Verwaltungsrecht

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1. Begriff

Unter V. versteht man die geschriebenen und ungeschriebenen Rechtssätze, die in spezifischer Weise für die Verwaltung gelten. V. ist damit das der Verwaltung eigene Recht. Das V. schafft die rechtlichen Voraussetzungen für eine effektive Verwaltung und sichert zugl. die Rechte der Bürger. Insofern kann vom Bewirkungs- und vom Schutzauftrag des V. gesprochen werden. Im Kern ist V. Außenrecht, d. h. die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen dem verwaltenden Staat einerseits, den Bürgern und sonstigen Rechtspersonen andererseits. Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen sind die typischen Rechtsformen, in denen V. auftritt. Das wird ergänzt durch V. als Innenrecht, das die Rechtspflichten zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern und im Innenverhältnis den Amtsträgern gegenüber regelt. Die übliche Handlungsform sind hier Verwaltungsvorschriften.

V. ist Teil des öffentlichen Rechts, da zumindest eines seiner Zuordnungssubjekte der Staat ist und für diesen bes. Rechte und Pflichten begründet werden. V. gehört somit zum Sonderrecht des Staates in Abgrenzung zum Privatrecht als „Jedermannsrecht“. Die Verwaltung bedient sich gleichwohl auch der Rechtsformen des Privatrechts, etwa im Beschaffungswesen, wenn privatrechtliche Kaufverträge abgeschlossen oder wenn Arbeitsverträge mit Angestellten geschlossen werden. Von Verwaltungsprivatrecht wird gesprochen, wenn sich die Verwaltung zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben der Rechtsformen des Privatrechts bedient.

2. Entwicklung

Das moderne V. als dogmatisch durchdrungenes Rechtsgebiet (Dogmatik) wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. entwickelt. Zuvor wurde die Verwaltung akademisch als Teil der Kameral- oder Policeywissenschaft (Kameralismus) mitbehandelt. Diese staatswissenschaftliche wurde durch eine juristische Methode erst dann abgelöst, als der staatsrechtliche Positivismus (Rechtspositivismus) eine spezifisch juristisch-dogmatische Durchdringung v. a. der Handlungsform(en) des VA und des subjektiven öffentlichen Rechts ermöglichte. Hervorzuheben ist hier Otto Mayer, der z. T. in Anlehnung an französische Vorbilder mit seinem 1895/96 erstmals erschienenen Lehrbuch Maßstäbe bis in die Gegenwart setzte. Eine Dogmatisierung fand auch durch die seit den 1860er Jahren sich entwickelnde Verwaltungsgerichtsbarkeit statt, hier v. a. durch das Preußische Oberverwaltungsgericht, etwa im Bereich des Polizei- und des Abgabenrechts. Die älteren Ansätze einer Verwaltungslehre, namentlich Lorenz von Stein, konnten sich dagegen nicht durchsetzen. Während man unter der WRV in der Tendenz noch davon ausging, das V. bestehe vergleichsweise unabhängig vom verfassungsrechtlichen Wandel („Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“ [Mayer 1924: Vorwort]), setzte unter dem GG eine kontinuierliche Konstitutionalisierung des V. ein („Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht“ [Werner 1959]). Nun wurden auch die vielfältigen Formen der Leistungs-, Lenkungs-, Planungs- und Regulierungsverwaltung sowie der Daseinsvorsorge (Ernst Forsthoff) einbezogen. Seit den 1990er Jahren gibt die „Neue Verwaltungsrechtswissenschaft“, v. a. auf Initiativen von Wolfgang Hoffmann-Riem und Eberhard Schmidt-Aßmann, durch den Wechsel von einer rechtsschutzzentrierten zu einer bewirkungszentrierten Sicht des Verwaltungshandelns zahlreiche Anregungen (Steuerung). Neue Referenzgebiete wie das Umwelt- oder Regulierungsrecht dienten als Anschauungsmaterial. Das fiel teilweise mit ausgeprägten Privatisierungstendenzen (Privatisierung) im Bereich der Verwaltung zusammen, die die Ausbildung eines Gewährleistungs-V.s begünstigte. Ein Teil dieser Entwicklungen war durch die europarechtliche Überlagerung des deutschen V.s ausgelöst; vom EU-Recht (Europarecht) gehen heute wesentliche Impulse für die mitgliedstaatlichen V.e aus.

