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  1. I. Philosophisch
  2. II. Rechtlich

I. Philosophisch

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1. Die irreduzible Vielfalt der Verwendung des Begriffs der Welt

Das Nomen „W.“ weist im alltäglichen Sprechen ebenso wie im Kontext der Wissenschaften, aber auch in der zeitgenössischen Philosophie eine irreduzible Vielzahl von Bedeutungen auf, die sich nicht auf einen einheitlichen Gebrauch oder einen univoken Begriff bringen lassen. Im Alltag dient die Verwendung des Begriffs W., zumal in einer Kombination mit weiteren Angaben, der Unterscheidung in sich strukturierter, einheitlich gedachter Bereiche von anderen Sphären, wenn z. B. von einer „W. der Kunst“, einer „W. der Unterhaltung“ und einer „W. des Sports“ im Unterschied zu einer „W. der Wissenschaften“ oder der „W. der Politik“ die Rede ist. Auf ähnliche Weise sprechen wir auch von der „Arbeits-W.“ im Unterschied zu anderen gesellschaftlichen Teilbereichen, und wir sprechen von einer „Lebens-W. der Tiere“ oder auch von einer „Gebirgs-W.“ im Unterschied zu anderen Formationen der sog.en „natürlichen W.“. In der Soziologie dient der Begriff der W. etwa bei Niklas Luhmann dazu, nicht nur einen eingegrenzten Teilbereich innerhalb der Gesellschaft von anderen Bereichen zu unterscheiden, sondern das Spezifische eines bes.n „Teilsystems“ von der dieses System umgebenden „W.“ im Ganzen (oft auch schlicht „Umwelt“ genannt) als dem Inbegriff einer komplexen und nicht näher bestimmten gesellschaftlichen Wirklichkeit insgesamt zu unterscheiden, die gerade nicht zum vorliegenden spezifischen System gehören soll, auf die sich das Teilsystem aber beständig bezieht, indem es sich von der W. unterscheidet (Systemtheorie). Häufig eröffnet der Begriff der W. auch die sprachliche Möglichkeit einer generalisierenden Perspektive, manchmal sogar einer universalisierenden Aussage, wie dies etwa an den im 18. und 19. Jh. aufkommenden Begriffen der „W.-Geschichte“ oder der „W.-Literatur“ und im 20. Jh. an den Begriffen einer „W.-Gesellschaft“ oder einer „W.-Öffentlichkeit“ beobachtet werden kann. In diesen Beispielen bezieht sich das Wort W. auf die Gesamtheit dessen, worüber gesprochen werden soll, und kommt so in die Nähe des heute üblich gewordenen Begriffs der Globalität, der einen sachlichen Zusammenhang von Ereignissen und Strukturen adressiert, der sich über den gesamten Globus erstreckt und der überwiegend verstanden wird als eine Gestalt von Gesellschaft, nicht von politischer Gemeinschaft.

