Suizid: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 14. November 2022, 06:00 Uhr

  1. I. Ethisch
  2. II. Rechtlich

I. Ethisch

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In der Geschichte der Ethik lassen sich hinsichtlich der moralischen Bewertung des S.s drei Positionen unterscheiden. Die Hauptströmung der europäischen Philosophie folgt Platon, der das Leben mit einem Wachposten vergleicht, den man nicht eigenmächtig verlassen darf. Der plantonische Sokrates gibt dieser Metapher eine religiöse Färbung, indem er aus ihr die Konsequenz ableitet, dass „man nicht eher sich selbst töten dürfe, als bis der Gott irgendeine Notwendigkeit dazu verfügt hat“ (Platon: Phaidon 62c). Thomas von Aquin fasst die Argumente der Tradition gegen den S. zu einer dreifachen Begründung dafür zusammen, warum die Selbsttötung ganz und gar unerlaubt (omnino illicitum) sei: Er führt ein individualethisches, ein sozialethisches und ein religiöses Argument gegen den S. an, das diesen von den Grundrelationen her beurteilt, in denen der Mensch zu sich selbst, zu den anderen und zu Gott lebt. Der S. widerspricht daher der moralisch gebotenen Selbstliebe und der aus ihr abgeleiteten Verpflichtung zur Selbsterhaltung. Zudem stellt er ein Unrecht gegen die Gemeinschaft in ihren unterschiedlichen Formen (Familie, Staat) dar, die durch den S. verletzt wird. Der dritte Einwand verweist auf die einflussreiche religiöse Metapher, die das Leben als ein dem Menschen von Gott gewährtes Geschenk deutet, über das er nicht selbst verfügen darf. Im Anschluss an Dtn 32,39 („Ich bin es, der tötet und lebendig macht.“) wird der S. als Eingriff in das Hoheitsrecht Gottes und als Revolte gegen den Schöpfer betrachtet (STh II, 64,5). Immanuel Kant reformuliert die These von der moralisch gebotenen Selbsterhaltung in einem freiheitstheoretischen und transzendentallogischen Sinn: Wer sich selbst tötet, vernichtet das „Subjekt der Sittlichkeit in seiner eigenen Person“, was gleichbedeutend damit ist, „die Sittlichkeit selbst ihrer Existenz nach aus der Welt [zu] vertilgen, welche doch Zweck an sich selber ist“ (Kant 1914: 423).

Im 20. Jh. begründet Albert Camus seine Ablehnung des S.s von dem Grundgedanken seiner existenzialistischen Philosophie (Existenzphilosophie) her: In einer sinnlosen Welt ist das Leben der einzige verbleibende Wert, dessen Negation den endgültigen Sieg des Absurden über die Menschlichkeit bedeuten würde. Der Mensch in der Revolte muss leben, um sich gegen das Dasein auflehnen zu können. Der S. vernichtet die Freiheit, aus der sich die Revolte gegen die Absurdität des Daseins speist. Reinhold Schneider erneuert die klassischen Argumente gegen den S. „Der Selbstmord – scheinbar das persönlichste, nur gegen das Ich gerichtete Vergehen – ist in Wahrheit nicht auf das Subjekt beschränkt. Alles Leben ist eins; der sein eigenes Leben nicht achtet, verletzt das Leben überhaupt und empört sich gegen Den, der alles Leben gegeben hat“ (Schneider 2003: 185).

Die Seitenlinie der europäischen Philosophie, die den S. als höchste Tat der Freiheit betrachtet, geht bis auf die Stoa zurück. In der Neuzeit formuliert David Hume die wichtigsten Argumente zugunsten einer moralischen Erlaubtheit des S.s, indem er diese der dreifachen Begründung des Thomas entgegensetzt. Bei manchen Menschen ist der natürliche Selbsterhaltungstrieb zu schwach, um sie vom S. abzuhalten. Ebenso rechtfertigen Menschen in elenden Verhältnissen den S. gegenüber der Gesellschaft, weil sie dieser nicht länger zur Last fallen wollen. Schließlich muss der S. auch in religiöser Hinsicht als erlaubt gelten, weil Gott dem Menschen die Fähigkeit dazu verliehen hat. Alle drei Gegeneinwände verkennen die normative Struktur der thomanischen Argumentation und verfallen ihrerseits einem naturalistischen Fehlschluss. Beim Schluss von der physischen Möglichkeit auf die moralische Erlaubtheit des S.s ist dies klar erkennbar. Wenn die bloße Fähigkeit, eine Handlung zu vollziehen, bereits die moralische Befugnis zu ihr gewährt, lassen sich erlaubte und verbotene Handlungen in moralischer Hinsicht nicht mehr unterscheiden, da ja auch die Fähigkeit zum Diebstahl, zum Mord oder zur Lüge den Menschen von Gott verliehen wurde.