3. Systematik

Traditionell wird in Deutschland das allg.e vom bes.n V. unterschieden, nachdem noch O. Mayer in seinem grundlegenden Lehrbuch an der Wende vom 19. zum 20. Jh. das Polizei-, das Beamten- und das Abgabenrecht in die allg.en Lehren integriert mitbehandelt hatte. Die Ausbildung allg.er Teile ist in vielen Rechtsgebieten durch das Vorziehen „vor die Klammer“ ein nicht unumstrittenes Instrument zur Systematisierung und Rationalisierung des Rechtsstoffes, das zu Abstraktion und schwerer Verständlichkeit führen kann. Das allg.e V. bringt die allg.en, für mehr oder weniger sämtliche Bereiche des bes.en V. geltenden Lehren, wie die Rechtsquellen einschließlich der Lehre von den Verwaltungsvorschriften, die Handlungsformen, die Lehren vom subjektiven öffentlichen Recht und vom Ermessen, verfahrensrechtliche Regeln u. a. mehr. Auch das Staatshaftungsrecht (Staatshaftung) wird üblicherweise zum allg.en V. gezählt. Die Teilgebiete des bes.n V. sind so vielgestaltig, wie die Verwaltungstätigkeit selbst. Traditionell sind hier das Polizeirecht als Musterbeispiel für die Eingriffsverwaltung, das Kommunalrecht als Musterbeispiel für die Organisation von Selbstverwaltung und das Baurecht als Musterbeispiel für Planungsrecht zu nennen. Hinzugetreten sind das Beamtenrecht, das Straßen- und Wegerecht, das Wasserrecht, das Wirtschafts-V., das Umweltrecht, das Schulrecht, das Wissenschaftsrecht, das Gefahrstoffrecht, das Wehrrecht, das Informationsrecht und viele andere mehr. Die großen Gebiete des Steuer- und des Sozialrechts, die rechtssystematisch bes.es V. darstellen, haben sich dogmatisch wie in der akademischen Lehre teilverselbständigt – eine nicht unproblematische Entwicklung.

Zur Systematisierung des V. werden auch eher phänotypische Erscheinungsformen genutzt: So wird die Eingriffs- von der Leistungsverwaltung unterschieden. Hinzu treten die Planungs-, die Gewährleistung-, die Lenkungs- und die Regulierungsverwaltung sowie anderes mehr.

4. Rechtsquellen

Hauptrechtsquelle des V. ist das (formelle Parlaments-) Gesetz. An der Spitze hat die Verfassung – in Deutschland das GG – das V. seit 1949 maßgeblich überformt. Für die Verwaltung sind Rechtsverordnungen wichtige Instrumente der Rechtsetzung. Sie beruhen gemäß Art. 80 Abs. 1 GG auf einer formal-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, durch die Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rechtsverordnung vorgezeichnet sind. Das deutsche V. kennt, anders als teilweise im 19. Jh. oder im Ausland, kein selbständiges, sondern nur ein gesetzesabgeleitetes Verordnungsrecht der Verwaltung. Rechtsetzungsform der (kommunalen wie funktionalen) Selbstverwaltung sind die (autonomen) Satzungen. Lange Zeit stellten die allg.en Grundsätze des V.s als ungeschriebenes (Gewohnheits-)Recht eine wichtige Rechtsquelle des V.s dar. Durch die Teilkodifizierung (Kodifikation) des allg.en V.s im VwVfG hat deren Bedeutung jedoch stark nachgelassen.

5. Allgemeines Verwaltungsrecht

5.1 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

Die in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht wird im V. als Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ausbuchstabiert. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unterfällt in den Grundsatz des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes. Vorrang des Gesetzes bedeutet, dass die Verwaltung in jedem Fall das geltende Recht beachten und befolgen muss. Vorbehalt des Gesetzes bedeutet, dass die Verwaltung für Eingriffe in Freiheit und Eigentum und für sonstige wesentliche Maßnahmen einer formalgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Der Vorbehalt des Gesetzes reguliert damit das Prinzip der Gewaltenteilung für das V. Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes besitzt v. a. historisch eine rechtsstaatliche W…urzel; im 19. Jh. bezeichneten „Freiheit und Eigentum“ denjenigen Bereich, der für die Verwaltung ein Gesetz als Handlungsgrundlage erforderte. Damit war zugl. der Anwendungsbereich des Parlamentsgesetzes umrissen. Unter dem GG trat ein demokratischer und ein grundrechtlicher Begründungsstrang hinzu: Bes. wichtige („wesentliche“) Entscheidungen bedürfen bes.r demokratischer Legitimation, die nur das Gesetz vermitteln kann; die Freiheitsrechte stehen zumeist unter Gesetzesvorbehalten, d. h. auch aus grundrechtlicher Sicht bedarf die Verwaltung der Grundlage in einem Gesetz, wenn sie in ein Grundrecht eingreift.

