Vorsorgevollmacht

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Der Begriff V., der im Gesetz nicht speziell definiert ist, bezeichnet eine Vollmacht, mit der der Vollmachtgeber vorsorgt für den Fall, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Mit ihr wird die staatliche Bestellung eines Betreuers vermieden. Stattdessen kann eine Person des Vertrauens für den Vollmachtgeber handeln. Insoweit wird die V. auch als Ausdruck der Selbstbestimmung angesehen. Ihr wesentlicher Vorteil gegenüber der Betreuung besteht darin, dass die Regelung der eigenen Angelegenheiten ohne staatliche Bevormundung stattfindet, dass der Einfluss des Betroffenen auf die Person des Vertreters groß ist und dass die beauftragte Person jederzeit abberufen werden kann. Ein wesentlicher Nachteil ist die Missbrauchsgefahr, da es nur eine geringe gerichtliche Kontrolle gibt. Die V. macht allerdings nur dann eine Betreuung überflüssig, wenn sie auch alle diejenigen Angelegenheiten umfasst, für die eine Hilfsbedürftigkeit besteht, und wenn der Bevollmächtigte geeignet und willens ist, die Angelegenheiten des Vollmachtgebers zu erledigen. Der Gesetzgeber hat im Jahre 2005 die V. zu stärken versucht, indem er den Besitzer einer V. dazu verpflichtete, das Gericht darüber zu unterrichten (§ 1901c BGB), und den Betreuungsvereinen auferlegte, Bevollmächtigte zu beraten (§ 1908 f. BGB).

Die Bevollmächtigung erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Daher muss der Vollmachtgeber im Zeitpunkt der Erteilung geschäftsfähig sein. Eine Form für die Vollmachtserteilung ist nicht vorgeschrieben, was grundsätzlich auch gilt, wenn der Bevollmächtigte später formgebundene Rechtsgeschäfte, z. B. einen Grundstückskauf, abschließen soll. Eine Ausnahme besteht, wenn der Vollmachtgeber sich bereits durch die Vollmachtserteilung hinsichtlich eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts rechtlich und tatsächlich bindet, was insb. bei einer unwiderruflich erteilten Vollmacht angenommen wird. In diesem Fall wird für die V. die Form des später abzuschließenden Geschäfts, z. B. die notarielle Beurkundung (bei einem geplanten Grundstücksgeschäft – § 311b BGB) verlangt. Überdies hat der Gesetzgeber eine Schriftform vorgeschrieben für die Bevollmächtigung zu einer Unterbringung, zu unterbringungsähnlichen Maßnahmen, etwa einer Fixierung (§ 1904 Abs. 5 BGB), zu schwerwiegenden Heileingriffen (§ 1906 Abs. 5 BGB) und zu einer ärztlichen Zwangsmaßnahme (§ 1906a Abs. 5 BGB). Auch wenn eine Form im Übrigen nicht vorgeschrieben ist, wird verbreitet doch die Zweckmäßigkeit der notariell beurkundeten V. betont, zum einen wegen der Vorteile einer durch den Notar (Notariat) durchgeführten Beratung, zum zweiten wegen der besseren Akzeptanz im Geschäftsverkehr, z. B. gegenüber Banken, und drittens auch, weil der Notar i. d. R. die Geschäftsfähigkeit des Ausstellers überprüft. Inhaltlich können V.en sowohl Fragen der Vermögenssorge (Kontovollmacht, Verwaltung von Immobilien usw.) als auch personale Angelegenheiten (Heimunterbringung, Gesundheitsfragen, Sorge für den persönlichen Lebensbedarf) umfassen. Bestimmte höchstpersönliche Rechtsgeschäfte sind einer Vollmacht nicht zugänglich, z. B. die Eheschließung, die Testamentserrichtung oder die Einwilligung in eine Sterilisation. Da die V. für den späteren Fall der Hilfsbedürftigkeit gedacht ist, wird sie häufig nur aufschiebend bedingt für diesen Fall erteilt. Möglich ist es allerdings auch, die Vollmacht unbedingt zu erteilen, aber den Bevollmächtigten zu verpflichten, von ihr erst dann Gebrauch zu machen, wenn der Betroffene hilfsbedürftig geworden ist. Der Vollmachtgeber kann den Umfang der Vertretungsmacht dadurch bestimmen, dass er die einzelnen Bereiche in der Vollmacht nennt, möglich ist es auch, eine Generalvollmacht für alle Angelegenheiten auszustellen. Nicht nur im letzten Fall sollte der Bevollmächtigte eine Person des Vertrauens sein. Möglich ist es auch, mehreren Personen eine V. zu erteilen, sei es, dass sie zur Alleinvertretung berechtigt sind oder nur gemeinsam handeln können. Grundsätzlich ist eine Vollmacht jederzeit widerruflich, allerdings muss der Widerrufende zum Zeitpunkt des Widerrufs geschäftsfähig sein. Fehlt es daran, kann allerdings das Gericht einen Kontrollbetreuer zur Beaufsichtigung des Vertreters bestimmen, der bei Missbrauch der Vollmacht diese ggf. widerruft. Sowohl für die Errichtung einer V. als auch bei deren Wahrnehmung kann eine Beratung durch die anerkannten Betreuungsvereine in Anspruch genommen werden (§ 1908 f. Abs. 1 BGB).

Die Wirkung der Vollmacht besteht darin, dass der Bevollmächtigte in den genannten Angelegenheiten eine Vertretungsmacht erhält. Er ist dann befugt, im Namen des Vollmachtgebers Willenserklärungen abzugeben und für ihn rechtlich zu handeln. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, wie er die Interessen des Betroffenen vertreten soll. Dies kann in einer eigenen Vereinbarung zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer konkretisiert werden, z. B. indem festgelegt wird, wie der Vertreter den Unterhalt zu verwenden hat, welches Heim er aussuchen soll und welche Maßstäbe für die Ausgestaltung des täglichen Lebens maßgeblich sein sollen. Auch eine mögliche Vergütung des Vertreters kann hier geregelt werden. Die Vollmacht erlischt mit dem Tod des Vollmachtgebers, selbstverständlich auch beim Tod des Bevollmächtigten und im Fall ihres Widerrufs. Wenn der Vertreter geschäftsunfähig wird, ist von einem Erlöschen der Vollmacht auszugehen, da er dann den Betroffenen nicht mehr vertreten kann.

Häufig wird die V. im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung verfasst, damit der Vorsorgebevollmächtigte im Fall schwerer Krankheit für den nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten entscheidet, welche ärztlichen Maßnahmen noch zu ergreifen sind und welche nicht. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, dem Vorsorgebevollmächtigten möglichst konkrete Anweisungen für sein Handeln zu erteilen und es nicht bei Allgemeinplätzen (würdevolles Sterben, keine Apparatemedizin) zu belassen.

Jeder Besitzer einer V. ist verpflichtet, von deren Existenz dem Betreuungsgericht Mitteilung zu machen. Daneben besteht die Möglichkeit, die V. im zentralen Vorsorgeregister, das bei der Bundesnotarkammer in Berlin eingerichtet ist, aufnehmen zu lassen, damit diese im Falle der Bedürftigkeit auch zum Zuge kommt. Im Jahr 2019 waren dort 4,6 Mio. Vollmachten registriert. Darüber hinaus empfiehlt es sich, dem Bevollmächtigten eine Ausfertigung der Urkunde auszuhändigen oder ihm zumindest mitzuteilen, wo sie sich befindet.