United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 14. November 2022, 06:01 Uhr

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) wurde nach beinahe dreijähriger Beratung durch ECOSOC und UN-Generalversammlung aufgrund der GA-Res. 428 V der UN-Generalversammlung vom 14.12.1950 als Nachfolgeorganisation der International Refugee Organisation gegründet. Das der Resolution als Anhang beigefügte Statut formuliert als dessen Aufgabe in Kap. I „the function of providing international protection […] and of seeking permanent solutions for the problem of refugees by assisting Governments and, subject to the approval of the Governments concerned, private organizations to facilitate the voluntary repatriation of such refugees, or their assimilation within new national communities“. Das Kommissariat setzt sich für den Schutz der Menschenrechte von Flüchtlingen ein, für die Ausübung des Rechts, Asyl zu beantragen sowie dafür, dass die betroffenen Personen nicht unter Gefahr in ihre Herkunftsländer zurückkehren müssen. Seit der Gründung hat sich die internationale Lage im Hinblick auf Flucht und Vertreibung deutlich verändert, und so auch das Mandat des UNHCR, das nun einen weiteren Adressatenkreis umfasst: „These [other groups, Anm. der Autorin] include former refugees who have returned to their homeland, internally displaced people, and persons who are stateless or whose nationality is disputed“ (UNHCR 2019: 4).

1. Rechtlicher Status und Aufbau

UNHCR gehört zu den Spezialorganen der UN. Es verfügt somit über keinen eigenen völkerrechtlichen Status (Völkerrecht), wird aber trotzdem als „quasi-autonome Institution“ verstanden, die „gegenüber ihren Partnern außerhalb der Vereinten Nationen durchaus autonom [auftritt] und zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben über eine differenzierte Binnenstruktur und eigene politische Steuerungsorgane [verfügt]“ (Gareis/Varwick 2013: 58). Die Wahl des Hochkommissars durch die Generalversammlung, die Möglichkeit, direkte Verhandlungen mit Regierungen zu führen und Verträge abzuschließen und ein eigenes Budget sind Beispiele für diese bes. Eigenständigkeit einer Institution mit eigener Agenda, Struktur und Kultur.

Wichtigstes Dokument des internationalen Rechts für das UNHCR ist die 1951 verabschiedete GFK. Hinzu kommen internationale Vereinbarungen zum Thema Flucht und Migration, darunter die „New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten“ (2016) und der „Globale Pakt für Flüchtlinge“ (2018), sowie regionale rechtliche Regime.

UNHCR untersteht der UN-Generalversammlung und dem ECOSOC, denen das Kommissariat jährlich einen Bericht über die eigenen Aktivitäten vorlegt. Das Exekutivkomitee aus 102 Regierungsdelegierten der Mitgliedsländer ist das Leitungsgremium. Es überprüft und genehmigt Budget- und Aktionspläne und steht dem UNHCR beratend zur Seite.

An der Spitze der Institution steht der Hochkommissar für Flüchtlinge, der von einem Deputy Commissioner und zwei Assistant Commissioners for Protection and Operations unterstützt wird. Der High Commissioner kann seine Mitarbeiter eigenständig ernennen. 2019 beschäftigte UNHCR über 17 000 Personen in 135 Ländern, wovon die meisten in Hilfsoperationen vor Ort eingesetzt waren. Im Hauptquartier in Genf koordinieren und unterstützen funktional differenzierte Abteilungen deren Arbeit. UNHCR unterhält zudem lokale und regionale Büros. Das Inspector General’s Office soll Korruption vermeiden bzw. ahnden sowie Transparenz und unabhängige Aufsicht gewähren. Der Finanzbedarf ist von 300 000 US-Dollar im Gründungsjahr auf 8,6 Mrd. 2019 angewachsen. Das Kommissariat ist dabei in ein Netz von spezialisierten UN-Organisationen (UNO) sowie staatlicher und privater Akteure eingebunden, mit denen es seine Aufgaben koordiniert.

2. Historische Entwicklung

UNHCR wurde als kleine Spezialorganisation der UN mit begrenztem Budget und Personalausstattung und geringer Selbständigkeit gegründet. Schon in den 1950er Jahren gelang es, zunehmende Freiheiten zu erkämpfen (v. a. in Bezug auf das Einwerben eigener Mittel und die Verwaltung eines eigenen Budgets). Durch die wichtige (diplomatische) Rolle des Kommissariats bei der Versorgung und Betreuung der etwa 200 000 Ungarn, die in der Folge des Volksaufstands v. a. nach Österreich geflohen waren, konnten diese Ansprüche gestärkt werden. Im Zuge der Dekolonialisierung (Kolonialismus) waren Einsätze in Asien, Afrika und Lateinamerika notwendig. 1954 und 1981 wurde UNHCR mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

Nach Ende des Kalten Krieges agierte UNHCR in einer Vielzahl von Konfliktregionen, u. a. Nordirak (1991), Bosnien (1991–95), bei der Versorgung von Flüchtlingen aus Ruanda in Zaire (1994–96) und im Kosovo (1998/99). Anfang der 2000er übernahm es eine führende Rolle in der Rückführung afghanischer Flüchtlinge. Nicht alle Einsätze waren erfolgreich (wie die in Zaire und im Kosovo) oder problemfrei (wie die Rückführung nach Afghanistan).