Der Begriff W. fungiert manchmal auch als ein Inbegriff dessen, was überhaupt existiert, so wie es Ludwig Wittgenstein zu Beginn seines „Tractatus logico-philosophicus“ (1969) zum Ausdruck bringt, wenn er feststellt: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ (Wittgenstein 1969: 11) (Tractatus 1), wobei er zugl. i. S. d. frühen analytischen Philosophie voraussetzt, dass zwischen Sprache und W. ein Abbildverhältnis herrscht (vgl. Tractatus 4.01). Der Begriff W. kann aber auch alles das bezeichnen, was in einer Wissenschaft überhaupt noch erforscht werden soll, wenn z. B. die Astrophysik mit dem Begriff des Weltraums den de facto unbegrenzten Horizont ihres Forschungsgegenstands bezeichnet. Dabei fällt auf, dass hier nicht allein das Universum als Ganzes mit dem Wort W. belegt wird, sondern auch Teilbereiche wie bestimmte Sonnensysteme innerhalb des W.-Raums mit dem Plural von W.en bezeichnet werden. In der neuzeitlichen Philosophie wird, z. B. bei René Descartes, der Versuch einer neuen Begründung von Metaphysik vorgelegt (so in seinen „Meditationen“ [1983]) und eine Unterscheidung eingeführt, die zu einem veränderten Konzept von W. führt: Es ist die Unterscheidung einer res extensa von einer res cogitans. Dies führt zu einer Rede von einer „Außen-W.“, die wir in unserer Erkenntnis zunächst nur höchst ungewiss erkennen können und die sich grundsätzlich von einer „Innen-W.“ unterscheidet, die rein mental verstanden wird und im Blick auf das menschliche Erkennen mit höchster Gewissheit ausgestattet ist. Dieser erkenntnistheoretische Dualismus von Außen-W. und Innen-W. hat bis in die Philosophie des 20. Jh. auch ontologisch gravierende Folgen. Noch Edmund Husserl bezieht sich bei seiner Begründung der Phänomenologie auf diese Unterscheidung einer „Außen-W.“ von einer „Innen-W.“. Im weiteren Verlauf der Entfaltung seines zunächst sehr strikten mentalistischen Verständnisses der Phänomenologie gelangt E. Husserl schließlich zu einem Begriff von „Lebenswelt“, in der sich auf eine intersubjektiv verbindliche Weise ein alltägliches Wissen mit der sozialen Realität so verbindet, dass die theoretisch sortierte Erkenntnis der W. von dort ihren Ausgang nehmen kann. Hieran schließen die Studien von Alfred Schütz in der Soziologie an. In einer anderen, nämlich existenzialontologischen Absicht, greift der Husserl-Schüler Martin Heidegger auf Strukturen der sog.en Daseins-Verfassung des Menschen aus, um für sein frühes Projekt einer Existenzialontologie in „Sein und Zeit“ (1972) die „Existenzialien“ zu finden, die das „Dasein“ des Menschen bestimmen (Heidegger 1972: 44). Unter ihnen ist von der W. als dem „In-der-Welt-sein“ (Heidegger 1972: 52) des Menschen die Rede, also einem Ort, an dem der Mensch sein Dasein vollzieht (Existenzphilosophie). In einem anderen Sinn spricht Karl Popper in seiner Wissenschaftstheorie von „drei Welten“ (Popper 1973: 123), die wir epistemologisch unterscheiden müssen: der realen physikalischen W., der W. subjektiver Geisteszustände sowie der „dritten W.“ objektiv vorgestellter Bedeutungsgehalte. Und in seiner „Theorie des kommunikativen Handelns“ (1981) spricht Jürgen Habermas von einer „objektiven Welt“ äußerer Tatsachen, über die wir Aussagen mit Wahrheitsansprüchen (Wahrheit) machen können, einer „sozialen Welt“ intersubjektiver Regeln und Normen und einer „subjektiven Welt“ des nur dem Einzelnen zugänglichen Erlebens (Habermas 1981, Bd. 1: 149).

2. Die Begriffe der „Welt“ in der früheren Geschichte der Philosophie und Theologie

Bei einer Durchsicht der Vielfalt der Verwendung des Begriffs der W. fällt grundsätzlich auf, dass von W. sowohl in einem „räumlichen Sinn“ (W. als „Globus“ oder auch, davon abgeleitet, als „Geltungsbereich“) als auch in einem „zeitlichen Sinn“ (W. als „Zeitalter“ oder auch als „Geltungsdauer“) gesprochen werden kann. Dies zeigt sich bereits bei einer Sichtung der Aussagen über W. in der früheren Geschichte von Philosophie und Theologie. Dieser Beobachtung entspricht der Umstand, dass weder in der altgriechischen noch in der lateinischen Sprache dem im Deutschen verwendeten einen Nomen „W.“ ein einfaches Äquivalent entspricht. So verwendet das Griechische die Worte: kosmos, ouranos und aion, um „das Ganze des geordneten Alls“, „das Himmelsgewölbe“ und „das Zeitalter“ bzw. die „Zeitdauer“ zum Ausdruck zu bringen, während das Lateinische hier von mundus („W. als Ort“), universum („W.-All“) und saeculum („W. als Zeit“) spricht. Es sind gerade diese unterschiedlichen Redeweisen von W. als Raum (auch als Geltungsbereich) oder W. als Zeit (auch als die bestimmte Verfassung einer Zeit, einer Kultur oder einer Gesellschaft), die in der Geschichte der Philosophie, aber auch der Theologie, auf verschiedene Aussageintentionen hinweisen, die miteinander verbunden, aber distinkt voneinander verwendet werden können. So bezeichnen etwa die ionischen Naturphilosophen vor Platon mit dem Begriff der W. als Kosmos die Gesamtheit dessen, was überhaupt wirklich ist, während die Philosophie im Anschluss an Platon zwischen der „W. der sinnlichen Erscheinungen“, der „W. der Begriffe“ und des Denkbaren (insb. der Mathematik) und der „W. der Ideen“ unterscheidet – eine sowohl erkenntnistheoretische als auch ontologische Differenzierung, die sich auch später noch bei dem ersten Platonkritiker Aristoteles finden lässt und die bis in die Gegenwart der philosophischen Debatten – wenn auch z. T. unter anderen Termini wie etwa „mundus sensibilis“ oder „mundus intelligibilis“ (so z. B. Kant 1911: 163) – noch heute ausmachen lässt.

