Wettbewerbsrecht: Unterschied zwischen den Versionen

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<I>b</I>) Kartellbehörden können Bußgelder verhängen. Der aktuelle Rekord ist das 2018 von der EU-Kommission gegen Google verhängte Bußgeld i.&nbsp;H.&nbsp;v. 4,34 Mrd. Euro. Google hatte seine marktbeherrschende Stellung bei Smartphones mit Hilfe des Betriebssystems Android missbraucht. Kartelle werden zunehmend mithilfe von Unternehmen aufgedeckt, die als Kronzeugen bußgeldfrei bleiben können (sog.e Bonus- oder Leniency-Regelung).
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<I>b</I>) Kartellbehörden können Bußgelder verhängen. Der aktuelle Rekord ist das 2018 von der EU-Kommission gegen Google verhängte Bußgeld i.&nbsp;H.&nbsp;v. 4,34 Mrd. Euro. Google hatte seine marktbeherrschende Stellung bei Smartphones mit Hilfe des Betriebssystems Android missbraucht. Kartelle werden zunehmend mithilfe von Unternehmen aufgedeckt, die als Kronzeugen bußgeldfrei bleiben können (sogenannte Bonus- oder Leniency-Regelung).
 
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Neben das UWG treten seit 2019 das auf EU-Recht zurückgehende GeschGehG und ab 12.7.2020 erstmals eine direkt anwendbare europäische Rechtsquelle, die sog.e P2B-VO. Sie regelt das Verhalten von Online-Plattformen gegenüber den sie nutzenden Unternehmen, um für letztere Fairness und Transparenz durch Offenlegung der Kriterien für die Reihenfolge von Suchergebnissen zu gewährleisten.
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Neben das UWG treten seit 2019 das auf EU-Recht zurückgehende GeschGehG und ab 12.7.2020 erstmals eine direkt anwendbare europäische Rechtsquelle, die sogenannte P2B-VO. Sie regelt das Verhalten von Online-Plattformen gegenüber den sie nutzenden Unternehmen, um für letztere Fairness und Transparenz durch Offenlegung der Kriterien für die Reihenfolge von Suchergebnissen zu gewährleisten.
 
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<h3 class ="headline-w-margin">3.3 Wesentliche Regelungen des UWG</h3>
 
<h3 class ="headline-w-margin">3.3 Wesentliche Regelungen des UWG</h3>

Aktuelle Version vom 16. Dezember 2022, 06:13 Uhr

1. Überblick

Der Begriff des W.s umfasst in einem weiten Sinne alle Normen, die den Wettbewerb auf Märkten regeln. Innerhalb des W.s unterscheidet man das Kartellrecht und das Recht des unlauteren Wettbewerbs. Beide Gebiete ergänzen sich, indem sie die Freiheit (Kartellrecht) und Lauterkeit (Recht des unlauteren Wettbewerbs) des Wettbewerbs gewährleisten. Sie berühren sich zunehmend, weil beide mehr und mehr durch den Verbraucherschutz geprägt werden. Zudem müssen beide die Herausforderungen bewältigen, die die Digitalisierung für den Wettbewerb mit sich bringt.

Auf europäischer Ebene wird der Begriff des W.s im engen Sinne für das Kartellrecht verwendet, in Deutschland traditionell für das Lauterkeitsrecht. Dieser Beitrag gilt dem Begriff des W.s im weiten Sinne. Neben dem W. schützen weitere Rechtsmaterien den unverfälschten Wettbewerb, verfolgen aber auch andere Ziele. Dazu gehören v. a. das Beihilfenrecht (Beihilfe), das Vergaberecht und das Regulierungsrecht.

2. Kartellrecht

2.1 Ziele und Adressaten

Das Kartellrecht, auch als Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen bezeichnet, schützt die Freiheit – das „Ob“ des Wettbewerbs – und so letztlich auch den Verbraucher. Es stellt einen Wettbewerb sicher, der als unabhängiger Kampf der Unternehmen um günstige Geschäftsabschlüsse wie eine „unsichtbare Hand“ (Smith 1776) ökonomische Wohlfahrt hervorbringt. Zu diesem Zweck unterbindet es bestimmte unternehmerische Strategien, die den Wettbewerb abmildern sollen, von Kartellabsprachen über den Missbrauch von Marktmacht bis zu wettbewerbsbehindernden Fusionen. Kartellrecht richtet sich somit an Unternehmen, zu denen auch der unternehmerisch handelnde Staat gehört. Hoheitliches Handeln des Staates, etwa ein Gesetz, kann zudem gegen das Effektivitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 AEUV verstoßen, wenn es eine europarechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung vorschreibt oder fördert.

