Wirtschaftspolitik

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1. Grundlagen

W. bezeichnet zielgerichtete Eingriffe in den Bereich der Wirtschaft durch dazu legitimierte Instanzen. Solche Träger der W. sind entweder den Staatsorganen zuzurechnen oder von diesen mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut. W. ist somit ein Teilgebiet der allgemeinen staatlichen Politik.

Von der praktischen W. ist die wissenschaftliche Behandlung der W. zu unterscheiden. Die Aufgabe dieser theoretischen W. oder Theorie der W. besteht darin, auf der Grundlage von Erkenntnissen der ökonomischen Theorie geeignete Strategien, Ansatzpunkte und Instrumente zu entwickeln, mit denen die in der praktischen W. angestrebten Ziele erreicht werden können. Die abhängigen Variablen der Theorie stellen dabei die Ziele der W. dar, während die unabhängigen Variablen zu Ansatzpunkten oder Instrumenten der W. werden. W. lässt sich insofern als angewandte Wirtschaftstheorie zur Lösung konkreter ökonomischer Probleme bzw. zur Erreichung wirtschaftlich relevanter Ziele ansehen. Sie schließt eine gründliche Fehleranalyse ein, versucht also auch die Frage zu beantworten, warum bestimmte Ziele nicht erreicht werden.

Wirtschaftliches Handeln zielt auf den Erhalt und/oder die Mehrung von Wohlstand ab. Dieser wird in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gemessen durch die Höhe des realen BIP bzw. des realen BIP pro Kopf. Das BIP macht in seinen drei unterschiedlichen Berechnungsmethoden drei unterschiedliche Dimensionen wirtschaftspolitischen Handels deutlich:

a) Die Entstehungsseite des BIP stellt auf die allokativen Dimensionen des Wirtschaftens ab und betont damit den möglichst effizienten Einsatz aller vorhandenen Ressourcen zur Schaffung von Wohlstand.

b) Die Verwendungsseite des BIP betont mit Konsum, Investition, Staatsverbrauch und Außenbeitrag die großen volkswirtschaftlichen Aggregate, die bei der Entstehung bzw. Vermeidung konjunktureller Krisen und der Sicherstellung eines stetigen Wirtschaftswachstums eine entscheidende Rolle spielen.

c) Die Verteilungsseite des BIP stellt schließlich die distributiven Aspekte (Distribution) der Schaffung von Wohlstand in den Vordergrund, denn unterschiedliche Gruppen von Akteuren können unterschiedlich daran partizipieren. Verteilungsfragen können in verschiedener Form auftreten, z. B. in personeller, funktionaler, regionaler, sektoraler, intertemporaler, internationaler oder Gender-bezogener Hinsicht, und Relevanz für die Formulierung theoretischer und praktischer wirtschaftspolitischer Strategien gewinnen.

Theoretische W. wirkt auf die praktische W. durch wissenschaftliche Beratung (Politikberatung). Zwischen den Empfehlungen der theoretischen W. und den in der wirtschaftspolitischen Praxis ergriffenen bestehen aber oft deutliche Diskrepanzen. Sie lassen sich auf die folgenden Faktoren zurückführen:

a) Wie in anderen Sozialwissenschaften konkurrieren auch in der ökonomischen Theorie verschiedene Lehrmeinungen um die angemessene Analyse wirtschaftlicher Phänomene. Aus unterschiedlichen Theorien können divergierende wirtschaftspolitische Empfehlungen folgen.

b) Wissenschaftler unterliegen bei der Bewertung alternativer wirtschaftspolitischer Strategien ebenso ihren eigenen Werturteilen wie die Politiker, die solche Strategien umsetzen. Oft werden die unterschiedlichen normativen Positionen nicht transparent gemacht.

c) Wissenschaftler arbeiten immer mit modellmäßigen Vereinfachungen der Realität. Das kann dazu führen, dass sie bestimmte Strukturelemente der Wirtschaft für konstant halten, die sich in Wirklichkeit aber als Reaktion auf neue wirtschaftspolitische Eingriffe verändern und damit die tatsächliche Wirksamkeit dieser Eingriffe beeinflussen.

d) Für die Lösung neuartiger Probleme gibt es keine gesicherten wirtschaftstheoretischen Grundlagen. Theoretische Plausibilitätsüberlegungen und historische Analogieschlüsse bieten sich als Ausweg an. Es steigt aber auch das Risiko von wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen.

