Verkehrsteuern

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1. Begriffsbestimmung; Historisches

Der Typusbegriff der V. knüpft nach einer Formulierung des BVerfG an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder an einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang an. Wie Verbrauch- und Aufwandsteuern erfassen V. die Einkommens- und Vermögensverwendung. Im Unterschied zu Verbrauchsteuern belasten sie nicht notwendig privaten Konsum und sind nicht durchgängig auf Abwälzung angelegt, sondern können als direkte oder indirekte Steuern ausgestaltet sein. V. zielen auf die wirtschaftliche Belastung des Aufwands, den ein Verkehrsakt auslöst, Steuerschuldner ist aber nicht notwendigerweise derjenige, der diesen Aufwand auslöst. Belastungsgrund ist die Leistungsfähigkeit, die in diesem Aufwand und damit der Teilnahme etwa am Finanz-, Immobilien- oder Versicherungsmarkt zu Tage tritt.

Der Begriff der V. stammt von Lorenz von Stein. Historische Vorläufer sind Urkunden- und Stempelsteuern. Die älteste V., die heute noch erhoben wird, ist die Rennwett- und Lotteriesteuer. Die lange Tradition erklärt sich aus der finanziellen Ergiebigkeit und dem verhältnismäßig geringen Erhebungsaufwand.

2. Arten und finanzielle Bedeutung von Verkehrsteuern

V. werden im GG in Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 f. sowie Abs. 2 Nr. 3 ausdrücklich erwähnt. Speziell genannt werden die Straßengüter-V. (seit 1972 nicht mehr erhoben), die KraftSt (diese wird teils nicht als V., sondern als Aufwandsteuer qualifiziert) und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene V. Nr. 4 nennt Kapital-V., VerSt und, heute obsolet, die Wechselsteuer. Dass es weitere V. geben kann, ergibt sich aus Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG, wonach das Aufkommen der übrigen V. den Ländern zusteht. Art. 105 Abs. 2a S. 2 GG gibt den Ländern bei der im Übrigen bundeseinheitlich geregelten Grunderwerbsteuer ein Hebesatzrecht. Kommunale V. gibt es nicht.

Dogmatisch werden Rechts- und Real-V.</U> unterschieden. Rechts-V. knüpfen an Akte des Rechtsverkehrs an. Hierunter fallen die Grunderwerbsteuer, die VerSt, die Feuerschutzsteuer und die Rennwett- und Lotteriesteuer. Hinzuweisen ist weiter auf die sogenannte Finanztransaktionsteuer, zu der es einen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission gab. Real-V. beziehen sich auf Akte des technischen Verkehrs. Diese Kategorie erschwert die Abgrenzung zu den Verbrauch- und Aufwandsteuern. Ob sie nötig ist, darf man bezweifeln, weil die KraftSt auch als Aufwandsteuer qualifiziert werden kann und die Luft-V. vom BVerfG als Rechts-V. (BVerfGE 137,350 [361 ff.]) eingeordnet worden ist.

Die V. sind für die Steuereinnahmen von hoher Bedeutung. Selbst wenn man die USt unbeachtet lässt, fallen die VerSt im Jahr 2019 mit ca. 14,1 Mrd. Euro, die Grunderwerbssteuer mit ca. 15,3 Mrd. Euro und die KraftSt. mit ca. 9,4 Mrd. Euro bes. ins Gewicht. Die Luft-V. hatte ein Aufkommen von ca. 1,2 Mrd. Euro, die Feuerschutzsteuer von 482 Mio. Euro. Der BFH hat ausgeführt, die meisten V. hätten keinen tieferen Sinn als den, dem Staat Geld zu bringen (BFHE 107,315 [319]).

3. Föderale Gesetzgebungskompetenz und Europarecht

Der Bund hat eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, wenn ihm das Aufkommen der Steuer ganz oder teilweise zusteht. Dies betrifft die KraftSt und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene V. nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG sowie Kapital-V. und die VerSt. Das Aufkommen der übrigen V. steht nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG den Ländern zu, so dass der Bund bei ihnen gesetzgeberisch nur unter den Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 GG tätig werden darf.

Der Harmonisierungsdruck des Europarechts ist bei den besonderen V., anders als bei den Verbrauchsteuern, schwach. Für eine Ausnahme können neue Kapital-V. sorgen, die nur auf EU-Ebene Sinn ergeben. Eine Doppelbelastung durch USt und V. hält der EuGH für unionsrechtskonform.

4. Einordnung im Steuersystem

V. sind schwer von Verbrauch- und Aufwandsteuern abzugrenzen. Überschneidungen mit der USt wirken Befreiungstatbestände des UStG entgegen (z. B. § 4 Nr. 9 f.). Rechtspolitisch wird die Integration der V. in die USt vorgeschlagen (so Paul Kirchhof 2011 § 2 Rn. 14 ff.). Weiterhin kennzeichnet die V. eine hohe Zivilrechtsakzessorietät.