Theologie

1. Terminologie und die Sache der Theologie

Die Sache der T. scheint alltags- wie fachsprachlich hinreichend klar, sodass der Terminus gegenwärtig auch in bildungs- und religionspolitischen Zusammenhängen Verwendung findet, in denen er nicht heimisch ist. Man spricht nicht nur von christlicher, sondern auch von jüdischer oder von islamischer T. und meint – analog zum christlichen Verständnis – eine Reflexionsform religiöser Überlieferungen, die im kritischen Rückbezug auf jeweils als normativ angesehene Überlieferungen Identität und Relevanz einer Religion evaluieren soll. Sie hat zu einer vernünftigen Verständigung über den Sinn und die Lebensbedeutung religiöser Überzeugungen beizutragen und so der Selbstvergewisserung religiöser Überlieferungsgemeinschaften wie der Nachfrage nach rational überzeugenden Deutungspotentialen und Normierungen in elementaren menschlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu dienen.

Diese Aufgabenzuweisung, die den T.n in Deutschland wie in einigen anderen Ländern auch einen Ort in öffentlichen Bildungseinrichtungen gibt und zu unterschiedlichen staatskirchenrechtlichen Vereinbarungen (Staatskirchenrecht) über die Zuständigkeiten religiöser und staatlicher Instanzen geführt hat, ist historisch wie in der Sache voraussetzungsreich. Auf diese Voraussetzungen ist einzugehen, weil sie zum Verständnis gegenwärtiger Diskussionen um die konkrete Ausgestaltung des Auftrags, den religiöse wie staatliche Instanzen und gesellschaftliche Meinungsbildung mit den Reflexionsbemühungen der T. verbinden, unabdingbar sind.

Im urspr.en griechisch-hellenistischen Kontext ist das Wort Theo-Logie von einer in der Sache liegenden Doppeldeutigkeit. Es bezieht sich hier auf narrative bzw. kultisch-repräsentative wie auf öffentlich-politische Weisen des Gott-zur-Sprache-Bringens – der Gottes-Kündung –, mit denen Gott in der Kultgemeinschaft bzw. in der Polis vergegenwärtigt oder in Anspruch genommen wird. Und es verweist auf die kritisch-vernünftige Prüfung der durch Wildwuchs oder politischen Missbrauch in Verdacht geratenen Mythen und Kulte. Platon (Plat. pol. 379a) wie Aristoteles (Metaphysik 1026a 19) wollen in philosophischer Verantwortung einem Gott-würdigen Sprechen von Gott den Weg bereiten: damit von Gott so gesprochen werde, wie es sich mit ihm in Wirklichkeit – seiner „Natur“ nach – verhält, nicht nur so, wie es die Geschichten von einem Sich-Einmischen der Götter in den Weltlauf überliefern. Diese Kritik-Perspektive bestimmt noch die Rede der Stoiker von einer theologia tripertita, mit der die theologia naturalis von der mythisch-fabulierenden T. der Dichter wie von der theologia civilis – der Praxis öffentlich gepflegter und in Anspruch genommener Religion – unterschieden wird; in ihr soll das Göttliche metaphysisch-prinzipientheoretisch zur Sprache kommen (Augustin. civ. VI,5–10).

Diese Sprachherkunft brachte es mit sich, dass die christliche Glaubensreflexion insgesamt für lange Zeit eher selten als T. bezeichnet wurde. Die innere Spannung, die im hellenistischen Sprachgebrauch zum Ausdruck kommt, findet sich aber auch schon in den frühesten Entwürfen einer christlichen Rechenschaft über den Glauben wieder – freilich in der Weise, dass man die in der Bibel bezeugte Gottes-Geschichte nicht am Maßstab einer „rein philosophisch“ durchgeführten Gotteslehre als Mythos kritisiert, sondern sie als Gottes vernünftige oikonomia (Ordnung) des Heiles verstehen will (bespielhaft Irenäus). Diese oikonomia gründet – so ab dem 4. Jh. deutlicher ausgeführt – im innersten Sein Gottes selbst, das die theologia im engeren Wortsinn nachzeichnet (Athanasius: Oratio I contra Arianos, MPG 26, 49A). Christlich kann es nicht um Überwindung der Mythologie durch Metaphysik und eine in deren Rahmen ausgeführte „natürliche T.“ gehen, sondern nur um die vernünftige Erhellung des Sinnes einer Gottes-Geschichte, in der sich Gott gleichwohl als die philosophisch ausgewiesene Ur-Wirklichkeit des Unendlich-Absoluten und Vollkommenen zu erkennen gibt.