Auch im AT und im NT begegnen unter dem Begriff der W. unterschiedliche Ebenen der Bedeutung des Begriffs der W., die miteinander kombiniert sein können oder auch nicht. So kann die Bezeichnung „W.“ sowohl die positive Aussage einer guten Schöpfung der W. durch Gott zur Sprache bringen oder auch nur (wie etwa im hebräischen Begriff olam) eine lange Zeitdauer, aber auch die apokalyptische Aussage einer zu Ende gehenden, ablaufenden Zeit. Die Bezeichnung der W. kann auch einfach nur in Form eines radikal negativen Urteils über die W. als einen Raum bzw. als eine Zeit der Gottesferne und daher als Inbegriff „der Sünde“ auftreten, eine Charakterisierung, die einem gesamten Zeitalter, und zwar typischerweise der Gegenwart des Verfassers des Textes zugesprochen wird (vgl. hierzu 1 Kor 2,12). Der Begriff der W. kann somit in der Geschichte der Philosophie und Theologie entweder eine Konstellation des kosmologischen Anfangs oder eine grundlegende, geradezu existentielle Verfassung des menschlichen Lebens thematisieren oder aber er zielt auf eine Vision, die auf das Ende des Kosmos und der Geschichte (Geschichte, Geschichtsphilosophie) vorausschaut, und artikuliert somit eine eschatologische Sicht auf die W., wie sie in der Rede von einem „W.-Ende“, von einem „W.-Gericht“ und von der Hoffnung auf eine messianische Rettung der Gerechten begegnet, mit der eine zukünftige W. oder biblisch gedacht eine „neue W.“ beginnt, die auf einen neuen Himmel und eine neue Erde vorausschaut. Die beobachtbare Ambiguität in der Verwendung des Begriffs der W. zieht sich durch viele Texte der Geschichte der klassischen Philosophie und der Theologie. Und diese Geschichte spiegelt sich noch in der Gegenwart in der Mehrdeutigkeit, die den Begriffen der „Verweltlichung“, der „Entweltlichung“, der „Säkularisierung“ und dem neueren Konzept des „Postsäkularen“ eigentümlich ist.

3. Die praktische Idee der „moralischen Welt“: Die durch Recht und Moral vereinigte und politisch verfasste „Menschheit“

Mit der Widerlegung des ptolemäischen W.-Bilds ist die ältere, kosmologisch-physikalisch begründete Vorstellung obsolet geworden, dass die Erde als das Zentrum der W. und die auf der Erde lebende Menschheit infolgedessen bereits als eine Einheit zu begreifen ist. Doch führt dies philosophisch nicht zwingend dazu, den theoretischen Begriff der einen W. zu verabschieden. Gottfried Wilhelm Leibniz arbeitet mit dem Gedanken der möglichen W. einen neuen dynamischen Begriff von W.en heraus, der in der Geschichte der Metaphysik die Philosophie von Johannes Duns Scotus mit Immanuel Kants Transzendentalphilosophie verbindet. I. Kants kritische Philosophie formuliert zugl. die praktische Idee der W. als der „einen Menschheit“, die sich zuerst unter den Gesetzen des Rechts miteinander verbindet, die aber darüber hinaus auch dazu aufgerufen ist, den Einsichten der Moral zu folgen, v. a. die unaufgebbare Würde des Menschen (Menschenwürde) zu achten, jeden Menschen als ein Wesen zu achten, das seinen Zweck in sich besitzt und so in jedem Menschen zugl., wie I. Kant sich ausdrückt, „die Menschheit“ (Kant 1911: 429) anzuerkennen.

