Sprachphilosophie

Die S. wurde durch Friedrich Ludwig Gottlob Frege zur Grunddisziplin der Philosophie und ersetzte die seit René Descartes vorherrschende Erkenntnistheorie, bis sie selbst in jüngerer Zeit durch die Philosophie des Geistes als führende Disziplin abgelöst wurde. Der Satz Ludwig Wittgensteins „Alle Philosophie ist ‚Sprachkritik‘“ (Wittgenstein 1921: 4.0031) bringt die Bedeutung der S. prägnant zum Ausdruck. Es geht in der S. um das sprachlich vermittelte Verhältnis zum Denken und zur Wirklichkeit. Es sollen die Bedingungen, unter denen Aussagen wahr und verstehbar sind, geklärt werden. Das, was ist (Ontologie), und die Begriffe, mit denen wir erkennen (Erkenntnistheorie), gehören in sprachlicher Form zu diesen Bedingungen. Mit ihrer Klärung soll das Erkennen und Wissen, aber auch die Kommunikation gesichert werden. In Antike und Mittelalter wurden dazu bereits Instrumente entwickelt (Signifikationstheorie, Prädikationstheorie). Die Analytische S. setzt diese Tradition fort (Analytische Philosophie).

Die Sprach-Abhängigkeit des Denkens und Erkennens ist seit der Antike ein Thema der Philosophie. Ideen, Prädikate (das Eine, das Seiende, das Wahre), Kategorien (Qualität, Quantität, Ursache) und die Gesetzmäßigkeiten des Argumentierens (Syllogismus) galten als die universalen Instrumente, die in den Natursprachen für die Erkenntnis und Wissensbildung verwendet werden. Platon nahm im Dialog „Kratylos“ an, dass diesem Prozess eine geistige Sprache zugrunde liegt, eine Auffassung, die auch zeitgenössische Philosophen vertreten. Sie deuten die geistige Sprache allerdings psychologisch und die Logik als die eigentliche Grammatik des Denkens und Sprechens. Im Anschluss an Avram Noam Chomskys Syntax-Theorie sprechen die Vertreter einer mentalen Sprache von der syntaktischen und semantischen Realität (Tiefenstruktur), die den Natursprachen (Deutsch, Englisch etc.) zugrunde liegt (Jerry Alan Fodor, Jerrold Jacob Katz). Eine ebenfalls psychologische Variante der geistigen Sprache deutet das Meinen und Beabsichtigen (sog.er Intentionalismus) als konstitutiv für die Bedeutungen der sprachlichen Äußerungen (Herbert Paul Grice). Der sprachlichen Verständigung liegen danach nicht-natürliche Bedeutungen zugrunde, die im Meinen zum Ausdruck kommen. Es bleibt dabei offen, inwieweit das Meinen selbst die sprachlichen Mittel und deren konventionale Bedeutung voraussetzt oder dieser Bedeutung zugrunde liegt.

Die aristotelische Tradition in Antike und Mittelalter unterlegt der Wahrnehmung geistige Abbilder (phantasmata) der äußeren Gegenstände. Auf diese Abbilder und nicht auf die Gegenstände beziehen sich die sprachlichen Zeichen. Wilhelm von Ockham u. a. sog.e Nominalisten lehnen diese Ähnlichkeitsbeziehung ab, beziehen die Zeichen direkt auf die Gegenstände und machen sie damit zu den Trägern der Bedeutung. Jedes sprachliche Zeichen steht direkt für das Bezeichnete. Diese direkte Beziehung zwischen Zeichen und Ding (Referenz) ergänzt zunächst die Auffassung der geistigen Sprache, macht sich in der modernen formalen Semantik (Alfred Tarski, Donald Davidson) aber selbständig. Die wahre Übereinstimmung zwischen Zeichen und Ding wird als eine Funktion verstanden, die mit logisch-syntaktischen Mitteln zwischen Sätzen der natürlichen Sprache und Sätzen der sie definierenden Meta-Sprache hergestellt wird. Jeder Satz der Sprache (Objekt-Sprache), der Gegenstand der Meta-Sprache ist, erhält so eine Definition seiner Wahrheit. Diese Referenztheorie der Bedeutung deutet die Sprachabhängigkeit des Denkens als Abhängigkeit von sprachlich manifesten logischen Strukturen. Es kann nicht mehr und anderes sinnvoll gedacht werden, als das, was diese Strukturen erlauben.

Die erste radikale Fassung dieser Abhängigkeit formuliert L. Wittgenstein im „Tractatus logico-philosophicus“ (1921). Sätze bilden danach die logische Struktur der Welt ab. In den „Philosophischen Untersuchungen“ (1953) kritisiert L. Wittgenstein diese referenztheoretische Auffassung der S. als einseitig. Die Bedeutung von Worten und Sätzen ist von ihrem Gebrauch in der Praxis des Sprechens abhängig. Die Philosophie der Normalen Sprache (John Langshaw Austin) sieht ebenfalls im Gebrauch die Grundlage sprachlicher Bedeutungen und versteht das Sprechen als sprachliches Handeln. Mit der wörtlichen (lokutionären) Bedeutung wird etwas getan (illokutionär) und erreicht (perlokutionär). Diese Bedeutungsebenen bilden insgesamt das, was Sprache bedeutet (Sprechakttheorie).

Charakteristisch für die Entwicklung der S. ist ihre disziplinäre, methodische Aufspaltung. Der Bezug zu den Gegenständen (Referenztheorie, Saul Aaron Kripke) und die zuverlässige Beschreibung der Wirklichkeit (Ontologie, Willard Van Orman Quine) wird mit unterschiedlichen, teilweise konkurrierenden begrifflichen Instrumenten (Verifikationismus, wahrheitstheoretische Semantik, D. Davidson) betrieben und deutlich von Gebrauchstheorien (Pragmatik) der Bedeutung getrennt. Diesen Theorien stehen die metaphysischen Ansätze gegenüber, welche die Bedeutungen in möglichen Welten zum Gegenstand ihrer Analyse machen (Mögliche-Welten-Semantik, intensionale Semantik). Andere Ansätze verbinden methodische Elemente der idealen mit der normalen Sprache verhaltenstheoretisch mit Mitteln der Spieltheorie. Sprachliche Zeichen können dabei als Konventionen (David Kellogg Lewis) verstanden werden, die den Interessen und Präferenzen von Sprechern gerecht werden.

Jenseits dieser methodischen Varianten will die S. allen Ansprüchen gerecht werden, die mit der Erkenntnis der Wirklichkeit, der Bildung wahren Wissens und dem Verständnis des menschlichen Denkens verbunden sind. Dabei kann sie die kulturellen und historischen Bedingungen dieser Ansprüche nicht ignorieren. Die methodische Vielfalt und die begrifflichen Differenzen, die diesen Bemühungen zugrunde liegen, verhindern oder erschweren zumindest eine einheitliche, universale S., die allen Ansprüchen genügen kann. Jenseits von theoretischen Bemühungen mit diesem Ziel kann die S. die historisch bedingten sprachlichen Formen der sozialen und kulturellen Selbstidentifikation klären und damit der menschlichen Verständigung über die Grenzen von Kulturen hinaus dienen. In diesem Zusammenhang wird offensichtlich, dass die Sprache nicht nur ein Medium der Verständigung, sondern auch ein Instrument der Gewaltausübung (Gewalt) ist. Die Sprachkritik gewinnt im Blick auf diese Bedeutung der Sprache eine weitere, unverzichtbare Dimension.