e) Als Teilgebiet der allgemeinen Politik unterliegt die praktische W. den verschiedensten Einflussnahmen und Zwängen, die in der theoretischen W. nicht selten unterschätzt und daher bei der Formulierung wirtschaftspolitischer Empfehlungen zu wenig beachtet werden.

f) Träger der W. verfolgen häufig ganz andere Interessen als die sie beratenden Ökonomen. Die Sorge um die Wiederwahl, die Rücksicht auf bestimmte Wählergruppen oder die Sicherung bestehender Einflussbereiche lassen dann andere wirtschaftspolitische Strategien sinnvoller erscheinen als diejenigen, die von wissenschaftlichen Beratern entwickelt werden.

Unter den wirtschaftspolitischen Beratern kommt eine herausgehobene Stellung solchen Gutachtergremien zu, die wie der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf gesetzlicher Grundlage in regelmäßigen Abständen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung analysieren und Vorschläge zur Lösung wirtschaftspolitischer Probleme machen. Die Mitglieder des Rates sind unabhängige Wissenschaftler. Ihre Vorschläge sind für die Bundesregierung nicht bindend; sie muss aber in ihrem Jahreswirtschaftsbericht zu ihnen Stellung nehmen. Ein anderes Beratungsmodell findet sich in den USA. Dort ist der Council of Economic Advisers ein Teil der Regierungsbürokratie. Jeder Präsident wählt sich einen eigenen Beraterstab, der mit den übergeordneten Zielen der Regierungspolitik übereinstimmt.

2. Ansatzpunkte und Instrumente der Wirtschaftspolitik

Es gibt verschiedene Versuche, die Instrumente der W. zu systematisieren. Im deutschsprachigen Raum dominierte lange die von Walter Eucken eingeführte Zweiteilung, die nach der Art der eingesetzten Instrumente zwischen Ordnungspolitik (Rahmenpolitik) und Prozesspolitik (Ablaufpolitik) unterscheidet. Unter Ordnungspolitik ist dabei die Beeinflussung derjenigen Faktoren zu verstehen, die den institutionellen Rahmen der ökonomischen Aktivitäten und der möglichen Eingriffe abstecken. Sie beinhaltet die Festlegung der Grundregeln für das Verhältnis der wirtschaftlichen Akteure untereinander, die Schaffung von Institutionen, die als Träger der W. agieren, sowie die Ausgestaltung ihrer Kompetenzen. Prozesspolitik umfasst dagegen alle diejenigen Maßnahmen, mit denen innerhalb des ordnungspolitischen Rahmens die für ökonomische Entscheidungen relevanten Daten beeinflusst werden. Bei solchen Daten kann es sich bspw. um Güterpreise, Steuersätze, Subventionsbeträge, Zinssätze, Nachfrage- oder Einkommensänderungen handeln. Im anglo-amerikanischen Schrifttum herrscht eine Systematik vor, die auf Jan Tinbergen zurückgeht und zwischen qualitativer und quantitativer W. unterscheidet. Qualitative W. umfasst Veränderungen einer gegebenen Wirtschaftsstruktur. Maßnahmen der quantitativen W. werden aus Strukturgleichungen abgeleitet, die Zusammenhänge zwischen wirtschaftspolitischen Instrument- und Zielvariablen bei Konstanz der Wirtschaftsstruktur abbilden. Die Variation einzelner Instrumente soll eine genau quantifizierbare Änderung der Zielgrößen ermöglichen.