Bereits in seiner frühen Schrift zur Geschichtsphilosophie von 1784 betrachtet I. Kant die menschliche Geschichte in einer „weltbürgerlichen Absicht“ (1923). Eine ausführlichere Begründung für seine Idee der „einen Menschheit“ und einen möglichen Fortschritt liefert I. Kant allerdings erst in seinen späteren Schriften. Hier ist die umfassende „Kritik der Vernunft“ bei I. Kant maßgeblich. Mittels ihrer Einsichten gelangt I. Kant einerseits zur theoretischen Entdeckung der W. als „Inbegriff der Erscheinungen“ (Kant 1904: 315), aber auch zur praktischen Einsicht, dass auch die moralische W. als eine Realität bestimmt werden muss, die sich in Gestalt von Recht und Moral verwirklicht. Die erste Einsicht verdankt sich seiner Kritik des theoretischen Erkenntnisvermögens des Menschen in der „Kritik der reinen Vernunft“ (1904/1911), die zweite Einsicht verdankt sich I. Kants „Kritik der praktischen Vernunft“ (1913) sowie der „Kritik der Urteilskraft“ (1913), der „Religionsschrift“ (1914), den sich anschließenden politischen Schriften sowie der „Metaphysik der Sitten“ (1914). Aus der Einsicht in die spezifische Realität auch der „moralischen Welt“ (Kant 1904: 525) folgt bei I. Kant, dass im Namen der Vernunft (Vernunft – Verstand) auch von einer Hoffnung auf eine zukünftige W. gesprochen werden kann – sowohl im Blick auf den Einzelnen und ein Leben des Menschen nach dem Tod als auch im Blick auf die Menschheit als Ganze und den Verlauf der W.-Geschichte, als deren politisches Ziel I. Kant eine globale, also weltweite Friedensordnung fordert. Dieses Ziel kann I. Kant zufolge durch ein zweistufiges Verfahren erreicht werden, indem sich nämlich erstens die „despotischen Staaten“ durch eine freiwillige Reform (oder modern gesprochen unter dem Druck von echten Bürgerrechtsbewegungen) auf dem Weg einer Herstellung rechtsstaatlicher Prinzipien wie der Gewaltenteilung und dem Prinzip demokratischer Öffentlichkeit in ihrem Inneren zu „Republiken“ (Republikanismus) wandeln, und indem die so entstandenen Rechtsstaaten zweitens untereinander eine international, ggf. sogar weltweit geltende Rechtsordnung herstellen. Ihre Grundlage ist, dass die Staaten ein für allemal auf den Krieg als ein Instrument der Politik Verzicht leisten. Der Friedensvertrag zwischen allen republikanischen Staaten auf der W. tritt bei I. Kant an die Stelle einer von der Vernunft abstrakt geforderten „Weltrepublik“ (Kant 1923: 357), doch muss dieser Friedensvertrag auch eine institutionelle Form der Durchsetzung von Rechtsprinzipien erhalten, wenn die Idee des Friedens in der W.-Politik nicht scheitern soll. Der Herstellung des Friedens weltweit dient auch das von I. Kant in seiner „Friedensschrift“ erstmals geforderte „Weltbürgerrecht“ (Kant 1923: 360), das er als ein Recht von Menschen gegenüber allen Staaten zumindest auf Besuch konzipiert. In seiner „Religionsschrift“ legt I. Kant noch die weiterführende Idee einer auf Moralität gegründeten „Gemeinschaft“ von Menschen, die weltweit miteinander verbunden sind und die zur Rechtsgemeinschaft der staatlich verfassten Völker als Zeichen der auch moralisch vereinten Menschheit hinzutreten soll, um einen sowohl rechtlich als auch moralisch gestützten Fortschritt „zum Guten“ zu gewährleisten. Auf diesem Weg skizziert I. Kant die Idee einer politisch-rechtlichen und moralisch-sittlichen Einheit der W. in Form der einen Menschheit, in der die Vernunftidee der „moralischen W.“ nicht mehr nur als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft (Vernunft – Verstand) auftritt, sondern zugl. als möglich und durch menschliches Handeln zu verwirklichen gedacht wird.

