Principles of European Contract Law (PECL): Unterschied zwischen den Versionen

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H. Grigoleit, T. Winkelmann: Principles of European Contract Law (PECL), Version 11.11.2020, 09:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Principles of European Contract Law (PECL)}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
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H. Grigoleit, T. Winkelmann: Principles of European Contract Law (PECL), Version 14.08.2021, 13:00 Uhr, in: Staatslexikon<sup>8</sup> online, URL: {{fullurl:Principles of European Contract Law (PECL)}} (abgerufen: {{CURRENTDAY2}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}})
 
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Version vom 15. August 2021, 11:52 Uhr

Die PECL (Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts; auch „Lando“-Principles) sind eine modellregelhafte – d. h.: nicht rechtsverbindliche – Zusammenstellung von Grundsätzen des allg.en Vertragsrechts. Sie sollen eine Orientierungshilfe bei der Harmonisierung des Vertragsrechts bieten und die kautelarische sowie (schieds)gerichtliche Praxis bei der Regelfindung inspirieren.

1. Verfahrensmäßige Rahmenbedingungen und Entstehungsgeschichte

Erarbeitet wurden die PECL von 1982 bis 2002 von der Commission on European Contract Law. Diese „Lando-Kommission“ wurde 1980 auf private Initiative des dänischen Hochschullehrers Ole Lando gegründet. Das mit Juristen, vornehmlich Hochschullehrern, aus allen Staaten der damaligen EG besetzte Gremium arbeitete unabhängig und ohne offizielles Mandat. Die Anzahl der Kommissionsmitglieder wuchs mit der Anzahl der Mitgliedsstaaten der EG auf zuletzt 23.

Ihre Arbeit war durch das Bemühen um Konsens geprägt. Nur selten wurden Beschlüsse durch Mehrheitsentscheidungen gefasst. Der rechtsvergleichende Ansatz (Rechtsvergleichung) der Initiative war darauf gerichtet, keiner nationalen Rechtsordnung Leitbildcharakter beizumessen. Vielmehr zielte die Kommission darauf ab, einen gemeinsamen Kernbestand der Vertragsrechte aller Mitgliedsstaaten zu bestimmen. Divergenzprobleme sollten (wohl) im akademischen Diskurs der Kommission gelöst werden. Mag es der Kommission auch urspr. nicht darum gegangen sein, konkrete, anwendungsfähige Regeln zusammenzustellen (Principles), sind doch die späteren Abschnitte derart spezifisch gefasst, dass es sich bei den PECL insoweit um eine Art „Modellgesetzbuch“ handelt.

Die Artikel wurden auf Englisch und Französisch publiziert; im Übrigen wurde die englische Sprache verwendet.

Die Lando-Kommission hat eine Reihe vergleichbarer europäischer Initiativen in anderen Rechtsbereichen inspiriert (z. B. Principles of European Tort Law [PETL]). Das allg.e Vertragsrecht eignete sich deswegen gut als Pionierprojekt eines modellregelhaften Einheitskodex, weil die europäischen Rechtsordnungen in diesem Rechtsgebiet in weitem Maße auf dieselben historischen und philosophischen Fundamente (v. a.: „Römisches Recht“) gegründet und elementare Begriffe und Wertungen deshalb vielfach vergleichbar sind. Aus ökonomisch-politischer Sicht kommt hinzu, dass der Vertrag das zentrale Instrument ist, um wesentliche der im Europäischen Binnenmarkt gewährleisteten Grundfreiheiten (Warenverkehrs-, Dienstleistungs- und auch Kapitalverkehrsfreiheit) zu entfalten.

Eine personell z. T. neu aufgestellte Forschergruppe, die sog.e Study Group on a European Civil Code, zielte als Nachfolgerin der Lando-Kommission darauf, die PECL zu überarbeiten und im Hinblick auf eine mögliche EU-Zivilrechtskodifikation zu ergänzen. Die Ergebnisse der Study Group sind oder werden gesondert veröffentlicht. Darüber hinaus flossen sie in den (Draft) Common Frame of Reference ([D]CFR) ein. Der CFR führte die Beiträge der Study Group insb. mit Vorarbeiten anderer Wissenschaftlergruppen, namentlich der sog.en Acquis Group, zusammen. Im Zentrum des CFR steht der Entwurf eines Europäischen Zivilgesetzbuchs, das sich nicht auf das Vertragsrecht beschränkt, sondern wesentliche Teile des Vermögensrechts im weiteren Sinn einschließt. Auch der CFR ist nicht politisch autorisiert – weder als verbindliches staatliches Recht noch als (wie auch immer geartetes) soft law.