Nach dem angestrebten Wirkungsbereich der Instrumente lässt sich unterscheiden in eine die Gesamtwirtschaft betreffende Globalpolitik und eine nur auf einzelne Teilbereiche der Gesamtwirtschaft abzielende Strukturpolitik. Hierzu zählen insb. die regionale und die sektorale W. Ausgangspunkt für wirtschaftspolitisches Eingreifen auf einzelnen Märkten sind Marktfehler wie (positive oder negative) externe Effekte, asymmetrische Informationen, natürliche Monopole oder andere Formen von Marktmacht (Macht). Beeinflusst werden sollen entweder direkt die Marktpreise und die am Markt gehandelte Mengen oder die Determinanten von Marktangebot und -nachfrage. Im Extremfall sorgt staatliches Handeln erst dafür, dass Märkte überhaupt existieren, indem Eigentums- und Verfügungsrechte an Gütern geltend gemacht und durchgesetzt werden können. Staatliche Regulierungspolitik versucht entweder über Gebote und Verbote, in der Wettbewerbspolitik auch über Untersagungen, Zerschlagungen und Bußgelder, sowie durch spezielle Steuern oder Subventionen auf die Marktallokation einzuwirken. Direkte Festsetzungen von Preisen, z. B. durch staatlich fixierte Höchstpreise oder Mindestlöhne, können selber zur Verzerrung der effizienten Allokation führen, wenn sie das Erreichen des Marktgleichgewichts verhindern.

Schließlich kann eine Systematisierung von Instrumenten der W. aus den angestrebten Zielen abgeleitet werden. Dabei kann zwischen Konjunkturpolitik, Wachstumspolitik, Umweltpolitik und Verteilungspolitik unterschieden werden. Die zur Konjunkturstabilisierung eingesetzten Maßnahmen lassen sich wiederum in die Bereiche der Stabilitäts-, Beschäftigungs- und Zahlungsbilanzpolitik gliedern. Sie greifen in den Wirtschaftskreislauf ein, indem sie entweder Güter- und Einkommensströme oder den Geldkreislauf beeinflussen. Im Zentrum stehen daher die Instrumente der Geldpolitik zur Beeinflussung von Geldmengenaggregaten oder Zinsen unterschiedlicher Fristigkeit sowie Maßnahmen der Fiskalpolitik, mit denen Staatseinnahmen (über Steuerpolitik, Staatsausgaben oder die Staatsverschuldung) verändert werden. Spezielle Instrumente der Außen-W., die auf Exporte, Importe und den internationalen Kapitalverkehr einwirken, sind Zölle, Quoten und Aufwertungen oder Abwertungen der inländischen Währung. Instrumente zur Verhinderung von Armut und zur Veränderung der Verteilung von Einkommen und Vermögen definieren Ansprüche auf staatliche Leistungen und legen die dafür erforderlichen Finanzierungsquellen fest, die entweder als Steuern oder als bes. Sozialabgaben anfallen. Mit Hilfe einer progressiven Ausgestaltung von Steuertarifen soll die Umverteilung von Primäreinkommen bes. wirkungsvoll gemacht werden.

3. Ziele und Zielkonflikte

Die Rechtfertigung wirtschaftspolitischer Ziele führt auf die Ebene gesellschaftlicher Grundwerte, die der praktischen W. als Orientierung dienen. Die Ableitung wirtschaftspolitischer Ziele aus sehr allgemeinen normativen Postulaten hat zur Folge, dass es keinen allgemein gültigen Zielkatalog geben kann und dass der Stellenwert der einzelnen Ziele im Zeitablauf und im internationalen Vergleich variiert. Auch demokratische Wahlen stellen nur unter sehr restriktiven Bedingungen sicher, dass eindeutige gesellschaftliche Präferenzen für bestimmte wirtschaftspolitische Ziele ermittelt werden können.

In vielen westlichen Industrieländern werden heute Freiheit, Gleichheit und Sicherheit als zentrale gesellschaftliche Grundwerte angesehen. Sie sind häufig, so auch in Deutschland, in Staatsverfassungen als Grund- und Menschenrechte verankert. Freiheit, Gleichheit und Sicherheit schlagen sich in einem gesellschaftlichen Oberziel, der Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt, nieder. Neben vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen trägt die wirtschaftliche Entwicklung zu diesem Ziel bei, indem sie den ökonomischen Wohlstand maximiert.

Messen lässt sich der ökonomische Wohlstand in einem Land anhand des realen BIP mit dem alle in einer Periode geschaffenen Güter und Dienstleistungen erfasst und um reine Preissteigerungseffekte bereinigt werden. Zu den drei unterschiedlichen Arten der BIP-Erfassung korrespondieren die drei unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Oberziele effiziente Allokation, konjunkturelle Stabilität (Stabilisierung) und distributive Gerechtigkeit.