Somit ist es im Anschluss an diese Argumentation bei I. Kant erlaubt, die Geschichte der Menschheit auch als eine Geschichte des möglichen Fortschritts „in weltbürgerlicher Absicht“ zu beschreiben. Wir sollen uns I. Kant zufolge nämlich nicht nur in unserem Handeln diesem Ziel unaufhörlich annähern, sondern unsere Hoffnung auf einen Rechtszustand zwischen den Völkern kann ihm zufolge auch tatsächlich wirklich werden. Dies aber setzt voraus, dass die Menschheit, die über die gesamte W. – aufgrund ihrer Kugelstruktur auch verstanden als „Globus“ – nicht nur räumlich verteilt ist, sondern auch rechtlich miteinander verbunden wird, sich auf institutionelle Prinzipen der Rechtsstaatlichkeit und des öffentlich überprüfbaren Gewaltverzichts gegeneinander verbindlich verständigt. Dieser Gedanke setzt voraus, dass „die Menschheit“ sich zuerst gesellschaftlich als eine Öffentlichkeit mit freiem Zugang aller zu den verfügbaren Informationen und einem freien Austausch der Meinungen (Meinungsfreiheit) konstituiert. Dieser Schritt macht es ferner möglich, dass die so gesellschaftlich konstituierte Menschheit auch die politischen Räume zwischen den Staaten und damit die W.-Politik rechtlich gestaltet und globale Institutionen schafft, die die Prinzipien der Öffentlichkeit und des Internationalen Rechts, vornehmlich die Geltung der Menschenrechte, auch rechtlich effektiv durchzusetzen vermögen. An diesem Mechanismus fehlt es bislang den Vereinten Nationen und ihren Organisationen; sie leiden darunter, dass sie infolge ihrer gemessen an ihrer Aufgabenstellung unangemessenen Struktur nur ein Spielball der Großmächte sind. Doch könnten diese Mechanismen, I. Kant zufolge, geschaffen werden, wenn die echten Republiken sich nur zusammenfinden. Sind diese Mechanismen aber, wenn auch nur unter den wirklichen Republiken, erst einmal hergestellt, müssen sie politisch immer wieder neu mit Leben gefüllt werden. Gleiches gilt für die Rechtsstaatsprinzipien der einzelnen Demokratien, die ohne eine immer wieder erneuerte moralische Einstellung der Menschen, und d. h. ohne deren Tugenden, und ohne politisch effiziente Strukturen von Recht und Verwaltung in Krisensituationen in Bedrängnis geraten können. In diesem Sinn ist die „moralische W.“ bei I. Kant, verstanden sowohl als eine „sittliche W.“ als auch als eine „rechtliche W.“, eine andauernde und bleibende Aufgabe, aber keine Utopie im „Nirgendwo“ eines kontrafaktischen Postulats. Diese Idee hat ihren realen Platz in dieser einen W., in der wir leben, und das Subjekt ihrer Realisierung ist „die Menschheit“, die sich auch kommunikativ im Zuge der Globalisierungsprozesse (Globalisierung) der vergangenen Jahrzehnte de facto konstituiert hat und jetzt vor der praktischen Aufgabe steht, ihre Bestimmung durch tatsächliches Handeln zu verwirklichen. Es ist diese Aufgabe, die den Gehalt und die grundlegende Herausforderung einer normativ gehaltvollen Konzeption von Politik insb. im 21. Jh. definiert.

II. Rechtlich

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1. Begriff der Welt

Der Begriff der W. ist keiner eindeutigen rechtswissenschaftlichen Definition zugänglich. Zugl. weist der Begriff W. mannigfaltige Bezüge zu den unterschiedlichsten Rechtsfragen auf. Nach dem Verständnis moderner und säkularisierter Gesellschaften (Moderne; Säkularisierung) ist das Recht in Abkehr von religiös fundierten Naturrechtslehren (Naturrecht) zuvorderst ein weltliches Phänomen. Auch kirchliches Recht ist von Menschen formuliertes Recht, welches in seinem in Anspruch genommenen Geltungsgrund diese Bedingtheit allerdings zu transzendieren versucht. In dieser Form religiös geprägtes Recht ist aber ebenso Recht „in der W.“ wie weltliches Recht. Das Recht kann dabei durchaus in Anspruch nehmen, in seinem Regelungsanspruch über die physische W. hinauszugehen.