Im 20. Jh. begründen die Befürworter der Freiheit zum S. ihren Standpunkt durch den Rekurs auf die Freiheit, die im S. ihre höchste und letzte Artikulation finde. Folgerichtig sehen sie nicht im Leben, sondern in der Freiheit den einzigen unbedingten Wert. Den transzendental-philosophischen Einwand, im S. vernichte die Freiheit sich selbst, da das Leben als das schlechthin fundamentale Gut zu den indispensablen Vorbedingungen der Freiheit gehöre, weisen sie mit dem Argument zurück, der Entschluss zum S. sei eine Freiheitsentscheidung wie jede andere, die sich nur dadurch auszeichne, dass sie das eigene Leben beenden möchte. In diesem Sinn postuliert Jean Améry die „Freiheit zum Freitod“, die er als ein „unveräußerliches Menschenrecht“ (Améry 1976: 68) und als ein Privileg des Menschen ansieht.

Eine Mittelposition zwischen einem ausnahmslosen Verbot des S.s und seiner grundsätzlichen Erlaubtheit vertreten im 20. Jh. Philosophen wie Karl Jaspers und Wilhelm Kamlah oder auch der Theologe Karl Barth. Sie behaupten kein positives Recht (Rechtspositivismus) zum S., den K. Barth als gegen Gottes Gebot gerichtet grundsätzlich ablehnt, betrachten den S. jedoch als einen Grenzfall eigenverantwortlichen Handelns (Verantwortung), das in Ausnahmesituationen zulässig sein kann. Die These von der Freiheit des Menschen zum S. wird heute auch in der protestantischen (Friedrich Wilhelm Graf) und katholischen Theologie (Hans Küng/Magnus Striet) gelegentlich vertreten. In der gegenwärtigen Moraltheologie wird der S. im Allgemeinen missbilligt, jedoch in Ausnahmefällen, in denen er zum Schutz gleichrangiger personaler Werte erfolgt (z. B. um der Gefahr zu entgehen, andere durch Geheimnisverrat zu verraten), als zulässig erachtet.

Auch die Position, die den S. als gegen das eigene Leben gerichtete Handlung missbilligt, verbindet mit diesem normativen Verbot keine Bewertung des konkreten Handelns eines einzelnen Menschen. V. a. enthält das normative Urteil über die Missbilligung des S.s keine Aussage über die Zurechenbarkeit eines S.s oder die eventuelle moralische Schuld eines Menschen, der S. begeht. Die Erkenntnis der empirischen S.-Forschung, nach der jedem S. eine suizidale Entwicklung vorangeht (präsuizidales Syndrom), die von einer psychischen Einengung des Wahrnehmungsfeldes, von Einsamkeit und einer depressiven Eintrübung der Stimmungslage sowie am Ende auch von Todesphantasien und einer Aggressionsumkehr gegen das eigene Ich begleitet ist, richtet hier für jede normative Bewertung des einzelnen S.s eine Grenze auf. Weil moralische Schuld ein Mindestmaß an Freiheit und Zurechenbarkeit voraussetzt, das im Verlauf einer präsuizidalen Erkrankung in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle verloren geht, muss das Urteil über die moralische Schuld, die ein Suizidant auf sich lädt, Gott überlassen bleiben. Die posthume Ächtung eines durch S. Verstorbenen ist daher mit dem christlichen Gebot der Barmherzigkeit und der Rücksichtnahme auf menschliche Schwäche unvereinbar. Als Folge der Rezeption dieser Einsichten hat die frühere Praxis einer Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses (Bestattung) keine Grundlage mehr.

II. Rechtlich

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Nach deutschem Verfassungsrecht stellt sich der freiverantwortlich gefasste Entschluss, durch eigenhändige Tötung aus dem Leben zu scheiden, und der Vollzug dieses Entschlusses als eine – wegen ihrer Irreversibilität definitiv letzte, äußerste – Ausübung der grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Dem steht auch nicht das Grundrecht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG entgegen, weil sich diesem kein Verbot des S.s entnehmen lässt. Der Einzelne kann sich für seine Person auf den Standpunkt stellen, dass sein Leben für ihn nicht das höchste Gut ist, sondern etwas, das ihm nichts mehr wert erscheint und dass er deshalb aufgeben will.

Die Inanspruchnahme einer grundrechtlichen Selbstbestimmungsfreiheit setzt Selbstbestimmungsfähigkeit voraus. Bilanz-S.e nach rationaler Abwägung der Lebensumstände sind selten. Nicht jeder krankhafte Zustand schließt bereits die Bildung eines freien Willens zum S. im rechtlichen Sinn aus. Zu unterscheiden ist zwischen an sich krankhaften Willensentschlüssen einerseits und auf Grund von Krankheit gebildeten Willensentschlüssen, die sich gegenüber den ersteren durch bilanzierende Momente auszeichnen, andererseits.

