UN-Kaufrecht

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Das UN-K. ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der bezweckt, das Recht für internationale Handelskäufe zu vereinheitlichen. Das CISG ist in Deutschland seit dem 1.1.1991 in Kraft. Es stellt die bedeutendste Konvention zur Privatrechtsvereinheitlichung dar und gilt derzeit in 93 Staaten. Darunter befinden sich fast alle wichtigen Handelsnationen (u. a. USA, China, Russland, Brasilien, fast alle EU-Staaten). Nach Schätzungen unterliegen 80 % des weltweiten Güterhandels dem CISG, das automatisch anzuwenden ist, sofern die Parteien es nicht – was zulässig ist – ausgeschlossen haben. In der internationalen Gerichts- und Schiedspraxis spielt es eine bedeutende und in Zeiten wachsender internationaler Handelsströme zunehmende Rolle.

Seinen Ursprung hat das UN-K. in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Anregung zur Vereinheitlichung und erste Vorschläge stammen von Ernst Rabel, dem damaligen Direktor des Berliner Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. Ausarbeitungen im Rahmen von UNIDROIT, dem Römischen Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts, und der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht führten zu einem Vorläufer, dem Haager Einheitskaufrecht von 1964, das die Basis für das CISG wurde, das eine Diplomatische Konferenz unter der Ägide von UNCITRAL, dem Handelsrechtsausschuss der Vereinten Nationen, 1980 in Wien beschloss. Insgesamt beruht das UN-K. auf fundierter Rechtsvergleichung. Es hat eine Kaufrechtsordnung geschaffen, die die Interessen von Käufer und Verkäufer zu einem wohl ausbalancierten Ausgleich bringt.

Das CISG ist anzuwenden, wenn die Parteien eines Kaufvertrags ihre Niederlassung in verschiedenen CISG-Vertragsstaaten haben oder wenn das Internationale Privatrecht (IPR) des angerufenen Gerichts zum Recht eines CISG-Staates führt. Ferner muss der Vertrag Waren und damit weder Rechte noch Immobilien betreffen. Einige Waren, insb. Schiffe und Flugzeuge, sind allerdings ausgeschlossen. Ausgeschlossen sind auch Verbraucherkäufe, es sei denn, der Verkäufer musste nach den Umständen von einem Geschäft unter Kaufleuten ausgehen. Selbst wenn eine der Anwendungsvoraussetzungen fehlt, können die Parteien das CISG frei wählen, damit aber nicht den nationalen Verbraucherschutz ausschalten.

Für das gesamte UN-K. gilt der Vorrang der Parteiautonomie: Die Kaufvertragsparteien können nicht nur das CISG im Ganzen ausschließen, sondern auch jede seiner Bestimmungen abändern. Abweichende Vertragsbestimmungen gehen dem CISG stets vor. Kaufgeschäfte sind formfrei; nur wenige Staaten, darunter Russland, haben einen Vorbehalt eingelegt, wonach Verträge schriftlich sein müssen. Internationale Handelsbräuche sind zu beachten, werden aber von einem abweichenden Parteiwillen überlagert.

Das CISG enthält vier Teile: allg.e Regeln, insb. zum Anwendungsbereich und zur Auslegung (Art. 1–13); den Vertragsschluss (Art. 14–24); die Rechte und Pflichten der Parteien (Art. 25–88) und schließlich Diplomatische Schlussklauseln, die sich nicht an die Vertragsparteien, sondern an die Vertragsstaaten richten (Art. 89–101). Die Regeln zum Vertragsschluss sind so allgemeingültig gefasst, dass sie für alle Vertragsarten gelten können – und so auch etwa in den UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts oder im reformierten russischen Zivilgesetzbuch verwendet werden. Das Herzstück des CISG sind die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Parteien. Der Verkäufer ist zur Lieferung sach- und rechtsmangelfreier Ware binnen angemessener Frist und zur Eigentumsübertragung verpflichtet, der Käufer zur Zahlung und Abnahme. Die Rechte der Parteien folgen in der Grundstruktur dem Modell des common law: jede Abweichung vom vereinbarten oder gesetzlichen Leistungsprogramm ist eine Pflichtverletzung, die – unabhängig von einem Verschulden – mindestens zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus der Pflichtverletzung entstand und bei Vertragsschluss als mögliche Folge voraussehbar war. Nur wenn der Grund für die Pflichtverletzung außerhalb der Kontroll- und Risikosphäre des Pflichtigen lag, insb. auf höherer Gewalt beruhte, entfällt die Schadensersatzpflicht. Die Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, gewährt das CISG nur bei einer wesentlichen Vertragsverletzung, die etwa in der Lieferung völlig unbrauchbarer und irreparabler Ware liegt. Im Übrigen sieht die Konvention vor, dass der Käufer bei Liefermängeln Nacherfüllung oder Minderung verlangen kann. Aus dem deutschen Recht hat das CISG das Institut der Mängelrüge übernommen: Der Käufer muss die Ware auf Mängel untersuchen und sie in angemessener Frist rügen, wenn er nicht alle Rechte wegen dieser Mängel verlieren will. Als angemessen gilt normalerweise eine Monatsfrist.

Das CISG bringt weit mehr Vorteile als Nachteile für international tätige Kaufleute: So muss bei internationalen Käufen meist nicht mehr geklärt werden, welches nationale Recht für sie gilt und was der Inhalt dieses Rechts ist. Die sonst notwendige Einschaltung des IPR erübrigt sich; ausländisches Recht muss nicht mit hohem Aufwand festgestellt werden. Im Verkehr mit ausländischen Unternehmen lässt sich das CISG erheblich leichter als anwendbares Recht durchsetzen als das eigene Recht. Ferner können Unternehmen Kaufgeschäfte in zahlreiche Länder nach einem einzigen Recht abwickeln. Die Disposivität des CISG erlaubt seine Anpassung an abweichende Unternehmensbedürfnisse. Für das CISG gibt es inzwischen umfangreiche internationale Rechtsprechung, die in Datenbanken (CLOUT, CISG-online, cisg.pace etc.) kostenlos über das Internet zugänglich ist und oft in englischer Übersetzung oder Zusammenfassung vorliegt. Der CISG-Digest von UNCITRAL (www.uncitral.org) bereitet diese Rechtsprechung für jeden CISG-Artikel übersichtlich auf. Die Nachteile eines fehlenden zentralen Obergerichts und der gelegentlich doch notwendigen IPR-Prüfung wiegen demgegenüber nicht schwer. Ein Ausschluss des CISG muss daher wohl erwogen werden.