2. Bedeutungsebenen

Aus einer rechtlichen Perspektive kann zwischen zwei Bedeutungsebenen des Begriffs W. unterschieden werden. Zum einen nehmen rechtliche Regeln unterschiedlicher Rechtsebenen auf den Begriff W. Bezug. Zum anderen kann es sich bei einer Bezugnahme auf den Begriff W. um ein heuristisches Mittel zur analytischen Durchdringung der Rechtsentwicklung handeln.

2.1 Bezugnahme auf die Welt durch rechtliche Regeln

Das Recht kann auf den Begriff der W. verweisen. Beispiele hierfür sind sowohl im innerstaatlichen Recht wie auch im Völkerrecht nachweisbar. So geht das deutsche Steuerrecht im Grundsatz vom W.-Einkommensprinzip aus, wonach die Summe von in- und ausländischen Einkünften eines in Deutschland Steuerpflichtigen der Besteuerung unterliegt (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 EStG). Im deutschen Strafrecht ist für die Begehung von international bes. geächteten Verbrechen das sog.e W.-Rechtsprinzip verankert (§ 1 VStGB), was auf entspr.e völkerrechtliche Jurisdiktionsregeln verweist. Der Begriff der W. verweist auf einen Tatbestand, der nicht nur das deutsche Staatsgebiet transzendiert, sondern die Gesamtheit der Erdoberfläche in Bezug nimmt.

Gegenstand völkerrechtlicher Regeln ist die Aufteilung der W. in unterschiedliche Gebiete, Zonen und Sphären. Es ist traditioneller Inhalt des Völkerrechts, die Erdoberfläche und den sie umgebenden Luftraum in staatliche Hoheitsgebiete einerseits und Bereiche aufzuteilen, die andererseits nicht der exklusiven Hoheitsgewalt eines Staates unterliegen bzw. sogar als Gemeinschaftsgut definiert sind („Grenze“). An das Staatsgebiet knüpft das ebenfalls der staatlichen Hoheitsgewalt unterliegende Küstenmeer (Art. 2, 3 SRÜ) an. Daran schließt sich die Allgemeine Wirtschaftszone an (AWZ, Art. 55 SRÜ), die in Teilen mit dem Festlandsockelregime überlappen kann (Art. 76 SRÜ). Sowohl AWZ als auch das über dem Festlandsockel befindliche Wasser sind rechtstechnisch Teil der Hohen See mit im Einzelnen ausdifferenzierten Rechtsfolgen. Das sog.e „Gebiet“, d. h. der Meeresboden und der Meeresuntergrund jenseits der Grenzen des Bereichs nationaler Hoheitsbefugnisse mitsamt der sich dort befindlichen Ressourcen, ist „gemeinsames Erbe der Menschheit“ (Art. 136 SRÜ). Gemeinsam mit dem Sonderregime für die Antarktis sorgen die seevölkerrechtlichen Regeln und der völkergewohnheitsrechtlich (Gewohnheitsrecht) anerkannte Grundsatz der staatlichen Souveränität dafür, dass es keine Gebiete auf der W. gibt, die nicht Gegenstand völkerrechtlicher Regeln sind. In der Gesamtschau decken sich die völkerrechtlichen Regeln in ihrer geographischen Erstreckung so mit den geologisch-physikalischen Gegebenheiten der existierenden W.

Die W. als physischer Ort ist zudem Gegenstand vielfältiger völkerrechtlicher Regeln, die auf ihren Schutz abzielen. Das Umweltvölkerrecht hat sich dabei von seinen nachbarrechtlichen W…urzeln emanzipiert, in denen ein bilaterales Schädigungsverbot dominierte. Neuere Schichten des Umweltvölkerrechts nehmen demgegenüber den Schutz von teilweise lokalisierbaren Gemeinschaftsgütern (wie etwa den Schutz von Gewässern) ebenso in den Blick wie die Herausforderung der globalen Klimakrise (Klimawandel), zu deren größtmöglicher Verringerung und Anpassung ein komplexes UN-Klimaschutzregime existiert. Ein nicht unerheblicher Teil der heutigen Völkerrechtsordnung ist somit auf die Sicherung der weiteren Existenz der W. gerichtet.