5.2 Verwaltungsermessen

Die (gesetzlich) gebundene Verwaltung findet in den Verwaltungsgesetzen ihre Handlungsgrundlage und Grenze. Die richtige Gesetzesanwendung unterliegt verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, grundsätzlich auch, sofern die Gesetze unbestimmte und d. h. konkretisierungsbedürftige Begriffe verwenden, etwa wenn einem Gewerbetreibenden die Gewerbeerlaubnis wegen „Unzuverlässigkeit“ entzogen wird (vgl. § 35 GewO). In seltenen Fällen räumt hier die V.s-Sprechung einen gerichtlich nicht vollständig überprüfbaren Beurteilungsspielraum ein (Bewertung in mündlichen Prüfungen; Entscheidungen pluralistisch zusammengesetzter Ausschüsse, etwa zur Bewertung im Rahmen des Jugendschutzes u. a.). Charakteristisch für zahlreiche Gebiete des V.s ist jedoch die Einräumung von Verwaltungsermessen (Ermessen): Auf der Rechtsfolgenseite wird der Verwaltung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum, etwa mehrere Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt. Unterschieden wird das Entschließungsermessen (soll die Verwaltung überhaupt einschreiten?) vom Auswahlermessen (welche Rechtsfolge wählt die Verwaltung aus?). Ermessensentscheidungen der Verwaltung sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Nur sog.e Ermessensfehler können beanstandet werden: Ermessensnichtgebrauch (die Verwaltung erkennt ihr Ermessen nicht); Ermessensüberschreitung (die Verwaltung überschreitet den ihr durch die Ermessensnorm eingeräumten Spielraum) und Ermessensfehlgebrauch (das Ermessen wird nach sachfremden Kriterien ausgeübt). V. a. das Polizeirecht lebt von Ermessensnormen. Demgegenüber kennt das Steuer- und Abgabenrecht kaum Ermessensvorschriften, ist insofern strikter gesetzlich gebunden.

5.3 Verwaltungsverfahren

Entscheidungen der Verwaltung ergehen als Ergebnis eines Verwaltungsverfahrens. Dieses ist seit 1977 im VwVfG geregelt. Anstelle des allg.en Verwaltungsverfahrens treten ggf. bes. Verwaltungsverfahren (§§ 63 ff. VwVfG – förmliches Verwaltungsverfahren; §§ 71a ff. VwVfG – Verfahren über eine einheitliche Stelle; §§ 72 ff. VwVfG – Planfeststellungsverfahren u. ä.). § 9 VwVfG definiert das Verwaltungsverfahren als „die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist“. In jedem Fall dient das Verwaltungsverfahren der Durchsetzung und Verwirklichung des materiellen Rechts. Es besitzt Hilfsfunktion im Verhältnis zum materiellen Recht, was allerdings keine lästige Formalie darstellt sondern auch Legitimation erzeugt („Legitimation durch Verfahren“ [Luhmann 1969]). Eine ausgefeilte Verfahrensfehlerlehre behandelt die Wirkung von Verfahrens- und Formfehlern differenziert, vgl. etwa §§ 45, 46 VwVfG; § 44a VwGO, §§ 214 f. BauGB.

5.4 Handlungsformen

Die aus einer Verbindung von „Formungsidee“ und „Systemidee“ getroffene Unterscheidung und Dogmatisierung von Handlungsformen der Verwaltung dient zunächst der Strukturierung und Rationalisierung des Verwaltungshandelns. Begründung, Stärkung und Reaktivierung der verwaltungsrechtlichen Handlungsformenlehre bedeutet Vertrauen auf die Formungskraft des Rechts. Rationalisierung bedeutet hier zugl. Berechenbarkeit für den betroffenen Bürger sowie Effizienz und Effektivität auf Seiten der Verwaltung durch die Erhöhung der rechtlichen Steuerungsfähigkeit: Der Schutzauftrag zugunsten des Bürgers verbindet sich mit dem Bewirkungsauftrag der Verwaltung; die Handlungsformen setzen die Verwaltung überhaupt erst in Stand, ihre legitimen Aufgaben wahrzunehmen. Anders gewendet: Die Handlungsformenlehre findet nach wie vor ihre Berechtigung zwischen Rechtsschutz- und Steuerungsperspektive. Dies sind zugl. dogmatische wie rechtsstaatliche Folgen und Errungenschaften (Rechtsstaat). Durch die europarechtliche Überlagerung des deutschen V. wird die Handlungsformenlehre verändert, nicht jedoch in ihrer Bedeutung geschmälert.