Die Entstehungsrechnung ermittelt die Wertschöpfungen in der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die als Endprodukte über Märkte getauscht werden. In statischer Betrachtungsweise muss es folglich Aufgabe einer effizienzorientierten W. sein, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass mit den in einem Land vorhandenen Ressourcen ein möglichst großes Angebot an privaten und öffentlichen Gütern erreicht werden kann. In dynamischer Sicht steht das Wachstum des ökonomischen Wohlstands im Vordergrund. Sofern man dabei nicht den nationalen Wohlstand, sondern die Versorgung der Individuen mit Gütern im Auge hat, ist die Wachstumsrate des realen BIP pro Kopf der Bevölkerung dafür der geeignete Indikator. Die immer wieder bemängelten Schwächen des BIP als Wohlstandsmaß lassen sich auf drei Weisen beheben:

a) Man kann durch ergänzende Berechnungen das BIP korrigieren, z. B. durch die Schätzung der Schwarzarbeit, der unbezahlten Haushaltsproduktion und der Höhe der Umweltschäden.

b) Man kann versuchen, den ökonomischen Wohlstand durch einen anderen, ganz neu berechneten Indikator auszuweisen.

c) Man kann das BIP durch andere Indikatoren des ökonomischen oder gesellschaftlichen Wohlstands ergänzen, z. B. durch Angaben zu Ausbildung, Gesundheit, Freizeit, Sicherheit, Umweltqualität und Qualität des Arbeitslebens.

Konjunkturelle Stabilität zielt neben einem möglichst gleichmäßig hohen Wachstum des realen BIP auf die Vermeidung der bei Konjunkturkrisen auftretenden makroökonomischen Ungleichgewichte ab. Ziele sind daher Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Das Beschäftigungsziel wird gemessen durch Arbeitslosenquoten, in denen die Zahl der (geschätzten oder registrierten) Arbeitslosen in Beziehung gesetzt wird zur Gesamtzahl aller (potenziellen) Erwerbspersonen. Preisniveaustabilität bzw. das Vorliegen einer Inflation kann gemessen werden an der Veränderung des Deflators des BIP, der die Preisentwicklung aller produzierten Konsum- und Investitionsgüter erfasst. Da wirtschaftspolitisch aber die Veränderung der realen Kaufkraft des Einkommens der Konsumenten relevanter ist, findet sehr viel häufiger die Veränderung des Preisindex der Lebenshaltung der privaten Haushalte Verwendung. Er beruht auf der Messung von Preisen für einen repräsentativen und für mehrere Jahre konstant gehaltenen Warenkorb. Messfehler können sich daher ergeben aufgrund von Veränderungen der relativen Preise, die Nachfrageveränderungen nach sich ziehen, durch Preisveränderungen, die gleichzeitig mit Qualitätsveränderungen einhergehen, und bei der Einführung neuer Güter. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht wird durch den Saldo der Leistungsbilanz oder die Veränderung der nationalen Währungsreserven gemessen. Allerdings weisen diese Indikatoren erheblichen Interpretationsspielraum auf. Leistungsbilanzdefizite zeugen von einem Überhang der inländischen Investitionen über das inländische Sparen. Sofern dies auf eine hohe und produktive Investitionstätigkeit zurückzuführen ist, die hohe Erträge für ausländische Kapitalgeber erbringt, besteht kein wirtschaftspolitscher Korrekturbedarf. Sind für das Defizit aber geringe inländische Ersparnisse, etwa wegen hoher staatlicher Haushaltsdefizite, verantwortlich, droht eine Verschuldungskrise (Staatsschuldenkrise), die auch durch den Abbau nationaler Währungsreserven nur kurzfristig aufgehalten werden kann. Permanente Leistungsbilanzüberschüsse können umgekehrt ein Anzeichen für fehlende inländische Investitionen sein, die eine Anlage inländischer Ersparnisse im Ausland, auch in der Form eines Aufbaus nationaler Währungsreserven, verursachen.