2. Ursprungsbedingungen christlicher Theologie

Soll von T. der Sache nach gesprochen werden – als argumentierende, um vernünftige Zustimmung werbende Selbstreflexion des (christlichen) Glaubens –, wird man schon die Zeugnisse der Bibel als das Ineinander und Miteinander von Gottes-Kündung und vermittelnder, zum Verstehen bringen wollender Reflexion des Verkündeten bzw. Bezeugten ansehen dürfen. Die First-order-language der Zeugnisse, Gebete, Erzählungen, prophetischen Kündungen und Bekenntnisse ist oft in die Second-order-language der Argumente und Rechtfertigungen übergegangen, und dies v. a. deshalb, weil die alten Überlieferungen in neuen kulturellen Kontexten reformuliert und in ihrer Glaubens-Bedeutung neu gesagt werden sollten. Solche „Re-Lektüren“ bestimmten die Überlieferungsgeschichte der biblischen Texte selbst. Auch dort, wo sie auf der Textoberfläche nicht argumentativ sprechen, sind sie häufig implizit theologisch: da sie sich auf andere Texte kritisch oder weiterführend beziehen und sich in einem Überlieferungszusammenhang positionieren, in dem sich die Identität des Bundesvolkes Israel und neutestamentlich das Selbstverständnis christlichen Glaubens in der Nachfolge Christi herausbildete. Argumentierende T. bestimmt biblische Texte erkennbar, wo sie Überlieferungen diskursiv reformulieren wollen (etwa Ijob) oder wo sie angesichts des Kreuzes Jesu Christi die Legitimität des „neuen Weges“ der Christen im jüdischen Kontext nachzuweisen und das Ausbleiben der Wiederkunft Christi theologisch zu verarbeiten versuchen bzw. wo es darum geht, die Möglichkeit der Heidenmission (Mission) theologisch zu begründen (so bei Paulus und den Deuteropaulinen). Die Areopagrede des Paulus ist nach Apg 17,22–31 Musterbeispiel für eine Verkündigungs-T., die das Christliche im hellenistischen Bildungskontext „disktutabel“ machen will. Johanneische T. greift auf philosophische Modelle wie die Logoslehre des Philo von Alexandrien zurück und kann so das Christentum nicht nur als konkurrenzfähiges Bildungsangebot präsentieren, sondern erschließt ihm auch Artikulationsressourcen, welche Christologie und christlich-trinitarisches Gottesverständnis in der Sprache der Gebildeten sagbar machten.