Haupthandlungsform nicht nur der Eingriffs-, sondern auch etwa der Leistungs- oder Regulierungsverwaltung, ist nach wie vor der VA. Darunter fallen so unterschiedliche Handlungen wie Polizeiverfügungen, Beamtenernennungen, Baugenehmigungen oder die Genehmigung eines Flughafens, Staatsexamensprüfungen, Steuerbescheide, Wohngeldbewilligungen oder die Widmung einer Straße für den öffentlichen Verkehr. Nach der Legaldefinition in § 35 S. 1 VwVfG handelt es sich dabei um hoheitliche, d. h. öffentlich-rechtliche Einzelfallregelungen von Behörden mit Außenwirkung den Bürgern gegenüber. In der Sonderform der Allgemeinverfügung gem. § 35 S. 2 VwVfG wird der Charakter als Einzelfallregelung relativiert und der VA als Regelungsinstrument für eine bestimmbare Zahl von Adressaten oder Fällen geöffnet. Die Handlungsform des VA besitzt Bedeutung für das materielle V. wie auch für das Verwaltungsprozessrecht. Nach § 42 Abs. 1 VwGO bestimmt die Handlungsform die verwaltungsgerichtliche Klageart. Materiell-verwaltungsrechtlich gehört zu den zentralen Eigenschaften des VA seine grundsätzlich fehlerunabhängige Rechtswirksamkeit, sofern er nicht unter einem so schweren Fehler leidet, dass nach § 44 VwVfG Nichtigkeit gegeben ist. Wird der VA nicht in der dafür vorgesehenen Frist angegriffen, erwächst er in Bestandskraft und kann dann nicht mehr beseitigt werden. VA besitzen auch eine vollstreckungsrechtliche Funktion, da sie als Vollstreckungstitel in der Verwaltungsvollstreckung dienen. Durch die Handlungsform des VA wird einerseits der Verwaltung ein effektives Instrument in die Hand gegeben, ihre Verwaltungsaufgaben zu erfüllen; andererseits bringt er für die Bürger Rechtsklarheit und Verlässlichkeit. VA können nur unter den im Gesetz normierten Bedingungen aufgehoben oder geändert werden, §§ 48 ff. VwVfG.

Eine weitere Handlungsform ist der öffentlich-rechtliche Vertrag, §§ 54 ff. VwVfG. Die Verwaltung setzt auch Realakte, die keine Rechtsform besitzen (Reinigung der Straßen, Unterricht in Schulen und Hochschulen). Bedient sich die Verwaltung privatrechtlicher Handlungsformen ist zwischen sog.en fiskalischen Hilfsgeschäften (Kauf von Einsatzfahrzeugen oder Computern), erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der Verwaltung (zur Erzielung von Einnahmen; wegen des Steuerstaatsprinzips und des EU-Rechts nur noch in sehr engen Grenzen möglich) sowie der Erfüllung von materiellen Verwaltungsaufgaben in den Rechtsformen des Privatrechts (sog.es Verwaltungsprivatrecht) zu unterscheiden. In keinem Fall kann sich die Verwaltung dadurch ihrer öffentlich-rechtlichen Bindungen entledigen („keine Flucht ins Privatrecht“). Im Übrigen besteht grundsätzlich Handlungsformenwahlfreiheit.