Die Verteilungsrechnung des BIP ermittelt das gesamte Volkseinkommen und nimmt zunächst eine Aufteilung auf die Bezieher der Einkommen aus Arbeit, gemessen an der Lohnquote, und aus Vermögensbesitz vor (funktionale Verteilung). Es lassen sich aber auch Berechnungen zur Aufteilung des Gesamteinkommens auf unterschiedliche Teilgruppen der Gesellschaft (personelle, regionale, intergenerationale oder Gender-bezogene Verteilung) durchführen. Zur Messung personeller Ungleichheit lassen sich Lorenzkurven verwenden, bei denen die tatsächliche Verteilung des Einkommens auf unterschiedliche Perzentile der Gesamtbevölkerung in Beziehung zu einer hypothetischen Gleichverteilung gesetzt wird, oder auf den daraus abgeleiteten Gini-Koeffizienten. Ein höherer Gini-Koeffizient wird als Zeichen höherer Ungleichverteilung verstanden. Das Ziel der Armutsvermeidung, das die Absicherung gegen unverschuldete Risiken des Lebens durch eine materielle Grundsicherung anstrebt, basiert auf der Festlegung einer Armutsgrenze. Sie wird in Entwicklungsländern mit Blick auf einen bestimmten lebensnotwendigen Bedarf an Konsumgütern festlegt, in entwickelten Ländern dagegen in einem bestimmten Verhältnis zum nationalen Durchschnittseinkommen.

Das Ziel Umweltschutz verbindet allokative Effizienzüberlegungen, nämlich die Internalisierung negativer externer Effekte von Umweltschäden, mit dem Ziel einer gerechten Verteilung knapper Ressourcen zwischen den Generationen (Generationengerechtigkeit). Seine Erreichung lässt sich messen anhand von Emissionen, Immissionen oder den tatsächlichen Schäden, die wiederum in eine umweltbereinigte BIP-Berechnung integriert werden können (Umweltökonomik).

Konflikte können zwischen dem allokativen und dem distributiven Ziel der W. auftreten. Entscheidend sind dabei allerdings die konkreten gesellschaftlichen bzw. politischen Vorstellungen über eine gerechte Wohlstandsverteilung. Da eine utilitaristische Gerechtigkeitsnorm die Summe aller individuellen Nutzen in einer Gesellschaft maximiert sehen möchte (Utilitarismus), unabhängig davon, ob sich dabei auch die Position einiger Individuen verschlechtert, kann sie gut mit der Förderung hohen Wirtschaftswachstums harmonieren. Dagegen misst der egalitäre Liberalismus die Zunahme des gesellschaftlichen Wohlstands am Wohlergehen des am schlechtesten gestellten Individuum und kommt daher mit einem Wachstumsprozess in Konflikt, der den Wohlstand einiger Individuen verschlechtert. Ein anderer Zielkonflikt, dessen Ausmaß ebenfalls von den normativen Gerechtigkeitsvorstellungen (Gerechtigkeit) abhängt, diesmal mit Blick auf die Verteilung zwischen den Generationen, kann zwischen der Förderung von Wirtschaftswachstum und dem Umweltschutz auftreten.

Die Wohlfahrtsökonomie hat verschiedene Kriterien entwickelt, wie Konflikte zwischen allokativen und distributiven Zielen durch Kompensation gelöst werden können, also durch eine Umverteilung des gewachsenen Wohlstands an die Gruppen, die selbst an der Wohlstandszunahme nicht partizipierten. Da Maßnahmen der Umverteilung immer auch mit Transaktionskosten verbunden sind, müssen auch die negativen Allokationswirkungen der Kompensation in die Gesamtbetrachtung eingehen.

In der Konjunkturpolitik wird immer wieder über einen möglichen Zielkonflikt zwischen den Zielen Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität diskutiert. Die Existenz einer solchen Philips-Kurve ist umstritten und allenfalls für eine sehr kurze Frist belegt. Versuche, sie aktiv wirtschaftspolitisch auszubeuten, indem durch Inkaufnahme von Inflation eine höhere Beschäftigung angestrebt wird, sind längerfristig immer wieder gescheitert.

4. Träger der Wirtschaftspolitik

Unter den Trägern der W. versteht man alle Individuen und Institutionen, die mit der Wahrnehmung wirtschaftspolitisch relevanter Entscheidungen betraut sind. Zu ihnen zählen die verschiedenen Ebenen staatlicher Organe und Verwaltungen im In- und Ausland, aber auch Zentralbanken, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, denen auf gesetzlicher Grundlage solche Befugnisse anvertraut sind. Hinzu kommen alle Interessensverbände, die den politischen Entscheidungsprozess beeinflussen. Die Neue Politische Ökonomie will das Verhalten der wirtschaftspolitischen Akteure erklärbar machen. Sie geht dabei von Rationalverhalten aus und unterstellt, dass die individuellen Nutzen der Akteure weniger vom allgemeinen ökonomischen Wohlstand, sondern sehr viel mehr von der Zahl der Wählerstimmen, von den Chancen einer Wiederwahl oder der Größe der verwalteten Budgets abhängen.