Die Entwicklung des UNHCR von einer „small and timid refugee agency preoccupied with the advancement of refugee law“ zu „the world’s leading humanitarian agency in the 1990s“ (Hammerstad 2014: 290) ist Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren: Zum einen spielten die Persönlichkeiten der High Commissioners, die die „considerable moral authority and legitimacy“ des Amtes (Loescher 2001: 1) im Interesse des Kommissariats, seiner Aufgaben, Befugnisse und Ausstattungen einzusetzen wussten, eine zentrale Rolle. Zum anderen nutzte die Institution ihren Diskurs, um sich als wichtiger Akteur in zentralen Politikfeldern zu positionieren: Anne Hammerstad (2014) spricht vom „Rise and Decline of a Global Security Actor“, da UNHCR sich zunächst als Schutzorganisation für die Interessen Geflüchteter präsentierte, um bis Ende der 1990er Jahre als zentraler Akteur der Sicherheitspolitik wahrgenommen zu werden. Nachdem die wachsende Konzentration auf Sicherheit (securitization) in der Internationalen Politik (Internationale Beziehungen) aber letztendlich zunehmend zu Rollenkonflikten des UNHCR und zu Auseinandersetzungen mit den beteiligten Staaten führte, hat man sich wieder stärker auf die Rolle als schützender Akteur konzentriert. Eine Ausweitung des eigenen Anspruchs findet aber weiterhin statt, so u. a. durch Referenz auf die Fluchtbewegungen, die aufgrund des Klimawandels zu erwarten sind, oder allg. durch zunehmende Flucht und Migration. UNHCR wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der internationalen Politik spielen.

3. Kritik und Ausblick

Die Entwicklung des UNHCR und seine Leistungen sind zweifelsohne bemerkenswert und wichtig, umso mehr unter dem Eindruck der kontinuierlich steigenden Zahl an Flüchtlingen, Binnenvertriebenen und Staatenlosen und an Konfliktherden als Ursache (Internationale Konflikte, Bürgerkrieg). Dem stehen jedoch grundlegende Probleme und Kritiken gegenüber.

Der High Commissioner wurde von den Vereinten Nationen als apolitisches Amt konzipiert, dem zugl. die politisch höchst strittige Materie von Flucht, Vertreibung und Schutz der betroffenen Personen zugeschrieben wurde. Politische Macht haben Kommissar und Institution nicht, wohl aber moralische Legitimation. Konzeption der Position und Aufgabenbereich müssen so zwangsläufig zu Konflikten und schwierigen Balanceakten führen. Einsätze in Gefahrenkontexten bringen hohe Ansprüche an Personal und Organisation mit sich, während die Ausweitung des Mandats und der Aktivitäten nicht immer positiv bewertet werden: „In fact, states have criticized UNHCR for acting upon its extended mandate“ (Zieck 2010: 14). Zugl. bleiben die Ressourcen des UNHCR hinter dessen Bedürfnissen zurück. Im Lichte der ungewissen wirtschaftlichen Entwicklung nach der durch COVID-19 ausgelösten Pandemie ist zweifelhaft, ob und wie sich dieses Ungleichgewicht beseitigen lassen kann. Auch in Bezug auf ihre internen Abläufe wird Kritik laut: „The UNHCR is confronted with persistent problems of lack of learning and policy effectiveness“ (Loescher 2001: 2). Weiter umstritten ist die Deutungshoheit über den Status als Flüchtling, da UNHCR diesen zwar einer Person zusprechen kann, Staaten aber dadurch nicht gebunden sind, so dass ein „Parallel Universe“ (Zieck 2010) im internationalen Recht entstehe.

„The UNHCR functions with an imperfect mandate, under circumstances necessitating competition with other agencies for limited resources, and in political environments that are inhospitable to crisis management and refugee protection“ (Loescher 2001: 18). Diese Problembeschreibung steht einem immer größeren Handlungsdruck in der nationalen und internationalen Politik gegenüber, der sich spätestens in der sog.en Flüchtlingskrise des Jahres 2015 in Europa spürbar ausgewirkt hat. UNHCR hat in dieser Situation Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit aufgrund von Expertise und Erfahrung gezeigt. Die bisherige Geschichte der Organisation lässt deren dynamische Fortentwicklung wahrscheinlich (und angesichts der Herausforderungen auch wünschenswert) erscheinen.