Museum

M. wird als „gemeinnützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zum Zwecke des Studiums, der Bildung und des Erlebens materielle und immaterielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“ (ICOM 2006: 29) definiert. Mit dem in den 1970er Jahren eingeleiteten Paradigmenwechsel, der den Fokus nicht mehr nur auf sachlogisch gestaltete Ausstellungen richtete, sondern ebenso dem Konzept der Besucherorientierung folgte, begann die sog.e Öffnung der Museen (M.en).

Ihre jüngst zu verzeichnende Erfolgsgeschichte, der „M.s-Boom“, ist weltweit als Trend zu beobachten, für den verschiedene Motive gelten, sei es bspw. die Authentizität der dort ausgestellten Originale oder die kompensatorische Funktion, die durch die Schnelllebigkeit der Moderne den Impuls zum Bewahren erzeugt.

1. Museum und Museumsboom

Vergleicht man in der BRD die M.s-Landschaft gegenüber den 1970er Jahren, so zeigt sich eine beeindruckende Bilanz, was den Ausbau und die Differenzierung betrifft: Meldete 1990 – dem Vergleichsjahr nach der Wiedervereinigung – das Institut für Museumsforschung in Berlin etwas mehr als 4 000 M.en, wurden in der jüngsten Erhebung für 2016 bereits 6 712 M.en angeschrieben. Ebenso zeigen die Besuchszahlen eine steigende Tendenz: fasst man nur die Angaben der M.en (Rücklauf 75,8 %), beläuft sich die Besuchszahl derzeit auf über 111 877 085.

Neben dem quantitativen Ausbau werden ebenso qualitativ neue M.en wie Science Center registriert, zahlreiche kulturhistorische Spezial-M.en und v. a. ein Wachstum der Volks- und Heimatkunde-M.en. Zurzeit schlüsselt sich die M.s-Landschaft – entspr. der UNESCO-Klassifikation – in folgende M.s-Arten (s. Abb. 1) mit entspr.en Besuchsanteilen auf (s. Abb. 2):

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Abb. 1: Verteilung der Museen nach Museumsarten

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Abb. 2: Verteilung der Besuche nach Museumsarten

Je nach M.s-Gattung werden unterschiedliche Besucher rekrutiert – so werden bspw. Kunstmuseen nach wie vor von Besuchenden mit höherem Bildungsgrad aufgesucht, doch bei anderen M.en, wie den Technik-M.en oder den naturhistorischen M.en, ist eine „soziale Ausweitung“ festzustellen. Und dennoch erreichen die M.en heutzutage „nur“ die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung. Der Anstieg der Besuchszahlen ist neben Neueröffnungen oder Sonderausstellungen v. a. an Häusern zu verzeichnen, die u. a. museumspädagogische Programme anbieten, die in jüngster Zeit durch sog.e Outreach-Programme explizit die Nicht-Besucher zuerreichen suchen.

2. Museumspädagogik

Unter M.s-Pädagogik sind alle Maßnahmen zu verstehen, die dazu dienen, eine Ausstellung mit ihren Zielen und Inhalten für das Publikum zu erschließen, indem personale (u. a. Führungen, Workshops) wie mediale (u. a. Saalblätter, Mediaguides) Vermittlungsformate eingesetzt werden – ausstellungsergänzend wie ausstellungsintegriert. Welche Form der Vermittlung für wen eingesetzt werden kann, mit welcher Methode und welchem Ziel, ist dabei in unterschiedlichen theoretischen Rahmungen gefasst, die historisch betrachtet, bereits bei Wilhelm von Humboldt, Georg Kerschensteiner oder Alfred Lichtwark vorliegen. Rezente Formate, Zielgruppen, Methoden, theoretischen Konzepte liegen im „Hdb. Museumspädagogik“ (Commandeur/Kunz-Ott/Schad 2016) vor. Konzeptionell wie organisatorisch wird in vielen M.en dafür museumspädagogisches Personal eingesetzt, dabei handelt es sich um eine relativ junge, stets wachsende Profession, die sich seit der Öffnung der M.en in den 1970er Jahren herausbildete.

Inzwischen zeichnen sich drei große Tätigkeitsfelder für die M.s-Pädagogik ab:

a) die konzeptionelle Entwicklung von Programmen,

b) die Vermittlungstätigkeit im direkten oder indirekten Kontakt mit dem M.s-Publikum auf der Basis verschiedener personaler und medialer Vermittlungsformate,

c) die Bereitstellung eines Besucherservice, der alle Tätigkeiten bzw. Maßnahmen umfasst, um den M.s-Besuch von Einzelbesuchern und Besuchergruppen vorzubereiten und zu begleiten – demnach auch alle Informationen zum Haus und im Haus so darzubieten, dass sich die Besucher willkommen fühlen, sich einfach orientieren und ein Feedback geben können.

An größeren Häusern ist die Etablierung von festangestellten M.s-Pädagogen sowie Leitungspositionen für die Bildungs- und Vermittlungsarbeit Standard. In M.en, die über keine eigenen museumspädagogischen Stellen verfügen, werden die Tätigkeitsbereiche durch die M.s-Leitung sichergestellt, in Personalunion von M.s-Angestellten mit weiteren Aufgabenbereichen zusammen realisiert, oder von Freiberuflichen und Ehrenamtlichen ausgefüllt, deren Anteil enorm gestiegen ist, was als Indiz für die wachsende Bedeutung der Vermittlungstätigkeit gelesen werden kann.