3. Glaubens-Erkenntnis?

Die schärfste Herausforderung christlicher Glaubensreflexion im Altertum war mit einer antiken Gebildeten-Religion verbunden, die sich – gegenüber dem glaubenden Nachvollzug der oikonomia Gottes (der pistis) – als höhere Glaubens-Einsicht (gnosis) wusste: Unterschiedliche Modelle der Gnosis begriffen das Geschehen des Kosmos als Abstiegs- und Aufstiegsgeschehen, aus dem uranfänglich Einen über die Zerstreuung des Weltgeschehens zurück ins Göttlich-Eine. Christlicher Glaube sollte in diesem Geschehen das offenbare Geheimnis seiner Erzählungen erkennen. Gegen die Gnosis und doch auch im Anschluss an ihre Vorstellungen bildete sich seit Irenäus und Origenes eine T. aus, die gegen die Häretiker den organischen Gesamtzusammenhang der einzelnen Glaubensartikel – den „Leib der Wahrheit“ (Iren. haer. I,4,9) – zur Geltung bringen und in philosophisch geklärter Terminologie aussagen konnte; so in den christologischen und trinitätstheologischen Definition der ersten Konzilien. Vorbehalte gegen diese „Theologisierung“ des Glaubens blieben freilich virulent. Tertullian will die Partei Jerusalems gegen Athen ergreifen; nach Jesus Christus und der von ihm gebrachten Wahrheit habe man „keine Neugier nötig, und nach dem Evangelium keine Forschung“ (Tert. praescr. 7,9–12). Hieronymus bekennt: „Ich glaube, was ich nicht verstehe“ (Über den Psalm 91). Als wirkungsgeschichtlich nachhaltiger erwiesen sich die Versuche, das Wissen des Glaubens soweit als möglich in seinem inneren, vernunftgemäßen Zusammenhang aufzuweisen; exemplarisch Augustinus’ „De trinitate“. Hier wird nicht weniger versucht, als sich vom Gottesbild, das der Mensch als Geist sein darf, in das Urbild Gottes, des absoluten Geistes, hineinzufragen und Gottes Dreieinheit anhand des doppelten Selbst-Bezogensein des absoluten Geistes im Sich-Erkennen und Sich-Bejahen prinzipientheoretisch nachzuvollziehen. Solche Versuche bleiben zwar in der Geschichte der christlichen Glaubensreflexion vom Vorbehalt der im Umfeld neuplatonischer Philosophie ausgebildeten Negativen T. begleitet, welche das begriffliche Sprechen von Gott in der Gefahr sieht, den unendlichen Gott zu verendlichen, und es deshalb für angemessener hält, „Gottes Schönheit [zu] preisen“, als sich „aus[zu]lassen über seine Wesenheit“ (Hieronymus: Über den Psalm 91). Aber sie haben in der Kirche des Westens die Praxis der Glaubens-Lehre – der Sacra doctrina – v. a. an den Universitäten des Mittelalters inspiriert.