Für staatliche Entscheidungen in parlamentarischen Demokratien (Parlament, Parlamentarismus) ist die Mitwirkung von Parteien bedeutsam, die in Wahlen um die Stimmenmehrheit konkurrieren. Modelle der Neuen Politischen Ökonomie haben aus dem Wettbewerb um die Wählerstimmen den Schluss gezogen, dass es eine starke Tendenz der Parteien gibt, sich an den Präferenzen des Medianwählers bzw. der Wechselwähler zu orientieren und die Präferenzen traditioneller Stammwähler eher zu vernachlässigen. Die fehlende Unterscheidbarkeit von Parteiprogrammen und eine wachsende Zahl von Nicht-Wählern machen dann aber auch wieder Parteineugründungen an den Rändern des programmatischen Spektrums attraktiv. Die gerade regierenden Parteien haben in aller Regel ein Interesse, unmittelbar vor den nächsten Wahlen bes. wählergruppenspezifische Begünstigungen durchzusetzen, während die Kosten solcher Maßnahmen auf die Zeit nach der Wahl verschoben werden. Dies ist eine Erklärung für die Entstehung politisch verursachter Konjunkturzyklen (Konjunktur), also dem Gegenteil einer konjunkturstabilisierenden W.

Organisierte Interessengruppen spielen eine wichtige Rolle bei der Information von Politikern und Wählern über die Auswirkungen wirtschaftspolitischer Entscheidungen. Aber nicht alle Interessen sind gleich gut organisierbar, sodass der politische Prozess bedeutsame Asymmetrien aufweist. Bes. gut organisieren lassen sich kleine und homogene Gruppen mit klar formulierbaren Zielen, wie etwa die Produzenten einer bestimmten Güterkategorie, während heterogene Nachfrageinteressen weniger leicht organisierbar sind. Staatliche Bürokratien, die ohne Wettbewerbsdruck arbeiten, neigen aus Sicht der Neuen Politischen Ökonomie nicht nur zu einem zu großen Leistungsangebot als Folge einer inhärenten Tendenz zur Budgetmaximierung (allokative Ineffizienz), sondern bieten ihre Leistungen auch noch zu überhöhten Kosten an (X-Ineffizienz).

Nur eine glaubwürdige Institution kann auf Dauer wirkungsvoll Einfluss auf Märkte und Kreislaufströme nehmen. Angesichts unterschiedlicher Präferenzen bei den Trägern der W. und bei denjenigen, die von wirtschaftspolitischen Eingriffen betroffen sind, baut sich Glaubwürdigkeit als ein Bestand an Vertrauenskapital über einen längeren Zeitraum auf. Sie kann, sofern das Vertrauen wiederholt enttäuscht wird, auch relativ schnell wieder verlorengehen. Die Glaubwürdigkeit wirtschaftspolitischer Institutionen steht auf dem Spiel, wenn ihr Verhalten sich als inkonsistent erweist. Zeitinkonsistenz liegt dann vor, wenn Entscheidungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt optimal sind, dies zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem alle relevanten Entscheidungen getroffen wurden, nicht mehr sind. Rechnen die Betroffenen mit einem zeitinkonsistenten Handeln, werden sie selbst ihre Aktionen verändern, sodass letztlich gesamtwirtschaftlich ineffiziente Lösungen zustanden kommen. Angesichts solcher Ergebnisse kann es für wirtschaftspolitische Institutionen sinnvoll sein, sich selbst einer Einschränkung der möglichen Handlungsoptionen zu unterwerfen. Eine solche Einschränkung besteht in der Einführung strikter Regeln, an die wirtschaftspolitische Akteure gebunden werden oder sich selbst binden. Beispiele dafür finden sich v. a. im Bereich der Geld-, Finanz- und Währungspolitik (z. B. Inflationsziele, Schuldenbremsen oder Wechselkursziele). Eine ausschließliche Bindung der W. an eng definierte Regeln birgt allerdings auch die Gefahr, dass neu auftretende Probleme, für deren Bekämpfung noch keine Regeln existieren, nicht oder nicht ausreichend bewältigt werden können. Ein hohes Niveau an Glaubwürdigkeit gibt wirtschaftspolitischen Institutionen allerdings auch die Möglichkeit, in einem gewissen Rahmen diskretionäre Entscheidungen zu treffen, ohne damit an Vertrauen einzubüßen.