5.5 Verwaltungsvorschriften

Verwaltungsvorschriften sind abstrakt-generelle Regelungen des verwaltungsinternen Bereichs, die von einer vorgesetzten Behörde einer nachgeordneten Behörde oder die von Vorgesetzten den nachgeordneten Beamten und sonstigen Bediensteten gegenüber erlassen werden (im Steuerrecht: sog.e Steuerrichtlinien). Als sog.es Innenrecht beruhen sie auf der hierarchischen Verwaltungsgliederung, d. h. der Leitungs- und Weisungskompetenz der übergeordneten Verwaltungsinstanz. Außenwirkung dem Bürger gegenüber erlangen sie allenfalls über die sog.e Selbstbindung der Verwaltung: Eine ständige Verwaltungspraxis erlangt über den allg.en Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG „Außenwirkung“, der Bürger kann sich gegen ein Abweichen davon gerichtlich wehren. Im Übrigen stellen Verwaltungsvorschriften als reines Innenrecht keine Prüfungsmaßstäbe für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Verfügung. Das V. unterscheidet verschiedene Arten und Funktionen von Verwaltungsvorschriften: Organisations- und Dienstvorschriften betreffen den Dienstbetrieb der Behörden; verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften steuern eine einheitliche Gesetzesanwendung durch die Verwaltung; damit verwandt sind norminterpretierende bzw. normkonkretisierende sowie ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften. Die praktische Bedeutung von Verwaltungsvorschriften kann kaum überschätzt werden, sie bestimmen den Verwaltungsalltag maßgeblich.

5.6 Verwaltungsvollstreckung

Die Verwaltung besitzt in Deutschland eigene Vollstreckungsmöglichkeiten. Mit dem VA setzt sie ihre eigenen Vollstreckungstitel (sog.es Selbsttitulierungsrecht der Verwaltung). Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze des Bundes und der Länder sowie des Polizei- und Ordnungsrechts unterscheiden die Vollstreckung wegen Geldforderungen und die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen. Als Zwangsformen werden regelmäßig das Zwangsgeld, die Zwangshaft, der unmittelbare Zwang sowie die Ersatzvornahme vorgesehen (Zwangsvollstreckung). Das Vollstreckungsverfahren ist hochgradig förmlich und in der Sache von der eigentlichen Verwaltungsentscheidung aus Gründen der Herstellung rechtsstaatlicher Distanz getrennt.

5.7 Verwaltungsorganisation

Das Verwaltungsorganisationsrecht geht von den Verwaltungsträgern als den rechtsfähigen Einheiten der Verwaltung aus. Dies ist der „Staat“ im weiteren Sinne: Bund und Länder sowie rechtsfähige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, durch die der Staat Verwaltungsaufgaben durch verselbständigte Einheiten wahrnimmt. Während Bund und Länder mit ihrem Verwaltungsunterbau als unmittelbare werden die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts als mittelbare Staatsverwaltung bezeichnet. Das V. kann auch Private mit der hoheitlichen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben betrauen, die dann als Beliehene (Unternehmer) agieren und insofern „Teil des Staates“ werden, insb. auch seinen Rechtsbindungen unterliegen. Überkommene Beispiele stellen die Technischen Überwachungsvereine bei Hauptuntersuchung von Kraftfahrzeugen oder der Arbeitgeber beim Einbehalten der Lohnsteuer dar. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts handeln durch ihre Organe. Behörden sind demgegenüber im organisatorischen Sinn (Teil-)Organe von Verwaltungsträgern, im funktionellen Sinn alle Stellen, wenn und soweit sie zur hoheitlichen Durchführung konkreter Verwaltungsmaßnahmen im Außenverhältnis berufen sind (vgl. auch § 1 Abs. 4 VwVfG: „Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.“). Für das Verwaltungsorganisationsrecht ist die gesetzliche Festlegung von sachlicher, örtlicher, instanzieller und funktioneller Zuständigkeit von zentraler Bedeutung. Unter Organisationsgewalt wird die Befugnis zur Errichtung, Änderung und Aufhebung von Verwaltungsträgern, d. h. Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Verwaltungsorganen verstanden. Die Trägerschaft der Organisationsgewalt ist sowohl in bundesstaatlicher als auch in gewaltenteiliger Hinsicht differenziert geregelt: Da die Bundesgesetze als Regelfall von den Ländern als eigene Angelegenheiten ausgeführt werden (Art. 83 f. GG), verbleibt die Organisationsgewalt insoweit regelmäßig bei den Ländern. Der organisationsrechtliche Gesetzesvorbehalt besagt, dass die Errichtung von Verwaltungsträgern sowie die Festsetzung der Zuständigkeiten den Bürgern gegenüber nur durch Gesetz vorgenommen werden können.

5.8 Rechtsschutz im Verwaltungsrecht

Ein rechtsstaatliches V. verlangt die grundsätzlich volle gerichtliche Überprüfung des Verwaltungshandelns den Bürgern gegenüber. Unter dem GG ist damit eine Verwaltungsgerichtsbarkeit schon wegen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 zwingend. Dem korrespondiert die verwaltungsgerichtliche Generalklausel des § 40 VwGO.