2.2 Rechtsgrundlagen des europäischen und deutschen Kartellrechts

In Deutschland gelten sowohl das europäische als auch das deutsche Kartellrecht. Grundlage des europäischen Kartellrechts ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV, wonach die EU einen Binnenmarkt (Europäischer Binnenmarkt) errichtet. Letzterer umfasst ein System, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt. Die unmittelbar geltenden Wettbewerbsregeln der Art. 101–106 AEUV und der FKVO sind der Kern dieses Systems. Für den EWR ist es im EWR-Abkommen parallel geregelt. Das deutsche Kartellrecht ist im GWB normiert. Die materiell-rechtlichen Tatbestände des Kartellrechts sind ausnahmslos Generalklauseln, die durch Bekanntmachungen der europäischen und der deutschen Kartellbehörden zu ihrer jeweiligen Entscheidungspraxis konkretisiert werden.

2.3 Die drei Säulen des Kartellrechts

Der kartellrechtliche Schutz wettbewerblicher Handlungsspielräume ruht auf drei Säulen. Das Kartellverbot (Art. 101 Abs. 1 AEUV) richtet sich als erste Säule gegen spürbar wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen unter Wettbewerbern sowie unter Nicht-Wettbewerbern. Darunter fallen z. B. Kartelle, etwa Preisabsprachen unter Wettbewerbern und Bindungen von Abnehmern oder Lieferanten wie Preisbindungen für den Weiterverkauf oder Alleinbelieferungspflichten. Art. 101 Abs. 3 AEUV nimmt Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen vom Kartellverbot aus, die unerlässlich sind, um Effizienzvorteile wie z. B. günstigere Produktion zu erzielen, den Verbrauchern zugutekommen und den Wettbewerb nicht ausschalten. Einige Arten solcher Abreden sind durch Gruppenfreistellungsverordnungen gesetzlich erlaubt, z. B. gemeinsame Forschung und Entwicklung. Zweite Säule ist Art. 102 AEUV. Er untersagt Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung einseitige Verhaltensweisen, mit denen sie zulasten anderer Marktbeteiligter ihre Macht missbräuchlich ausnutzen, etwa indem sie den Verkauf einer Ware an den Kauf einer anderen koppeln. Dritte Säule ist die Fusionskontrolle. Unternehmenszusammenschlüsse sind ab bestimmten Schwellenwerten bei der EU-Kommission (Europäischen Kommission) anzumelden (FKVO). Sie werden untersagt, wenn sie zu einer erheblichen Behinderung des Wettbewerbs führen, insb. eine marktbeherrschende Stellung begründen oder verstärken. Diese drei Säulen finden sich mit Abweichungen im Detail auch im GWB.

2.4 Verhältnis von europäischem und deutschem Recht

Die deutschen und europäischen Regeln überschneiden sich in ihrem räumlichen Anwendungsbereich. Deutsches Recht gilt, wenn das Verhalten Auswirkungen auf den Wettbewerb in Deutschland hat. EU-Recht (Europarecht) greift ein, wenn ein Verhalten geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. In der EU-Fusionskontrolle wird gemeinschaftsweite Bedeutung verlangt, die vorliegt, wenn bestimmte Umsatzschwellen erreicht sind. Sind danach beide Regime einschlägig, ist im Bereich des Kartellverbots das EU-Recht vorrangig. Beim Machtmissbrauch geht strengeres deutsches Recht vor, denn es soll die mittelständischen Strukturen der deutschen Wirtschaft erhalten. In der Zusammenschlusskontrolle hat das EU-Recht Vorrang.

