatenrechtskonvention, §§ 18–20 GVG). Dieser Schutz endet mit dem öffentlichen Amt, für private Handlungen auch rückwirkend. Er entfällt zudem mit Zustimmung des betroffenen Staates oder bei dessen Untergang als Völkerrechtssubjekt (z. B. DDR). Umstritten ist, inwiefern die I. auch bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Strafverfolgung schützen kann (für eine Durchbrechung sprach sich namentlich das House of Lords im Fall Augusto Pinochet aus).

Schließlich wird auch internationalen Organisationen in gewissem Umfang eine Sonderstellung eingeräumt. Ihre amtliche Tätigkeit unterliegt keiner Gerichtszuständigkeit (funktionale I.). Ihr Vermögen kann von staatlichem Zugriff ebenso wie von einer Besteuerung befreit sein (vgl. Bundesfinanzministerium – Schreiben vom 18.3.2013, BStBl I 2013, 404).