M.en werden insb. seit der konstruktivistischen Wende auch als Orte des informellen Lernens betrachtet, die die Diskussion des Vermittlungskonzepts zu einem anderen Punkt führte: Die für Ausstellungen charakteristische individuelle Vielfalt der Lernwege sowie die Möglichkeit der unterschiedlich intensiven Auseinandersetzung mit einzelnen Ausstellungselementen führten bei John Howard Falk und Lynn Diane Dierking zu dem Begriff der „free-choice-learning activities“ (Falk/Dierking 2002); ähnlich wie in der Museologie wird damit das freiwillige und selbstgesteuerte Lernen erfasst.

Das M. gilt als ein Ort des lebenslangen Lernens mit dezidiertem Bildungsauftrag (Bildung) für den 1991 gegründeten Bundesverband Museumspädagogik ebenso wie für den Deutschen Museumsbund, insb. vor dem Hintergrund der Konzepte kultureller Bildung.

3. Museen – Orte selbstgesteuerten Lernens

Entspr. der Vielfalt und Ausdifferenzierung der M.en und ihrer Gestaltung ist auch die Heterogenität des Publikums, das sich über alle Altersgruppen erstreckt und von Novizen, die zum ersten Mal mit einem Thema in Berührung kommen, bis hin zu Experten reicht, die spezifische Informationsangebote suchen. Die Besucher kommen mit unterschiedlichen Besuchsmotiven und Interessen, die von individuellen oder gemeinsamen Lernaktivitäten über die Pflege oder Entwicklung sozialer Kontakte bis hin zu Entspannung und Erholung oder der Attraktivität der Einrichtung reichen.

Trotz der Heterogenität der Besucher und der Vielfalt der M.en lassen sich einige grundlegende Merkmale der Informationsrezeption in M.en ausmachen, die unabhängig von deren spezifischer Ausgestaltung sind. Diese beziehen sich auf die hochgradig individuelle Navigation durch den Ausstellungsraum – jenseits geplanter Besuchspfade der Kuratoren, die sehr subjektive Selektion von Ausstellungselementen – unabhängig von objektiven Kriterien, die häufig kurzzeitige Beschäftigung mit den Ausstellungselementen sowie die große Erfahrungsvielfalt und das sehr spezifische (Lern-)Ergebnis. M.s-Besucher entscheiden auf der Basis ihres Vorwissens, ihrer Vorerfahrungen und Interessen selbst, was sie wo, wann, wie und mit wem lernen. Sie erleben im musealen Informationsraum Erfahrungen, die unter dem Begriff der museum experience diskutiert werden. Dabei wird zwischen objektbezogenen, kognitiven, sozialen und introspektiven Erfahrungen unterschieden. Die Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit des musealen Erfahrungsraumes ist es u. a. auch die ihn als außerschulischen Lernort attraktiv macht. Schüler können sich hier, in Ergänzung zum Schulunterricht, anhand realer authentischer Objekte und multimedial präsentierten Begleitmaterialien aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit Inhalten beschäftigen.

4. Welche Lernwirkung kann von einem Museumsbesuch erwartet werden?

Die Erfahrungsvielfalt während des M.s-Besuchs findet ihre Entsprechung in der großen Bandbreite an Besuchseffekten, darunter die Lernwirkung. Dabei ist zu beachten, dass M.s-Besuche nicht als isoliertes Ereignis aufgefasst werden, sondern vielmehr eingebettet in die jeweiligen Lebenszusammenhänge als Bestandteil der Lebens- und Alltagserfahrung. Die Befunde und Konzeptionen der Lernwirkung von M.en sind ebenso vielfältig wie die Besuche. Die Forschung zur Lernwirkung von M.s-Besuchen reicht von Wirkungsstudien zu einzelnen Ausstellungsobjekten oder -einheiten, die sich meist auf den Erwerb von Wissen und die motivationale Wirkung (u. a. Förderung von Interessen) beziehen, bis hin zur Analyse der Besuchseffekte in ihrer Gesamtheit im Kontext der individuellen Lebenszusammenhänge. Eilean Hooper-Greenhill hat mit ihrer Konzeption des Generic Learning Outcome (GLO) den Gesamtbesuch in den Fokus gerückt. Sie beschreibt in ihrer „cultural theory of learning“ (Hooper-Greenhill 2007: 31) das M. als Ort selbstorganisierter Lernprozesse, deren Ergebnis sehr breit gefächert ist und sich einer objektiven Überprüfung entzieht. In ihrer umfassenden Konzeption der musealen (Lern-)Wirkung bezieht sich das gesamte Spektrum subjektiv wahrgenommener Effekte mit ein: Entspr. umfasst der GLO neben dem Erwerb von Wissen und Verständnis über einen Sachverhalt die Verbesserung von Fertigkeiten, die Veränderung von Einstellungen und Werten, das Erleben von Vergnügen, Inspiration und Kreativität, sowie Aktivitäten und Prozesse der persönlichen (Identitäts-)Entwicklung (Identität). Mit diesem sehr breit angelegte Zugang zur Lernwirkung von M.en wird zum einen das Spektrum an potentiellen (Lern-)Effekten dieser Lernumgebung ersichtlich und zum anderen die Herausforderung M.en als Bildungsinstitutionen zu verstehen, die mit lernortspezifisch zu entwickelnden Maßstäben betrachtet, gemessen und erforscht werden müssen.