2.2 Begriff der Welt als heuristisches Kriterium zur Erfassung der Rechtsentwicklung

Die W. ist aber nicht nur Anknüpfungspunkt rechtlicher Normierung und Gegenstand von Normen zum Schutz ihrer selbst, sondern dient in verschiedenen Kontexten auch als heuristisches Kriterium zur Erfassung allg.erer Trends der Rechtsentwicklung.

In der Geschichte finden sich vielfältige Beispiele für imperiale Ordnungsmuster, in denen das eigene Recht als genuines W.-Recht angesehen wurde, etwa im Fall des römischen Rechts. Die Erstreckung des eigenen Rechts auf die ganze W. kann dabei mehr oder weniger offen Zielsetzung eines politischen Systems sein. Ansätze hierzu fanden sich etwa in der Ausrichtung des Kommunismus auf die proletarische W.-Revolution (Revolution). So formulierte das Programm der KPdSU noch 1961, dass sich die W. in einer „Epoche des Übergangs immer neuer Völker auf dem Weg des Sozialismus“ und hin zur „Epoche des Triumphes des Sozialismus und Kommunismus im Weltmaßstab“ (Tunkin 1963: 11) befände.

Das derzeitige internationale System basiert auf dem Ordnungsmodell souveräner Staaten. Versuche, dieses Modell zu überwinden, rekurrierten in der Vergangenheit nicht selten auf Vorstellungen eines weltumspannenden Rechts, in welchem der souveräne Nationalstaat nicht mehr die zentrale Ordnungseinheit darstellt. So wurde nach Ende des Kalten Krieges auf politischer Ebene eine „Neue Weltordnung“ propagiert (so George Herbet Walker Bush in seiner Rede vor dem Kongress am 11.9.1990), die im geopolitischen Moment eines vorgeblichen „Endes der Geschichte“ (Fukuyama 1992) an die Stelle des Ost-West-Konflikts treten würde. Auf die Ebene des Rechts übersetzt fanden sich vergleichbare Vorstellungen in der Vision eines „Weltinnenrecht[s]“ (Delbrück 2002). Diese Wortneuschöpfung ging auf die Diagnose eines Verschwindens der traditionellen Grenze zwischen dem inneren und dem äußeren Bereich der Staaten zurück. Bes. bedeutsam für diese Vorstellung war die zunehmende Infragestellung des domaine réservé der Staaten. Die Beachtung grundlegender Menschenrechte wurde vielmehr zum Gegenstand eines internationalen droit de regard, was sich in den Kategorien des zwingenden Völkerrechts wie der Verpflichtungen erga omnes ausdrückte.

Beabsichtigt war damit auch eine Positionierung gegen den Nationalstaat überhöhende Vorstellungen staatlicher Souveränität, wie sie etwa Carl Schmitt im „Begriff des Politischen“ formulierte. Basierend auf einer Unterscheidung zwischen Freund und Feind folgerte C. Schmitt: „Die politische Einheit setzt die reale Möglichkeit des Feindes und damit eine andere, koexistierende, politische Einheit voraus. Es gibt deshalb auf der Erde, solange es überhaupt einen Staat gibt, immer mehrere Staaten und kann keinen die ganze Erde und ganze Menschheit umspannenden Welt‚staat‘ geben. Die politische Welt ist ein Pluriversum, kein Universum“ (Schmitt 1932: 41).

Die Schmittsche Unterscheidung zwischen Freund und Feind wird in der heutigen Staats- und Völkerrechtstheorie ganz überwiegend zurückgewiesen, ebenso wie die Idee eines W.-Staates. Um „den Strom der rechtsscheuenden, feindseligen Neigung“ (Kant 1795: 213) aufzuhalten widmet sich die Völkerrechtslehre ganz überwiegend der Konstruktion von realisierbaren Formen der internationalen Zusammenarbeit. Insofern kann sie sich ideengeschichtlich auf Immanuel Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ (1795) stützen, der eine W.-Republik zwar ablehnte, aber die Konstruktion eines Friedensbundes anregte (Frieden), ergänzt um die Idee eines vor dem Hintergrund der an allen Plätzen der Erde gefühlten Rechtsverletzungen notwendigen, aber auch auf Bedingungen der allg.en Hospitalität beschränkten W.-Bürgerrechts. Diese Ansätze werden in der gegenwärtigen politischen Philosophie wie im Völkerrecht weiter stark rezipiert.