Der Erfolg wirtschaftspolitischer Strategien hängt nicht zuletzt davon ab, dass es gelingt, das Zusammenwirken der einzelnen wirtschaftspolitischen Akteure so zu organisieren, dass sich ein Maximum an gesamtwirtschaftlicher Zielerreichung einstellt. Hierarchische Kontrolle, Unabhängigkeit und verschiedene Formen der Kooperation sind dafür unterschiedliche Organisationsformen. Hierarchie ist immer mit tendenziell hohen Organisations- und Kontrollkosten verbunden, während Unabhängigkeit dann bes. vorteilhaft ist, wenn eine Institution ein einziges klar definiertes Ziel verfolgen soll und lange Wirkungsverzögerungen (time-lags) beim Einsatz wirtschaftspolitischer Instrumente vermieden werden sollen. Koordination von unabhängigen Trägern der W. findet sich v. a. auf internationaler Ebene und wird umso schwieriger, je größer die Zahl und die Diversität der zu koordinierenden Entscheider wird. Sie scheitert oft an mächtigen Eigeninteressen organisierter Interessengruppen, an einem unklaren Zeithorizont der Koordinationsgespräche, der keinen Vertrauensaufbau zulässt, und an unzureichenden Lösungen für unvermeidlich auftretende Verteilungsprobleme.

5. Wirtschaftsordnungen

Unter Wirtschaftsordnung versteht man die Gesamtheit der formellen und informellen institutionellen Regeln (Institutionenökonomik), in deren Rahmen ökonomische Transaktionen innerhalb eines Landes oder auf internationaler Ebene stattfinden. Die Definition schließt neben dem ökonomischen Kern des Wirtschaftssystems auch die juristisch relevante Wirtschaftsverfassung und die Wirtschaftskultur mit ein. Sie beinhalten damit sowohl bestimmte Festlegungen über die dominierenden wirtschaftspolitischen Ziele als auch Regelungen für die Kompetenzen und Handlungsspielräume der wirtschaftspolitischen Akteure. An die Stelle der früher dominanten Zweiteilung in kapitalistisch-marktwirtschaftliche (Kapitalismus) und sozialistisch-planwirtschaftliche (Zentralverwaltungswirtschaft) Wirtschaftsordnungen sind heute unterschiedliche Varianten marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnungen getreten. Die grundsätzlich wohlstandsschaffende Wirkung von Märkten wird bejaht. Unterschiede gibt es allerdings in Art und Umfang der staatlichen Eingriffe in Märkte und Wirtschaftskreislauf.

Liberale Wirtschaftsordnungen zielen darauf ab, den Umfang der wirtschaftspolitischen Eingriffe möglichst gering zu halten und daher auch die Aktivitäten wirtschaftspolitischer Akteure eng zu begrenzen. In der extremen Variante, für die der Altliberalismus (Liberalismus) der Gründerzeit vor dem Ersten Weltkrieg oder der Neoliberalismus um die Jahrtausendwende herum als Beispiele gelten können, soll sich der Staat auf die Sicherung und Durchsetzung von Eigentums- und Verfügungsrechten (Eigentum) beschränken. Eine möglichst weite Ausdehnung von Märkten über Privatisierung, Deregulierung und den Abbau von Protektionismus sowie eine Priorität des allokativen Effizienzziels sind erwünscht, um Marktfehler durch Wettbewerb möglichst zu beseitigen, dem Entstehen von Konjunkturkrisen möglichst vorzubeugen und ein Durchsickern von Wohlstandsgewinnen zu den unteren Gruppen der Einkommensbezieher zu ermöglichen. Die bisherigen Erfahrungen mit extrem liberalen Wirtschaftsordnungen zeigen allerdings, dass sie keinen ausreichenden Schutz vor Konjunkturkrisen bieten können und eher zu einer Verschlechterung der personellen Einkommensverteilung führen. Wegen fehlender Wettbewerbspolitik können sie das Entstehen marktmächtiger Konzerne nicht verhindern. Deren Profitinteressen können wiederum kollidieren mit dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen.