4. Glaubens-Wissenschaft?

Anselm von Canterbury steht für ein Konzept christlicher Glaubensreflexion, die den Glauben selbst als Herausforderung zum vernünftigen Verstehen des Geglaubten wahrnimmt und darauf setzt, sola ratione „notwendige Gründe“ für Gottes Heilshandeln in der Welt nachvollziehen zu können. Thomas von Aquin ordnet die Sacra doctrina dem aristotelischen Wissenschaftsverständnis ein und versteht sie als eine Scientia subalternata. Sie entwickelt ihre Grundsätze (principia) nicht aus sich selbst – in vernünftiger Selbstreflexion –, sondern lässt sie sich durch eine höhere Wissenschaft geben: durch die ihr geoffenbarte Scientia Gottes (STh I, 1,2). Gottes Offenbarung ermöglicht es ihr, auf menschliche Weise wissenschaftliche T. zu treiben: alle ihr gegebenen Gegenstände in ihrem Zusammenhang aus ihrer Hinordnung auf Gott vernünftig zu begreifen (STh I, 1,7). Die Sacra doctrina ist eher theoretisch-spekulative als praktische Wissenschaft, „weil sie vornehmlicher von den göttlichen Dingen als von den menschlichen Handlungen handelt; von diesen handelt sie, insofern der Mensch durch sie zur vollkommenen Erkenntnis Gottes hingeordnet wird, in der die ewige Seligkeit besteht“ (STh I, 1,4). Mit dieser Zentrierung auf den Nachvollzug der Scientia Dei gewinnt die Sacra doctrina gegenüber der philosophischen Überlieferung ihr eigenes Profil, wird sie auch terminologisch zur Theologie. Die Zielvorstellung einer „perichoretischen Einheit von biblischem Logos und Vernunftlogos“ (Seckler 2000: 143) wird freilich zunehmend als prekär empfunden und von den Reformatoren (Reformation) des 16. Jh. grundlegend problematisiert. Martin Luther wendet sich gegen die theologia gloriae der Spekulation und lässt allein die theologia crucis gelten. Sie sagt „id quod res est“ (WA 1: 362), ist theologia practica (WA TR Bd. 1: 72), denn „vivendo, immo moriendo et damnando fit theologus“ – durch die Erfahrung, als Sünder gerechtfertigt zu sein –, „non intelligendo, legendo aut speculando“ (WA 5: 163). In diese Erfahrung aber führt die Heilige Schrift ein, auf die eine theologia crucis sich gründet. Diese Bindung an die Selbst-Erfahrung des gerechtfertigten Sünders führt mit der „Wiederentdeckung“ von M. Luthers Rechtfertigungs-T. im 19. Jh. zur Ausbildung eines T.-Konzepts, das sich auf die stringente Auslegung gläubiger Selbsterfahrung konzentriert (Friedrich Schleiermacher, Sören Kierkegaard, Wilhelm Herrmann) und sich gegen die Tradition einer metaphysiknahen spekulativen T. wendet, die sich seit der „Hellenisierung des Christentums“ im 2. Jh. christlich durchgesetzt und den Sinn des biblischen Glaubens durchgreifend alteriert habe (Adolf von Harnack). Die katholische T. blieb weithin einem Selbstverständnis verpflichtet, das die „metaphysischen Verpflichtungen“ des T.-Treibens soweit als möglich einlösen wollte und so etwa heute gegen einen strikten Naturalismus die Möglichkeit theologischer Rede zu verteidigen sucht. Andere, durchaus auch „metaphysische“ Herausforderungen brachte der Historismus des 19. Jh. mit sich, der die biblischen Überlieferungen nicht von der historischen Kritik ausnahm und sie als historische Phänomene in einen umfassenden Wechselwirkungszusammenhang geschichtlicher Entwicklungen einordnete, sie historisierte (Ernst Troeltsch). Hier galt es zu klären, wie der unbedingte Geltungsanspruch des christlichen Dogmas angesichts der Erklärungen, die man für das Aufkommen bestimmter religiöser Selbstverständnisse anführen konnte, aufrechtzuerhalten war. Wie sollte man noch rechtfertigen können, dass man in historisch relativen, mehr oder weniger gut erklärbaren Phänomenen ein göttliches Wirken in der Geschichte gegeben sah? Hatte man es nicht mit einer Kirchen-Ideologie zu tun, die das Dogma historisch sicherstellen und so gegen alle Rückfragen immunisieren wollte? Diese Form der Ideologiekritik zwang die T. zu einer hermeneutischen Selbstreflexion, welche die historische Genese des Glaubensbewusstseins nicht mehr als vorrangigen Geltungsgrund in Anspruch nahm, es aber als durchaus möglich erscheinen ließ, religiöse Geltungsansprüche mit geschichtlichen Gegebenheiten zu verbinden. Im 20. Jh. wurde immer deutlicher sichtbar, dass nur mit einem überzeugenden Eingehen auf die genannten kritischen Anfragen die Möglichkeit gegeben blieb, T. als eine Wissenschaft im Kontext der universitas litterarum anzusehen und weiterhin mit öffentlicher Anerkennung wie im Gespräch mit den anderen Wissenschaften an den Universitäten zu betreiben. Die Kehrseite der Medaille war freilich unübersehbar: Wo die T. ihren kirchlichen und gesellschaftlichen Auftrag als Wissenschaft zu erfüllen suchte, ergaben sich – insb. im römisch-katholischen Bereich – Spannungen zu lehramtlichen Instanzen, denen die kritische Relecture kirchlicher Lehrbestände zu weit ging, zu der die T. sich von den Herausforderungen der anderen Wissenschaften und einer rasant sich verändernden Lebenspraxis genötigt und inspiriert sah.