Ein den PECL vergleichbares – aber über den europäischen Rahmen hinausweisendes – Modellregel-Projekt bilden die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts.

2. Inhalt und Struktur der Publikation

Teil I der PECL umfasst 59 Artikel und hat neben allg.en Fragen (z. B. Anwendbarkeit, Begriffsbestimmungen) v. a. die Modalitäten der Leistung, die Nichterfüllung und die Rechtsbehelfe bei Nichterfüllung zum Gegenstand. Die 79 Artikel des Teils II betreffen das Recht des Vertragsschlusses, die Vollmacht von Vertretern, ausgewählte Probleme der Gültigkeit von Verträgen sowie die Auslegung, den Inhalt und die Wirkungen von Verträgen. Teil III behandelt verteilt auf 69 Artikel u. a. die Problemkreise Schuldner- und Gläubigermehrheiten, Interzessionen, Aufrechnung, Verjährung, Rechtswidrigkeit und Zinsen.

Strukturell sind die PECL bewusst an die Restatements des US-amerikanischen Privatrechts angelehnt. Jeder Band enthält die Artikel des jeweiligen Teils nebst Kommentaren mit Anwendungsbeispielen und rechtsvergleichenden Hinweisen v. a. zum Recht der Mitgliedsstaaten, darüber hinaus aber auch zu anderen Rechtsquellen wie etwa internationalen Übereinkommen.

3. Rezeption und Bewertung

Im akademischen Diskurs spielen die PECL als Referenzordnung bislang eine gewisse, wenngleich keine wesentliche Rolle. Gleiches gilt für den erweiterten Modellkodex des CFR, in dem die überarbeiteten PECL aufgegangen sind. Die Wirkung der Regelwerke auf Gesetzgebungsprojekte ist gering geblieben. Selbst in Reformprozessen, bei denen die PECL – ausweislich der Gesetzesmaterialien – berücksichtigt worden sind, haben die Vorschläge die Gesetzgebungsinhalte nicht entscheidend befruchtet. Dies gilt namentlich auch für die große Schuldrechtsreform in Deutschland (2002). In der Rechtsprechung und in der Kautelarpraxis haben die PECL ebenfalls keinen erheblichen Widerhall gefunden.

Die schwache Resonanz der PECL ist zunächst in der Tatsache begründet, dass es sich bei den PECL um einen rein akademischen, nicht politisch legitimierten oder autorisierten und deshalb unverbindlichen Text handelt, der von einer weder pluralistisch noch sonst wie repräsentativ besetzten Gelehrtenkommission erarbeitet worden ist. Des Weiteren stehen der Kontext der multiplen Regelwerke auf europäischer Ebene und die schwer nachvollziehbaren Überarbeitungsvorgänge bzw. Querbezüge einer Identifikation derjenigen Modellregeln entgegen, die auch nur im akademischen Sinne als „autoritativ“ anerkannt werden sollen. Schließlich ist die juristische und funktionale Qualität der PECL über weite Strecken fragwürdig. Dies liegt v. a. an der dominanten Orientierung der Kommission an den „kleinsten gemeinsamen Nennern“ des in den Mitgliedsstaaten vorgefundenen Regelbefunds sowie an der Maßstabslosigkeit einer empiristisch-rechtsvergleichenden Methodik. Diese Ausrichtung hat dazu geführt, dass die PECL nicht nur in Teilbereichen an Funktionalitäts-, Rationalitäts- und Kohärenzdefiziten leiden und hinter dem in einigen europäischen Rechtsordnungen erreichten Stand des modernen Regeldiskurses zurückbleiben.

Der kritische Befund stellt freilich die Sinnhaftigkeit der PECL nicht insgesamt in Frage. Sie tragen als Referenzbasis dazu bei, einen unionsweiten Harmonisierungsdiskurs aufzubauen bzw. zu stärken. Auch und gerade aus rechtsterminologischer Sicht sind die PECL (wie der CFR) ein nützlicher Steinbruch für den weiteren Diskurs. Insgesamt sind die PECL eine verdienstvolle, v. a. wissenschaftslogistische Leistung. Sie haben akademischen Wert, weil sie belegen, wie komplex der Harmonisierungsprozess im Vertragsrecht ist, dass er am Anfang steht und dass – wenn er zu Ende geführt werden soll – noch ein gründlicher und kritischer Regeldiskurs geführt werden sollte.

Literatur