An die Freiwilligkeit sind mit Blick auf die Irreversibilität eines S.s hohe Anforderungen zu stellen. Die Grundrechte schützen grundsätzlich immer auch die Möglichkeit einer Selbstkorrektur; sie halten prospektiv den Raum für eine spätere, anders gerichtete Ausübung der Freiheitsrechte offen. Daran fehlt es bei der finalen Entscheidung des Grundrechtsträgers, seine vitale Freiheitsbasis zu zerstören.

Tatsächliche äußere wie empfundene innere Zwänge schränken die dem Einzelnen zur Wahl stehenden Handlungsoptionen stets mehr oder weniger ein. Auch die in vermeintlich aussichtsloser Lage vorgenommene Verzweiflungstat ist aber grundsätzlich eine im rechtlichen Sinne „freie“ Entscheidung, es sei denn die handlungsbestimmende Motivation geht von Dritten aus. An grundrechtlich prima facie geschützter Freiheitsausübung fehlt es nur bei ganz erheblicher Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit, also dann, wenn der Kranke entweder die Tragweite seiner Entscheidungen nicht mehr zu erkennen oder aber infolge der Krankheit sein Verhalten nicht mehr gemäß seiner Erkenntnis zu steuern vermag und deshalb für sein Tun, wenn es sich gegen andere richtete, nicht verantwortlich gemacht werden könnte (§§ 20, 21 StGB).

Der S. beeinträchtigt weder Rechte Dritter noch berechtigte Gemeinschaftsbelange. Er ließe sich nur dann als Unrecht (und nicht bloß als Unglück) begreifen, wenn der Einzelne eine Rechtspflicht zum Weiterleben hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Rechtsordnung nimmt den Menschen in die Pflicht, solange er lebt. Sie verpflichtet ihn aber nicht (weiter) zu leben, weder im Hinblick auf die staatliche Gemeinschaft, der er angehört, noch im Hinblick auf Dritte, denen er familiär verbunden ist.

Gegenüber kranken Menschen sind aber auch fürsorgerische Eingriffe zu ihrem Schutz vor selbstschädigenden Handlungen gerechtfertigt. Auch wenn ihre Krankheit sie noch nicht ihrer Freiheitsfähigkeit verlustig gehen lässt, so ist ihre innere Freiheit doch aufgrund ihrer Erkrankung nicht unerheblich eingeschränkt.

Lässt sich nicht ausschließen, dass der Entschluss zum S. auf einer die innere Freiheit des Sterbewilligen erheblich einschränkenden Depression beruht, darf, ja muss der Staat durch polizeirechtliches Einschreiten verhindern, dass sich jemand selbst zu töten versucht. Da die Entscheidung zum S. krankheitsbedingt als Verzweiflungstat in einer Situation vermeintlicher Ausweg- und Alternativlosigkeit getroffen worden ist, muss der Staat in Erfüllung der ihn für jedes einzelne menschliche Leben treffenden Schutzpflicht Schutzmaßnahmen mit dem Ziel ergreifen, der psychischen Notlage, in der sich der zur Selbsttötung Entschlossene befindet, abzuhelfen. Aus dem gleichen Grund trifft jeden eine strafbewehrte Pflicht zur Hilfeleistung bei einem als Unglücksfall zu qualifizierenden S.-Versuch gemäß § 323c StGB (str.).

Der S.(-Versuch) ist in Deutschland (seit dem RStGB von 1871) nicht (mehr) strafbar. In England und Wales war er lange Zeit strafbewehrtes Unrecht; dies änderte erst der „Suicide Act“ von 1961.

Die EMRK garantiert das Recht des Einzelnen, selbst zu entscheiden, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt das eigene Leben enden soll. Dies ist integraler Bestandteil des Rechts auf Achtung des privaten Lebens i. S. d. Art. 8 Abs. 1 EMRK, vorausgesetzt, er ist in der Lage, seinen eigenen Willen frei zu bilden und entspr. zu handeln.

Im Laufe der Kirchenrechtsgeschichte setzte sich im Christentum das Selbsttötungsverbot durch und führte bis ins 20. Jh. zur Versagung des kirchlichen Begräbnisses (Bestattung), noch nach dem CIC von 1917 (can. 1241) für Suizidenten, wenn vor dem Tod keine Reue sichtbar war und sie sich in zurechenbarer Weise selbst getötet hatten.