5. Zum Selbstverständnis der Theologie als Wissenschaft

Die Vorbehalte gegen den Anspruch der T., eine in der Universität vertretene Wissenschaft zu sein, unterstellen, T. sei einer kirchlichen Teilnehmerperspektive verhaftet, die ergebnisoffene Forschung in der Beobachterperspektive der Wissenschaften nicht zulasse. Vorausgesetzt wird hier eine klare Bereichstrennung zwischen Teilnehmer- und Beobachterperspektive und ein Wissenschaftsverständnis, das sich dem allein in der Beobachterperspektive durchgehaltenen Deskriptions-Ideal verpflichtet und alle weiteren Interessen an den Ergebnissen der Forschung strikt neutralisiert, sodass allenfalls eine wertfrei vergleichende Religionswissenschaft wissenschaftlichen Standards genügt. Gegenüber dieser Deskriptions-Idealisierung von Wissenschaft, die neben der T. auch andere Universitätsdisziplinen von vornherein ausschließen würde, wird in der wissenschaftstheoretischen Diskussion gegenwärtig eher eine Intersubjektivitäts-Idealisierung vertreten, die an der möglichst weitgehenden Nachvollziehbarkeit möglichst starker Argumente für oder gegen den jeweils erhobenen Geltungsanspruch orientiert ist. Wissenschaften haben danach die Aufgabe, problematisch gewordene Handlungsgewissheiten als Hypothesen zur Diskussion zu stellen und mit möglichst validen Argumenten zu klären, ob ihnen weiterhin Wahrheitsgeltung (Wahrheit) zugesprochen werden darf oder ob sie zurückzuweisen sind bzw. welche Modifikationen oder Transformationen erforderlich sind, damit ihnen weiterhin Geltung zuerkannt werden kann. Die Perspektive derer, die einen Geltungsanspruch vollziehen, wird nicht prinzipiell ausgeschlossen. Sie soll im wissenschaftlichen Diskurs vielmehr so weit als möglich durchlässig gemacht werden für alle sachlich relevanten Argumente, die für oder gegen einen Geltungsanspruch oder aber dafür sprechen, ihn in bestimmter Weise zu modifizieren. Christliche T.n können sich diesem Wissenschaftsideal verpflichtet wissen, haben freilich zu erläutern, wie ihre Rückbindung an die Identität des christlichen Glaubens, die sie konkret an eine kirchliche Lehrautorität (Autorität) bindet, mit der Ergebnisoffenheit ihres Forschungsprozesses vereinbar sein kann.

6. Die Kirchlichkeit der Theologie

T. reflektiert Sinn und Bedeutung des christlichen Glaubens, wie er in den Kirchen geglaubt und gelebt wird. Den Kirchen obliegt es, nach den in ihnen jeweils anders geordneten institutionellen Zuständigkeiten die Gewähr für die Christlichkeit des in ihnen Geglaubten zu übernehmen. Das geschieht durch Bekenntnisse und lehramtliche Entscheidungen, denen in der römisch-katholischen Kirche (Katholische Kirche) je nach Verbindlichkeitsstufe Glaubens-Normativität oder sogar „Unverirrlichkeit“ (Infallibilitas) zugesprochen wird (vgl. DH 3065–3075). Kirchliche Lehrinstanzen haben generell die Aufgabe, die Identität des Christlichen im Prozess der Überlieferung und in den je neu zu wagenden Inkulturationen biblisch-christlichen Glaubens zu wahren, ohne Glaubens- und Lehrentwicklungen zu verhindern, die es überhaupt erst möglich machen, dass christlicher Glaube sich immer wieder neu inkulturiert. Der T. kommt es zu, die geschichtlich-kulturellen Herausforderungen des Glaubens so aufzunehmen, dass seine christliche Identität wie seine Lebens-Relevanz gleichermaßen gewahrt bleiben. Die Ergebnisoffenheit ihres Forschens liegt darin, dass sie diese Identität-Relevanz-Spannung immer wieder neu austragen und es darauf ankommen lassen müssen, wie sich das Glaubensverständnis – auch durch ihre eigene Arbeit an der Erschließung der Glaubenszeugnisse – in den nicht antizipierbaren gesellschaftlich-kulturellen Herausforderungen erneuert. Die kirchliche Lehrverkündigung ist für die T. norma proxima – Norm für die Identität des Christlichen in katholischer Überlieferung –, die sie als nächstliegende aufzunehmen und zu beachten hat. Sie bezieht diese auf die norma remota, das zwar weiter „entfernte“, aber letztverbindlich in der Heiligen Schrift niedergelegte Zeugnis für Gottes Selbstoffenbarung, wie auf die Herausforderungen, in denen christlicher Glaube sich heute vorfindet, die „Zeichen der Zeit“ (GS 4, 11). Dem kirchlichen Lehramt steht nach römisch-katholischer Überzeugung das Recht zu, theologische Lehren zu zensurieren, die diese komplexe Aufgabe offensichtlich verfehlen und so die Identität des Christlichen in katholischer Überlieferung nicht wahren. Sein Urteil kann zum Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis (Nihil obstat) führen, ohne die eine Lehrtätigkeit in T. an wissenschaftlichen Hochschulen nicht möglich ist.