Angesicht der inhärenten Probleme extrem liberaler Wirtschaftsordnungen hat der Ordoliberalismus Leitlinien dafür entwickelt, wie sich stabile Rahmenbedingungen für eine dauerhaft funktionsfähige Marktwirtschaft schaffen lassen. Neben einer Wettbewerbsordnung, die das Entstehen marktmächtiger Unternehmen bzw. wettbewerbsinkonformes Verhalten von Unternehmen unterbindet, zählt dazu die Garantie eines stabilen Preisniveaus durch die Geldpolitik. Verantwortung für die Wettbewerbs- und Geldpolitik sollen weitgehend unabhängige Institutionen (Kartellamt, Zentralbank) mit klar definierten Zielen und wirkungsvollen Instrumenten übernehmen. Das in Deutschland entwickelte Konzept der Sozialen Marktwirtschaft ergänzt noch die Instrumente des sozialen Ausgleichs über die staatliche Haushaltspolitik, die allerdings markt- bzw. ordnungskonform ausgestaltet sein sollen, um die Funktionsfähigkeit der Marktfähigkeit nicht dauerhaft zu gefährden. Konjunkturkrisen sollen durch den frühzeitigen und antizyklischen Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik (Keynesianismus) verhindert oder gedämpft werden.

Wenn die Ziele und Instrumente der W. darauf ausgerichtet sind, die Interessen derjenigen Gruppen zu unterstützen, die den Trägern der W. politische Legitimität verleihen, spricht man von einer populistischen Wirtschaftsordnung (Populismus). Wegen der Rücksichtnahme auf Gruppeninteressen dominieren in ihr verteilungspolitische Ziele; häufig werden sie durch charismatische Führerpersönlichkeiten (Charisma) formuliert, die damit um politische Mehrheiten kämpfen. Entscheidend ist, auf welche Weise die Kennzeichen der dominierenden Gruppe definiert werden. Es kann sich bspw. um soziale, religiöse oder ethnische Merkmale handeln, mit denen die Identitäten einer Mehrheit festgelegt werden. Populistische Wirtschaftsordnungen kennen grundsätzlich keine autonomen wirtschaftspolitischen Instanzen, da sie alle Aktionen und Strategien dem politischen Mehrheitswillen unterordnen. Sie neigen zu kurzfristig wirksamen Eingriffen in die Märkte und den Wirtschaftskreislauf zugunsten der unterstützenden Gruppen und vernachlässigen systematisch die langfristig wirkenden Instrumente zur Förderung des allgemeinen, also nicht gruppenbezogenen, Wohlstands. Sie neigen bes. zur Begrenzung internationaler Wirtschaftsbeziehungen, also von Handel, Kapitalverkehr und Migration, da das Ausland sich gut als Gegner der inländischen Mehrheitsgruppen instrumentalisieren lässt. Als Folge dieses Interventionismus ist mit einer dauerhaften Beeinträchtigung der marktwirtschaftlichen Ordnung zu rechnen, oft auch mit inflationären Prozessen (Inflation) und ausgeprägten Wirtschaftskrisen.

Technokratische Wirtschaftsordnungen basieren darauf, dass die Regierenden und ihre Berater davon überzeugt sind, bessere Informationen über alle ökonomischen Mechanismen zu besitzen als die Masse der Bevölkerung. Damit lassen sich sowohl paternalistische Eingriffe in die Marktallokation rechtfertigen als auch gezielte Interventionen in den Wirtschaftskreislauf oder die Festlegung auf bestimmte quantifizierte Wachstumsziele. Da technokratische Wirtschaftsordnungen i. d. R. mit autoritären politischen Systemen einhergehen, müssen mögliche Verteilungskonflikte nicht zu stark berücksichtigt werden, sofern ein stabiles und dauerhaftes Wachstum garantiert werden kann. Dauerhaft negative Effekte der „Anmaßung von Wissen“ (von Hayek 1989) (Österreichische Schule der Nationalökonomie) durch Technokraten, die sich in Wachstumsschwäche, Wirtschaftskrisen und staatlichen Budgetproblemen niederschlagen, können allerdings auch die Stabilität des politischen Systems infrage stellen.