Mit dem W…unsch nach Hilfeleistung bei einem geplanten S. verlässt der S.-Willige die Sphäre reiner Privatheit und macht seinen Sterbenswunsch auch zu einem Anliegen Dritter. Soll der S. mit Hilfe Dritter verwirklicht werden, steht nicht nur der Schutz individuellen menschlichen Lebens vor zerstörerischen Einwirkungen des Rechtsgutträgers selbst, sondern auch dessen Schutz vor Handlungen Dritter in Rede. Auch der S.-Helfer wirkt an der Zerstörung des Lebens eines – aus seiner Sicht – anderen mit, auch wenn sein Tatbeitrag geringeres Gewicht hat als die auf W…unsch des Getöteten erfolgte täterschaftliche Fremdtötung (§ 216 StGB).

Wer S.-Hilfe leisten will, kann sich dafür zwar, je nachdem in welchem Kontext er agiert und in welchem Verhältnis er zum Suizidenten steht, prima facie auf verschiedene grundrechtliche Freiheiten berufen; aber die „Freiheit zur S.-Hilfe“ kann eingeschränkt oder durch ein Verbot ganz aufgehoben werden. Legitimierender Grund dafür ist insb. der Schutz der freien Willensbestimmung (Autonomieschutz), akzessorisch dazu auch der Schutz des Lebensrechts des potentiellen Suizidenten (Integritätsschutz). Die Entscheidung für den S. ist nur dann staatlicherseits als Akt individueller Selbstbestimmung unbedingt zu respektieren, wenn sie nicht auf einer krankhaften Störung wie einer Depression beruht und wenn sie nicht durch fremde äußere Einflüsse maßgeblich bestimmt worden ist, was kaum verlässlich verifizierbar ist.

Eine Einschränkung oder ein Verbot der S.-Hilfe lässt sich auch mit der staatlicherseits zu gewährleistenden allg.en Achtung vor dem Leben begründen, die durch die S.-Hilfe einer abstrakten Gefährdung ausgesetzt wird. Zudem liegt in der S.-Hilfe eine Missachtung des in der Menschenwürde gründenden Eigenwerts jedes menschlichen Lebens ungeachtet der Selbsteinschätzung dieses Lebens durch den Rechtsgutsträger selbst.

Nach Auffassung des BVerfG schützt das allg.e Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) die Freiheit, sich das Leben zu nehmen und hierfür auch die angebotene Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 –, LS. 1). Zwar ist diese Freiheit grundsätzlich beschränkbar. Der Gesetzgeber darf konkret drohenden Gefahren für die persönliche Autonomie von Seiten Dritter entgegenwirken und auch das Ziel verfolgen zu verhindern, dass sich der assistierte S. in der Gesellschaft als normale Form der Lebensbeendigung durchsetzt, weil und soweit davon ein Druck in Richtung Selbsttötung ausgehen kann. Jenseits dessen aber soll die Entscheidung des Einzelnen, entspr. seinem Verständnis von der Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz, dem Leben ein Ende zu setzen, als Akt autonomer Selbstbestimmung und Ausdruck seiner Würde unbedingt anzuerkennen sein. Die Freiheit zur Lebensbeendigung darf deshalb nicht schlechthin unmöglich gemacht werden.

Weil angesichts der die S.-Assistenz mehrheitlich ablehnenden Haltung der Ärzteschaft und entspr.er berufsrechtlicher Regelungen dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung der Selbsttötungsfreiheit verbleibe, hat das BVerfG das mit Gesetz vom 3.12.2015 (BGBl I: 2177) eingeführte strafrechtliche Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Aus der Verfassungswidrigkeit des § 217 StGB folgt nicht, dass der Gesetzgeber sich einer Regulierung der S.-Hilfe vollständig zu enthalten hat. Sein Schutzkonzept muss sich aber im Wesentlichen auf die Gewährleistung der Bedingungen tatsächlich freier Selbstbestimmung beschränken.

Das BVerfG hat die Selbsttötung zum Inbegriff einer absolut gesetzten Autonomie erhoben, die auch die Einbeziehung zur Assistenz bereiter Dritter einschließen soll. Letzteres überzeugt nicht. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme professioneller S.-Assistenz erweitert die Handlungsoptionen des S.-Willigen; sie gehört aber nicht zu dem unbeschränkbaren Kernbereich einer aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Freiheit zum S., die unter allen Umständen erhalten bleiben muss. Kern jeder grundrechtlich geschützten Individualfreiheit ist es allein, dass der Freiheitsberechtigte selbst sie für sich in Anspruch nehmen und ohne unüberwindliches rechtliches Hindernis mit Eigenmitteln ausüben kann; andere Realisierungsmöglichkeiten sind in dieser Mindestgarantie nicht eingeschlossen, schon gar nicht Rahmenbedingungen, die die Freiheitsausübung erleichtern. Der Staat hat zwar die eigenverantwortlich getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben ein Ende zu setzen, als Akt der Selbstbestimmung zu respektieren, aber er ist nicht verpflichtet, verlässliche Möglichkeiten zu ihrer Umsetzung in Gestalt von professionellen S.-Hilfsangeboten zuzulassen.