7. Die Binnengliederung der Theologie

T. will zu einem besseren Verstehen der biblischen Texte als Glaubenszeugnisse beitragen und die kirchliche Überlieferung dafür als Lese- und Auslegungshilfe in Anspruch nehmen, damit christliches Zeugnis heute möglich wird und vernünftig gerechtfertigt werden kann:

a) indem sie diese historisch-kritisch als Texte ihrer jeweiligen Zeit zu lesen und den Sinn ihrer Interventionen und Stellungnahmen im biblischen wie im christlichen Zeugniszusammenhang mit einer Vielfalt von Methoden (literaturwissenschaftlich, rhetorisch, sozialgeschichtlich, psychologisch) zu erhellen sucht (Exegese und biblische T.);

b) indem sie die Übersetzungsgeschichte der biblischen Zeugnisse daraufhin analysiert, ob, wo und inwiefern das Christliche darin erkennbar bleibt, welche typischen Ausformungen die Bezeugungen des Christlichen dabei jeweils gefunden haben oder welche Interessen und Entwicklungen dazu führten, dass es bis zur Unkenntlichkeit verzeichnet wurde (historische T.);

c) indem sie die Texte der Bibel als Bezeugungen eines Handelns Gottes an und durch Menschen liest, in dem Gott sich der Gemeinschaft der Glaubenden zu erkennen gibt und selbst mitteilt; indem sie die normativen Texte der Glaubensüberlieferung so als „Lesehilfen“ für diesen Glaubens-Sinn der biblischen Zeugnisse aufschließt (systematische T./Dogmatik);

d) indem sie die Zeugnisse der Bibel und der Glaubensüberlieferungen in Auseinandersetzung mit den religionskritischen Hermeneutiken des Verdachts als verheißungsvolle Herausforderung zu einem Leben in Fülle lesbar macht und die darin liegenden Weisungen für ein wahrhaft menschliches Leben hier und heute formuliert (systematische T./Fundamental-T. und theologische Ethik);

e) indem sie im Zusammenwirken mit humanwissenschaftlicher Forschung lebensweltliche (Lebenswelt), auch kirchliche Bedingungen analysiert, die das Verstehenkönnen der Zeugnisse fördern oder ihm im Weg stehen, und daraufhin Handlungsanweisungen formuliert, die es zu einem besseren Verstehenkönnen der Zeugnisse kommen lassen (praktische T.).

Die Aufgabe der T. ist nur interdisziplinär zu bewältigen. Dabei ist mehr denn je dafür Sorge zu tragen, dass die Einheit der T. in der Vielfalt ihrer Methoden gewahrt bleibt und im konkreten Zusammenwirken zur Geltung kommt.

8. Wege der Theologie heute

Diese hermeneutische Orientierung der T. in der zweiten Hälfte des 20. Jh. wird zunehmend kritisch kommentiert bzw. modifiziert von kontextsensiblen T.n, die sich der Herausforderung stellen wollen, die weithin unbegriffene Dominanz entfremdender Kontexte über das theologische Sprechen aufzubrechen und so zu einer befreienden Gottesrede zu kommen (u. a. neue politische Theologie, Theologie der Befreiung, feministische Theologie). Als Pendant zur hermeneutischen Wende ist in der katholischen T. seit Karl Rahner vielfach eine transzendentale Wende der T. vollzogen worden, um erstphilosophisch die Bedingungen zu ermitteln, die gegeben sein müssen, wenn überhaupt theologisch von Gott, von Erlösung usw. gesprochen und dafür Wahrheitsgeltung in Anspruch genommen werden soll. Analytisch orientierte T. vollzieht diese Reflexion eher im Anschluss an angelsächsische analytische bzw. sprachphilosophische Ansätze (Analytische Philosophie; Sprachphilosophie). Komparative T. verfolgt theologische Fragestellungen in interreligiöser Kooperation (Interreligiöser Dialog), um herauszuarbeiten, welche unterschiedlichen oder auch vergleichbaren Lösungswege in den unterschiedlichen Religionen und T.n verfolgt wurden bzw. gesucht werden. Die skizzierte „Diversifizierung“ der T. erfordert mit bes.r Dringlichkeit eine theologische Kultur des Gesprächs zwischen den verschiedenen „Schulen“.