2.5 Internationales Kartellrecht

In der globalisierten Wirtschaft kennt Wettbewerb oft keine nationalen Grenzen. Kartellrechtsordnungen sind i. d. R. auf alle Wettbewerbsbeschränkungen anwendbar, die sich in ihrem Geltungsbereich auswirken. So kann z. B. ein in Deutschland vereinbartes Preiskartell, das zu höheren Preisen in den USA führt, von US-Behörden verfolgt werden. Umgekehrt ist EU-Kartellrecht auf außerhalb der EU veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen anwendbar, die sich vorhersehbar, unmittelbar und wesentlich auf den EU-Markt auswirken oder dort durchgeführt werden (EuG 12.6.2014 T-286/09 Rdnr. 231–244, Kartellverfahren gegen Intel). Das GWB greift unter ähnlichen Voraussetzungen ein, wenn sich Verhalten im Ausland in Deutschland auswirkt (§ 185 Abs. 2 GWB, Art. 6 Abs. 3 Rom-II-VO).

Bestrebungen für ein einheitliches Weltkartellrecht gibt es seit der niemals in Kraft getretenen „Havanna-Charta“ von 1948. Die WTO, die OECD und die UNO befassen sich laufend mit kartellrechtlichen Fragen und veröffentlichen z. T. Grundsätze und Empfehlungen. Im International Competition Network verständigen sich mehr als 135 Kartellbehörden über gemeinsame Grundsätze der Wettbewerbspolitik.

2.6 Entwicklung des Kartellrechts

Das Antitrust-Recht der USA ist Vorreiter moderner Kartellrechtsordnungen („Sherman Act“ 1890, „Clayton Act“ 1914, „FTC Act“ 1914). Deutschland erhielt nach Vorläuferregelungen wie der Kartellverordnung (1923) und den Dekartellierungsgesetzen der westlichen Alliierten (1947) am 1.1.1958 mit dem GWB das erste umfassendere Kartellrecht, 1973 ergänzt um die Fusionskontrolle. Ebenfalls am 1.1.1958 trat das Kartellrecht des EWG-Vertrages in Kraft, 1989 kam die Fusionskontrolle hinzu. Vom 23.7.1952 bis zum 23.7.2002 galt für Kohle und Stahl das Sonderkartellrecht des EGKS-Vertrages. Zahlreiche Novellen des GWB glichen es dem EU-Recht an, in jüngster Zeit sucht man Wege, den Herausforderungen digitaler Märkte gerecht zu werden (9. und 10. GWB-Novelle).

2.7 Rechtsdurchsetzung

Das Kartellrecht wird auf drei Wegen durchgesetzt:

a) Kartellbehörden können Verhalten untersagen. Kartellbehörden sind die EU-Kommission, die EFTA-Überwachungsbehörde, das BKartA und – für Fälle von nur landesweiter Bedeutung – die Landeskartellämter.

b) Kartellbehörden können Bußgelder verhängen. Der aktuelle Rekord ist das 2018 von der EU-Kommission gegen Google verhängte Bußgeld i. H. v. 4,34 Mrd. Euro. Google hatte seine marktbeherrschende Stellung bei Smartphones mit Hilfe des Betriebssystems Android missbraucht. Kartelle werden zunehmend mithilfe von Unternehmen aufgedeckt, die als Kronzeugen bußgeldfrei bleiben können (sogenannte Bonus- oder Leniency-Regelung).

c) Von Kartellrechtsverstößen betroffene Wirtschaftsteilnehmer können zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz verfolgen und die Nichtigkeit kartellrechtswidriger Verträge geltend machen. Die private Durchsetzung ist in jüngerer Zeit durch den Gesetzgeber stark gefördert worden, maßgeblich durch die EU-Richtlinie zum Kartellschadensersatz (2014/104/EU). Dieser Durchsetzungsweg soll für den Ausgleich von Kartellschäden sorgen und potentielle Kartellsünder abschrecken.

3. Recht des unlauteren Wettbewerbs

3.1 Ziele und Adressaten

Das Recht des unlauteren Wettbewerbs (Lauterkeitsrecht) regelt das „Wie“ des Wettbewerbs und schützt die Mitbewerber, die Verbraucher sowie sonstige Marktteilnehmer, aber auch die Allgemeinheit vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Interesses an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 UWG), indem es Unternehmen unlautere geschäftliche Handlungen verbietet.