Zugl. haben sich die mit der Formulierung eines „W.-Innenrechts“ verbundenen Hoffnungen nicht erfüllt. Die gegen „Globalisten“ und universelle Werte formulierte Politik der US-Regierung unter Präsident Donald J. Trump war nur ein Anzeichen für diesen Wandel. In der Sache gewichtiger ist die wachsende Einsicht in die historische Bedingtheit des liberal-westlichen Völkerrechtsprojekts der 1990er Jahre, das mit einer Charakterisierung als „W.-Innenrecht“ ebenso verbunden war wie mit den Erwartungen einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts.

Mehrere Generationen von Vertretern sog.er „Third World Approaches to International Law“ (TWAIL) haben auf die Inanspruchnahme der Universalität aus einer westlich-europäischen Perspektive und ihren Auswirkungen auf die völkerrechtliche Vorstellung der W. und ihrer Aufteilung hingewiesen. Nach dem weitgehenden Abschluss der Dekolonisierung sind Forderungen nach einem postkolonialen Völkerrecht (Postkolonialismus) gleichwohl nicht verstummt, sondern finden im Gegenteil auch im völkerrechtlichen Mainstream vermehrt Beachtung. Dies verdankt sich nicht zuletzt einem gewachsenen Bewusstsein für die historische Ungerechtigkeit und die vielfachen Verbrechen, die mit der „Landnahme“ von nicht-europäischen Territorien durch die westlichen Kolonialmächte verbunden war. Die rechtswissenschaftliche Diskussion kann hier auf entspr.en Arbeiten globalgeschichtlicher Provenienz aufbauen.

3. Entwicklungslinien und Zukunftsmodelle

Für die Zukunft der W. sind verschiedene Ordnungsmodelle denkbar. Nach Ende des Kalten Krieges und der sich daran anschließenden Phase des Optimismus bzgl. der Tragfähigkeit westlicher Ordnungsvorstellungen sieht alles nach dem Anbruch eines chinesischen Jahrhunderts aus. Für die Ordnung der W. in einem rechtlichen Sinn ist zu beobachten, wie sich China in den vergangenen Jahren aus der Rolle eines Norm takers zunehmend in die eines Norm shapers bzw. Norm makers verwandelt hat. Die für die chinesische Positionierung in der W. bedeutsame sog.e „Neue Seidenstraße“ („Belt and Road Initiative“) könnte insofern für eine Renaissance von tradierten Ordnungsvorstellungen stehen, die China als Mittelpunkt der W. begreifen.

Die zunehmende ökonomische wie politische Vormachtstellung Chinas zeigt sich bes. deutlich im Bereich der digitalen Innovationen (Digitalisierung). Wie sich das Verständnis der W. und des sie prägenden Rechts durch die neuen Möglichkeiten künstlicher Intelligenz verändern wird, ist bisher unabsehbar. Wird die W. bisher als Zusammenspiel von physikalisch-geologischer Realität mit menschlichem und tierischem Wirken begriffen, so erscheint es als nicht unwahrscheinlich, dass die Vorstellung der W. durch neue Formen der Virtualität und des nicht mehr nur menschlich bedingten Handelns wesentlich verändert wird. Zugl. sind menschliche Faktoren und staatliche wie internationale Regeln bisher auch für den Bereich des Cyberspace maßgeblich geblieben, für den in den 1990er Jahren auch bereits eine erhebliche „Entweltlichung“ i. S. eines Zurückdrängens staatlicher Regelungsansprüche prognostiziert wurde.

Die größte Herausforderung für bisher herrschende Vorstellungen der W. dürfte dabei in der zunehmend akzeptierten Klassifizierung eines neuen Erdzeitalters des Anthropozän ergeben. Mit diesem Erdzeitalter soll zum ersten Mal die Schwelle zu einer Beeinflussung der geologischen Erdgeschichte durch menschliches Wirken verbunden sein, wobei nicht verschwiegen werden sollte, dass dieser Zuschreibung einer kollektiven Verantwortung auch die Gefahr der Verschleierung unterschiedlicher Beiträge und Kausalitäten immanent ist. Jedenfalls ist es heute weitgehend offen, wie sich diese neue geologische Epoche auf das Verständnis der W. in einem spezifisch rechtlichen Sinn auswirken wird.