3.2 Rechtsgrundlagen und -entwicklung

Das Lauterkeitsrecht ist im Wesentlichen im UWG geregelt. Das UWG trat 1896 in Kraft und bescherte idF von 1909 Deutschland über fast 100 Jahre ein strenges Lauterkeitsrecht. Seinen Verboten setzte das EU-Recht mit der Waren- und Dienstleistungsfreiheit und dem Diskriminierungsverbot bald Grenzen. So wurde das UWG liberaler, zunächst im Jahr 2000 durch großzügigere Regeln für vergleichende Werbung. Das RabG von 1934 und die Zugabe-VO von 1932 wurden 2001 aufgehoben. Einer grundlegenden Überarbeitung mit Kodifizierung von Richterrecht und weiterer Liberalisierung (2004) folgten Novellen des UWG, die insb. den Verbraucherschutz stärkten.

Neben das UWG treten seit 2019 das auf EU-Recht zurückgehende GeschGehG und ab 12.7.2020 erstmals eine direkt anwendbare europäische Rechtsquelle, die sogenannte P2B-VO. Sie regelt das Verhalten von Online-Plattformen gegenüber den sie nutzenden Unternehmen, um für letztere Fairness und Transparenz durch Offenlegung der Kriterien für die Reihenfolge von Suchergebnissen zu gewährleisten.

3.3 Wesentliche Regelungen des UWG

„Herzstück“ (Köhler 2020: XII) des UWG ist § 3 Abs. 1, der unlautere geschäftliche Handlungen verbietet. Nach §§ 3a–6 UWG sind unlauter: der Rechtsbruch, d. h. ein Verstoß gegen eine das Marktverhalten regelnde Norm wie etwa standesrechtliche Werbeverbote; Verhaltensweisen zum Schaden von Mitbewerbern wie Verunglimpfung oder Nachahmung; aggressive geschäftliche Handlungen wie belästigender Hausbesuch, Irreführung durch Tun – z. B. Täuschung über Merkmale einer Ware – oder Unterlassen, indem Informationen vorenthalten werden – etwa die Information, dass ein Vergleichsportal von Anbietern Provisionen erhält –; vergleichende Werbung, wenn sie z. B. einen Mitbewerber herabsetzt.

§ 3 Abs. 3 UWG i. V. m. dem Anhang erklärt 30 verschiedene Verhaltensweisen gegenüber Verbrauchern per se für unzulässig (Schwarze Liste), z. B. die unwahre Angabe des Unternehmers, einen Verhaltenskodex unterzeichnet zu haben (Nr. 1). Nach § 7 UWG sind unzumutbare Belästigungen unzulässig. Darunter fallen neben erkennbar unerwünschter Werbung z. B. Telefonanrufe bei Verbrauchern ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung.

Liegt keiner dieser Spezialtatbestände vor, kann sich die Unlauterkeit direkt aus den Generalklauseln der § 3 Abs. 1 oder Abs. 2 UWG ergeben, die als Auffangnormen eingreifen. Wurde die geschäftliche Handlung gegenüber einem Unternehmer vorgenommen, gilt Abs. 1, bei Handlungen gegenüber einem Verbraucher der inhaltlich z. T. abweichende Abs. 2.

3.4 Internationales Wettbewerbsrecht

Unlautere Handlungen überschreiten nicht selten nationale Grenzen. Nach Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO ist das Lauterkeitsrecht des Staates anzuwenden, in dem der Wettbewerb oder die Verbraucherinteressen beeinträchtigt werden (Marktortprinzip). Im Bemühen um international einheitliche Regeln verpflichtet die PVÜ ihre Verbandsstaaten, Angehörige anderer Verbandsstaaten ebenso wie Inländer vor unlauterem Wettbewerb zu schützen. Das TRIPS-Abkommen (1994) erfasst das Lauterkeitsrecht nur am Rande.

3.5 Rechtsdurchsetzung

Das Lauterkeitsrecht wird überwiegend zivilrechtlich durch Mitbewerber und Wirtschafts- sowie Verbraucherverbände, Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern durchgesetzt, Verbraucher haben keine individuellen Ansprüche. Die außergerichtliche Streitbeilegung durch Abmahnung und strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung steht im Vordergrund, vor Gericht werden wegen der widerleglich vermuteten Eilbedürftigkeit überwiegend Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes genutzt. Hinzu treten Straf- und Bußgeldtatbestände. Rechtspolitisch wird die Forderung nach zusätzlicher behördlicher Durchsetzung lauter. Man will so Wettbewerbsverstößen im digitalen Handel wirksamer begegnen.